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III. Theoretischer Rahmen der weiteren Analyse

III.2. Verbindung mit institutionalistischen Ansätzen der IB

Die Anwendung des akteurzentrierten Institutionalismus auf die Interaktion von Staaten ist nur dann als sinnvoll anzusehen, wenn Institutionen im internationalen Sy-stem eine zentrale Bedeutung zugesprochen wird. In diesem Unterkapitel werden daher in aller Kürze Ansätze aus der Disziplin der IB vorgestellt, die ihre Analyse auf Institu-tionen konzentrieren. Des Weiteren wird aufzeigt, inwiefern diese Gemeinsamkeiten mit dem akteurzentrierten Institutionalismus Scharpfs vorweisen. In einem ersten Schritt werden diese Ansätze in die theoretische Debatte der IB eingeordnet.

Theorien der IB können in die Denkschulen des Realismus, Liberalismus und In-stitutionalismus unterteilt werden (vgl. Zangl & Zürn 1999:925). Der Realismus be-trachtet souveräne Staaten als zentrale Akteure internationaler Politik und nimmt an, dass im internationalen System weder eine übergeordnete Macht existiert noch die Durchsetzung allgemeingültiger Normen möglich ist. Aufgrund der anarchischen Struk-tur des internationalen Systems sorgen sich die Staaten vor allem um ihre Unabhängig-keit und ihr Überleben, die Gewährleistung der eigenen Sicherheit bildet das primäre Ziel staatlichen Handelns. Um die notwendige Selbsthilfefähigkeit maximieren zu kön-nen, streben Staaten nach der Ausweitung ihrer relativen Macht (vgl. Krell 2004:145–

176; Waltz 1979:88–128). Im Gegensatz zu diesem systemischen Ansatz der IB sehen Vertreter des Liberalismus die Staaten nicht als primäre Akteure der internationalen Politik an. Da dem methodologischen Individualismus zufolge das Primat der Gesell-schaft gegenüber dem Staat gilt, richtet sich der Fokus der Analyse auf einzelne poli-tisch-administrative und gesellschaftliche Akteure. Es wird also angenommen, dass der Staat in der internationalen Politik die Interessen der Gesellschaft bzw. der jeweils durchsetzungsfähigsten gesellschaftlichen und politisch-administrativen Akteure ver-tritt. Prozesse und Ergebnisse internationaler Politik werden folglich mithilfe subsy-stemischer Strukturen erklärt (vgl. Krell 2004:181–231; Moravcsik 1997). Vertreter der institutionalistischen Denkschule der IB teilen zumeist die Annahme der realistischen Denkschule, dass Staaten die zentralen Akteure der internationalen Politik darstellen. In Abgrenzung zum Realismus betonen sie jedoch die komplexe Interdependenz als Struk-turmerkmal des internationalen Systems und leiten daraus die Notwendigkeit der

Staa-ten ab, miteinander zu kooperieren. Internationale Institutionen fördern dabei die Ko-operation zwischen den Staaten, indem sie die Erwartungssicherheit über Ergebnisse von Interaktionen erhöhen und zu der Vertrauensbildung zwischen den jeweiligen Inter-aktionspartnern beitragen (vgl. Keohane 1984:49–84; Krell 2004:239–261).

Jede dieser drei Denkschulen hat interessens- und normorientierte Varianten her-ausgebildet, d.h., innerhalb dieser Denkschulen existieren sowohl Vertreter, die sich in ihrer Analyse für die rationale Handlungslogik des homo oeconomicus entschieden ha-ben, als auch Ansätze und Theorien, die auf der Logik der Angemessenheit des homo sociologicus basieren. In Tabelle 2 sind diese rationalistischen und konstruktivistischen Varianten der drei Denkschulen mit jeweils einem Hauptwerk aufgeführt.

Tab. 2: Denkschulen der Internationalen Beziehungen

Quelle: Darstellung der Autorin in Anlehnung an Nielebock 2004 Die beiden Varianten des Institutionalismus sollen in diesem Zusammenhang kurz beleuchtet werden. Der rationalistische Institutionalismus wurde entscheidend durch Keohane (1984) geprägt. Keohane betont die Bedeutung der hohen zwischenstaatlichen Interaktionsdichte im internationalen System, deren Verlust bzw. starke Reduzierung mit erheblichen Kosten für die Staaten verbunden wäre. In Abgrenzung zum Realismus streben Staaten nach Ansicht Keohanes nicht nur nach Macht, sondern auch nach Wohl-fahrt, wobei sie sich nicht an den relativen, sondern nur an den absoluten Gewinnen orientieren. In wiederkehrenden Situationen institutionalisieren Staaten die Kooperati-on, um Kooperationshindernisse und damit verbunden kollektiv suboptimale Interakti-onsergebnisse zu verhindern. Institutionen können demnach den Nutzen von Staaten erhöhen, indem sie Informationen und Überprüfungsmöglichkeiten zur Verfügung stel-len, Vertrauen bilden und damit verbunden die Kooperationskosten senken (vgl. Keo-hane 1984:49–84). Der soziologische Institutionalismus dagegen geht davon aus, dass

