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Verdampfungsk¨ uhlung

Im Dokument 5.3 Das Doppel-MOT-System (Seite 36-47)

Auf die Bedeutung der Verdampfungsk¨uhlung im Zusammenhang mit der BEK atomarer Gase hat H. Hess 1986 hingewiesen [143]. Von der Demonstration der Methode, die 1988 an magnetisch gespeichertem Wasserstoff gelang [7], bis zur Beobachtung der BEK [9, 10, 16]

sollten jedoch noch acht Jahre vergehen. Der Durchbruch gelang erst durch die Anwendung der K¨uhlmethode auf Alkaligase und die zeitgleich eingef¨uhrte Technik der Radiofrequenz-induzierten Verdampfung [144, 145]. Bis dato spielt die Verdampfungsk¨uhlung in allen BEK-Experimenten eine zentrale Rolle.

5.6.1 Das Prinzip der Verdampfungsk¨uhlung

Das Prinzip der Verdampfungsk¨uhlung wird h¨aufig am Beispiel einer Tasse heißen Kaffees erl¨autert: Durch das Verdampfen ¨uberdurchschnittlich energiereicher Molek¨ule sinkt die Temperatur der zur¨uckbleibenden Fl¨ussigkeit. Dahinter verbirgt sich mehr als eine blo-ße Selektion im Phasenraum. Eine effiziente K¨uhlung wird erst dadurch m¨oglich, daß die Fl¨ussigkeit bzw. das Gas durch St¨oße thermalisiert. Im thermischen Gleichgewicht n¨amlich ist sichergestellt, daß stets Teilchen mit weit ¨uberdurchschnittlicher Energie nachgeliefert werden. Dadurch kommt die K¨uhlung viel langsamer zum Erliegen als man zun¨achst an-nehmen k¨onnte. Dieser Prozeß ist in Abbildung 5.9 in Schritten veranschaulicht. Entfernt man zun¨achst die hochenergetischen Teilchen aus der Boltzmann-Verteilung f(E) jenseits vonEcut, stellt sich anschließend durch St¨oße das thermische Gleichgewicht bei einer tiefe-ren Temperatur ein, und der

”Maxwell-Schwanz“ wird regeneriert. Daher kann er in einem zweiten Schritt wieder entfernt werden.

Im Experiment erfolgt die Verdampfungsk¨uhlung in der Magnetfalle nicht schrittweise, sondern durch ein kontinuierliches Absenken der EnergieEcut, oberhalb derer Teilchen ent-fernt werden (man spricht dann von

”erzwungener Verdampfung“). Es wird also der stetig abnehmenden Temperatur des Gases Rechnung getragen. Damit kann der Prozeß wesent-lich effizienter gestaltet werden als in einer Kaffeetasse, in der die Energieschwelle ¨uber die (nahezu temperaturunabh¨angige) Oberfl¨achenspannung festliegt. Erst durch erzwungene

5.6 Verdampfungsk¨uhlung 93

Verdampfung wird es m¨oglich, die Temperatur des Gases um ¨uber vier Gr¨oßenordnungen zu reduzieren. Allerdings geschieht dies, wiederum anders als im Falle der Kaffeetasse, auf Kosten eines immensen Teilchenverlustes von bis zu vier Gr¨oßenordnungen.

Um den Teilchenverlust so gering wie m¨oglich zu halten, darf sich die Energie Ecut auf der Zeitskala der inversen elastischen Stoßrate γel nur langsam ¨andern. Luiten et al. haben gezeigt, daß sich das Gas in diesem Falle immer in einem thermodynamischen Quasi-Gleichgewicht befindet, das durch die gekappte Boltzmann-Verteilung

f(E) =n0λ3T eβEΘ(Ecut−E) (5.34) in Abbildung 5.9(b) beschrieben wird [146]. Dabei sind n0 die zentrale Dichte, die das Gas in einem unendlich hohen Potential h¨atte, λT die thermische de Broglie-Wellenl¨ange und Θ die Heavisidesche Stufenfunktion. Auf diese Weise kann dem System zu jedem Zeitpunkt eine Temperatur zugeschrieben werden. Sie ist gem¨aß

