• Keine Ergebnisse gefunden

§ 7 Wirtschaftsrelevante Grundrechte I. Allgemeines

Zu den wirtschaftsrelevanten Grundrechten gehören neben der Eigen -tums garantie die Handels- und Gewerbefreiheit sowie das Recht auf freien Vermögenserwerb. Sie ergänzen das «System des wirtschaftlichen Grundrechtsschutzes»,167wie es in der Verfassung angelegt ist. Da sich ihre Schutzbereiche teilweise überlappen, ist es angezeigt, sie tatbe -stands mässig auseinanderzuhalten bzw. voneinander abzugrenzen.168

II. Handels- und Gewerbefreiheit169

1. Inhalt und Umfang

Die Handels und Gewerbefreiheit (Art. 36 LV) schützt nicht nur Han -del und Gewerbe im engeren Sinn, sondern jede privatwirtschaftliche Erwerbstätigkeit, gleichgültig, ob sie selbständig oder abhängig ausgeübt wird. Neben den klassischen Tätigkeitsfeldern der handwerklichen Pro -duk tion umfasst sie auch Tätigkeiten im Bereiche der industriellen

167 Diese Formulierung ist Rhinow/Schmid/Biaggini, S. 60, Rdnr. 4 entlehnt.

168 Vgl. dazu die Darstellung der «drei Teilbereiche wirtschaftlichen Handelns» in der liechtensteinischen Verfassung bei Höfling, Grundrechtsordnung, S. 161 ff.

169 Diesem Grundrecht hat Kuno Frick mit seiner Freiburger Dissertation, Die Ge -währ leistung der Handels- und Gewerbefreiheit nach Art. 36 der Verfassung des Fürs tentums Liechtenstein eine eigene Abhandlung gewidmet, so dass hier die Dar -stel lung knapp bleiben kann. Siehe auch Höfling, Handels- und Gewerbefreiheit.

Produk tion, der Urproduktion (Land- und Forstwirtschaft) sowie des ge samten Dienstleistungssektors (Gastgewerbe, Vermittlungen aller Art, Banken, Versicherung, Beratung, Unterhaltung, liberale Berufe usw.).170 Sie schützt demnach nicht nur einzelne Aspekte der wirtschaftlichen Betätigung, sondern die Freiheit der Wirtschaft bzw. die Wirtschaftsfrei -heit. Sie wird in einer Formulierung des Staatsgerichtshofes aufgefasst als

«die Freiheit der Wahl, des Zugangs und der Ausübung des Berufes, des gewerbsmässigen Handels und Gewerbes und damit der Wirtschaft all -ge mein».171

2. Gemeinsame Schutzbereiche

Die Eigentumsfreiheit und die Handels- und Gewerbefreiheit schützen gemeinsam die Freiheit der unternehmerischen Betätigung (Wirtschafts -frei heit) und finden immer dann nebeneinander Anwendung, wenn die freie Nutzung eines Eigentumsrechts erwerbswirtschaftlichen Zwecken dient und in dieses Eigentumsrecht eingegriffen wird oder wenn in eine Erwerbstätigkeit eingegriffen wird, die funktionsnotwendig mit der Nut zung eines bestimmten Eigentumsrechts verbunden ist.172Illustrativ für diese Thematik ist der Beschwerdefall in StGH 1997/33173, der die Ablehnung einer Baubewilligung bzw. die Nichtgenehmigung eines Bau gesuches für einen gastgewerblichen Betrieb zum Inhalt hatte.

Dieser Sachverhalt berührt aus der Sicht des Beschwerdeführers sowohl die Eigentumsfreiheit als auch die Handels- und Gewerbefreiheit, so dass man es mit einer Grundrechtskonkurrenz zu tun hat. Nach den Wor ten des Staatsgerichtshofes fällt die behördliche Ablehnung der Baubewilligung in erster Linie in den Schutzbereich der Eigentums ga -rantie, der sich auf die «Baufreiheit» als die grundrechtlich geschützte Rechtsposition des Beschwerdeführers erstreckt. In zweiter Linie ist

170 Frick, Handels und Gewerbefreiheit, S. 125 mit zahlreichen Rechtsprechungs hin -weisen; vgl. auch Höfling, Grundrechtsordnung, S. 190 f.

