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B. Hauptteil

8. Versuche zur Darstellung des 6,6-Dicyclopropyl-substituiertem Fulven 24, und die

Fulvene bestehen generell aus einem ungeradzahligem Ring (n = 1,2,3…, 181), in dem alle Kohlenstoffatome eine sp2-Hybridisierung aufweisen, und einer exocyclischen Doppel-bindung. Pentafulvene (n = 2, 182) sind isomer zu Benzolderivaten, besitzen aber Eigenschaften, die zwischen denen von aromatischen und olefinischen Systemen stehen.[146]

Sie weisen mit ihrem kreuzkonjugierten Triensystem interessante chemische und physikalische Charakteristika auf. So sorgte beispielsweise das große Dipolmoment von 6,6-disubstituierten Pentafulvenen für ein großes Interesse an deren quantenmechanischen Berechnungen.[147] Die Natur der Bindung in Fulvenen kann qualitativ durch zwei mesomere Grenzstrukturen, eine kovalente und eine dipolare Struktur, verdeutlicht werden. Eine Abschätzung der Gewichtung beider Grenzstrukturen erlaubt nach OLAH ein Vergleich der chemischen Verschiebungen der C-Atome 1 und 6. Dabei weist eine große Differenz der

Signale auf eine stärkere Gewichtung der dipolaren Grenzstruktur hin und entsprechend umgekehrt.[48,148]

n = 1,2,3...

181 182

(n = 2)

1 6

2

3 4 5

Schema 92. Generelle Konstitution von Fulvenen 181 und mesomere Grenzformeln von Pentafulven 182.

Das UV-Spektrum des unsubstituierten Pentafulvens weist im Bereich von 400 bis 200 nm zwei Hauptbanden auf, die auf π→π*-Übergänge zurückzuführen sind.[149] Eine Verschiebung der Banden zu längeren Wellenlängen hin (bathochromer Effekt) zeigt ein elektronenreicheres Fulven an. Genau dies beobachtet man beim 6,6-Ethano-verbrückten, 2,3,4,5-Tetracyclopropylfulven 35.[36a]

HOMO

• •

LUMO

Abbildung 26. Qualitative Verdeutlichung der AO-Koeffizienten des HOMO und des LUMO von unsubstituiertem Pentafulven 182.

Anhand der AO-Koeffizienten des HOMO und des LUMO von Fulvenen lässt sich deren beobachtete Reaktivität treffend erläutern. So wechselwirken Nucleophile mit dem LUMO und sollten selektiv an C-6 angreifen, da es die größte positive Ladungsdichte aufweist. Elektrophile sollten wegen ihrer Wechselwirkung mit dem HOMO jedoch selektiv in 2- oder 5-Position angreifen, da dort an denen die größte negative Ladungsdichte lokalisiert

ist. Tatsächlich findet die Addition von Nucleophilen an Pentafulvene selektiv in Position 6 statt und liefert Cyclopentadiene wie 185.[36a] Dagegen addieren Triafulvene Nucleophile an Position 2 oder 3 und führten zu exo-Methylencyclopropanen wie 184.[150]

MeLi, THF 0 °C

35 KOtBu, THF

25 °C

184 183

aber O

185 Me

Schema 93. Regioselektive nucleophile Angriffe am Triafulven 183 und am Pentafulven 35.

Zur Synthese von Pentafulvenen geht man im Allgemeinen von den entsprechenden Cyclopentadienen aus und kondensiert sie mit Carbonylverbindungen.[151] EMME konnte zwar ausgehend vom Tetracyclopropylcyclopentadienylanion 14a durch siebentägiges Rühren mit Paraformaldehyd das Tetracyclopropylfulven 186 in 22 bis 27% Ausbeute erhalten, der Zugang zu 6,6-disubstituierten Fulvenen durch Reaktion mit Aceton oder Cyclopentanon nach LITTLE gelang auf diese Weise jedoch nicht.[37,151b] Die lange Reaktionszeit für 186 in Verbindung mit der moderaten Ausbeute der Reaktion weist deutlich auf die sterische Überfrachtung des Tetracyclopropylcyclopentadienylanions 14a hin. Dieser erklärt auch, warum die nächst höheren Homologen des Formaldehyds mit 14a keine Reaktion mehr eingehen.