Ecut =ηkBT (5.35)

¨

uber den sog. Abschneideparameter η mit der aktuellen Potentialtiefe verbunden. F ¨ur η1 nimmt die Rate, mit der Atome verdampft werden, die Form

ev

N = 1

τev ≈n0¯vσseη (5.36) an. Erwartungsgem¨aß werden zu verdampfende Teilchen durch die elastische Stoßrate

∼ n0vσ¯ s nachgeliefert, jedoch umso seltener, je h¨oher die Potentialtiefe im Vergleich zur mittleren Energie der gespeicherten Atome ist.

Die innere Energie eines inhomogenen Gases ist durch E = (3/2 + ξ)N kBT gegeben.

Dabei ist ξ der bereits in Gleichung (5.31) eingef¨uhrte Potentialparameter. In einem Ioffe-Potential ist er temperaturabh¨angig und variiert zwischen den Werten 5/2 und 3/2.

W¨ahrend der Verdampfungsk¨uhlung ¨andert sich die innere Energie entsprechend ˙E = (3/2 +ξ)kB( ˙N T +NT˙), wobei ˙N = −N˙ev gilt. Diese ¨Anderung l¨aßt sich gem¨aß ˙E ≈ εN˙ auch durch den Teilchenverlust und die mittlere Energie ε der verdampften Teilchen ausdr¨ucken. F¨ur große η wird dem System in guter N¨aherung mit jedem Teilchen die Energie ε=ηkBT entzogen. Durch Gleichsetzen der obigen Ausdr¨ucke f¨ur ˙E ergibt sich sofort, daß zwischen Temperatur und Teilchenzahl die Beziehung

T ∝Nα mit α= T /T˙

ev/N = η

3/2 +ξ −1 (5.37)

gilt. Der sog. Effizienzparameter α gibt an, um wieviel die Energie der verdampften Teilchen die mittlere Energie gespeicherter Atome ¨ubertrifft. Eine K¨uhlung des Gases kann nur erreicht werden, wenn durch die Wahlη >3/2 +ξ mehr als die mittlere Energie der Atome abgef¨uhrt wird14. Hier wird ein Dilemma deutlich: Einerseits ist es offenbar erstrebenswert, mit einem m¨oglichst hohen Wert von η (bzw. α) daf¨ur zu sorgen, daß

14 Dies gilt nur n¨aherungsweise. Tats¨achlich sind auch kleinere Werte vonη m¨oglich, weil die Quasi-Gleichgewichtsverteilung (5.34) und mit ihr die mittlere Energie vonηabh¨angen.

die Temperatur auf Kosten eines geringen Teilchenverlustes sinkt. Andererseits aber wird damit unter Umst¨anden die Dauer des K¨uhlprozesses, wie anhand der Gleichungen (5.36) und (5.37) zu erkennen ist, inakzeptabel lang.

Entscheidend ist daher, wie sich die elastische Stoßrate w¨ahrend der Verdampfungsk¨uhlung verh¨alt. Je gr¨oßer sie ist, desto h¨oher kannηbei vorgegebener K¨uhldauer gew¨ahlt werden.

Aus den Gleichungen (3.15), (5.37) und der Tatsache, daß das effektive Volumen des Gases wieVe∝Tξ skaliert, ergibt sich die Proportionalit¨at

γel∝T(1/α+1/2ξ). (5.38)

Es kann also mit α > (ξ −1/2)1 erreicht werden, daß die Stoßrate trotz der Tempe-raturabnahme zunimmt. M¨oglich wird dies erst durch das inhomogene Potential. Es bewirkt gewissermaßen eine Kompression des Gases mit abnehmender Temperatur. Ober-halb eines potentialabh¨angigen Wertes vonηwirkt sich die Dichtezunahme st¨arker auf die Stoßrate aus, als die Abnahme der Relativgeschwindigkeit mit der Temperatur. In die-sem sog.

