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über die Klinik für Rinder der Tierärztlichen Hochschule Hannover

5.1 Versuchskühe und Betriebsstrukturen

Um aussagekräftige statistische Ergebnisse zu bekommen, wurde mit einer großen Anzahl von Versuchskühen gearbeitet (n=469). Die komplette Auswertung erfolgte auf Euterviertelebene, da die Mastitis des Rindes primär die Erkrankung eines Mammarkomplexes darstellt. Somit konnte die Anzahl der Versuchseinheiten knapp vervierfacht werden (n=1633). Das war aus dem Grund sehr wichtig, weil in dieser Feldstudie nur 6,8 % der Euterviertel bis 60 Tage nach der Abkalbung eine klinische Mastitis zeigten. Mit weniger Versuchstieren hätte man pro Mastitiserreger möglicherweise jeweils zu geringe Erkrankungsanzahlen zur Verfügung gehabt, um überhaupt eine Auswertung nach Mastitiserregern durchführen zu können.

Es wurden, um die regulären Bedingungen einer durchschnittlichen südniedersächsischen Herde darzustellen, alle Kühe unabhängig von Alter, Milchleistung, Rasse und Gesundheitsstatus in den Versuch einbezogen, die im Zeitraum von 1,5 Jahren trockengestellt werden sollten. Einzige Voraussetzung für den Einschluss in den Versuch war das Nichtvorhandensein einer klinischen Mastitis zum Zeitpunkt des Trockenstellens. Kühe mit Anzeichen einer Euterentzündung zum Zeitpunkt des Trockenstellens wurden aus dem Versuch ausgeschlossen.

Die 13 Versuchsbetriebe wiesen alle unterschiedliche Größen und Stalleinrichtungen auf und entsprachen den typischen, kleineren bis mittelgroßen Milchviehbetrieben Südniedersachsens mit einer Herdengröße zwischen 19 und 112 laktierenden Kühen.

130 Diskussion Die Betriebe und Herden des Feldversuches entsprachen somit dem deutschen Durchschnittsbetrieb, in denen die Präparate später auch regulär eingesetzt werden.

5.2 Beurteilung der bakteriologischen Befunde p. p. und 60 Tage p. p.

Direkt nach der Abkalbung war der Anteil der bakteriologisch positiven Viertel signifikant geringer als vor dem Trockenstellen. Zwei Monate nach der Abkalbung stiegen die Werte der erregerpositiven Viertel wieder leicht an, erreichten jedoch nicht mehr die schlechteren Werte vor dem Trockenstellen.

Ähnlich sah es bei den Mastitiskategorien aus. Direkt nach der Abkalbung sank der Anteil der Euterviertel mit einer subklinischen und unspezifischen Mastitis signifikant um rund 18 % ab und stieg 60 Tage p. p. nur leicht wieder an, während der Anteil der Euterviertel mit normaler Sekretion p. p. deutlich um über 30 % stieg und auch 60 Tage p. p. nur leicht abfiel.

Es konnte somit während der Trockenstehperiode sowohl eine Verbesserung der bakteriologischen Befunde (Verbesserung der bakteriologisch positiven Befunde um 50 % p. p. bzw. 34 % 60 Tage p. p.) als auch eine Verbesserung der Mastitiskategorien festgestellt werden. Diese Ergebnisse können durch den Einsatz der Langzeitantibiotika in der Trockenstehperiode hervorgerufen worden sein.

Verschiedene Studien bestätigen, dass der Einsatz von Langzeitantibiotika zum Trockenstellen, 40 bis 60 % der bestehenden Infektionen bis zur Abkalbung eliminiert (BROWNING et al. 1990, ERSKINE et al. 1994, SOL et al. 1994, ØSTERAS et al.

1999). Diesen Angaben stehen Selbstheilungsraten in der Trockenstehperiode von 20 bis 50 % entgegen (CRAVEN 1991; Tab. 23).

Tab. 23:Bakteriologische Heilungsraten während der Trockenstehperiode mit und ohne Antibiose Autoren Verwendeter Wirkstoff Bakteriologische Heilungsraten

behandelte Tiere unbehandelte Tiere

Smith et al. (1967) Benzathincloxacillin 82 % 9,5 %

Sinkevitch et al. (1974) Benzathincloxacillin 78 % 6,5 %

Postle und Natzke (1974)

Benzathincloxacillin 93 % 42 %

Diskussion 131 Tab. 23:Fortsetzung

Autoren Verwendeter Wirkstoff Bakteriologische Heilungsraten behandelte Tiere unbehandelte Tiere Harmon et al. (1986) Novobiocin/ Cephapirin/

Dihydrostreptomycin

100/ 100/ 94,1 % (C. bovis)

47,6 % (C. bovis) Sobiraj et al. (2000) Cloxacillin/ Oxacillin/

Auch wenn die einzelnen Werte der bakteriologischen Heilungsraten in den verschiedenen Studien sehr unterschiedlich sind, kann jedoch fast immer ein hoch signifikanter Unterschied zwischen den in der Trockenstehzeit behandelten und nicht behandelten Kühen festgestellt werden.

