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IV. Die Fähigkeiten Deutschlands und Brasiliens zur Beeinflussung globaler

V.3. Vergleich der Präferenzen

Sowohl die deutsche als auch die brasilianische Regierung sehen in der weltwei-ten Förderung von erneuerbaren Energien eine Antwort auf die globalen

Herausforde-rungen des Klimaschutzes, der Sicherung der Energieversorgung sowie der Entwick-lungsförderung bzw. Armutsbekämpfung. Die deutsche Bundesregierung bezieht sich bei ihrem Engagement für eine verstärkte Nutzung von erneuerbaren Energien jedoch vor allem auf Solarenergie, Wind- und Kleinwasserkraftwerke. Diesen erneuerbaren Energiequellen spricht sie auch ein großes Potenzial zur Entwicklungsförderung zu, insbesondere wenn diese in Entwicklungsländern dezentral eingesetzt werden. Solare-nergie, Wind- und Wasserkraft sind dagegen für die brasilianische Außenpolitik nicht von Relevanz, während Agrartreibstoffe, und hierbei insbesondere Ethanol, eine außen-politische Priorität darstellen. Die brasilianische Regierung betont, dass für den Klima-schutz gerade im Transportsektor eine Umstellung auf erneuerbare Energiequellen not-wendig ist und hebt die Entwicklungschancen hervor, welche die Produktion und auch der Export von Agrartreibstoffen Entwicklungsländern bieten. Die deutsche Bundesre-gierung verbindet eine exportorientierte Produktion in Entwicklungsländern dagegen vor allem mit Risiken, wobei sie einerseits eine Gefährdung der weltweiten Nahrungs-mittelsicherheit befürchtet und andererseits auf mögliche negative ökologische und so-ziale Folgen in den Entwicklungsländern selbst hinweist.

Beide Regierungen sehen die jeweils von ihren favorisierten Formen erneuerbarer Energien als globale Wachstumsmärkte, auf denen sie sich selber sehr gute Ausgangs-bedingungen zusprechen. Während Deutschland die Lücke zwischen dem Potenzial und der tatsächlichen Nutzung von erneuerbaren Energien vor allem auf ein mangelndes öffentliches Bewusstsein, Marktverzerrungen zugunsten fossiler Energien sowie nicht ausreichende Informationen und mangelndes Know-how zurückführt, und diesen Hin-dernissen mit einer institutionellen Stärkung des Themas in der internationalen Politik entgegenwirken möchte, strebt die brasilianische Regierung einen Weltmarkt für Agrar-treibstoffe an, wobei sie die Handelsverzerrungen der Industrieländer und deren Vorur-teile bezüglich der Massenproduktion von Agrartreibstoffen in Entwicklungsländern als größte Widerstände identifiziert.

Die außenpolitischen Orientierungen Deutschlands und Brasiliens weisen ähnli-che Grundzüge auf. Beide Staaten verstehen sich als Zivilmächte, die für Multilatera-lismus eintreten und mit ihrer Außenpolitik vor allem die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Länder fördern möchten. Im Gegensatz zu Deutschland betont Brasilien daneben die Bedeutung der nationalen Souveränität in seinen Außenbeziehungen. Bezüglich der

Eigeninteressen bei ihrem Engagement für eine weltweite Verbreitung erneuerbarer Energien sprechen beide Regierungen vor allem die ökonomische Wohlfahrtssteigerung an. Aufgrund ihrer Ausgangspositionen auf den Märkten für erneuerbare Energien ver-binden beide Regierungen einen verstärkten weltweiten Einsatz von erneuerbaren Ener-gien vor allem mit der Möglichkeit, die Exporte ihrer Länder zu steigern und damit die eigene wirtschaftliche Entwicklung zu fördern.