171 StGH 1977/14, Entscheidung vom 25. April 1978, nicht veröffentlicht, S. 7 (abge -druckt in: Stotter, Verfassung, S. 81, Ziff. 18); siehe auch StGH 1985/11, Urteil vom 2. Juni 1988, LES 3/1988, S. 94 (99 und 101) und StGH 1989/3, Urteil vom 3. No -vem ber 1989, LES 2/1990, S. 45 (47).

172 So Frick, Handels- und Gewerbefreiheit, S. 329 mit weiteren Literaturhinweisen.

173 StGH 1997/33, Urteil vom 2. April 1998, LES 1/1999, S. 20 (24 f.).

auch die Standortwahlfreiheit als Bestandteil der Handels und Gewer -be freiheit -betroffen.

3. Grundrechtskonkurrenz a) Begriff und Prüfungsvorgang

Eine Grundrechtskonkurrenz liegt vor, wenn durch einen Sachverhalt mit Bezug auf den gleichen Träger der Schutzbereich mehrerer Grund -rechte betroffen ist. Der Staatsgerichtshof folgt bei der Klärung von Grund rechtskonkurrenzen der neueren schweizerischen Praxis.174 Da -nach wird die Freiheitsbeschränkung zunächst -nach Massgabe des im Vordergrund stehenden Grundrechts, d. h. des Grundrechts, welches die Rechtsposition des Beschwerdeführers spezifischer schützt, überprüft.

Sodann wird das Ergebnis in Rücksicht auf das andere Grundrecht zu-sätzlich geprüft und gegebenenfalls angepasst.175

b) Praxis

In seiner früheren Rechtsprechung hatte sich der Staatsgerichtshof der Konkurrenzfrage auf «pragmatische» Art genähert und sie bezogen auf den Einzelfall gelöst. Er hatte darauf verzichtet, seine Vorgehensweise dogmatisch zu untermauern,176obwohl er nicht ausschloss und schon zu bedenken gab, dass in Fällen, in denen mehrere Grundrechte zur Dis -kus sion stehen (sog. Grundrechtskonkurrenz), allenfalls eine kumulati-ve Betrachtung unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Schranken vor behalte der einzelnen Grundrechte stattfinden müsse.177 Das heisst nichts anderes, als dass die betroffenen Grundrechte und die

174 Die ältere Praxis ist noch davon ausgegangen, dass sich Grundrechts ge währ leistun -gen nicht überschneiden können und es demnach gar keine Grundrechtskonkurrenz geben könne.

175 StGH 1997/33, Urteil vom 2. April 1998, LES 1/1999, S. 20 (24 f.) mit Verweis auf Yvo Hangartner, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, Bd. II, Zürich 1982, S. 163 und 172. Vgl. auch Müller, Kommentar, Rdnr. 9 f.; Vallender, Wirtschafts frei -heit und begrenzte Staatsverantwortung, S. 122 f., N. 26 f.

176 Frick, Handels und Gewerbefreiheit, S. 325 f., wo er die Position des Staatsge -richts hofes anhand der Rechtsprechung kommentiert.

177 StGH 1985/11, Urteil vom 2. Mai 1988, LES 3/1988, S. 94 (101) unter Hinweis auf Reto Venanzoni, Konkurrenz von Grundrechten, in: ZSR 98 I, 1979, S. 267 ff.

zum Teil unterschiedlichen Anforderungen an die Grundrechtsbeschränkung kumu lativ zu wahren sind.178

Treffen nach der neuen Rechtsprechung Eigentumsgarantie und Handels- und Gewerbefreiheit aufeinander, ist eine Interessenabwägung zwischen der Handels und Gewerbefreiheit und dem öffentlichen Inte -resse vorzunehmen, dem die Eigentumsbeschränkung dienen will. In den Fällen der allgemeinen Eigentumsbeschränkung müssen, sofern sie gerügt wird, hinsichtlich der Handels- und Gewerbefreiheit qualifizier-te Gründe, also eine spezifische Betroffenheit vorliegen. Rechtfertigen öf fent liche Interessen den Eingriff in die Eigentumsgarantie, können dem zufolge bei der Interessenabwägung zugunsten der Handels- und Ge wer befreiheit nur noch besonders diese Freiheit betreffende Interes -sen geltend gemacht werden. Ähnlich verhält es sich bei der Prü fung der gesetzlichen Grundlage und der Verhältnismässigkeit.