186

R R

14a Li

(CH2O)n, THF 20 °C, 7 d

R = H 22-27%

R = Me oder

O O

oder

Schema 94. Synthese von 2,3,4,5-Tetracyclopropylfulven 186 und versuchte Darstellung von 6,6-Dimethyl-substituiertem und 6,6-Butano-verbrückten 2,3,4,5-Tetracyclopropylfulvenen.

Im Hinblick auf die gelungenen Synthesen der Tetracyclopropylfulvene 186 und 35 wäre eine Synthese des entsprechenden 6,6-Dicyclopropyl-substituierten Fulvens 24 von Interesse. Dieses könnte auch als Vorstufe für sein korrespondierendes Fulvenyl-Kation 187 dienen, wie sie aus 186 und 35 schon erzeugt wurden, und würden diese Reihe von Fulvenyl-Kationen abrunden.[152]

186 35 24

H

187 H

Schema 95. 2,3,4,5-Tetracyclopropylfulvene mit unterschiedlichem Substitutionsmuster an Position C-6.

Hexacyclopropylfulven 24 wäre nach den obigen Beobachtungen aller Wahrschein-lichkeit nach nun nicht durch eine simple Kondensation von 14a mit Dicyclopropylketon

zugänglich. TOLSTIKOV et al. konnten aber durch einfaches Erhitzen von Cyclopropylethin (177) mit einer katalytischen Menge Palladium(II)acetat in THF das 2,4,6-Tricyclopropylfulven 188 in sehr guter Ausbeute darstellen.[153]

177 188

Pd(OAc)2 (5 mol%) THF, 1 h, 80 °C

100%

Schema 96. Darstellung des Tricyclopropylfulvens 188 nach TOLSTIKOV.

Solche sukzessiven Carbopalladierungen von zwei Molekülen eines Acetylens mit einem Alkenylpalladiumhalogenid sind zur Herstellung von Fulvenen in moderaten bis guten Ausbeuten gut geeignet.[154] So konnten NEGISHI et al. aus 1-Brom-1-hexen (189) und 190 in 40% Ausbeute das Cyclopentan-annelierte Fulven 191 darstellen und HECK et al. gelang es, aus 3-Hexin (170) und cis-1-Brom-2-ethoxyethen (192) analog das Tetraethylfulven 193 in einer Ausbeute von 26% herzustellen.[155,154c]

Br

Schema 97. Bildung der Fulvene 191 und 193 durch sukzesssive Kupplung der Alkenylbromide 190 und 192 an die Acetylene 189 und 170.

Die darauf aufbauende retrosynthetische Überlegung war demnach, das Hexacyclopropylfulven 24 aus einem Molekül 2,2-Dicyclopropylvinylhalogenid und zwei Molekülen Dicyclopropylethin (13) zusammen zu fügen (Schema 98).

24

+

Hal 194

13 13

Schema 98. Retrosynthetische Zerlegung des Hexacyclopropylfulvens 24 in Dicyclopropyl-ethin (13) und ein Vinylhalogenid 194.

Allerdings müssen bei dieser Strategie zwei Dinge beachtet werden: zum einen würde sich die Palladiumspezies nach der syn-Insertion in die ursprüngliche vinylische Doppelbindung zu 195 in einer „doppelten“ Cyclopropylmethyl-Stellung befinden. Von einer solchen Konstellationen ausgehend wäre eine Palladium-vermittelte Cyclopropylmethyl-Homoallyl-Umlagerung[74] mit einer nicht gewünschten Dreiringöffnung zu 196 typischerweise zu erwarten. Diese stünde mit der für die Fulvenbildung nötigen β-Hydrideliminierung in Konkurrenz. Von dieser Eventualität abgesehen könnte eine solche ringöffnende Umlagerung auch schon nach jeder syn-Insertion der Palladiumspezies an Dicyclopropylethin zu 197 geschehen, was natürlich ebenfalls nicht zum gewünschten Fulven führen würde. Allerdings ist eine solche Umlagerung bisher noch nicht beobachtet worden, wenn der Palladiumrest an einem sp2-hybridisierten Zentrum steht. In diesem Fall müsste ein Allen 198 als Intermediat entstehen, dessen Bildung jedoch aufgrund einer Energiebarriere von ca. 22 kcal/mol recht unwahrscheinlich wäre.