Ebenso bestehen starke Unterschiede in Hinsicht auf die bakteriologischen Neuinfektionsraten während der Trockenstehperiode (Tab. 24).

Tab. 24: Bakteriologische Neuinfektionsraten während der Trockenstehperiode mit und ohne Antibiose

Autoren Verwendeter Wirkstoff Bakteriologische Neuinfektionsraten behandelte Tiere unbehandelte Tiere

Smith et al. (1967) Benzathincloxacillin 5,4 % 30,9 %

Sinkevitch et al. (1974) Benzathincloxacillin 1,4 % 6,5 %

Postle und Natzke (1974)

Benzathincloxacillin 6 % 12 %

Browning et al. (1990) Benzathincloxacillin 2,1 % 3,8 %

Woolford et al. (1998) Cephalonium 2,7 % 16,1 %

Berry und Hillerton (2002)

Cephalonium 4,3 % 11,8 %

Weitere Studien von Browning et al. (1990 und 1994) zeigen, dass kein signifikanter Unterschied in der Neuinfektionsrate zwischen in der Trockenstehzeit behandelten und nicht behandelten Kühen besteht, die zum Zeitpunkt des Trockenstellens in keinem Viertel einen Mastitiserreger aufwiesen. Mit einem Mastitiserreger infizierte Kühe sollten jedoch behandelt werden; und zwar nicht nur selektiv die erkrankten

132 Diskussion Viertel, sondern alle Viertel. Anhand dieser Ergebnisse ist der Einsatz von Antibiotika zur Infektionsprophylaxe in der heutigen Zeit, in der die Anwendung von Antibiotika in der Nutztierhaltung unter starker öffentlicher Kritik steht, nur schwer als generelle Maßnahme zu rechtfertigen. Vielmehr ist zu überdenken, ob generell die Milch aller trockenzustellenden Kühe bakteriologisch und zytologisch untersucht werden sollte, um dann nur die auffälligen Tiere unter Antibiotikaschutz trockenzustellen.

5.3 Beurteilung des Erregerspektrums p. p. und 60 Tage p. p.

Zu den häufigsten Erregern sowohl vor dem Trockenstellen als auch p. p. und 60 Tage p. p. gehörten die Koagulase-negativen Staphylokokken (KNS) und Corynebacterium spp. (Cor.). Während vor dem Trockenstellen und 60 Tage p. p. der Anteil der mitCorynebacterium spp. infizierten Viertel mit gut 40 % am höchsten war, sank er direkt nach der Abkalbung um rund 50 % ab. Umgekehrt verhielt es sich mit den Koagulase-negativen Staphylokokken, deren Anteil vor dem Trockenstellen und 60 Tage p. p. bei etwa 30 % lag. Direkt nach Abkalbung stieg der prozentuale Anteil der Koagulase-negativen Staphylokokken um fast 50 % an.

Der Anteil, der mit S. aureus, S. uberis, koliformen Keimen oder Enterokokken infizierten Viertel lag deutlich unter 10 %. S. dysgalactiae, A. pyogenes und die sonstigen Erreger kamen nur vereinzelt vor.

Der umgekehrt proportionale Wechsel von KNS und Cor. könnte am veränderten Eutermilieu während der Trockenstehperiode liegen (Veränderungen der Zellanteile, Laktoferrin-Konzentration, pH-Wert usw.). Auch OLIVER und MITCHELL (1983) stellten in ihrer Studie einen Anstieg der KNS-Infektionen während der Trockenstehperiode fest, während die Anzahl der mit Cor. infizierten Euterviertel sank. In ihrer Diskussion wurde auf diesen Wechsel nicht näher eingegangen.