”Runaway“-Regime ist die Verdampfungsk¨uhlung ein selbstbeschleunigter Pro-zeß: Will man einerseits η konstant halten, muß die Potentialtiefe Ecut mit sinkender Temperatur immer schneller reduziert werden, wodurch wiederum die Temperatur immer schneller abnimmt. Andererseits bietet es sich jetzt nat¨urlich an, nicht an η sondern an der Geschwindigkeit dEcut/dt festzuhalten und damit zu erreichen, daß η mit sinkender Temperatur w¨achst und somit weniger Teilchen verloren gehen. Eine Wahl zwischen die-sen beiden Strategien ist jedoch nur noch sehr eingeschr¨ankt m¨oglich, wenn es Heizraten und zus¨atzliche Verlustprozesse im System gibt.

5.6.2

”Schlechte“ St¨oße und Antievaporation

Durch Verluste, die nicht auf die Verdampfung zur¨uckzuf¨uhren sind, nimmt die Anzahl der Teilchen, mit der eine bestimmte Temperatur erreicht wird, nicht nur unmittelbar, sondern auch auf indirektem Wege ab. Dies ist dadurch bedingt, daß Verluste auch die Dichte, die elastische Stoßrate und somit die Effizienz der Verdampfungsk¨uhlung reduzieren. Mit der Speicherzeit ist nat¨urlich auch der Dauer der Verdampfungsk¨uhlung eine Grenze gesetzt.

F¨ur das Experiment ist entscheidend, ob sich unter diesen Bedingungen das Runaway-Regime erreichen bzw. aufrechterhalten l¨aßt. Dies kann nur gelingen, wenn elastische St¨oße ¨uber die gesamte Dauer des K¨uhlprozesses wesentlich h¨aufiger stattfinden als St¨oße, die ungewollte Verluste bewirken. Wichtig ist daher das Verh¨altnis

R= hni¯vσ

1/τbg+K2hni+K3hn2i (5.39) der Raten von

”guten“ zu

”schlechten“ St¨oßen (siehe Kapitel 3.2 und 3.3). Es sollte min-destens von der Gr¨oßenordnung 102 sein. Das ergeben Simulationen und Absch¨atzungen, die sowohl in unserer [32], als auch in vielen anderen Gruppen durchgef¨uhrt wurden.

Aufgrund ihrer unterschiedlichen Abh¨angigkeiten von Dichte und Temperatur dominieren Verluste durch St¨oße mit dem Hintergrundgas, durch Spinrelaxation und durch Rekom-bination in unterschiedlichen Stadien der Verdampfung. St¨oße mit dem Hintergrundgas

5.6 Verdampfungsk¨uhlung 95

spielen unter guten Vakuumbedingungen – wenn ¨uberhaupt – dann nur zu Beginn des Prozesses eine Rolle. Spinrelaxation ist im Zustand |F = 1, mF =−1i bei geringen Ma-gnetfeldern und tiefen Temperaturen unterdr¨uckt, wie in Kapitel 3.2 erl¨autert wurde. Das Verh¨altnis von elastischen zu Rekombinationsst¨oßen wird jedoch, den Ausf¨uhrungen in Kapitel 3.3 zufolge, sowohl mit zunehmender Dichte als auch mit sinkender Temperatur ung¨unstiger. Zumindest theoretisch ist daher die Phasenraumdichte begrenzt, die durch Verdampfungsk¨uhlung erreicht werden kann.

Daß sich Heizraten nachteilig auf die Effizienz der Verdampfungsk¨uhlung auswirken, liegt auf der Hand, da sie durch die

”K¨uhlrate“ ¨uberkompensiert werden m¨ussen. Neben den bereits in Abschnitt 5.5.4 diskutierten technischen Heizraten verursachen dichteabh¨angige Verluste eine Heizrate durch sog. Antievaporation. Sie kommt dadurch zustande, daß inelastische St¨oße in einem inhomogenen System vorzugsweise zwischen Teilchen mit un-terdurchschnittlicher potentieller Energie stattfinden. Dieser Prozeß, den man auch als

”Verdampfungsheizen“ bezeichnen k¨onnte, soll im folgenden quantifiziert werden.

