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Verdinglichung – Information als Gegenstand ausschließlicher Rechte

Im Dokument Information als Gut (Seite 88-118)

Ihr sagt es, Caballero! Man müßte Geset-ze erlassen zum Schutz der erworbenen Kenntnisse.

Nehmt beispielshalber einen unserer guten Schüler, der bescheiden und eifrig sich von seinen ersten Grammatikstunden an sein Heftchen mit Redewendungen an-gelegt

Und, zwanzig Jahre an den Lippen seiner Professoren hängend, zuletzt eine kleine Barschaft an Geist zusammen-gespart hat: gehört sie ihm nicht, als wäre sie sein Haus und Vermögen?

Paul Claudel, Der seidene Schuh*

Zentraler Gegenstand dieses Buches ist die „Verdinglichung“ von Informa-tion. Dieser Begriff wurde gewählt, um die Zuordnung von Information durch Ausschließlichkeitsrechte zu umschreiben. Im zweiten Teil der Ar-beit, der die Grundzüge der Verdinglichung von Information darstellen soll, muss zunächst der Begriff der Ausschließlichkeitsrechte und damit auch der Verdinglichung geklärt werden (§ 4). Danach sollen die dogmatischen Besonderheiten unkörperlicher Schutzgegenstände untersucht werden (§ 5).

Da es bei unkörperlichen Gütern und damit auch bei Informationsgütern besonders auf die Klärung zuzuweisender Befugnisse ankommt, soll in einem eigenen Kapitel dargestellt werden, welche Befugnisse im Umgang mit Information zugewiesen werden können (§ 6). Mögliche Anknüpfungs-punkte für eine solche Zuweisung (§ 7) und die Frage der Rechtfertigung (§ 8) bilden den Abschluss des zweiten Teils.

* Dritter Tag, zweite Szene, S. 178.

Im Folgenden wird der Begriff der Verdinglichung, verstanden als Zu-ordnung durch Ausschließlichkeitsrechte, näher untersucht. Zunächst werden die Wirkungsweise von Ausschließlichkeitsrechten und die Rolle der Übertragbarkeit dargestellt. Daraus wird ein Kriterienkatalog für die Abgrenzung von Ausschließlichkeitsrechten und bloßen Abwehrrechten (Handlungsverboten) entwickelt. Aufbauend auf dem Umstand, dass es auch Zwischenformen gibt, werden die möglichen Rechte schließlich als eine Stufenleiter der Güterzuordnung dargestellt.

I. Verdinglichung als Zuordnung durch Ausschließlichkeitsrechte

„Verdinglichung“ soll für die vorliegende Untersuchung die ausschließ-liche Zuweisung eines Gutes bzw. eines Gegenstandes durch das Zivilrecht bedeuten. Das Gut wird zum Gegenstand eines „dinglichen“ Rechts. Der Begriff wird nur verwendet, um die Zuordnung eines Rechtsobjekts mit ausschließlicher Wirkung zu kennzeichnen, nicht die Körperlichkeit des zugeordneten Objekts.1 Klarer, jedoch weniger verbreitet, ist der Begriff der Vergegenständlichung.2 Er erfasst unproblematisch auch unkörperliche Gegenstände, allerdings fehlt ihm der Hinweis auf die ausschließliche Zu-weisung, für die das Sacheigentum zumindest Modellcharakter hat. Eine genauere Charakterisierung der Ausschließlichkeitsrechte bzw. der aus-schließlichen Zuweisung wird im nächsten Abschnitt gegeben.

Eine weitere Bedeutung von Verdinglichung, von welcher der hier ge-brauchte Begriff abzugrenzen ist, liegt in der Gewährung absoluten Schut-zes für bestimmte Aspekte von Forderungsrechten,3 insbesondere bei

Ein-1 Vgl. Jänich, Geistiges Eigentum – eine Komplementärerscheinung zum Sacheigen-tum?, S. 217 f.; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 1 Rn. 4, § 2 Rn. 1.

2 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 11: „Die Urheberrechte sind gegenständliche Rechte.“ Ebenso Hofmann, JA 2008, 253 (255).

3 Dulckeit, Die Verdinglichung obligatorischer Rechte, S. 10; Canaris, in: FS Werner Flume, S. 371 (372); Weitnauer, in: FS Karl Larenz, S. 705 (706); vgl.

