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Kapitel 4: Zusammenfassung

IV. Verfügungsrecht

6. Ende der Verfügungsbefugnis über Daten

Im Schrifttum erörtert allein Hilgendorf146 das Problem der Beendigung der Datenver-fügungsbefugnis.147 Wie beim Sacheigentum kann das Interesse des Berechtigten an bestimmten Daten schwinden. Es kann eine derart lange Zeitspanne vergehen, in wel-cher der Betreffende nicht auf die Daten zugegriffen hat, so daß nicht mehr von

146 In Hilgendorf, JuS 1996, 890 (894) und JuS 1997, 323 (326).

147 In der Rechtsprechung ist diese Problematik noch nicht behandelt worden.

nen“ Daten gesprochen werden kann. Allgemein kann formuliert werden: In den Fällen, in der kein Interesse des dann einstmals Berechtigten an den Daten erkennbar ist, ist auch ein strafrechtlicher Schutz nicht mehr gerechtfertigt. Insofern ist ein strafrechtli-ches Modell bezüglich der Gründe zur Beendigung einer Datenverfügungsbefugnis für die Bestimmtheit der §§ 202a, 303a unerläßlich. Die Beendigung einer Datenverfü-gungsbefugnis mittels Übertragung wurde oben abgehandelt und wird daher nicht mehr aufgeführt.

Nach Hilgendorf ist eine Datenverfügungsbefugnis in folgenden Fallgruppen beendet (ohne Übertragung):

- Der Berechtigte verzichtet explizit auf sein Recht.148

- Der Berechtigte macht über einen längeren Zeitraum sein Recht nicht mehr geltend, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte, und der potentielle Rechtsverletzer auf eine weitere Nichtgeltendmachung hoffen darf (Rechtsgedanke der Verwirkung).149 - Der Berechtigte hat kein schutzwürdiges Interesse mehr am Fortbestand der

Verfü-gungsberechtigung.150 Diese sind nach der Terminierung Hilgendorfs sog. freie Da-ten.

Die erste Variante ist als Anlehnung an die Dereliktion (Eigentumsaufgabe) gem. § 959 BGB zu erkennen. Eine Sache ist dann derelinquiert und damit herrenlos, wenn zum einen der zur Verfügung über das Eigentum Berechtigte den Willen hat dieses Eigentum aufzugeben, der sog. Verzichtswille151 (Willensakt), zum anderen der unmittelbare Be-sitz an der Sache aufgegeben wird oder wurde (Realakt).152

Mindestanforderung für die wirksame Aufgabe eines Rechts am Datum stellt ein Wil-lensakt dar: Die ausdrückliche oder konkludente Erklärung eines Verzichtswillens.

Fraglich ist jedoch, ob auch bei Daten ein zusätzlicher Realakt zu fordern ist. In diesem Zusammenhang ist kein tatsächliches Moment ersichtlich, welches die Aufgabe des Rechts am Datum dokumentieren könnte. Daher reicht für den Rechtsverzicht am Da-tum die Äußerung des Verzichtswillens. Bei der „Datendereliktion“ ist zwischen Daten, die auf dem Datenträger des Verzichtenden gespeichert sind und solchen, die auf einem Datenträger eines Dritten abgelegt sind, zu unterscheiden.

148 Hilgendorf, JuS 1996, 890 (894).

149 Hilgendorf, JuS 1996, 890 (894).

150 Hilgendorf, JuS 1997, 323 (326).

151 Dies stellt eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung dar.

152 Bauer/Stürner, Sachenrecht, § 53 Rn. 70.

Sind Daten auf dem im Eigentum des Berechtigten stehenden Datenträger gespeichert, so stellt sich die Frage, ob ein solcher Verzicht überhaupt wirksam sein soll. Grundsätz-lich ist das Recht am Datum abstrakt zum Recht am Datenträger.153 Es erscheint jedoch interessengerecht in diesem Fall das Recht auf Datenverzicht zu verneinen. Daten, die dem Eigentümer des Datenträgers zugeordnet sind, kann dieser ohne weiteres tatsäch-lich, wie auch rechtlich vom Datenträger entfernen und damit sich dieser entledigen. Im Sinne der Rechtsklarheit ist demnach davon auszugehen, daß dem Eigentümer des Da-tenträgers zugeordnete Daten nicht „derelinquiert“ werden können.154