Normen und andere intersubjektiv geteilte Weltanschauungen die Strukturen des inter-nationalen Systems bilden. Staaten und andere komplexe Akteure handeln hier nicht nur auf Grundlage ihrer Interessen, auch ihre Identität ist handlungsbestimmend. Vertreter des soziologischen Institutionalismus nehmen Identität und Interessen nicht als exogen an, sondern gehen davon aus, dass internationale Institutionen internationale Akteure konstituieren, ihnen Rollen zuweisen und so ihre Verhaltensweisen bestimmen. Das Handeln der Akteure im internationalen System ist also nicht nutzenmaximierend, son-dern normgeleitet und rollengerecht (vgl. Finnemore & Sikkink 1998; Nielebock 2004).

Die interessenorientierten und normorientierten Varianten der institutionalisti-schen Denkschule Internationaler Beziehungen müssen nicht als unvereinbar angesehen werden (vgl. Zangl & Zürn 1999:925). In der institutionalistischen Denkschule der IB lassen sich Vertreter derselben Grundidee des akteurzentrierten Institutionalismus fin-den, akteurzentrierte und institutionenzentrierte Herangehensweisen zu verbinden und einen Mittelweg zwischen den Paradigmen des homo oeconomicus und homo sociologi-cus zu wählen (vgl. Scharpf 2006:73). Zürn und Zangl (1999) fassen Theorien und An-sätze in den verschiedenen politikwissenschaftlichen Teilgebieten, die auf den Theorien interessenorientierten Handelns basieren, diese jedoch mit Theorien normorientierten Handelns integrieren, unter dem Oberbegriff „akteurorientierter Institutionalismus“ zu-sammen. Als Vertreter des akteurorientierten Institutionalismus nennen Zürn und Zangl neben Mayntz, Scharpf und sich selbst Ostrom, Putnam und Young.13 Diese Ansätze und Theorien teilen die Annahme, dass sich Akteure und Strukturen wechselseitig zeit-versetzt konstituieren: Während vorübergehend fixe Interessen und Identitäten das Han-deln der Akteure erklären und angenommen wird, dass soziale Institutionen die Interes-sen der Akteure widerspiegeln, prägen die institutionellen Strukturen wiederum langfri-stig diese Interessen. Neben der Verbindung von individualistischen und strukturalisti-schen Ansätzen vermitteln die Vertreter des akteurorientierten Institutionalismus zwi-schen erklärenden und verstehenden Ansätzen, indem sie den Akteuren nicht objektive Interessen aus der Außenperspektive zuschreiben, sondern die Subjektivität der Akteur-sinteressen betonen. Diese sollen daher nicht einfach angenommen, sondern empirisch ermittelt werden. Auf dem Gebiet der IB stellt der akteurorientierte Institutionalismus

zudem eine Verbindung zwischen systemischen und subsystemischen Ansätzen dar, da staatliche und gesellschaftliche Interessen gleichermaßen berücksichtigt werden können.

Der akteurorientierte Institutionalismus vermittelt folglich nicht nur zwischen Ansätzen des rationalen und des normativen Institutionalismus, sondern führt auch unterschiedli-che Teilgebiete der Politikwissenschaft zusammen (vgl. Zangl & Zürn 1999:923–942).

Wie diese Ausführungen verdeutlichen, lassen sich innerhalb der institutionalisti-schen Denkschule der IB Ansätze finden, die zwiinstitutionalisti-schen den interessens- und normorien-tierten Varianten dieser Denkschule vermitteln und substantielle Gemeinsamkeiten mit dem akteurzentrierten Institutionalismus Scharpfs vorweisen.14 Für die Erstellung des Analyserasters wird nun das von Scharpf entwickelte Konzept des institutionellen Kon-textes auf das internationale System sowie das Konzept des Akteurs auf Staaten in der internationalen Politik übertragen. Das Konzept des institutionellen Kontextes soll hier-bei insbesondere durch institutionalistische Ansätze in den IB ergänzt werden.