Westermann/Gur-griffen in die Forderungszuständigkeit.4 Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich dagegen nur mit absoluten Rechten. Relative Rechte werden lediglich ergänzend in die Betrachtung mit einbezogen. Wie noch genauer darzustellen sein wird, können sie beispielsweise im Vertragsrecht eine Er-satzfunktion bei fehlender ausschließlichkeitsrechtlicher Zuordnung über-nehmen.

Schließlich lässt sich Dinglichkeit auch als unmittelbares Abhängen von einem vorrechtlichen, nicht notwendig körperlichen, Gegenstand deuten.5 Wie noch darzustellen ist,6 trifft dies in gewissem Maße auch auf unkör-perliche Gegenstände zu. Allerdings weisen Ausschließlichkeitsrechte an unkörperlichen Gegenständen eine wesentlich größere Eigenständigkeit auf. Die Verwendung des Begriffs soll also nicht die Gleichbehandlung mit körperlichen Gegenständen implizieren.

II. Wirkungsweise von Ausschließlichkeitsrechten

Mit den Ausschließlichkeitsrechten (Ausschließungsrechten), die in jüngster Zeit vor allem von Peukert7 intensiv untersucht worden sind, steht ein dog-matisch klarer Begriff zur Kennzeichnung subjektiver Rechte mit Abwehr-wirkung und ZuweisungsAbwehr-wirkung gegenüber jedermann zur Verfügung.

Der Begriff der Ausschließlichkeitsrechte stellt auf die ausschließliche Zu-weisung von Befugnissen ab. Ein Ausschließlichkeitsrecht ist demnach die Zuordnung eines Gutes zu einer bestimmten Person unter Ausschluss aller Übrigen als primäres subjektives Recht.8 Der Begriff kommt ursprünglich aus dem Immaterialgüterrecht,9 passt aber auf sämtliche Güter. Ob nur übertragbare Rechte zu den Ausschließlichkeitsrechten zu zählen sind, wie es etwa Peukert vertritt, soll noch eigens geklärt werden.

sky/Eickmann, Sachenrecht, § 1 Rn. 12. Zu einer „Teilverdinglichung“ von Forderungs-rechten an Internetdomains Krebs/Becker, JZ 2009, 932 (933 ff.).

4 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 II 4 g.

5 So Wolf, Lehrbuch des Sachenrechts, S. 4 ff.

6 Siehe S. 105 ff.

7 Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 56 ff.

8 A. a. O., S. 56.

9 Verwendung des Begriffs u. a. bei Troller, Immaterialgüterrecht, Band I, S. 69; Dreier, in: Schricker/Dreier/Kur (Hrsg.), Geistiges Eigentum im Dienst der Innovation, S. 51 (59 f.); ders., Kompensation und Prävention, S. 72 ff.; Peifer, Individualität im Zivilrecht, S. 96, 336; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S. 270; Haedicke, Rechtskauf und Rechts-mängelhaftung, S. 75; Schack, in: Depenheuer/Peifer (Hrsg.), Geistiges Eigentum: Schutz-recht oder Ausbeutungstitel?, S. 123 (124 f.); in der Rechtsprechung BVerfG, Beschl.

v. 29. 7. 1991  – 1 BvR 868/90, NJW 1992, 36 (37)  – Kakaoverordnung; BGH, Urt. v.

23. 9. 1999 – III ZR 322/98, NJW 2000, 72 (73) – Erbensucher; Beschl. v. 15. 7. 2005 – GSZ 1/04, BGHZ 164, 1 (3) = NJW 2005, 3141 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung.

Synonym wird häufig von absoluten subjektiven Rechten gesprochen;

allerdings ist bei diesen unklar, ob ihnen automatisch Zuweisungsgehalt zukommt. Zumindest werden die sogenannten Rahmenrechte, wie das all-gemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht am eingerichteten und aus-geübten Gewerbebetrieb auch zu den absoluten Rechten zu zählen sein, wodurch der Begriff weniger trennscharf wird. Peukert kritisiert den Begriff wegen seiner möglichen Erweiterung auf alle deliktisch geschützten Rechts-güter als „verwässert“.10 Es bietet sich an, absolute subjektive Rechte als Oberbegriff für alle subjektiven Rechte mit absoluter Wirkung anzusehen, zu denen auf jeden Fall die Ausschließlichkeitsrechte gehören.

