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2 Literaturübersicht

2.3 Hoden und Nebenhoden

2.3.3 Veränderungen von Hoden und Nebenhoden

Störungen des Hodenabstiegs (Descensus testis) führen uni- oder bilateral zu einem abdominalen oder inguinalen Kryptorchismus oder zur Hodenektopie. Ursächlich sind Störungen in der Retraktion des Hodenleitbandes und des Ligamentum scroti in Betracht zu ziehen (WEISS u. KÄUFER-WEISS 1999). Auch bei der Ectopia testis gelangt das Organ nicht in den Hodensack, sondern verlässt nach der Passage des Inguinalkanals den Weg des normalen Descensus. Häufige Lokalisationen ektopischer Hoden sind lateral des Penis, vor dem Skrotum, im kaudalen Peritoneum oder im

Schenkelspalt. Dystope und ektope Hoden sind nach der Pubertät kleiner als im Skrotum befindliche Keimdrüsen. Die Spermatogenese ist vermindert oder fehlt völlig.

Es kommt zu einer Vermehrung der Leydigschen Zwischenzellen. Bei retinierten oder ektopen Hoden sind Torsionen, Tumore und Teratome häufiger zu beobachten als bei abgestiegenen Hoden (LEIDL 1983; WEISS u. KÄUFER-WEISS 1999).

Das Fehlen eines Hodens (Monorchie) oder beider Hoden (Anorchie) ist sehr selten.

Die Hodenhypoplasie ist anlagebedingt und kommt mit einer Inzidenz von 5,06% vor (GUIMARAENS CHQUILOFF u. NASCIMENTO 1977). Sie betrifft beide Hoden. Die Konsistenz ist weichelastisch (GÜNZEL-APEL 1990). Es sind meist keine oder nur wenige Keimepithelzellen ausgebildet. Die Libido der Tiere ist aufgrund einer ungestörten Leydigzellfunktion normal ausgeprägt. Das Ejakulat weist eine hochgradige Oligozoospermie oder Azoospermie auf (GÜNZEL-APEL 1990; HOLZMANN 2001a).

Die Degeneration oder Atrophie des Hodens kann Tiere jeder Altersstufe betreffen.

Ursächlich kommen ein später Descensus, Traumen, entzündliche Prozesse, fieberhafte Allgemeinerkrankungen, Infektionserkrankungen (Brucella canis), Hodentorsionen, Hyperadrenokortizismus und Hyperöstrogenismus (Sertolizelltumor) in Frage (JOHNSON u. WALKER 1992; STERCHI 1994; WEISS u. KÄUFER-WEISS 1999).

Eine besondere Form der Degeneration ist die senile Atrophie, bei der es zur Einlagerung von Lipofuszin in das Hodengewebe kommt (WEISS u. KÄUFER-WEISS 1999). Klinisch fallen die degenerativen oder atrophierten Hoden durch eine Verkleinerung auf. Die Konsistenz ist überwiegend weich kann aufgrund fortschreitender Fibrosierungen aber auch derb sein (GÜNZEL-APEL 1990). Das Ejakulat zeigt meist hochgradige Veränderungen auf (Oligozoospermie, Azoospermie, Teratozoospermie).

Hodenquetschungen sind relativ selten und entstehen nach Unfällen oder Bissen.

Blutungen, Nekrosen, Orchitis und degenerative Prozesse sind die Folge (SCHULZ 1991, WEISS u. KÄUFER-WEISS 1999).

Die Hodentorsion um seine Längsachse mit Verdrehung des Samenstranges tritt beim Rüden ebenfalls selten auf. Abdominale Hoden sind dabei häufiger betroffen als skrotale (WEISS u. KÄUFER-WEISS 1999). Neoplastische Veränderungen können Verdrehungen begünstigen (LEIDL 1983). Unvollständige Torsionen führen zu einer Stauungshyperämie mit nachfolgender Atrophie und Fibrose. Vollständige Drehungen verursachen eine hämorrhagische Infarzierung des Hodens (WEISS u. KÄUFER-WEISS 1999). Klinisch zeigen die Rüden eine Schwellung von Hoden, Nebenhoden und Plexus pampiniformis. In den meisten Fällen tritt eine hochgradige Schmerzhaftigkeit auf. Im Unterschied zum akuten Geschehen beim Menschen kann beim Rüden die Hodentorsion ein gradueller langsamer Prozess sein (COLEY et al. 1996).

Hodenbiopsien können zu Störungen der Spermatogenese, initialen Blutungen und lokalen Nekrosen führen (WEISS u. KÄUFER-WEISS 1999), in deren weiterem Verlauf sich eine interstitielle Fibrose und tubuläre Degeneration entwickelt. In einzelnen Fällen kann es zu einer Atrophie des betroffenen Hodens kommen (JAMES u. HEYWOOD 1979).

Entzündliche Veränderungen von Hoden (Orchitis) und Nebenhoden (Epididymitis) sind häufig miteinander vergesellschaftet und können uni- oder bilateral auftreten (LEIN 1977). Die Orchitis ist mit einer Häufigkeit von 8,6% vertreten, während die Epididymitis eine Inzidenz von 21% aufweist (GUIMARAES CHQUILOFF u. NASCIMENTO 1977).