Der Staatsgerichtshof kam im Beschwerdefall179zum Schluss, dass die Eigentumsgarantie nicht verletzt war, so dass er nur noch über prü fen musste, welche spezifische Auswirkung die vorliegende Eigentums -einschränkung auf die Handels- und Gewerbefreiheit hatte. Denn zum Schutzbereich der Handels- und Gewerbefreiheit gehört grundsätzlich auch die freie Standortwahl, die für die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit, insbesondere für gastgewerbliche Betriebe, von grosser Be -deu tung sein kann. Der Einschränkung der Standortwahlfreiheit käme hier aber neben der Eigentumsgarantie nur dann selbständige Berechti gung zu, wenn sich diese Einschränkung generell auf den wirtschaft lichen Wettbewerb auswirken würde, z. B. um bestimmte Gewerbe -zweige vor Konkurrenz zu schützen oder in ihrer Existenz zu sichern.

Da aber die Gemeindebauordnung die Errichtung von Gewerbebe trieben in anderen Zonen als der Industriezone zuliess und dement spre chend eine besondere wettbewerbswirksame bzw. wettbewerbsverzer -rende Wirkung dieser Eigentumsbeschränkung innerhalb der gleichen

178 Aus diesem Grunde halten Rhinow/Schmid/Biaggini, S. 61, Rdnr. 6 f. die Bezeich -nung ‹Grundrechtskonkurrenz›für «mehr als nur missverständlich». Im Übrigen dürfe dieses Problem nicht überschätzt werden, denn die Beschränkung der invol -vier ten Grundrechte werde häufig denselben Anforderungen zu genügen haben. Sie verweisen auf BGE 120 Ia 142 betreffend das Verhältnis von Art. 22terund Art. 31 altBV.

179 StGH 1997/33, Urteil vom 2. April 1998, LES 1/1999, S. 20 (27 f.).

anwendbaren Rechtsordnung, der Gemeindebauordnung, nicht ersicht -lich war, lag auch keine spezifische Beeinträchtigung der Handels- und Gewerbefreiheit vor.

c) Abgrenzungsformel des deutschen Bundesverfassungsgerichts

Einen anderen Weg beschreitet das deutsche Bundesverfassungsgericht, das für die vergleichbare Fragestellung hinsichtlich der Grundrechts ge -währ leistungen der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) und der Gewerbe-bzw. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) die Faustformel entwickelt hat, wonach die Eigentumsgarantie das Erworbene, das Ergebnis der wirt-schaftlichen Betätigung sichert, während die Berufsfreiheit den Er werb, die Betätigung als solche schützt. Wolfram Höfling180orientiert sich bei der Abgrenzung zwischen der Eigentumsgarantie und der Handels- und Gewerbefreiheit an dieser Rechtsprechung des deutschen Bundesverfassungsgerichts, welche die Schutzbereiche der Eigentums -ga rantie einerseits und der Gewerbe- bzw. Berufsfreiheit andererseits streng auseinanderhält. Nach Kuno Frick181ist diese Abgrenzungs for -mel zu relativieren. Er attestiert ihr jedoch, dass sie «immerhin geeignet»

sei, «das schwergewichtig betroffene und damit primär anwendbare Grund recht zu bestimmen».

III. Das Recht auf freien Vermögenserwerb

1. Allgemeines

Die Frage nach der Ordnung, die die Verfassung dem Eigentum gibt, wäre unvollständig erörtert, wollte man in diesem Zusammenhang nicht auch den Blick auf das in Art. 28 Abs. 1 LV gewährleistete Recht auf frei-en Vermögfrei-enserwerb richtfrei-en. Dieses Recht gehört nebfrei-en der Ga ran tie des Privateigentums zu den «wirtschaftsrelevanten Grundrechten»182 und ist Teil der Eigentumsordnung der Verfassung, die im Übrigen aus-drücklich zwischen diesen beiden Grundrechten unterscheidet.183