Verluste durch inelastische St¨oße machen sich erst bei hohen Dichten bemerkbar. Im Experiment werden diese erst gegen Ende des K¨uhlprozesses und somit bei tiefen Tem-peraturen erreicht. Hier ist das Speicherpotential harmonisch und die Energie, die dem System im Mittel bei einem inelastischen j-K¨orper-Stoß mit jedem der Teilchen verloren geht, durch

gegeben. Der erste Beitrag entspricht der mittleren kinetischen Energie der gespeicherten Atome, da die Stoßwahrscheinlichkeit bei tiefen Temperaturen nicht geschwindigkeits-abh¨angig ist. Wie am zweiten Beitrag zu erkennen, geht jedoch um den Faktor 1/j weniger potentielle Energie verloren, als gespeicherte Atome im Mittel besitzen. Dies ist das Ergebnis der Gewichtung der potentiellen Energie mit der ortsabh¨angigen Wahr-scheinlichkeitsverteilung inelastischer St¨oße. Mit dem Energieargument, das bereits zur Herleitung von Gleichung (5.37) diente, folgt nun unmittelbar, daß die drei Verlustraten N˙j/N =−Kjhn(~r)j1i jeweils zu den Heizraten

f¨uhren15. Erwartungsgem¨aß ist mit dichteunabh¨angigen Verlusten keine Heizrate verbun-den.

Die Auswirkungen der Antievaporation k¨onnen insbesondere bei hohen Dichten beachtlich sein: Wird mit Rubidium im Zustand|F = 2, mF = 2i die Phasenraumdichte vonnpλ3T '

15 Eine etwas ausf¨uhrlichere Herleitung findet sich in der Diplomarbeit [147].

2 beispielsweise mit np ' 3×1014/cm3 und T ' 1µK erreicht, so muß entsprechend den Gleichungen (5.41), (3.39) und (3.52) insgesamt mit einer Heizrate von ˙T /T '0,7/s gerechnet werden. Wird die gleiche Phasenraumdichte jedoch mitnp '1×1014/cm3 und T '480 nK erreicht, erwartet man lediglich die Rate ˙T /T '0,08/s, die von der gleichen Gr¨oßenordnung wie die technischen Heizraten des Systems ist.

Im Experiment ist es h¨aufig erforderlich, die Temperatur des Gases nach erfolgter K¨uhlung konstant zu halten, um Messungen unter definierten Bedingungen durchf¨uhren zu k¨onnen.

In diesem Falle muß die Antievaporation durch Verdampfen genau kompensiert werden, was aufgrund der Beziehungen (5.36), (5.37) und (5.41) im (bei tiefen Temperaturen) harmonischen Potential der Forderung

ηT

3 −1

eηT =!

K2np

4

8 +K3n2p

3 27

npvσ¯ s (5.42)

entspricht. Dominieren im System Verluste infolge inelastischer St¨oße, entspricht die rechte Seite in guter N¨aherung R1. Durch die Gleichung ist der Wert ηT festgelegt. F¨ur die obigen Zahlenbeispiele erh¨alt man ηT ' 9,8 bzw. ηT = 10,6. Hier wird deutlich, wie viel effizienter die Verdampfungsk¨uhlung im Vergleich zur Antievaporation ist: Soll die Temperatur konstant bleiben, ist f¨ur einen inelastischen j-K¨orper-Prozeß das Verh¨altnis der Verluste infolge von Evaporation und Antievaporation durch

Lj = N˙ev,j

j = 3(j−1)

2j(ηT −3) (5.43)

gegeben. F¨ur ηT = 10 erh¨alt man L2 = 0,11 und L3 = 0,14. Da der gesamte Verlust durch ˙Nj+ ˙Nev,j gegeben ist, bedeutet dies de facto, daß die Konstanz der Temperatur auf Kosten einer geringen

”Verst¨arkung“ der inelastischen Ratenkonstanten auf (1 +L2)K2 bzw. (1 +L3)K3 erreicht wird.

