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4. Beanspruchungsfolgen und Beeinträchtigungen im

4.1 Burnout und Engagement

4.1.1 Burnout: Definition und Messbarkeit

Schaufeli und Buunk (2002) systematisieren Burnoutdefinitionen danach, ob sie Burnout als Zustand oder als dynamischen Prozess beschreiben (s. auch Schaufeli & Enzmann, 1998).

Burnout als Zustand. Die wohl am häufigsten verwendete statische Burnoutdefinition geht auf Maslach und Jackson (1984) zurück. Burnout wird darin als Syndrom aus emotionaler Erschöpfung, Depersonalisierung und reduziertem Wirksamkeitserleben definiert. Emotiona-le Erschöpfung ist danach Resultat aus einer emotional beanspruchenden Interaktionen zwi-schen Helfer und Klienten/Patienten. Depersonalisierung umschreibt den Rückzug des Hel-fers aus der Helfer-Klienten/Patientenbeziehung und, wo dies nicht möglich ist, eine herablassende Interaktion in dieser Beziehung ausgehend vom Helfer. Das Feedback zu-nehmend unzufriedener Klienten/Patienten, fehlendes Feedback und unklare Erfolgskriterien können letztlich in der Wahrnehmung einer reduzierten Wirksamkeit und emotionalen Kom-petenz des Helfers münden. Zunächst lag der Fokus also auf dem Ausbrennen in helfenden Berufen. Mit der Veröffentlichung der dritten Version des von Maslach, Jackson und Leiter (1996) entwickelten Maslach Burnout Inventory (MBI) wurde von dieser Eingrenzung auf hel-fende Berufe Abstand genommen (s. 8.1.5.1). Burnout wird von den Autoren nicht mehr wie ursprünglich im Zusammenhang mit einer belastenden Helfer-Klienten/ Patienten-Beziehung diskutiert, sondern als Krise in der Beziehung von Menschen zu ihrer Arbeit. Burnout wird dabei als psychische Beeinträchtigung definiert, die durch Erschöpfung, Zynismus und der Wahrnehmung einer eingeschränkten professionellen Effizienz bzw. subjektiven Leistungs-fähigkeit gekennzeichnet ist.

Pines, Aronson und Kafry (1987) definierten Burnout nicht ausschließlich im Kontext helfen-der Berufe. Ihrer Definition folgend, ist die körperliche, emotionale und psychische Erschöp-fung auf eine langanhaltende Konfrontation mit emotional fordernden Situationen zurückzu-führen. Körperliche Erschöpfung ist gekennzeichnet durch Kraftlosigkeit, andauernde Müdigkeit und eingeschränkte Belastbarkeit. Emotionale Erschöpfung zeigt sich in Gefühlen von Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Mit der Entwicklung negativer Haltungen zu sich selbst, seinem Leben und zur eigenen Arbeit wird psychische Erschöpfung umschrieben.

Hohe emotionale Anforderungen kennzeichnen Pines, Aronson und Kafry (1987) zufolge die Rahmenbedingungen in den meisten Interaktionsberufen.

In der Definition von Brill (1984) wird Burnout als dysfunktionaler, arbeitsbezogener Aus-nahmezustand bei Menschen beschrieben, ohne dass weitere psychische Krankheiten und Beeinträchtigungen erkennbar sind. Ferner wird Burnout mit dem langanhaltenden Versuch, die Leistungsfähigkeit in ein und dem selben Arbeitsumfeld zu erhalten, in Verbindung ge-bracht. Dies kann Brill (1984) zufolge nur mit fremder Hilfe oder mit der Veränderung der

Rahmenbedingungen erreicht werden. Diskutiert wird Burnout auch hier als Fehlbeanspru-chungsfolge, die in allen Berufsgruppen entstehen kann.

