• Keine Ergebnisse gefunden

Kapitel 4: Zusammenfassung

I. Daten i.S.d. § 202a Abs. 2

2. Datum/Daten

Der § 202a und alle Paragraphen, die den Begriff der Daten aufweisen (z.B. § 268 Abs.

2; auch das BDSG) verwenden die Pluralform. Es stellt sich nun die Frage, ob auch das einzelne Datum Tatobjekt dieser Straftatbestände sein kann.

Problematisch ist zunächst, ob ein Datum als solches überhaupt vorkommen kann.

Jessen bringt als Beispiel für den Bereich der Computertechnik den auf einem Compu-ter erzeugten Buchstaben „a“, der ein einzelnes Datum darstelle.184 In einem Computer-system, welcher nur den Binärcode verstehen kann, wird dieser Buchstabe jedoch durch den Binärcode „01100001“ dargestellt. Jede einzelne „0“ oder „1“ ist aber wiederum eine Information kleinerer Einheit und damit ein Datum. Im Rahmen der Computer-technik stellt damit das Bit (0 oder 1; Strom fließt oder Strom fließt nicht) das denkbare einzelne Datum dar. Umformungen von systematischen Aneinanderreihungen (Standard ASCII-Format) von Bits in Schriftsprache (Alphabet) und Sonderzeichen sind daher Datumsmehrheiten und damit schon Daten. Das einzelne Bit als Angiffsobjekt krimi-neller Handlungen erscheint nicht denkbar, so daß zumindest bei Daten, die durch Bi-närcode dargestellt werden, die Auseinandersetzung mit der Frage, ob auch das Datum Tatobjekt des § 202a sein kann, wohl rein akademischer Natur ist.

In anderen Bereichen erscheint das Eruieren eines Datums kaum möglich. So ist der geschriebene Buchstabe auf einem Blatt Papier eine Information. Dieser Buchstabe be-steht aus einem vom Papier andersfarbigen Material, welches aus Atomen und noch

183 Neufassung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG und Einführung der § 69a – 69g (Achter Abschnitt: Beson-dere Bestimmungen für Computerprogramme) durch Gesetz vom 9.6.1993 (BGBl. I S. 910).

184 Jessen, Zugangsberechtigung und besondere Sicherung im Sinne des § 202a StGB, S. 49.

kleineren Teilchen besteht. Der Buchstabe ist somit aus den denkbar kleinsten Mate-rialeinheiten der Tinte o.ä. zusammengesetzt, welche selbst wieder u.U. als Information zu qualifizieren sind und kann daher als solches als Datenmehrheit bezeichnet werden.

Auch hier erübrigt sich bei dieser Betrachtungsweise die Einbeziehung das Datums in § 202a.

Die nähere Betrachtung dieses Problems führt dazu, daß einige Autoren zu Recht fest-stellen, daß die Aussage, wann ein Datum oder Daten vorliegen, nicht eindeutig ge-macht werden kann.185 Schulze-Heiming186 schlägt daher die Übertragung der Abgren-zung aus dem BDSG vor. Im Datenschutz sei ein Datum die kleinste, vernünftigerweise für sich zu behandelnde, insbesondere für Entscheidungen zu verwertende Information.

So sei z.B. der Name, die Anschrift oder das Geburtsdatum ein einzelnes Datum, wel-ches informationstechnisch Daten bzw. ein Datenfeld wären. Der Gesetzgeber selbst habe auf das BDSG verwiesen, so sei im Ergebnis unter Datum die semantische Sinnes-einheit (d.h. das Datenfeld) zu verstehen.

Offen bleibt hier jedoch, was neben den vorgebrachten Beispielen nun denn auch noch als „Datum“ zu qualifizieren ist. Ist ein dargestellter Buchstabe keine semantische Sin-neseinheit? Wie steht es mit einer durch ein Bit codierten Ja/Nein- Entscheidung oder durch Lautsprecher erzeugte Töne? Auch wenn, was hier bezweifelt wird, ein handhab-barer Datumsbegriff aus dem Bereich des Datenschutzes angenommen werden könnte, so widerspricht dieser dennoch dem Rechtsgut des § 202a, der Verfügungsbefugnis über Daten. Als Abgrenzungskriterium dient im BDSG letztlich der informatorische Inhalt i.S. einer Qualitätsprüfung. Der Inhalt der Daten ist jedoch, wie oben festgestellt wurde, für § 202a irrelevant. Dieser Ansatz ist deshalb abzulehnen.