KNS und Cor. als vorherrschende Keime sowohl vor dem Trockenstellen als auch nach der Abkalbung konnten auch von BERRY und HILLERTON (2002), HUXLEY et al. (2002), GODDEN et al. (2003) und BRADLEY et al. (2005) nachgewiesen werden. WOLTER et al. (2003) gehen davon aus, dass KNS Bestandteil der normalen Flora der Zitzenhaut sind und den Strichkanal besiedeln, ohne zwingend eine Euterentzündung zu verursachen. ROBINSON et al. (1988) fanden heraus, dass Infektionen mit „minor pathogens“ im Euterviertel klinische Infektionen mit „major

Diskussion 133 pathogens“ im selben Viertel reduzieren können. Die „minor pathogens“ scheinen in diesem Fall die „major pathogens“ zu verdrängen bzw. eine Neuinfektion zu verhindern.

5.4 Beurteilung der Erreger bei klinischen Mastitiden p. p. und 60 Tage p. p.

Die Gesamtmastitisinzidenz auf Viertelebene lag mit 111 klinisch erkrankten Euterviertel bei 6,8 %.

Etwa 31 % der klinischen Mastitiden direkt nach Abkalbung wurden durch koliforme Keime verursacht. Anschließend folgten Infektionen mit S. uberis (23 %), KNS (11

%), S. aureus (4 %) und die Mischinfektionen (4 %). S. dysgalactiae, A. pyogenes, Cor., Enterokokken und sonstige Keime kamen nur vereinzelt als Mastitiserreger direkt nach Abkalbung vor. Klinische Mastitiden ohne nachgewiesenen bakteriellen Erreger lagen zu etwa 16 % vor. Somit wurde direkt nach Abkalbung der größte Teil der klinischen Mastitiden durch umweltassoziierte Keime wie S. uberis, KNS und koliforme Keime hervorgerufen. Die kuhassoziierten Keime spielten nur eine untergeordnete Rolle.

60 Tage p. p. stellten S.-uberis-Infektionen mit knapp 20 % den größten Anteil an klinischen Mastitiden dar. Es folgten als Mastitiserreger Cor. (12 %), KNS (7 %), koliforme Keime (5 %) und Mischinfektionen (5 %). Infektionen mit A. pyogenes und Enterokokken konnten nur vereinzelt nachgewiesen werden. S. aureus, S.

dysgalactiae und sonstige Keime verursachten bis 60 Tage nach der Abkalbung keine klinischen Mastitiden in dieser Studie. Somit spielten auch 60 Tage p. p. die umweltassoziierten Mastitiserreger die größte Rolle im klinischen Mastitisgeschehen.

In den letzten 40 Jahren konnte durch verschiedene Mastitisbekämpfungsprogramme das Vorkommen der klassischen kuhassoziierten Mastitiserreger (S. aureus, S. dysgalactiae) weitgehend reduziert werden. Dadurch gewannen Umwelterreger wie E. coli und S. uberis an Bedeutung (BRADLEY u.

GREEN 2004). Das Risiko für das Entstehen einer intramammären Infektion durch umweltassoziierte Mastitiserreger ist in der Trockenstehphase sehr hoch. In diesem Zeitraum finden 60 % der Neuinfektionen mit diesen Erregern statt (GODDEN et al.

2004). Das kann dadurch erklärt werden, dass mit Steigerung der

134 Diskussion Milchmengenleistung eine Abnahme des Tonus der glatten Muskulatur im Zitzengewebe verbunden war, die zwar zu der erwünschten Zunahme des Milchflusses führte, jedoch gleichzeitig die Verschlussintensität des Zitzenkanals reduzierte (HAMANN 1996). Eine relative Weitung des Zitzenkanals stellt zwangsweise die Effektivität der hier lokalisierten Systeme zur Invasionsabwehr (Verschluss des Zitzenkanals, Absorption von Erregern, antibakterielle Effekte, Elimination durch Desquamation während des Melkens) in Frage (HAMANN u.

FUNKE 1999). In den ersten 3 Wochen der Trockenstehperiode, d. h. der mittleren Zeitspanne bis zur Bildung eines Verschlusses des Zitzenkanals in Form eines Keratinpfropfes besteht ein besonderes Risiko für Neuinfektionen mit Umwelterregern. Als infektionsbegünstigende Faktoren sind der fehlende Reinigungs- und Ausspüleffekt durch das Melken, die reduzierte Neubildung des Keratins aufgrund des Ausbleibens der mechanischen Reizsetzung durch das kollabierende Zitzengummi und die mit der Erhöhung des Euterinnendruckes durch die angestaute Milch einhergehende Dilatation des Zitzenkanals zu bezeichnen (HAMANN u. FUNKE 1999).

5.5 Beurteilung der bakteriologischen Heilungsraten während der