Schaufeli und Buunk (2002) weisen auf fünf zentrale Elemente hin, die sich aus den Zu-stands-Definitionen von Burnout ergeben: Erstens werden sehr häufig Symptome von Er-schöpfung genannt. Zweitens wird ein starker Bezug auf psychische Symptome und Verhal-tensänderungen im Burnoutzusammenhang genommen. Burnout wird drittens übereinstim-mend im Arbeitszusammenhang diskutiert und viertens bei Menschen beobachtet, die bisher keine psychischen Beeinträchtigungen aufwiesen. Fünftens wird auf die Wahrnehmung einer reduzierten persönlichen Leistungsfähigkeit hingewiesen.

Burnout als Prozess. Prozessdefinitionen von Burnout gehen auf Cherniss (1980), Edel-wich und Brodsky (1984), Etzion (1987, zitiert in Schaufeli & Buunk, 2003) und Hallsten (1993) zurück. Darüber hinaus wurden auf der Basis statischer Definitionen Prozessannah-men zum Burnoutverlauf formuliert. Im Burnoutmodell von Cherniss (1980) wird dabei ein Verlauf beschrieben, in dem sich die professionelle Haltung und das arbeitsbezogene Wohl-befinden unter dem Einfluss von Arbeitsbelastungen verändern. Die Burnoutentwicklung be-ginnt bei einem Ungleichgewicht zwischen Arbeitsanforderungen und notwendigen Ressour-cen (1. Phase). Dies führt im weiteren Verlauf (2. Phase) zu einer zunehmenden emotionalen Anspannung, zu Müdigkeit und Erschöpfung. Schließlich verändert sich das Verhältnis zur Arbeit, das Verhalten, die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft. Aus-gebrannte Menschen distanzieren sich letztlich zunehmend von ihrer Arbeit (3. Phase).

Cherniss (1980) betont, dass der Rückzug von der Arbeit in der dritten Phase mit defensiven Copingversuchen in Verbindung steht.

Edelwich und Brodsky (1984) betonen in ihrer Prozessdefinition die zunehmende Desillusio-nierung von Helfern im Burnoutzusammenhang. Burnout ist danach ein fortschreitender und nach seinem Beginn nahezu unaufhaltsamer Prozess, der im Verlust von Idealismus und Energie bei Mitgliedern helfender Berufsgruppen mündet und im Zusammenhang mit ihrer Arbeit steht. Vor allem besonders engagierte Mitarbeiter laufen Gefahr auszubrennen.

Auch in den Annahmen von Etzion (1987) wird eine allmähliche Entwicklung von Burnout betont, die vom Betroffenen zunächst nicht wahrgenommen wird. Ab einem bestimmten Punkt fühlen sich Betroffene ausgebrannt, ohne dass sie einen Auslöser dafür ausmachen können. Als Ursache wird eine Fehlanpassung zwischen Person und Arbeitsumgebung dis-kutiert, die eine schleichende psychologische Erosion (Etzion, 1987, zitiert in Schaufeli &

Buunk, 2003, S. 387, Übersetzung durch den Autor) hervorruft.

Hallsten (1993) beschreibt Burnout als Form einer Depression, die auf einen Prozess des Ausbrennens von Betroffenen zurückgeführt wird. Nicht in den Symptomen von Burnout sieht Hallsten (1993) die Möglichkeit der Abgrenzung zur Depression, sondern in der spezifischen

Ätiologie von Burnout. Betroffene brennen danach aus, wenn eine aktive, selbstdefinierte Rolle der Arbeit zerstört wurde und keine vergleichbare Rolle verfügbar ist, z. B. nach unge-wollter Versetzung.

In den Prozessdefinitionen wird übereinstimmend angenommen, dass der Auslöser von Bur-nout das Erleben von Stress ist, der in der Diskrepanz zwischen Idealen der Betroffenen und der erlebten Realität des Berufslebens begründet ist. Durch die Betroffenen kann bereits früh Anspannung und Stress wahrgenommen werden. In gleicher Weise ist es aber auch mög-lich, dass diese Stresszustände vom Betroffenen nicht bemerkt werden. Burnout beginnt mit dem Gefühl emotionaler Erschöpfung und mündet in negativ veränderten Haltungen und Verhaltensweisen von Betroffenen in ihrer Arbeit (Schaufeli & Buunk, 2003).

