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Verbundenheit mit der Organisation: Organizational Commitment

4. Beanspruchungsfolgen und Beeinträchtigungen im

4.2 Verbundenheit mit der Organisation: Organizational Commitment

Organizational Commitment

Die Verbundenheit von Mitarbeitern mit ihrer Arbeit/Organisation (Organizational Commit-ment) wird seit den 1970er Jahren in der Organisationsforschung diskutiert. Insbesondere im

englischsprachigen Raum beschäftigte sich eine große Anzahl an Untersuchungen mit Ein-flussfaktoren und Effekten des Organizational Commitment. Unter Organizational Commit-ment wird allgemein die Ausprägung der inneren Bindung von Beschäftigten zu ihrer Organi-sation bzw. das „Band zwischen Beschäftigten und Unternehmen“ verstanden (Mathieu &

Zajak, 1990). Organizational Commitment wird als Resultat eines Prozesses verstanden, in dem sich die Intensität und die Art der Bindung von Mitarbeitern zur Organisation im Zeitver-lauf entwickelt. Sie ist beeinflussbar durch Merkmale der Organisation und hängt in hohem Maß von Einstellungen und Haltungen der Organisationsmitglieder ab.

4.2.1 Commitment: Definition und Messbarkeit

Die bisherige Auseinandersetzung mit dem Organizational Commitment erfolgte aus zwei Perspektiven heraus (Mannig, 2003, Koop, 2004). Einstellungsbezogene Ansätze stellen die Bedeutung motivationaler und emotionaler Aspekte für die individuelle Verbundenheit mit der Organisation in den Mittelpunkt. Im Unterschied dazu diskutieren verhaltensbezogene An-sätze Organizational Commitment im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung konsistenter Verhaltensweisen. Affektives Commitment ist dabei ein häufig diskutierter einstellungsbezo-gener Ansatz, nach dem Commitment am häufigsten empirisch untersucht wurde. Mowday, Porter und Steers (1982) verstehen affektives Commitment als (S. 27):

„(...) the relative strength of an individuals identification with involvement in a particular organization. Conceptually it can be characterized by at least three factors: a) a strong belief in an acceptance of the organization’s goals and values; b) a willingness to exert considerable effort on behalf of the organization; and c) a strong desire to maintain membership in the organization.”

(Übersetzung) (...) die relative Stärke der individuellen Bindung und Identifikation zu ei-ner bestimmten Organisation. Affektives Commitment ist gekennzeichnet durch min-destens drei Faktoren: a) Eine hohe Akzeptanz der, und Identifikation mit den Zielen und Werten der Organisation; b) Der Bereitschaft auch einen hohen Aufwand im Inte-resse der Organisation in Kauf zu nehmen (Anstrengungsbereitschaft); und c) das star-ke Bedürfnis, auf Dauer Mitglied der Organisation zu bleiben.

Auf Wiener (1982) geht ein weiterer einstellungsbezogener Ansatz, normatives Commitment, zurück. Die Verbundenheit zur Organisation gründet sich danach auf einer moralischen Ver-pflichtung der Organisationsmitglieder ihrer Organisation gegenüber. Das normative Com-mitment steht in Verbindung mit Treue, Loyalität und dem Verzicht auf Kritik. Dies lässt ver-muten, ähnlich wie im affektiven Ansatz von Mowday und Kollegen, dass Beschäftigte ihre Mitgliedschaft zur Organisation auch unter ungünstigen Bedingungen aufrecht erhalten wol-len und werden. Insofern ist auch nicht unbedingt entscheidend, ob Organisationsmitglieder eine Belohnung für ihren Aufwand durch die Organisation erfahren. Dies lässt auch

anneh-men, dass Organisationen mit bestimmten Merkmalen auch Menschen, mit bestimmten Ei-genschaften anziehen. Commitment scheint daher mehr oder weniger eine evolutionäre Er-rungenschaft von Organisationen zu sein bzw. ein Merkmal des Organisationsklimas (kom-plementärer Organisationsklimaansatz, s. 2.2.3, Sydow, 1984).

Auch wenn Einstellungen diesem Ansatz zufolge den höchsten Erklärungsbeitrag für das Commitment zu einer Organisation leisten, werden auch externe Aspekte für die Entstehung von Verbundenheit diskutiert. Genannt werden insbesondere die dem Beschäftigten/Organi-sationsmitglied zugewiesene Rolle in der Organisation und auch strukturelle sowie organisa-torische Rahmenbedingungen.