Ein weiterer häufig verwendeter Begriff ist derjenige der Herrschafts-rechte bzw. BeherrschungsHerrschafts-rechte, die einen beherrschbaren Gegenstand voraussetzen. Einen solchen kann man aber bei Information wie bei den meisten anderen unkörperlichen Gegenständen gerade nicht von vornherein annehmen.11 Die Wechselbeziehung der vorrechtlichen und rechtlichen Be-stimmung von unkörperlichen Gegenständen wird in einem eigenen Kapitel noch genauer untersucht.12

Schließlich gibt es noch die Gruppe der Verfügungsrechte und der Ver-mögensrechte. Diese setzen aber ebenfalls bereits eine bestimmte Eigen-schaft, nämlich die Verfügbarkeit bzw. den Vermögenswert voraus und umfassen daher nicht sämtliche Ausschließlichkeitsrechte. Andererseits ergibt sich zumindest aus dem Wortlaut auch keine klare Beschränkung auf absolut wirkende Rechte. Der Begriff der property rights kennzeichnet in ähnlicher Weise einerseits bereits eine bestimmte – nämlich ökonomische – Funktion der zugewiesenen Befugnisse, andererseits wird er zum Teil auf relative Rechte ausgedehnt.13 Daher sind diese Begriffe als Ausgangspunkt für die vorliegende Untersuchung, die sich mit der Zuweisung von Infor-mation beschäftigt, nicht geeignet; sie werden aber, soweit sie Bedeutung für die Zuordnung von Information haben, noch ausführlicher dargestellt.

Im Folgenden sollen die wesentlichen Merkmale von Ausschließlichkeits-rechten dargestellt werden. Neben ihrem subjektiv-rechtlichen Charakter und der Abwehrfunktion gegenüber jedermann gehört dazu die ebenfalls gegenüber jedermann wirkende positive Zuweisung von Zuständigkeits-bereichen.

10 Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 54.

11 Information ist faktisch nur eingeschränkt beherrschbar, indem sie geheim gehalten wird. Allerdings kann man von einer rechtlichen Beherrschung durch ausschließliche Zu-weisung sprechen.

12 Siehe § 5 (S. 91 ff.).

13 Siehe S. 76 f.

1. Subjektiv-rechtlicher Charakter

Bei Ausschließlichkeitsrechten handelt es sich um subjektive Rechte. Sie ste-hen einer bestimmten Person zu, dienen dem Schutz eines Interesses dieser Person (das mit dem Gut gleichgesetzt werden kann), und ihre Ausübung ist ins Belieben des Rechtsinhabers gesetzt. Interessenschutz und Autonomie der Ausübung entsprechen den beiden im 19. Jahrhundert zum Begriff des subjektiven Rechts vertretenen Theorien: der von Windscheid und Savigny befürworteten Willenstheorie und der von Jhering entwickelten Interes-sentheorie.14

Nach heute herrschender Auffassung sind die Ansätze von Willens- und Interessentheorie zu vereinigen, indem subjektive Rechte Interessen durch Gewährung von Willensfreiheit schützen.15 Das entscheidende Merkmal scheint aber die Freiheit zu sein, subjektive Rechte auszuüben oder auch nicht. Der Schutz bestimmter Interessen findet sich in vielen Normen des Zivilrechts und liegt auch der Güterdefinition zu Grunde. Einen solchen Schutz gewähren aber auch Normen, deren Wirkung unabhängig vom Wil-len des Rechtsgutsträgers eintritt. Subjektive Rechte schützen Interessen gerade durch die Gewährleistung von Entscheidungsfreiheit gegenüber anderen Privatrechtssubjekten. Auch die Jheringsche Interessentheorie unterscheidet subjektive Rechte von bloßen Rechtsreflexen danach, ob der Eintritt der rechtlichen Wirkung vom Willen der betroffenen Person ab-hängt.16 Daher ist die Verleihung einer Rechtsmacht als das entscheidende Kriterium anzusehen.