Auf der Basis der statischen Burnoutdefinition nach Maslach und Jackson (1984) wurden ebenfalls Prozessannahmen formuliert und empirisch überprüft. Leiter und Maslach (1988) zufolge beginnt Burnout mit emotionaler Erschöpfung, die vermittelt über Depersonalisierung bzw. Zynismus zu reduziertem Wirksamkeitserleben beim Betroffenen führt. Einen Bur-noutprozess, der ausgehend von Depersonalisierung über die Wahrnehmung emotionaler Erschöpfung zu reduziertem Wirksamkeitserleben verläuft, diskutieren Golembiewski, Mun-zenrieder und Stevenson (1986). Einen dritte mögliche Reihenfolge stellen van Dierendonck, Schaufeli und Buunk (2001a, b) vor. Ihnen zufolge beginnt Burnout mit reduziertem Wirk-samkeitserleben, was über eine zunehmende Distanzierung von der Arbeit zur Wahrneh-mung von Erschöpfung führt. Studien, die die Passung dieser Modelle bei unterschiedlichen Stichproben untersuchten, stützen im Trend die Annahmen von Leiter und Maslach (1988) (s. Lee & Ashforth, 1993, Toppinen-Tanner, Kalimo & Mutanen, 2002).

Eine integrative Burnoutdefinition. Schaufeli und Enzmann (1998) definieren Burnout auf der Basis ihrer Literaturanalyse. Danach kann Burnout als (S. 36):

„...a persistent, negative, work-related state of mind in ‘normal’ individuals that is pri-marily characterized by exhaustion, wich is accompanied by distress, a sense of reduce effectiveness, decreased motivation, and the development of dysfunctional attitudes and behaviors at work. This psychological condition develops gradually but may remain unnoticed for a long time for the individual involved. It results from a misfit between in-tentions and reality at the job. Often burnout is self-perpetuating because of inadequate coping strategies that are associated with the syndrom.”

(Übersetzung) “...ein andauerndes, negatives und arbeitsbezogenes psychisches Phä-nomen bei ansonsten psychisch gesunden Menschen. Es ist gekennzeichnet durch Er-schöpfung in Verbindung mit Stresserleben, der Wahrnehmung einer reduzierten Effi-zienz, zurückgehender Motivation und der Entwicklung dysfunktionaler Haltungen und Verhaltensweisen in der Arbeit. Burnout entwickelt sich allmählich und lange Zeit auch unbemerkt durch die Betroffenen. Es resultiert aus einer Fehlanpassung zwischen den

Absichten und Idealen von Menschen und der von ihnen erlebten Realität in der Arbeit.

Inadäquate und dysfunktionale Copingstrategien sind einerseits charakteristisch für Burnout und tragen andererseits zu einer selbständigen Verfestigung von Burnout bei.“

Diese Definition integriert neben dem Leitsymptom von Burnout, Erschöpfung, vier weitere Kennzeichen von Burnout: Stresserleben, reduziertes Wirksamkeitserleben, sinkende Moti-vation und dysfunktionale Haltungen zur eigenen Arbeit. Sie eröffnet zugleich die Möglich-keit, Burnout für empirische Studien zu operationalisieren. Diese Studie untersucht Burnout auf der Basis dieser Definition.

Für die Burnoutmessung stehen unterschiedliche Papier- und Bleistiftverfahren zur Verfü-gung. In deutscher Sprache sind die Überdrussskala (Pines, Aronson und Kafry, 1987) und verschiedene Versionen des Maslach Burnout Inventory (MBI) (Maslach & Jackson, 1986, Maslach, Jackson & Leiter, 1996, deutsche Fassungen: Enzmann & Kleiber, 1989, Büssing

& Perrar, 1992 sowie die eigene Übersetzung des MBI-General Survey, das in dieser Unter-suchung angewendet wird) zu nennen. In der Mehrzahl der BurnoutunterUnter-suchungen wurde das MBI verwendet.