Für die Bindung an die Organisation scheinen Haltungen und Einstellungen, moralische Ver-pflichtung und Loyalität eine wichtige Rolle zu spielen. Damit lässt sich beispielsweise dau-erhaftes ehrenamtliches Engagement, der Kampf von Beschäftigten für die Erhaltung eines von der Schließung bedrohten Unternehmens oder aber die Aufopferung von Ordens-schwestern in Hospizen und Pflegeheimen zum Teil erklären. Vor dem Hintergrund der An-nahmen in Reziprozitäts- und Gleichgewichtstheorien, wie dem Modell beruflicher Gratifikati-onskrisen (Siegrist, 1996, s. 3.2.3), kann aber auch erwartet werden, dass ein dauerhaftes, einseitiges Aufopfern, Commitment langfristig zerstören kann. Verhaltensorientierte Ansätze des Commitment greifen diesen Aspekt stärker auf und bringen Commitment einerseits mit Einstellungen und Haltungen von Organisationsmitgliedern in Verbindung und andererseits mit dem Abwägen von Kosten-Nutzen-Aspekten.

Der von Becker (1960) eingeführte Begriff des abwägenden Commitments (calculated com-mitment) ist einflussreich innerhalb des verhaltensorientierten Ansatzes. Die Verbundenheit von Beschäftigten zu einer Organisation wird als Resultat sogenannter side bets (Seitenwet-ten) diskutiert. Darunter sind Kosten-Nutzen-Abwägungen von Organisationsmitgliedern zu verstehen, zwischen eigenen bisherigen Investitionen in die Organisation (Kosten: Arbeits-kraft, Zeit), den daraus zu erwartenden Nutzen (Karriere, Pensionsplan) und den antizipier-ten Kosantizipier-ten und Nutzen, die bei einem Wechsel der Organisation entstünden (Chancenver-hältnis). Zwei Gründe sprechen nach diesem Ansatz für ein Verbleiben von Mitgliedern in einer Organisation:

Erstens, die bisherigen Investitionen in die Organisation waren so hoch, dass ein Wech-sel mit einem hohen persönlichen Verlust in Verbindung gebracht wird.

Zweitens, die Ressourcen, die die eigene Organisation zur Verfügung stellt, wie z. B.

Lohn, Karriere, Feedback oder Unterstützung, sind in der Wahrnehmung des Organisati-onsmitgliedes ein Plusgeschäft, dass von keiner anderen Organisation zu erwarten ist.

Messinstrumente zur Erfassung von Organizational Commitment wurden überwiegend aus der Perspektive einstellungsbezogener Ansätze heraus entwickelt. Häufig verwendete

Fra-gebögen sind dabei der Commitmentfragebogen von Hrebiniak und Alutto (1972) und das Messinstrument von Porter, Steers, Mowday & Boulian (1974). Ein Fragebogen, der Organi-zational Commitment integrativ erfasst, also sowohl einstellungsbezogene als auch verhal-tensbezogene Annahmen integriert, geht auf Allan und Meyer (1990) zurück. Dieser Frage-bogen ist auch in deutscher Fassung verfügbar (Schmidt, Hollmann & Sodenkamp, 1998).

4.2.2 Forschungsstand

Mathieu und Zajak (1990) legen eine bis 1990 weitgehend vollständige Analyse des aktuel-len Forschungsstandes zur (arbeits- und organisationspsychologischen) Commitmentfor-schung vor. Sie geben dabei einen Überblick über Einflussfaktoren auf das Organizational Commitment, mit Commitment im Zusammenhang stehenden Variablen und Effekten von Commitment. Deutlich wird, dass gesundheitsbezogene Variablen zum Zeitpunkt dieser Ver-öffentlichung kein Gegenstand der Commitmentforschung waren. Querverbindungen zwi-schen arbeitsbezogenen psychizwi-schen Beeinträchtigungen und dem Commitment von Be-schäftigten werden erst in jüngerer Zeit diskutiert. In der Burnoutforschung wird Commitment als eine Variable im Zusammenhang mit Burnout und Engagement im Job-Demands-Resources-Model diskutiert (Schaufeli & Bakker, 2004, Hakanen, Bakker & Schaufeli, 2006, s. 4.4.4). Untersuchungsergebnisse zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen gagement und Burnout mit der Verbundenheit von Beschäftigten zu ihrer Organisation. En-gagierte Mitarbeiter fühlen sich wesentlich stärker mit ihrer Organisation verbunden, als dies bei ausgebrannten Beschäftigten der Fall ist.