Während die deutsche Bundesregierung neben der Wohlfahrtssteigerung vor al-lem nationale Sicherheitsinteressen hervorhebt, sind diese für die brasilianische Regie-rung nur von untergeordneter Bedeutung. Als ein von Erdöl- und Erdgasimporten ab-hängiges Land strebt die deutsche Bundesregierung die Sicherung der nationalen Ener-gieversorgung und damit verbunden auch eine Verringerung der ökonomischen und politischen Abhängigkeiten von Erdöl und Erdgas exportierenden Staaten an. Zudem betont die deutsche Bundesregierung die Notwendigkeit, die Gefahren des Klimawan-dels und weltweite Verteilungskonflikte um knapper werdende Rohstoffe zu vermin-dern. Auch wenn Fragen der nationalen Autonomie in der Außenpolitik der Regierung Lula im Allgemeinen von großer Bedeutung sind, berühren diese kaum das brasiliani-sche Eintreten für Agrartreibstoffe. Die brasilianibrasiliani-sche Regierung möchte jedoch externe Einflüsse auf Entscheidungen über das nationale Entwicklungsmodell und damit auch über die Produktion von Agrartreibstoffen weitestgehend abwehren. Das außenpoliti-sche Engagement für erneuerbare Energien bietet beiden Regierungen zudem die Mög-lichkeit, sich international zu profilieren und ihren Einfluss in der internationalen Politik zu steigern. Beide Regierungen sehen sich auf diesem Gebiet als Vorbilder und Inhaber internationaler Führungspositionen. Die brasilianische Regierung artikuliert ihr Streben nach Prestige und Einfluss jedoch deutlicher als die deutsche Bundesregierung.

Bezüglich der normativen Rollenerwartungen spricht die deutsche Bundesregie-rung die Pflicht als Industrieland an, die Hauptlast beim Klimaschutz zu tragen und die eigenen technologischen Fähigkeiten zu nutzen, um Entwicklungsländern den Zugang zu klimafreundlichen Technologien zu erleichtern. Des Weiteren bezieht sie sich auf das Recht auf Entwicklung aller Nationen und auf das Gebot der Armutsbekämpfung, von denen sie die Pflicht ableitet, einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen in Entwicklungsländern zu leisten und dabei insbesondere auf die Belange der armen Be-völkerung zu achten. Die brasilianische Regierung spricht dagegen die Normen der

in-ternationalen Gerechtigkeit und der Solidarität an. Um bestehende Asymmetrien in den internationalen Beziehungen zu verringern, sollen Agrartreibstoffe die wirtschaftliche Entwicklung von Entwicklungsländern fördern und die Energieproduktion demokrati-sieren. Dabei sieht sich die brasilianische Regierung verpflichtet, die eigenen Erfahrun-gen an Entwicklungsländer weiter zu geben.

Aus ihren Präferenzen leiten beide Regierungen unterschiedliche außenpolitische Vorgehensweisen ab. Beide Regierungen unterstützen zwar mit eigenen Technologien die Produktion von erneuerbaren Energien in anderen Ländern, ansonsten zeigen sich aber wenig Übereinstimmungen in der außenpolitischen Agenda beider Regierungen.

Priorität der außenpolitischen Agenda Deutschlands bildet die Gründung der IRENA, welche, den Vorstellungen Deutschlands zufolge, über Politikberatung den weltweiten Einsatz von erneuerbaren Energien fördern soll, sofern diese nachhaltig hergestellt wer-den. Aus Gründen der Legitimation strebt Deutschland die Gründung der IRENA durch eine möglichst heterogene Ländergruppe an. Zu dieser Ländergruppe wird Brasilien jedoch aller Wahrscheinlichkeit nicht gehören. Brasilien hat an den Veranstaltungen zur Vorbereitung der Gründung bisher nicht teilgenommen und in Verlautbarungen der bra-silianischen Regierung wird IRENA nicht erwähnt. Priorität für die brasilianische Re-gierung bildet dagegen die Etablierung eines Weltmarktes für Agrartreibstoffe und die im November 2008 in São Paulo stattfindende International Biofuels Conference. An deren Vorbereitung wirkt zwar die EU im Rahmen des IBF mit, dieses Forum scheint aber in der deutschen Außenpolitik wenig präsent zu sein. Die Konferenz in São Paulo soll einerseits dazu dienen, Vorurteile bezüglich der Argrartreibstoffproduktion in Ent-wicklungsländern abzubauen, andererseits sollen gemeinsame Standards und Normen entwickelt werden, die den Weg zu einem Weltmarkt für Agrartreibstoffe ebnen. Hier-bei möchte Brasilien allerdings verhindern, dass diese nicht zu restriktiv formuliert und als nicht-tarifäre Handelshemmnisse missbraucht werden.