195

PdL2X

196

PdL2X

?

PdL2X

PdL2X

197 198

?

Schema 99. Mögliche Palladium-vermittelte Cyclopropylmethyl-Homoallyl-Umlagerungen der Intermediate 196 und 198.

Da die sukzessive Carbopalladierung von zwei Molekülen Dicyclopropylethin (13) bisher nicht untersucht war, wurde die Reaktion zunächst unter „klassischen“ HECK -Bedingungen mit 1-Brom-2,2-diphenylethen (199) als Kupplungpartner getestet. Diese Modellreaktion schloss so auch die Gefahr einer Öffnung der Cyclopropanringe in 6-Position aus. Bei 80 °C wurde eine Mischung aus dem Vinylbromid 199 und zwei Äquivalenten Dicyclopropylethin zusammen mit Palladium(II)acetat als Katalysator, Triphenylphosphan und Triethylamin in Acetonitril für 24 Stunden gerührt. Nach wässriger Aufarbeitung des Reaktionsgemisches und säulenchromatographischer Reinigung des Rohproduktes an Kieselgel konnte das Fulven 206 allerdings nicht detektiert werden. Stattdessen wurde ein farbloses Öl isoliert, dessen Massenspektrum auf ein Molekül hinwies, das aus je einem Äquivalent 13 und 199 entstanden sein musste. In der Tat konnte auch ein Teil des eingesetzten Dicyclopropylethins zurückgewonnen werden. Das neue Produkt konnte anhand seiner NMR-Korrelationsspektren identifiziert werden – erstaunlicherweise handelte es sich

um das Allylidencyclobuten 200, das mit einer Ausbeute 71% entstanden war. Das gleiche Produkt wurde in 59% Ausbeute isoliert werden, wenn statt Triethylamin Kaliumcarbonat als Base verwendet wurde.

Ph Ph

Br 199 13

2 +

200

Pd(OAc)2 (5 mol%) PPh3, MeCN 24 h, 80 °C

Ph Ph

A: NEt3 (71%) B: K2CO3 (59%)

Schema 100. Überraschende Isolierung des Allylidencyclobutens 200 bei der HECK-Reaktion von Diphenylbromethen mit Dicyclopropylethin.

Die überraschende Bildung des Methylencyclobutens 200 ist insofern sehr bemerkenswert, da es doch offensichtlich am plausibelsten aus dem anfangs für unwahrscheinlich erklärten, zu 197 analogen Intermediat 201 entstanden sein muss. Offenbar ist die Energiebarriere zur Bildung einer zu 198 analogen Allenspezies 203 nicht so groß, als dass sie unter den gegebenen Bedingungen nicht überwunden werden konnte. Das Allylidencyclobutan 200 könnte durch eine 4-exo-dig Cyclisierung aus einem zu 204 analogen Intermediat 202 und anschließender β-Hydrideliminierung hervorgegangen sein.

Dem gegenüber steht allerdings, dass 4-exo-dig Cyclisierungen nach BALDWIN weniger bevorzugt auftreten. Außerdem befände sich die Palladiumspezies nach erfolgter syn-Insertion an das Allen wieder in einer zur Umlagerung (zu 205) günstigen Position zu einem Cyclopropanring, die aber nicht beobachtet wurde.

PdL2X

Schema 101. Möglicher Bildungsmechanismus für das Allylidencyclobutan 200.