180 Höfling, Grundrechtsordnung, S. 193.

181 Frick, Handels- und Gewerbefreiheit, S. 330.

182 Frick, Handels- und Gewerbefreiheit, S. 61.

183 Vgl. auch Fehr, S. 120.

Diese Grundrechtsverbürgungen sind im Rahmen der gesetzlichen Regelung des Erwerbs von Eigentum an Grundstücken,184 der grund -sätz lich der Genehmigungspflicht unterworfen wird, von besonderer Bedeutung. Administrative Beschränkungen des Grundverkehrs stellen nicht nur Eingriffe in das Eigentum des Grundeigentümers,185sondern auch in das Recht auf freien Vermögenserwerb des Erwerbers von Eigen tum an Grundstücken dar. Der Grundeigentümer wird (als Ver äus serer) durch die im Grundverkehrsrecht aufgestellten Beschrän kun -gen des freien Grundstückmarktes in seiner von der Ei-gentumsgarantie geschützten Verfügungsfreiheit, der Erwerber von Eigentum an Grund -stücken in seiner Vermögenserwerbsfreiheit berührt oder gar verletzt. Es ist daher auch unter diesem Blickwinkel angebracht, das Verhältnis der Vermögenserwerbsfreiheit zur Eigentumsgarantie zu klären bzw. die enge Verknüpfung von Vermögenserwerbsfreiheit und Eigentumsga ran -tie aufzuzeigen.

2. Inhalt und Umfang

Art. 28 Abs. 1 LV verbürgt das Recht, «Vermögen jeder Art zu erwer -ben». Diese Bestimmung dürfte ihr Vorbild in Art. 6 öst. StGG186haben, unterscheidet sich jedoch von ihm darin, dass sie nicht auf den Liegen -schafts erwerb und -verkehr eingeschränkt ist. Dieses Grundrecht ist eine Besonderheit des liechtensteinischen Rechts. Es findet in anderen Ver -fas sungs ordnungen des deutschen Sprachraumes keine Entsprechung.187 Die Eigentumsgarantie und die Vermögenserwerbsfreiheit stehen zueinander in Korrelation.188Die Eigentumsgarantie setzt eine beste hen -de Eigentumsposition voraus189bzw. schützt nur vor der Beeinträchti

-184 Zur Entwicklung siehe Jehle, S. 7 ff.

185 Grundlegend Fehr, S. 189 ff.

186 Zur historischen Entwicklung in Österreich siehe Morscher, S. 514 ff.

187 Höfling, Grundrechtsordnung, S. 161. Zur Rechtslage in Österreich siehe Korinek, Grund rechte und administrative Beschränkungen, S. 145 mit weiteren Literatur hin -weisen.

188 StGH 1988/19, Urteil vom 27. April 1989, LES 3/1989, S. 122 (125). Frick, S. 61 f.

spricht von einer «Ergänzung» zur Garantie des Privateigentums. Vgl. auch Fehr, S.

120.

189 StGH 1996/47, Urteil vom 5. September 1997, LES 4/1998, S. 195 (200); StGH 1997/12, Urteil vom 29. Januar 1998, nicht veröffentlicht, S. 20 und StGH 1998/68, Ent scheidung vom 27. September 1999, nicht veröffentlicht, S. 15.

gung eindeutig bestehender Eigentumsrechte,190so dass eine eigentums lose Beschwerdeführerin durch die grundverkehrsbehördliche Verwei -ge rung der Genehmigung des Erwerbs eines Grundstücks in ihrem Privateigentum nicht verletzt sein kann.191Sie gewährleistet dem Eigen -tü mer die aus seiner Eigen-tümerstellung fliessenden Nutzungs- und Verfügungsrechte. Die Vermögenserwerbsfreiheit garantiert hingegen dem Nichteigentümer die Möglichkeit, frei Vermögen und damit Eigen -tum zu erwerben.192

3. Grundrechtscharakter

Das Recht auf freien Vermögenserwerb ist wie die Eigentumsgarantie kein unbeschränktes Grundrecht. Es steht unter einem Gesetzes vor behalt. Der Staatsgerichtshof hat mögliche Zweifel, die sich aus der For mu lierung des Art. 28 Abs. 1 LV ergeben, wonach sich der Gesetzes vor -be halt nur auf die Niederlassungsfreiheit -beziehen könnte, in einer Entscheidung vom 6. Oktober 1960193ausgeräumt. Auf Grund gramma -ti kalischer, logisch-systema-tischer und historischer Auslegung194kommt er zu dem Ergebnis, dass sich der Gesetzesvorbehalt («unter Beobach tung der näheren gesetzlichen Bestimmungen») auch auf den freien Ver -mö genserwerb erstrecken müsse und der Gesetzgeber daher befugt sei,

«einschränkende» Gesetze, wie z. B. das Grundverkehrsgesetz, zu erlas -sen. Das heisst aber auch, dass ein Eingriff in das verfassungsmässig ge-währleistete Recht des freien Vermögens- bzw. Eigentumserwerbs, wie ihn die Genehmigung oder Verweigerung eines Grundstücks er werbs darstellt, nur auf Grund eines Gesetzes erfolgen darf.