Bei Daten, die auf einem fremden Datenträger abgespeichert sind, ist eine Verzichts-möglichkeit als sinnvoll zu erachten. Für eine Übertragung fehlt oft der Übertragungs-wille oder der Trägereigentümer ist nicht erreichbar oder bekannt. Wirkung dieses Ver-zichts ist jedoch nicht Herrenlosigkeit in Anlehnung an § 959 BGB, da eine solche für Daten abstrakt zum Recht am Datenträger nicht denkbar ist. Verzichtet der Datenbe-rechtigte auf Daten, die auf einem Datenträger eines anderen gespeichert sind, so er-wirbt dieser das Verfügungsrecht an diesen Daten. In diesem Fall muß sich das Recht am Datenträger durchsetzen, da ansonsten die Gefahr bestünde, daß Dritte über einen Aneignungsakt die Verfügungsbefugnis auf diese Daten erwerben könnten. Hier hat jedoch das Recht am Datenträger Vorrang, da er ein vorrangiges Interesse daran hat, diese Daten beispielsweise löschen zu können, ohne sich nach § 303a strafbar zu ma-chen.

Die zweite Variante ist eine Anlehnung an die aus § 242 BGB entwickelte Verwir-kung.155 Die Verwirkung stellt jedoch im Zivilrecht eine am Zeitablauf orientierte Rechtsausübungsschranke dar. Sie macht daher nur die Rechtsausübung unzulässig und beseitigt nicht jedoch das Recht selbst.156 Hier geht es jedoch um eine Beendigung des Verfügungsrechts an Daten, nicht um eine Rechtsausübungsschranke. Die Vorausset-zungen der Verwirkung sind daher für das Strafrecht übertragbar, nicht jedoch deren Rechtsfolge. Rechtsfolge dieser „Datenverwirkung“ ist damit das Ende des Verfügungs-rechts. Auch hier setzt sich, wie in der ersten Variante, das Recht am Datenträger durch.

Der Eigentümer des Datenträgers wird verfügungsbefugt über die Daten, an denen das Verfügungsrecht verwirkt wurde.

153 Hilgendorf, JuS 1996, 890 (893).

154 Ansonsten müßte der Staatsanwalt beweisen, daß Daten, die eindeutig dem Trägereigentümer zugeordnet sind (z.B. aufgrund Skripurakts) nicht von diesem „derelinquiert“ wurden.

155 Vgl. Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 16 Rn. 46 und 57 ff.

156 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 16 Rn. 63.

Die dritte Variante kann als Auffangtatbestand bezeichnet werden. Daten, die auf einem nicht im Eigentum des Datenverfügungsberechtigten stehenden Datenträger gespeichert sind, können nicht denselben Schutz genießen wie Sachen. Daten können ohne Träger nicht existieren, so daß auch die Interessen des Datenträgereigentümers beachtet werden müssen. In dem Spannungsfeld Recht am Datum und Recht am Träger kann folglich der umfassende Eigentumsschutz an Sachen nicht auf das Datenverfügungsrecht übertragen werden. Es ist z.B. für eine Universitätsverwaltung unzumutbar, zehn Jahre warten zu müssen, wie es beispielsweise die Ersitzung von Sachen gem. §§ 937 ff. BGB vorsieht, bis sie dann mit den auf dem Universitätsnetz abgelegten Daten, an denen der Skribent kein Interesse mehr hat oder diese schlichtweg vergessen hat, straflos nach Belieben verfahren kann.157

Der Unterschied der dritten Variante zur Datenverwirkung ist, daß sich das Recht am Datenträger auch dann durchsetzen kann, wenn der ursprünglich Verfügungsberechtigte sein Recht tatsächlich nicht mehr durchsetzen kann, weil er von der Existenz oder dem Standort der Daten keine Kenntnis (mehr) hat. Wann ein schutzwürdiges Interesse nicht mehr vorliegt, ist im Einzelfall zu entscheiden. Anhaltspunkte sind das Rechtsverhältnis zwischen dem Datenberechtigten und dem Trägereigentümer, die Zeitspanne, die seit dem letzten Zugriff des Berechtigten vergangen ist und die (Nicht)-Ermittelbarkeit des Berechtigten.

157 In den meisten Fällen wird sie die Daten löschen.

C. Der objektive Tatbestand