Schließlich gilt noch anzumerken, daß Antievaporation in einem teilweise kondensierten Gas nur durch Verluste angeregter Atome zustandekommt. Verluste von Atomen aus dem Grundzustand des Potentials machen sich in der Energiebilanz des Systems nicht bemerkbar und f¨uhren daher auch nicht zu einer Heizrate. Allerdings reduzieren sie die Gesamtteilchenzahl, was in einem wechselwirkenden System endlicher Teilchenzahl gem¨aß (4.15) und (2.22) Auswirkungen auf die ¨Ubergangstemperatur hat. Wird die Temperatur des Systems konstant gehalten, variiert mit der Teilchenzahl die relative BesetzungN0/N des Grundzustandes. Ob sie zu- oder abnimmt, h¨angt davon ab, ob die Verschiebung der ¨Ubergangstemperatur infolge der Abnahme der Wechselwirkung oder jene infolge der Abnahme der Teilchenzahl dominiert.

5.6.3 Rf-induzierte Verdampfungsk¨uhlung

Bei der Radiofrequenz(Rf)-induzierten Verdampfungsk¨uhlung wird ausgenutzt, daß in der magnetischen Falle mit der Zeeman-Aufspaltung auch die Spinresonanz der Atome orts-abh¨angig ist. Da es sich dabei um ¨Uberg¨ange zwischen Zeeman-Niveaus des Grundzu-stands handelt, kann die Resonanz bei geringer Rf-Amplitude extrem schmal werden. In

5.6 Verdampfungsk¨uhlung 97

Abbildung 5.10: (a): Prinzip der Rf-induzierten Verdampfung am Beispiel eines (F = 1)Modellsystems. Atome mit hoher Gesamtenergie erreichen die Region, in der ihre Zeeman-Aufspaltung der Energie der Rf-Photonen entspricht, und werden in einen nicht speicherbaren Zustand ¨uberf¨uhrt. (b):

Im Bild der

dressed states“ wird deutlich, daß adiabatisches Verdampfen in diesem System durch Zwei-Photonen- ¨Uberg¨ange zustandekommt.

der magnetischen Falle ist sie dann lediglich auf einer scharf definierten ¨Aquipotentialfl¨ache erf¨ullt, die nur von Atomen mit entsprechend hoher Gesamtenergie erreicht werden kann.

Die betroffenen Atome werden dabei in Zeeman-Zust¨ande ¨uberf¨uhrt, die sich nicht mehr f¨ur die magnetische Speicherung eignen, und verlassen infolgedessen das Gas. Dies ist in Abbildung 5.10(a) am Beispiel eines (F = 1)−Atoms veranschaulicht.

Zur Beschreibung des Prozesses eignet sich das Bild der adiabatischen Potentialkurven (neudeutsch auch

”dressed states“) [148]. Als solche werden die Energieeigenzust¨ande

|mF, nides Systems bezeichnet, das sich aus dem Atom mit den Zeeman-Zust¨anden|mFi und dem Rf-Feld mit den Photonenanzahlzust¨anden |ni zusammensetzt. Mit dem Ma-gnetfeld sind auch die Eigenzust¨ande ortsabh¨angig, was zu dem in Abbildung 5.10(b) dargestellten Spektrum f¨uhrt. Der Abstand der Zeeman-Tripletts entspricht der Energie der Rf-Photonen und nimmt somit im Verlauf der Verdampfungsk¨uhlung ab.

Uberg¨ange zwischen benachbarten Zeeman-Niveaus des Atoms sind mit einer ¨¨ Anderung der Photonenzahl um ∆n=±1 verbunden, jedoch nicht mit einer ¨Anderung der Gesamt-energie des Systems. Sie k¨onnen daher lediglich an jenen Orten stattfinden, an denen sich zwei Zust¨ande kreuzen, und auch dann nur, falls die Anzahl der Quanten erhalten bleibt.