Gerade bei Annahme einer Übertragung des Datumsbegriffs aus dem Datenschutzrecht ist dann von Interesse, ob das Datum überhaupt Tatobjekt i.S.d § 202a sein kann. Pro-blematisch ist dies im Hinblick auf das aus Art. 103 Abs. 2 GG folgende Analogiever-bot (nullum crimen, nulla poena sine lege stricta). Gerade bei Tatbestandsmerkmalen des Besonderen Teils des StGB ist der über die Grenze der Auslegung hinausgehende Analogieschluß verboten.187 Analogie ist die Übertragung einer rechtlichen Regel auf einen im Gesetz nicht geregelten anderen Fall im Wege des Ähnlichkeitsschlusses.188

185 Schulze-Heiming, Der strafrechtliche Schutz der Computerdaten, S. 27. Sie beruft sich auf Son-dermann, Die neuen Straftatbestände der Datenveränderung § 303a StGB und § 303b StGB“, Diss.

Münster 1989, S. 28/29.

186 Schulze-Heiming, Der strafrechtliche Schutz der Computerdaten, S. 28.

187 Roxin, AT 1, § 5 II. 1. Rn. 8.

188 Roxin, AT 1, § 5 II. 1. Rn. 8.

Auslegungsgrenze ist der mögliche umgangssprachliche Wortsinn der Tatbestands-merkmale.189 Innerhalb dieses Rahmens erfolgt die Auslegung unter Berücksichtigung der nächstliegenden Wortbedeutung, der Vorstellung des historischen Gesetzgebers und des gesetzessystematischen Zusammenhangs nach dem Zweck des Gesetzes (teleologi-sche Auslegung).

Die ganz h.M.190 erachtet auch das Datum als Tatobjekt i.S.d. § 202a, da das einzelne Datum ebenso schützenswert anzusehen sei wie die Mehrzahl von Daten.191 Außerdem stellt Schulze-Heiming fest, daß grundsätzlich die Verwendung der Pluralform bei allen Tatbeständen anerkannt sei, die aus praktischen Gründen oder aus der Typizität der Tat heraus in ihrer Fassung den Plural statt den Singular verwenden.192 Auch aus diesem Grund ist nach dieser Ansicht das Datum Tatobjekt des § 202a und der Paragraphen, die auf § 202a Abs. 2 verweisen.

Aus den Begründungen der h.M. kann ein Argument aus teleologischer Auslegung und ein zweites aus systematischer Auslegung entnommen werden. Eine Überprüfung der Auslegung im Hinblick auf das Analogieverbot ist nicht ersichtlich. Dies erscheint pro-blematisch. Der Wortsinn eines Wortes im Plural kann nicht dahingehend ausgelegt werden, daß auch der Singular damit gemeint ist. Plural und Singular sind im Sprachge-brauch eindeutige Zuweisungen für die Bezeichnung einer bestimmten Anzahl. Es kann daher nicht der Begriff „Daten“ dahingehend ausgelegt werden, daß beim umgangs-sprachlichen Gebrauch des Begriffs „Daten“ oder irgend eines anderen Begriffs in Plu-ralform damit auch das singuläre Datum gemeint ist. Der Singular stellt als sprachliche Ausdrucksform nicht ein weniger vom Plural dar, sondern ein aliud. Da der sprachliche Wortsinn die Auslegung begrenzt, schlagen die Argumente teleologischer, so wie sy-stematischer Art der h.M. nicht durch. Die Auslegung der h.M. verstößt damit gegen das Analogieverbot. Nach der hier vertretenen Ansicht ist das einzelne Datum folglich kein Tatobjekt i.S. des § 202a.193

189 Roxin, AT 1, § 5 II. 1. Rn. 28.

190 Tröndle/Fischer-Tröndle, § 202a Rn. 6; Hilgendorf, JuS 1996, 509 (511); Schlüchter, 2. WiKG, S.

60; Schönke/Schröder-Lenckner, § 202a Rn. 3.

191 Schlüchter, 2. WiKG, S. 60; Jessen, Zugangsberechtigung und besondere Sicherung im Sinne des

§ 202a StGB, S. 46.

192 Schulze-Heiming, Der strafrechtliche Schutz der Computerdaten, S. 28 unter Berufung auf Möh-renschlager, wistra 1982, 201 (204). Möhrenschlager selbst beruft sich auf Sieber, Computerkri-minalität und Strafrecht, (2.Auflg.), S. 41. Dies ist jedoch unzutreffend, da Sieber selbst vorschlägt den Singular beim Tatobjekt des § 269 zu verwenden, da sonst das „Datum“ nicht erfaßt sei.

193 Siehe auch Sieber, Computerkriminalität und Strafrecht, (2.Auflg.), S. 41. Im Rahmen der Unter-suchung des damals noch zu erlassenden § 269 sind Tatobjekt auch „Daten“.