190 StGH 1996/20, Urteil vom 5. September 1997, S. 68 (72 f.) unter Hinweis auf Höfling, Grundrechtsordnung, S. 175; vgl. auch Jehle, S. 8.

191 StGH 1981/7, Urteil vom 28. August 1981, LES 1982, S. 59 (62).

192 StGH 1988/19, Urteil vom 27. April 1989, LES 3/1989, S. 122 (125) unter Hinweis auf Fehr, S. 119 f.

193 StGH 1960/8, Entscheidung vom 6. Oktober 1960, ELG 1955 bis 1961, S. 151 (154 f.); vgl. auch Höfling, Grundrechtsordnung, S. 164 f.

194 Zu diesen Auslegungsmethoden siehe im Einzelnen Kley, Verwaltungsrecht, S. 82 ff.

4. Schutzobjekt

Das Recht auf freien Vermögenserwerb stimmt hinsichtlich des Schutz ob jektes mit der Eigentumsgarantie überein. In einer neueren Ent schei -dung macht der Staatsgerichtshof deutlich, dass das Recht auf Erwerb von «Vermögen jeder Art» neben körperlichen Sachen «jeden falls auch Forderungen» umfasse, so dass sich insofern der sachliche Geltungs -bereich dieses Grundrechts mit demjenigen der Eigentumsgarantie ge-mäss Art. 34 LV decke.195Der Staatsgerichtshof hebt sich damit von sei-ner älteren Rechtsprechung ab, die noch eine engere, auf körperliche Gegenstände reduzierte Sichtweise des Vermögensbegriffs vertrat.196Im Sinn einer umfassenden Gewährleistung des Grundrechts auf Vermö gens erwerb fallen heute unter den Schutzbereich nicht nur alle ver -mögenswerten Privatrechte, sondern auch besonders rechtsbeständige öffentlichrechtliche Vermögensansprüche.197

Gemeinsam ist beiden Grundrechten auch, dass sie nur den Erwerb bzw. die Nutzungs- und Verfügungsrechte hinsichtlich einigermassen konkretisierter Vermögenswerte, nicht jedoch die möglichst ungehin -der te Geschäftstätigkeit -der Grundrechtsträger schützen. Es war daher im Beschwerdefall, der dem Urteil des Staatsgerichtshofes vom 22. Feb -ru ar 1999 zug-runde lag198und der sich mit der Frage der Zulässigkeit von behördlichen Beschränkungen der Geschäftstätigkeit einer Beschwerde -führerin als Transportunternehmerin befasste, weder das Grundrecht auf Vermögenserwerb noch die Eigentumsgarantie betroffen, da es nicht da rum ging, die Beschwerdeführerin in einem konkreten Vermögens er -werb zu behindern.

195 StGH 1998/41, Urteil vom 22. Februar 1999, nicht veröffentlicht, S. 12 unter Bezug -nah me auf StGH 1988/19, Urteil vom 27. April 1989, LES 3/1989, S. 122 (125), das seinerseits auf Fehr, S. 119 f. verweist.

196 StGH 1960/8, Entscheidung vom 6. Oktober 1960, ELG 1955 bis 1961, S. 145 (148);

vgl. dazu Höfling, Grundrechtsordnung, S. 162 f.

197 Vgl. Fehr, S. 145; Höfling, Grundrechtsordnung, S. 162.

198 StGH 1998/41, Urteil vom 22. Februar 1999, nicht veröffentlicht, S. 12, das hin -sichtlich der Eigentumsfreiheit auf StGH 1996/47, Urteil vom 5. September 1997, LES 4/1998, S. 195 (200) und hinsichtlich der Vermögenserwerbsfreiheit auf Höf -ling, Grundrechtsordnung, S. 163 Bezug nimmt.