2. Wirkung gegenüber jedermann

Ausschließlichkeitsrechte sind absolute subjektive Rechte. Der Unterschei-dung zwischen absoluten und relativen subjektiven Rechten liegt der Um-stand zu Grunde, dass bestimmte subjektive Rechte gegenüber jedermann wirken. Subjektive Rechte können unterteilt werden in Ansprüche, also das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 Abs. 1 BGB), in Gestaltungsrechte, also das Recht, die objektive Rechts-lage durch Gestaltungserklärung zu verändern, und in eine dritte Gruppe, deren entscheidendes Merkmal die absolute Wirkung darstellt. Absolute

14 Zum Theorienstreit Wagner, AcP 193 (1993), 319 (320 ff.); Auer, AcP 208 (2008), 584 (593 ff.).

15 Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, S. 272 f.; Raiser, JZ 1961, 465 ff.; Schack, BGB – Allgemeiner Teil, Rn. 45; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 14 Rn. 11 ff.; Hofmann, Immaterialgüterrechtliche Anwartschafts-rechte, S. 100 f.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 63.

16 Wagner, AcP 193 (1993), 319 (345).

subjektive Rechte gewähren dem Rechtsinhaber eine Rechtsmacht gegen-über jedermann.17

Absolutheit ist nicht zu verstehen als unumschränkte Zuweisung aller denkbaren Befugnisse hinsichtlich des Zuweisungsgegenstands. Als Gegen-stand absoluter Rechte kann man den „Beziehungspunkt“ der damit ver-bundenen Ge- und Verbote bzw. Erlaubnisse bezeichnen.18 Zugleich kann man den Rechtsgegenstand auch als Rechtsgut begreifen.19 Allerdings setzen absolute Rechte nicht voraus, dass es einen solchen Gegenstand bereits in der vorrechtlichen Welt gibt, wie es etwa beim Sacheigentum der Fall ist.20 Erst recht setzen sie nicht voraus, dass hinsichtlich eines solchen Gegen-stands – wiederum nach dem Vorbild des Sacheigentums und der in § 903 BGB geregelten umfassenden Sachherrschaft – sämtliche denkbaren Befug-nisse dem Rechtsinhaber zugewiesen sein sollen.

Die Wirkung gegenüber jedermann umfasst zum einen die Abwehrmög-lichkeit durch Zurverfügungstellen rechtlicher Sanktionen, zum anderen weist sie aber dem Rechtsträger einen Handlungsspielraum ausschließlich zu, was vor allem für Sekundäransprüche wichtig ist. Als dritte Funktion kommt absoluten Rechten diejenige einer „Quelle der Verfügungsmacht“

zu, jedoch nur, soweit sie übertragbar sind.21 Da auch über Ansprüche verfügt werden kann und es auch nicht übertragbare Rechte mit absoluter Wirkung gibt, soll dieser Aspekt im folgenden Abschnitt gesondert be-handelt werden.

3. Abwehrbefugnis durch Abwehransprüche

Ausschließlichkeitsrechte gewähren dem Rechtsinhaber die Möglichkeit, Beeinträchtigungen des geschützten Interesses abzuwehren. Dies geschieht durch die Gewährung von Abwehransprüchen im Falle der Beeinträchti-gung. Prototyp solcher Ansprüche sind Unterlassungs- und Beseitigungs-ansprüche nach § 1004 Abs. 1 BGB, der analog auch auf andere Ausschließ-lichkeitsrechte angewandt wird. Im Immaterialgüterrecht finden sich auch eigene Anspruchsnormen wie etwa § 139 Abs. 1 PatG, § 97 Abs. 1 UrhG,

§ 14 Abs. 5 MarkenG oder § 42 Abs. 1 GeschmMG. Nach der

Willenstheo-17 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 15 Rn. 14; Fikentscher/

Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1558; Köhler, BGB, Allgemeiner Teil, § 17 Rn. 7; Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, § 10 Rn. 62.

18 Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, Vorb. zu §§ 90–103 Rn. 4; Begriff von Zitel-mann, Internationales Privatrecht, S. 50.

19 Für diese Gleichsetzung von Rechtsgegenstand und Rechtsgut Jickeli/Stieper, in:

Staudinger, BGB, Vorb. zu §§ 90–103 Rn. 7, mit Nachweis abweichender Ansichten.