In Abbildung 5.10(b) sind beide Voraussetzungen z.B. am Ort② erf¨ullt, nicht jedoch am Ort ①. Im ersten Fall f¨uhrt die Wechselwirkung des Atoms mit dem Rf-Feld zu einer Kopplung, die sich in einem sog.

”avoided crossing“, d.h. einer Aufhebung der Entartung bemerkbar macht. Aufgrund der ¨Aquidistanz der Zeeman-Aufspaltung sind am gleichen

Ort paarweise die Zust¨ande |mF =−1, n+ 2i und |mF = 0, n+ 1i bzw. |mF = 0, n+ 1i und |mF = 1, ni gekoppelt. Effektiv kommt es dadurch zu einer Kopplung zwischen

|mF =−1, n+ 2i und |mF = 1, ni. Bewegt sich ein Atom adiabatisch, so bleibt es stets im gleichen Energieeigenzustand des Gesamtsystems und folgt somit einer adiabatischen Potentialkurve. Ist es zun¨achst im Zeeman-Zustand|mF = 1igespeichert und reicht seine kinetische Energie aus, um die Region②zu erreichen, wird es dort in den Zeeman-Zustand

|mF = −1i ¨uberf¨uhrt, f¨ur den das Potential repulsiv ist. Das adiabatische Verdampfen kommt also durch die induzierte Emission zweier Photonen zustande.

Wahl der Feldamplitude

Im Landau-Zener-Modell (siehe z.B. [149]) l¨aßt sich die Wahrscheinlichkeit f¨ur einen adia-batischen ¨Ubergang bei der Kreuzung zweier Niveaus quantifizieren. Sie ist durch

p= 1−exp(−2πΓLZ) (5.44)

gegeben, wo ΓLZ den Landau-Zener-Parameter bezeichnet. Dieser h¨angt gem¨aß ΓLZ= ~Ω2R

[dε(r)/dt]rc = ~Ω2R

µBgFhvi[dB/dr]rc mit ΩR= µBgFBrf,

2~ (5.45)

von der Rabi-Frequenz ΩR und der Rate ab, mit der sich am Ort der Kopplung rc die Zeeman-Aufspaltung ε(r) = µBgFB(r) der ungest¨orten Niveaus im Bezugssystem des Atoms ¨andert. Diese Rate l¨aßt sich durch den Gradienten des Magnetfeldes und die mittlere Geschwindigkeit hvi der Atome ausdr¨ucken. F¨ur die Rabi-Frequenz ist die zum lokalen Magnetfeld orthogonale Komponente Brf, des Rf-Feldes relevant. Die Adiabasie ist f¨ur p ' 1 gew¨ahrleistet und erfordert, wie an Gleichung (5.45) zu erkennen ist, eine Anpassung der Rf-Amplitude an Temperatur und Potential.

Vitanov et al. haben gezeigt, daß sich das Landau-Zener-Modell aufN-Niveau-Kreuzungen verallgemeinern l¨aßt [150]. Die ¨UbergangswahrscheinlichkeitenPiin die einzelnen Niveaus k¨onnen analytisch auf das Ergebnis (5.44) f¨ur das Zwei-Niveau-System zur¨uckgef¨uhrt wer-den. Erfolgt die Speicherung im energetisch h¨ochsten Niveau mitn= 1 und ist das tiefste Niveau mit n=N indiziert, ergeben sich die ¨Ubergangswahrscheinlichkeiten gem¨aß

Pn= (N−1)!