5. Träger des Grundrechts a) Natürliche Personen aa) Inländer

Es ist ständige Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes, dass das Recht auf freien Vermögenserwerb nur für liechtensteinische Landesbürger gilt, woran auch die EMRK nichts geändert hat. Dieses Grundrecht stimmt insoweit nicht mit der Eigentumsgarantie überein, die in ihren Schutzbereich auch Ausländer (natürliche Personen ausländischer Nationalität) einbezieht. Allerdings ist neuerdings auch EWR-Recht zu beachten.199

ab) Ausländer

Das Recht auf freien Vermögenserwerb steht, wie der Staatsgerichtshof aus dem strengen Wortlaut des Art. 28 Abs. 1 LV folgert, nur Lan des -angehörigen zu. Dem ausländischen Staats-angehörigen kommt in dieser Beziehung auch dann kein Grundrechtsschutz zu, wenn Gegenrecht ge-währt würde.200

ac) Keine Praxisänderung durch die EMRK

An dieser Position hat der Staatsgerichtshof auch nach der Ratifikation der Europäischen Menschenrechtskonvention im Jahre 1982 festgehal -ten. Ausländer können sich nicht auf jene Grundrechtsgewährleistungen berufen, die wie die Vermögenserwerbsfreiheit ihren personellen Gel -tungs bereich explizit auf Landesangehörige beschränken, und denen hin sichtlich des sachlichen Geltungsbereichs keine EMRK-Garantien korrespondieren.201 Der Staatsgerichtshof räumt denn auch in seinem Urteil vom 15. September 1983 ein, dass der Gesetzgeber zulässig und geboten im Grundverkehrsrecht die Ausübung des Liegenschafts ver

-199 Zum EWR-Abkommen siehe hinten S. 87.

200 StGH 1978/10, Entscheidung vom 11. Oktober 1978, LES 1980/81, S. 7 (10); vgl.

auch Höfling, Grundrechtsordnung, S. 163 f. mit weiteren Rechtsprechungs hin -weisen und ders., Liechtenstein und EMRK, S. 148 f. Zum Grundrechtsträger der Frei heit des Liegenschaftsverkehrs in Österreich (Art. 6 StGG), das nur Staats bür -gern gewährt wird, siehe Morscher, S. 522; Öhlinger, Eigentum, S. 559.

201 Vgl. StGH 1975/1, Entscheidung vom 29. April 1975, ELG 1973 bis 1978, S. 373 (378) und Höfling, Grundrechtsordnung, S. 64.

kehrs «aus staatspolitischen wie aus Gründen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums, wie seit eh und je in der Enteignung, gewissen Beschrän kun -gen im Personenkreis, in den Sachen wie in den Rechtsgeschäften» unterworfen habe. Die im liechtensteinischen Grundverkehrsgesetz be ste -henden Beschränkungen des Liegenschaftsverkehrs fänden sich auch in vergleichbaren Rechtsordnungen und stehen auch im Einklang mit Kon -vention und Rechtsprechung zu Art. 6 EMRK und Art. 1 des 1. ZPEMRK.202

b) Juristische Personen

Der Grundrechtsschutz des Art. 28 Abs. 1 LV erstreckt sich auch auf ju-ristische Personen. Inländische juju-ristische Personen des Privatrechts können sich auf die Vermögenserwerbsfreiheit berufen, wobei allerdings die gesetzlichen Einschränkungsmöglichkeiten insoweit weiter reichen als bei natürlichen Personen. Juristische Personen des Privatrechts un -ter liegen in Liechtenstein eigenen Gesetzen und es ist nach den Worten des Staatsgerichtshofes keineswegs verfassungswidrig, den Grund ver -kehr für sie gesetzlich einzuschränken.203

6. Zulässigkeit von Einschränkungen

Die Anforderungen, die der Staatsgerichtshof an Eingriffe in die Vermö gens erwerbsfreiheit stellt, sind die gleichen wie bei der Eigentums ga -rantie. In einer Entscheidung vom 17. Januar 1975204erklärt er: «Es ist dem Beschwerdeführer zuzustimmen, dass eine Einschränkung des ver -fassungsmässig gewährleisteten Rechts des freien Eigentumserwerbs nur auf Grund eines Gesetzes zulässig ist und dass ein solches Gesetz weder extensiv ausgelegt noch angewendet werden darf. Auch ist es richtig, dass das öffentliche Interesse und das private Interesse gegeneinander ab gewogen werden und nur wenn das öffentliche Interesse in erheb licher Weise überwiegt, kann eine Beschränkung des freien Eigen tums

-202 StGH 1982/65/V, Urteil vom 15. September 1983, LES 1/1984, S. 3 (5); vgl. auch StGH 1981/7, Urteil vom 28. August 1981, LES 1982, S. 59 (61).