20 Siehe S. 92 ff.

21 Ohly, „Volenti non fit iniuria“, S. 182; vgl. Haedicke, JuS 2001, 966 (969 f.); Larenz/

Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 14 Rn. 8.

rie gehört die Möglichkeit der Durchsetzung mit den Mitteln des Rechts zum Wesen der subjektiven Rechte. Durch das Kriterium des rechtlichen Schutzes grenzt aber auch die Interessentheorie subjektive Rechte von bloß faktisch begünstigenden Rechtsreflexen ab.22 Alexy spricht von der „Beweh-rung“ subjektiver Rechte.23

Bedenkenswert ist das Argument, dass absolute subjektive Rechte primär nur Unterlassungspflichten und keine Leistungspflichten erzeugen kön-nen.24 Damit wäre bereits der Beseitigungsanspruch kein primärer, sondern ein sekundärer Anspruch. Auch der Unterlassungsanspruch folgt aber im geltenden Recht nicht unmittelbar aus dem absoluten subjektiven Recht, sondern wird durch entsprechende Anspruchsnormen wie § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB eigens angeordnet. Die unmittelbare rechtliche Wirkung der Ausschließlichkeitsrechte beschränkt sich daher auf die noch zu bespre-chende Zuweisung eines Ausschließlichkeitsbereichs. Die Abwehransprü-che sind als relative Rechte gegen einzelne Personen, die die ausschließliAbwehransprü-che Zuweisung tatsächlich oder potenziell beeinträchtigen, vom Ausschließlich-keitsrecht zu trennen.

4. Positive Zuweisung von Befugnissen

Neben der Möglichkeit, jedem anderen Handlungen in Bezug auf den Ge-genstand zu verbieten, enthalten Ausschließlichkeitsrechte auch die positive Zuweisung ihres Gegenstands bzw. der entsprechenden Befugnisse.25 Diese gewährt nicht die Freiheit, etwas zu tun, sondern grenzt die eigene Zustän-digkeit gegenüber Dritten ab. Wichtigste Folge dieses Zuweisungsgehalts ist die Gewährung sekundärer Ausgleichsansprüche bei Verstößen gegen die so geschaffene Zuständigkeitsordnung.

a) Schaffung einer Zuständigkeitsordnung durch Zuweisung von Befugnissen

Die positive Funktion von Ausschließlichkeitsrechten wird gelegentlich als „Freiheitsermächtigung“ umschrieben.26 Dies könnte aber auch so ver-standen werden, dass dem Rechtsinhaber erst durch das jeweilige Aus-schließlichkeitsrecht die jeweiligen Befugnisse erteilt werden. Ein solches Verständnis würde aber das Ausnahme-Regel-Verhältnis gerade umkehren.

Im Zivilrecht – und aufgrund der allgemeinen Handlungsfreiheit auch im

22 Vgl. Auer, AcP 208 (2008), 584 (596).

23 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 208 f.; vgl. Ohly, „Volenti non fit iniuria“, S. 180.

24 Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, S. 142.

25 Adomeit, JZ 1970, 495 (498); Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts,

§ 15 Rn. 2.

26 Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S. 419.

öffentlichen Recht – besteht grundsätzlich die Möglichkeit, zu tun und zu lassen, was man will. Diese Freiheit findet ihre Grenzen in den Rechten Dritter, die also eine Ausnahme von der Regel darstellen.

Daraus hat die Imperativentheorie27 den Schluss gezogen, dass die positive Zuweisung keine echte Wirkung von Ausschließlichkeitsrechten darstellt, oder mit den Worten von Larenz, dass sich „der normative Gehalt der [ab-soluten] subjektiven Rechte in der Verpflichtung aller übrigen Rechtsgenos-sen erschöpfe, nicht auf dieRechtsgenos-sen Bereich einzuwirken“.28 Demgegenüber wurde überzeugend dargelegt, dass auch die Zuweisung von Befugnissen einen eigenen Regelungsgehalt besitzt, der zwar nicht in einem unmittel-baren Ge- oder Verbot besteht, der aber dennoch für die Rechtsordnung – insbesondere für das Delikts- und Bereicherungsrecht – Bedeutung hat:29

„Der eigentliche Sinn rechtlicher Freiheitsgewährleistungen, nämlich der Schutz der persönlichen Integrität und die Zuweisung eines eigenverantwortlich zu gestaltenden Handlungsspielraums, wird durch die Reduktion von Freiheitsrechten auf Störungs-Abwehrklagen verfehlt.“30