(n−1)!(N −n)!(1−p)(Nn)p(n1). (5.46) Im Experiment sollten die Atome nach M¨oglichkeit in nicht-speicherbare Zust¨ande mit n >(N −1)/2 ¨uberf¨uhrt werden. Strebt man f¨ur die Besetzung ungebundener Zust¨ande eine Wahrscheinlichkeit von 0,99 an, so erfordert dies nach (5.44) und (5.46) Landau-Zener-Parameter von 0,367 respektive 0,312 f¨ur Rb-Atome im Zustand|F = 1, mF =−1i bzw. |F = 2, mF = 2i. F¨ur ein bekanntes Potential der Form (5.27) l¨aßt sich aus diesen Werten nach Gleichung (5.45) die minimale Amplitude des Rf-Feldes bestimmen. Ent-scheidend ist dabei der (steilere) radiale Gradient des Magnetfeldes am Ort der Resonanz.

Letzterer ist ¨uberU(rc,0,0) '! ηkBT mit der Temperatur des Gases verbunden. F¨ur die Geschwindigkeit der Atome l¨aßt sich als obere Grenze die zweifache mittlere Geschwin-digkeit hvi = 2p

8kBT /(πm) ansetzen. Die erforderliche Feld-Amplitude ist erwartungs-gem¨aß temperaturabh¨angig und hat den in Abbildung 5.11 dargestellten Verlauf.

5.6 Verdampfungsk¨uhlung 99

Abbildung 5.11: Erforderliche Orthogonalkomponente der Rf-Amplitude, wenn die Ubergangswahrscheinlichkeit¨ in nicht-speicherbare Zeeman-Zust¨ande0,99betragen soll.

Wird die Rf-Amplitude kleiner gew¨ahlt, pr¨agen sich Populationen in allen Minima der adiabatischen Potentiale aus. Dieser in Abbildung 5.12(a) veranschaulichte Prozeß kann vor allem gegen Ende der K¨uhlung zerst¨orerische Auswirkungen haben, wenn jene Atome, die am Ort der Resonanz lokalisiert sind und nicht mitgek¨uhlt wurden, die kalte Wolke durchdringen k¨onnen. Sie bilden erstens ein

”warmes“ Hintergrundgas und bewirken ei-ne Heizrate. Die Speicherung verschiedeei-ner Spinzust¨ande f¨uhrt hier zweitens zu hohen inelastischen Stoßraten.

Insbesondere bei hohen Temperaturen ist die tats¨achlich erforderliche Feldamplitude ge-ringf¨ugig gr¨oßer als in Abbildung 5.11 abzulesen ist. Dies ist darin begr¨undet, daß die Spinresonanz bei hohen Temperaturen in Regionen hoher Magnetfelder lokalisiert ist. Hier ist die Aufspaltung der Energieniveaus aufgrund des quadratischen Zeeman-Effektes nicht mehr exakt ¨aquidistant, wodurch sich auch nicht mehr alle Niveaus am gleichen Ort kreu-zen [151, 152, 153]. Mehr-Photonen- ¨Uberg¨ange sind hier nur m¨oglich, wenn die Ortsbreite

dc= Brf, der avoided crossings groß im Vergleich zu ihrem Abstand ist.

Gegen Ende der Verdampfungsk¨uhlung kann die Rf-Amplitude einen Einfluß auf die Oszil-lationsfrequenz der gespeicherten Atome haben. Im harmonischen Bereich der Falle sind die adiabatischen Potentiale f¨ur den 2×F-Photonen- ¨Ubergang durch

U(r)1,2= 1

mF= 1 mF= -1 mF= -2 mF= 2

r r

E E

ungestört

Drf < <WR

Drf _~ WR

(a) (b)

Abbildung 5.12: (a): Ist die Rf-Amplitude zu klein, pr¨agen sich Wolken in allen Minima der adiabatischen Potentiale aus. Grau sind Populationen gekennzeichnet, die sich nicht im Zustand mF = 2 befinden. (b): Ist sie zu groß, beeinflußt sie das Potential.

gegeben (siehe z.B. [149]). Dabei sindω0 die Oszillationsfrequenz in Abwesenheit des Rf-Feldes, ωrf die Radiofrequenz und ∆rf deren Verstimmung bez¨uglich jener Frequenz, bei der die Falle vollst¨andig entleert wird. ¨Uberωeff = [(∂2U/∂r2|0)/m]1/2 ergibt sich daraus die Korrektur