203 StGH 1977/3, Entscheidung vom 24. Oktober 1977, LES 1981, S. 41 (43); vgl. auch LGVK G 12/1982, Entscheidung vom 7. Juni 1982, LES 3/1984, S. 112 (114).

204 StGH 1974/14, Entscheidung vom 17. Januar 1975, nicht veröffentlicht, S. 7.

erwerbes erfolgen». Der Eigentümer von Grund und Boden müsse sich Verfügungsbeschränkungen, die aus Gründen der Wohlfahrt der All ge -meinheit gegeben seien, gefallen lassen und was für ihn gelte, gelte auch für den Erwerber von Grund und Boden.205 So ist denn auch nach Ansicht des Staatsgerichtshofes206 der Gesetzgeber beim Grund ver kehrs gesetz nur deswegen von der Freiheit des Grunderwerbes abge gan -gen, damit der unvermehrbare Boden des an Bevölkerungszahl rasch gewachsenen Landes haushälterisch, d. h. unter Beachtung der verschie de -nen Interessen der Allgemeinheit und der einzel-nen Bürger zweck mässig und gerecht verteilt bleibe bzw. werde. Nach heutigem (mate riel lem) Grundrechtsverständnis sind Einschränkungen des Grundrechts -schutzes immer nur im Rahmen der Gesetze und unter Einhaltung des so genannten Übermassverbotes und der Kerngehaltsgarantie zulässig.207

7. EWR-Abkommen a) Rechtscharakter

Das EWRAbkommen hat, wie es in einer Entscheidung des Staats ge richts hofes vom 24. April 1997 heisst, materiell einen «verfassungs än -dern den bzw. –ergänzenden Charakter» (Übergesetzesrang), so dass er seine Normenkontrollfunktion auch in Bezug auf die Überein stim mung innerstaatlicher Gesetze und Verordnungen mit dem EWRRecht wahr -nimmt.208Daraus folgt, dass dem EWRAbkommen zumindest Über ge -set zesrang zugestanden wird.

205 StGH 1960/8, Entscheidung vom 6. Oktober 1960, ELG 1955 bis 1961, S. 151 (155);

gleichlautend die StGH-Entscheidungen 1960/9 und 10 vom 6. Oktober 1960, ELG 1955 bis 1961, S. 161 (164) bzw. 169 (172); siehe auch StGH 1982/65/V, Urteil vom 15. September 1983, LES 1/1984, S. 3 (5).

206 StGH 1981/7, Urteil vom 28. August 1981, LES 1982, S. 59 (61).

207 StGH 1999/63, Entscheidung vom 6. Juni 2000, nicht veröffentlicht, S. 16; StGH 1998/20, Urteil vom 4. September 1998, nicht veröffentlicht, S. 20 f. und StGH 1998/9, Urteil vom 3. September 1998, nicht veröffentlicht, S. 19.

208 StGH 1996/34, Urteil vom 24. April 1997, LES 2/1998, S. 74 (80) unter Bezugnahme auf Bruha/Büchel, Staats und völkerrechtliche Grundfragen einer EWRMit glied -schaft Liechtensteins, S. 5 und Höfling, Grundrechtsordnung, S. 31 mit weiteren Nach weisen; vgl. auch Becker, S. 290 ff.; Bruha/Gey-Ritter, S. 166 ff.; zur Frage der Überprüfung von EWRRecht auf seine Verfassungsmässigkeit durch den Staats ge -richtshof siehe StGH 1998/61, Urteil vom 3. Mai 1999, LES 3/2001, S. 126 (130 f.).

Zur Kritik der neuen Verfassungslage siehe Becker, S. 668 ff.

b) Auswirkungen

Das EWRAbkommen hat zu tiefgreifenden Änderungen der liechten stei ni schen Rechtsordnung und namentlich zur Neuordnung des Grund -er w-erbs geführt, d-er im Grundv-erkehrsgesetz vom 9. Dezemb-er 1992 neu geregelt worden ist.209Die Grundfreiheiten des EWRRechts ver lan

Das EWRAbkommen hat zu tiefgreifenden Änderungen der liechten stei ni schen Rechtsordnung und namentlich zur Neuordnung des Grund -er w-erbs geführt, d-er im Grundv-erkehrsgesetz vom 9. Dezemb-er 1992 neu geregelt worden ist.209Die Grundfreiheiten des EWRRechts ver lan