Im geltenden Recht wird zumeist zwischen der Zuweisung der ausschließ-lichen Befugnisse (zum Beispiel für das Sacheigentum durch § 903 BGB) und der Gewährung von Abwehransprüchen (durch § 1004 Abs. 1 BGB und durch die Vindikation nach § 985 BGB, die als Abwehr der Eigentums-beeinträchtigung durch Besitzentziehung aufgefasst werden kann) unter-schieden. Dieser Umstand spricht dafür, dass die normtechnische Wirkung von Ausschließlichkeitsrechten in erster Linie in der Zuweisung von Aus-schließlichkeitsbereichen besteht, die dann durch Abwehransprüche flan-kiert werden.31 Ob aber das Recht oder die Pflicht „normativ primär“32 ist, ob also die rechtliche Zuweisung einer Befugnis oder die Möglichkeit, Ein-schränkungen durch Dritte abzuwehren, als unmittelbare Rechtswirkung gesehen wird, spielt für die Praxis keine Rolle. Entscheidend ist, dass Aus-schließlichkeitsrechte wegen ihrer positiven Zuweisung auch unverletzt

27 Dazu Larenz, in: FS Karl Engisch, S. 150 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 74 ff.; Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 857 ff.; Rüt-hers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 148 ff.

28 Larenz, in: FG Johannes Sontis, S. 129 (134 ff.).

29 Siehe Nachweise unter Fn. 27. Larenz, in: FS Karl Engisch, S. 150 (154), und Larenz/

Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 77, sprechen von „Geltungsanord-nungen“.

30 Wagner, AcP 193 (1993), 319 (342).

31 Zum umgekehrten Weg, dass zunächst nur Handlungsverbote bestehen, von denen dann die Rechtsprechung auf die Existenz eines Ausschließlichkeitsrechts schließt, wie zum Beispiel beim Unternehmensgeheimnis, siehe im nächsten Kapitel. Auch hier besteht gedanklich zunächst eine Zuweisung, von der dann auf weitere – noch nicht gesetzlich ausgeformte – Abwehransprüche geschlossen wird. Problematisch ist nur, ob der Recht-sprechung die Kompetenz zur Schaffung derartiger Ausschließlichkeitsrechte zukommt.

32 Formulierung von Auer, AcP 208 (2008), 584 (592).

gedacht werden können.33 Zwar besteht ohnehin allgemeine Handlungs-freiheit, Ausschließlichkeitsrechte kennzeichnen aber bestimmte Bereiche, die auch im Verkehr zwischen Privaten zu respektieren sind.

Dadurch entsteht eine statische rechtliche Güterzuweisung, eine „Zu-ständigkeitsordnung“.34 Ausschließlichkeitsrechten kommt die „Ordnungs-funktion in einem Privatrechtssystem“35 zu. Es werden also weniger Frei-heitsbereiche,36 Freiheitssphären37 bzw. Handlungsspielräume38 geschaffen, sondern diese werden gegeneinander abgegrenzt:

„Das Eigentumsrecht als subjektives Recht ist ein rechtliches Verhältnis mit dem Inhalt, daß ein daran Beteiligter (der Berechtigte) für eine bestimmte Entscheidung zuständig ist.“39

Gerade bei einer Untersuchung von Rechten an unkörperlichen Gütern bleibt aber darauf hinzuweisen, dass Ausschließlichkeitsrechte nicht im-mer eine positive Handlungsbefugnis gewähren. So ist die Frage, ob ein Patent gegenüber Dritten ein positives Benutzungsrecht gewährt, heftig umstritten.40 Dies ist aber nur Folge des Umstands, dass Ausschließlich-keitsrechte nicht jede denkbare Handlungsmöglichkeit in Bezug auf ihren Gegenstand zuweisen. Hinzu kommt, dass die zugewiesenen Befugnisse durch Beschränkungen oder durch Rechte Dritter eingeschränkt werden können. Deshalb ist auch das zivilrechtliche Eigentum kein schrankenloses Ausschließlichkeitsrecht.