Sehr wahrscheinlich ist dagegen ein Mechanismus, bei dem nach der ersten Carbopalladierung eine Cyclopropylmethyl-Homoallyl-Umlagerung stattfindet und eine Dehydropalladierung das Vinylallen 203 freisetzt, das im Anschluss daran thermisch zum detektierten Allylidencyclobutan 200 cyclisiert. Untersuchungen zur thermischen Elektroyclisierung von Vinylallenen durch DE LERA, ITO und PASTO et al. untermauern einen solchen Mechanismus.[156]

Um diese Reaktionsweise während der HECK-Reaktion eventuell zu verhindern, wurde als Base Silbercarbonat verwendet. Letzteres ist bekannt Doppelbindungs-Isomerisierungen bei Kreuzkupplungen zu unterdrücken – außerdem wird durch den Abfang von Halogenid-ionen mittels SilberHalogenid-ionen eine positiv geladene Palladiumspezies gebildet, wodurch der Verlauf der Reaktion eher elektronisch kontrolliert abläuft.[156c,157] Das dann elektrophilere Palladiumintermediat 201 könnte rascher mit einem weiteren Molekül Dicyclopropylethin reagieren, anstatt sich zu 202 umzulagern. In der Tat konnte so unter sonst unveränderten Bedingungen das erwartete Fulven 207 in geringer Ausbeute (8%)isoliert werden. Dagegen lieferte die Reaktion des Vinylbromids 206 unter analogen Bedingungen statt des

gewünschten Hexacyclopropylfulvens 24 nur große Mengen polymeren Materials und unumgesetztes Dicyclopropylethin, das Fulven 24 konnte nicht detektiert werden.

R R

Br 199 13

2 +

R = Ph, 207

Pd(OAc)2 (5 mol%) PPh3, Ag2CO3, MeCN 24 h, 80 °C

8%

Ph Ph

Br 206

R = cPr, 24

Schema 102. Bildung des Fulvens 207 nach Wechsel der Base zu Silbercarbonat.

Um die Regioselektivität der Reaktion bei Verwendung von Alkyl-substituierten Cyclopropylacetylenen auszuloten, wurde 1-Cyclopropyl-1-propin (177) mit Triethylamin als Base eingesetzt. Nach wässriger Aufarbeitung des Reaktionsgemisches und säulenchromato-graphischer Reinigung des Rohprodukts an Kieselgel konnten 209 und 210 in gleichen Anteilen (jeweils 6% Ausbeute) isoliert werden. Die Größe des Methylsubstituenten wirkt sich offensichtlich noch nicht auf eine bevorzugte Richtung der syn-Insertion der Vinylpalladiumspezies an das Acetylen 208 aus. Da eine Ethylgruppe dem sterischen Anspruch einer Cyclopropylgruppe eher gleicht, kann hier ein regioselektierender sterischer Effekt frühestens ab dem Verzweigungsgrad einer Isopropylgruppe erwartet werden.[64a]

Ph

Schema 103. Untersuchung zur Regioselektivität der HECK-Reaktion von 208 und 199.

Die Bildung von 209 kann erneut durch eine thermische Elektrocyclisierung eines zu 203 analogen Vinylallens erklärt werden. Interessant ist aber die Entstehung des 2,5-Dicyclopropyl-substituierten Regioisomers 210. Nachdem die zweite syn-Insertion der zu 201 homologen Butadienylpalladiumspezies erfolgte, muss der nachfolgende Schritt zum 5-exo-trig Ringschluss offenbar schneller erfolgen als eine mögliche Umlagerung unter Öffnung des Cyclopropanringes.

Schema 104. Bildung des Allylidencyclobutens 212 bei Einsatz von Bromstyrol 211.

Auch das Bromstyrol 211 ließ sich erfolgreich mit einem Äquivalent Dicyclopylethin zum Allylidencyclobuten 212 kuppeln, das in einer Ausbeute von 39% erhalten wurde.

Eine Palladium-vermittelte Cyclopropylmethyl-Homoallyl-Umlagerung der hier gefundenen Art, bei der ein sp2-Zentrum involviert ist, war bisher nicht bekannt. Somit stellt diese Entdeckung ein kleines Novum dar und bietet sicher noch viele Ansatzpunkte zur weiteren Erforschung. Denkt man beispielsweise an den Einsatz von

Cyclopropyl-substituierten Diinen oder von 1-Cyclopropyl-1-halogenethylenen, so ließe sich ein weit gefächertes Gebiet strukturell interessanter Oligoene erschließen. Auch der Einbau von Heteroatomen wäre bei Verwendung von Halogeniminen als Kupplungskomponente denkbar.

C. Experimenteller Teil