ω0

ωeff =

1 + Ω2R

2rf 1/4

. (5.49)

Der Effekt einer zu hohen Rf-Amplitude ist in Abbildung 5.12(b) zu sehen. Die beiden adiabatischen Potentiale entsprechen den gleichen Werten von ω0 und ∆rf jedoch unter-schiedlichen Rabi-Frequenzen. Da eine genaue Kenntnis der Oszillationsfrequenzen f ¨ur die Bestimmung aller Systemgr¨oßen Voraussetzung ist und sich die Potentialform w¨ahrend der Verdampfungsk¨uhlung nicht ¨andern sollte, muß stets ∆rfR gelten.

Im Konstanzer Experiment wird das Rf-Feld außerhalb des Vakuums mit Hilfe zweier koaxialen Spulen erzeugt, die um die Atomwolke angeordnet sind. Die Spulen sind qua-dratisch, ihre Kantenl¨ange betr¨agt 4 cm, ihr Abstand ca. 7 cm. Spulenachse und Richtung des Offset-Feldes der Magnetfalle stehen senkrecht aufeinander. Als Quelle wird ein Fre-quenzgenerator (HP 8116) eingesetzt, der analog (Frequenz) und digital (Amplitude, Fre-quenzaufl¨osung) ¨uber seinen GPIB-Bus gesteuert wird. Da die Frequenz w¨ahrend der Ver-dampfungsk¨uhlung zwischen 50 MHz und 1 MHz variiert, wurde keine Impedanzanpassung vorgenommen. Bei der Implementierung der Verdampfungsk¨uhlung in das M¨unchner Ex-periment wurde eine andere Strategie verfolgt, die in [139] beschrieben ist.

5.6.4 Optimierung der Verdampfungsk¨uhlung

Die Optimierung der Frequenzrampe geschieht mit dem Ziel, den Phasen¨ubergang mit der h¨ochstm¨oglichen Teilchenzahl zu erreichen. F¨ur R 1 folgt aus Gleichung (5.37) und Ve ∝ Tξ, daß die Phasenraumdichte der Proportionalit¨at ρ = npλ3T ∝ N1α(ξ3/2) gehorcht. Damit muß α bzw. die Gr¨oßeχ=−d(lnρ)/d(lnN) maximiert werden. Vorge-geben sind dabei die Potentialform, die Anfangswerte von Temperatur und Teilchenzahl sowie alle Ratenkonstanten, die mit Heiz- und Verlustprozessen verbunden sind.

5.6 Verdampfungsk¨uhlung 101

Zeit [s]

Frequenz [Mhz]

0 5 10 15 20

10 50

2

Abbildung 5.13: Experimentell optimierte Frequenzrampe im Vergleich mit dem Ergebnis der Simulation.

Mit 50 MHz wird der Anfangswert der Radiofrequenz so hoch wie (apparativ) m¨oglich gew¨ahlt und entspricht bei der Anfangstemperatur von 470µK einem Abschneideparame-ter von η ' 10. Dies geschieht in der Absicht, die Anzahl der Teilchen zu minimieren, die sich in dem Potential oberhalb der Energie Ecut befinden. Diese Teilchen bleiben n¨amlich bei einer adiabatischen Verdampfung außerhalb des Resonanzradius der

Mit 50 MHz wird der Anfangswert der Radiofrequenz so hoch wie (apparativ) m¨oglich gew¨ahlt und entspricht bei der Anfangstemperatur von 470µK einem Abschneideparame-ter von η ' 10. Dies geschieht in der Absicht, die Anzahl der Teilchen zu minimieren, die sich in dem Potential oberhalb der Energie Ecut befinden. Diese Teilchen bleiben n¨amlich bei einer adiabatischen Verdampfung außerhalb des Resonanzradius der

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