Bedeutende Einflussfaktoren der Person auf das Commitment, waren das Alter, der Ausbil-dungsstand und die wahrgenommenen persönlichen Kompetenzen. Als Arbeitsbedingungen haben die Anzahl unterschiedlicher benötigter Kompetenzen für die Arbeit, der Grad an Ent-scheidungsfreiheit und wahrgenommene Herausforderungen durch die Arbeit Bedeutung.

Zudem scheinen der Führungsstil und Merkmale der Organisation, wie z. B. Größe und Grad der Zentralisation, entscheidende Einflussfaktoren für das Commitment zu sein. Korrelate von Commitment sind die Motivation von Beschäftigten und die Arbeitszufriedenheit. Als Ef-fekt eines hohen Commitment zeigte sich in den analysierten Studien eine höhere Leis-tungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit von Beschäftigten.

4.2.3 Zusammenfassung

Zwei unterschiedliche Modellvorstellungen und Ansätze des Commitment werden häufig dis-kutiert. Einstellungsbezogene Ansätze (affektives Commitment, Mowday, Porter & Steers, 1982; normatives Commitment, Wiener, 1982) betonen die Bedeutung von Einstellungen, Haltungen und Wertvorstellungen für das Commitment. Verhaltensbezogene Ansätze (z. B.

abwägendes Commitment, Becker, 1960) sehen stärker die Bedeutung von Kosten-Nutzen-Abwägungen der Beschäftigten als entscheidend für die Verbundenheit von Beschäftigten zu ihren Organisationen an. Beide Ansätze werden als nicht unabhängig voneinander diskutiert.

Einstellungsbezogene Ansätze (affektives, normatives Commitment) liefern Erklärungsmög-lichkeiten für die Verbundenheit von Mitgliedern zu überwiegend ehrenamtlichen Organisati-onen. Warum sich Menschen ohne Lohn aufopfern, kann u. a. mit Wertvorstellungen und Einstellungen von ehrenamtlich Beschäftigten erklärt werden.

Mit verhaltensbezogenen Ansätzen (abwägendes Commitment) lässt sich die Verbundenheit von Beschäftigten in hauptamtlichen Organisationen erklären. Ein Nutzen, den Organisati-onsmitglieder aus der Organisation ziehen können, ist das Einkommen. Allerdings fallen auch Aspekte in die Kosten-Nutzen-Abwägung hinein, mit denen sich ebenso die Verbun-denheit von Menschen mit überwiegend ehrenamtlichen Organisationen erklären lässt. Men-schen helfen zu können, eine gesellschaftlich bedeutsame Aufgabe zu erfüllen oder ein ho-hes Ansehen aufgrund der Mitgliedschaft in einer Organisation, können als Commitment-relevante Belohnungen angesehen werden.

Es ist anzunehmen, dass die Entscheidung dafür, in eine Organisation einzutreten und an-fangs eine Mitgliedschaft aufrecht zu erhalten, mit verhaltensorientierten Ansätzen erklärt werden kann. Langfristig können sich Einstellungen und Haltungen entwickeln, eine Mitglied-schaft (auch unter evtl. ungünstigen Rahmenbedingungen) aufrecht zu erhalten (einstel-lungsbezogene Ansätze). In der empirischen Forschung dominieren Fragestellungen unter einstellungsbezogenen Commitmentansätzen.

Die Commitmentforschung betrachtete bisher überwiegend motivations- und erfolgsorientier-te Aspekerfolgsorientier-te von Commitment. Zusammenhänge zwischen der arbeitsbezogenen Gesundheit und dem Commitment werden erst seit Beginn des 21. Jahrhunderts untersucht. In der theo-retischen Auseinandersetzung wird Commitment als abhängige Variable im Zusammenhang mit Burnout und Engagement diskutiert und ist eine Komponente im Job-Demands-Resources-Model (s. 4.4.4).