Zu ergänzen bleibt auch, dass eine Zuweisung ohne Ausschlusswirkung nicht denkbar ist: Ein subjektives Recht liegt nur dann vor, wenn die ent-sprechende Position gerade einem einzelnen Berechtigten zugewiesen ist.41 Es genügt nicht, dass etwas nicht verboten und damit jedermann erlaubt ist.

Vielmehr liegt ein Ausschließlichkeitsrecht erst dann vor, wenn „jemand rechtens etwas darf, was andere nicht dürfen“.42 Daher wird in der weiteren Untersuchung der Begriff der rechtlichen Zuweisung als Synonym für die ausschließliche rechtliche Zuweisung verwendet. Einschränkend muss aber

33 Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 56.

34 Ohly, „Volenti non fit iniuria“, S. 182.

35 Raiser, in: FG Johannes Sontis, S. 167 (168).

36 Fezer, Teilhabe und Verantwortung, S. 531 ff.

37 Wolf, Lehrbuch des Sachenrechts, S. 117; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürger-lichen Rechts, § 14 Rn. 4.

38 Ohly, „Volenti non fit iniuria“, S. 182.

39 Wolf, Lehrbuch des Sachenrechts, S. 117.

40 Vgl. Schönherr, in: FS Alois Troller, S. 57 (71 ff.); Stjerna, GRUR 2010, 202 (203).

Dass Patente keine öffentlich-rechtliche Gestattung, die patentierte Erfindung zu benut-zen, darstellen, ergibt sich bereits aus deren zivilrechtlichem Charakter.

41 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 14 Rn. 17.

42 Larenz, in: FG Johannes Sontis, S. 129 (138). Zu der Freiheit, von anderen nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden, muss ein Anspruch gegen andere, Beeinträchtigungen zu unterlassen, hinzukommen, siehe S. 99 f.

festgehalten werden, dass eine nicht-ausschließliche Zuweisung dort denk-bar ist, wo Befugnisse nicht-rivalen Charakter haben, also von mehreren gleichzeitig ausgeübt werden können, ohne sich dabei gegenseitig zu beein-trächtigen.43 Eine nicht-ausschließliche Zuweisung im Sinne eines bloßen Teilhaberechts wäre hier denkbar. Dogmatisch bedeutet dies aber dann entweder einen relativen Anspruch auf Gewährung von Teilhabe oder ein bloßes Abwehrrecht gegen die Beeinträchtigung der Befugnisausübung.

Als Ergebnis ist festzuhalten, dass Ausschließlichkeitsrechte eine Zustän-digkeitsordnung schaffen, indem sie dem Rechtsträger bestimmte Befug-nisse ausschließlich zuweisen.

b) Ersatzansprüche bei Eingriffen in die Zuständigkeitsordnung

Aus dem Zuweisungsgehalt ergeben sich nicht nur Abwehransprüche, er dient auch als Anknüpfungspunkt für Ausgleichs- und Ersatzansprüche bei einer Beeinträchtigung des Zuweisungsgehalts. Je nach Grad des Verschul-dens kommen hier Ansprüche aus Bereicherungsrecht, Deliktsrecht oder angemaßter Eigengeschäftsführung in Betracht. Eine ausführliche Analyse der Rolle von Ausschließlichkeitsrechten für das Deliktsrecht, das Lauter-keitsrecht, das Bereicherungsrecht und die Geschäftsführung ohne Auftrag nimmt Peukert44 vor. Er rechnet die Ausgleichs- und Ersatzansprüche bei objektiv rechtswidrigen Eingriffen in den Schutzbereich ebenso wie die

Aus dem Zuweisungsgehalt ergeben sich nicht nur Abwehransprüche, er dient auch als Anknüpfungspunkt für Ausgleichs- und Ersatzansprüche bei einer Beeinträchtigung des Zuweisungsgehalts. Je nach Grad des Verschul-dens kommen hier Ansprüche aus Bereicherungsrecht, Deliktsrecht oder angemaßter Eigengeschäftsführung in Betracht. Eine ausführliche Analyse der Rolle von Ausschließlichkeitsrechten für das Deliktsrecht, das Lauter-keitsrecht, das Bereicherungsrecht und die Geschäftsführung ohne Auftrag nimmt Peukert44 vor. Er rechnet die Ausgleichs- und Ersatzansprüche bei objektiv rechtswidrigen Eingriffen in den Schutzbereich ebenso wie die

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