Allen entzündlichen Veränderungen der Hoden und Nebenhoden ist gemein, dass sie mit einer zeitweisen oder dauernden Reduzierung der Spermaqualität durch fibrotische Umbauprozesse einhergehen.

Der akuten Orchiepididymitis liegt eine bakterielle Infektion zugrunde, welche den Hoden auf hämatogenem Weg, aufsteigend über die harn- und samenableitenden Wege oder nach traumatischen Einwirkungen erreicht. Es handelt sich zumeist um einen eitrigen Umbauprozess mit Abszessbildung. Die häufigsten Erreger bakterieller Hodenentzündungen beim Hund sind Escherichia coli, Proteus vulgaris, Streptococcus

sp., Staphylococcus sp. und Mykoplasmen (LEIN 1977, HOLZMANN 2001a, FOSTER 1998, WEISS u. KÄUFER-WEISS 1999). Die akute Orchiepididymitis ist klinisch gekennzeichnet durch ein gestörtes Allgemeinbefinden mit Inappetenz, Fieber und in manchen Fällen durch einen breiten, zögernden Gang der Hinterhand. Die Hoden sind stark geschwollen, vermehrt warm, schmerzhaft und von derb-elastischer Konsistenz.

(HOLZMANN 2001a; WEISS u. KÄUFER-WEISS 1999). Infektionen mit Brucella canis sind selten und verursachen eine nichteitrige Orchiepididymitis mit Zerstörung des germinativen Gewebes. Dies führt zu einer Reduzierung der Ejakulatqualität im Sinne einer Oligozoospermie oder Azoospermie (FELDMAN u. NELSON 1996).

Die chronische Orchiepididymitis kann aus einer akuten Erkrankung der Hoden, der Prostata oder des Harntraktes hervorgehen. Ebenso können die langsam fortschreitenden Umbauprozesse schleichend ablaufen (FELDMAN u. NELSON 1996).

GUIMARAES CHQUILOFF und NASCIMENTO (1977) beschreiben das Staupevirus aus der Gruppe der Paramyxoviridae als weiteren Auslöser für eine nichteitrige chronische Orchiepididymitis. Klinisch zeigen die Tiere in der Regel keine Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens (HOLZMANN 2001a). Die Palpation ist nicht schmerzhaft. Die Hoden weisen eine unregelmäßige Oberfläche auf (LEIN 1977). Die Konsistenz ist derb mit fibrotischen Bereichen und Verkalkungen. Die Nebenhoden sind verhärtet und vergrößert (WEISS u. KÄUFER-WEISS 1999). Die Libido der Tiere ist bei der Samengewinnung erhalten. Bei der spermatologischen Untersuchung fallen Azoospermie, Oligozoospermie und Teratozoospermie auf. Häufig sind im Ejakulat Leukozyten nachweisbar (FELDMAN u. NELSON 1996).

Eine Autoimmunerkrankung des Rüden ist die lymphozytäre Orchitis. Es kommt dabei durch Trauma, Infektion oder Entzündung zum Verlust der Blut-Hoden-Schranke. Auf diese Weise kommen die Spermatozoen in Kontakt mit dem Immunsystem und werden als nicht körpereigen erkannt. Das Hodenparenchym wird mit Plasmazellen und Lymphozyten infiltriert. Immunglobuline lagern sich an den Tubuli seminiferi ab und es kommt zum Funktionsverlust der Leydigschen Zwischenzellen (OLSON et al. 1992).

Hodenverkalkungen entstehen sekundär nach Hodendegenerationen, zystischen Veränderungen, Entzündungen oder nach Samenstauung. Sie kommen multifokal vor und können sich in fortgeschrittenen Fällen zu dystrophischen Verkalkungen ganzer Gewebsabschnitte ausdehnen (SCHULZ 1991; WEISS u. KÄUFER-WEISS 1999).

Hoden- und Nebenhodenzysten sind eine seltene Erkrankung beim Rüden (WAKUI et al. 1997). Es handelt sich dabei um einen flüssigkeitsgefüllten Hohlraum mit Epithelauskleidung. Dieser kann infolge einer Gewebsfehlentwicklung angeboren oder durch Sekretverhaltung (Retentionszyste) erworben sein. Beschrieben werden Hodenzysten, die ektopischem Nebenhodengewebe entstammen (WAKUI et al. 1997;

LANGE et al. 1999). Retentionszysten die Spermien beinhalten werden Spermatozelen genannt und sind angeborene oder erworbene Dilatationen des Nebenhodenganges.

Blind endende Tubuli sowie Entzündungen oder Traumen sind als Ursache zu nennen.

Sie befinden sich uni- oder bilateral vorzugsweise im Bereich des Nebenhodenkopfes.

Die Spermien treten durch das zunehmend atrophierende Epithel in das umgebende Gewebe aus und führen so zu einer Fremdkörperreaktion (Spermagranulom) (SCHULZ 1991; FELDMAN u. NELSON 1996).

Neoplasien der Hoden treten vor allem bei Tieren ab einem Alter von 7 Jahren auf (JAMES u. HEYWOOD 1979). Die Häufigkeit dieser Erkrankung wird von BROADHURST (1974) mit 15% angegeben. Nach COTCHIN (1960) sowie SUSANECK und WITHROW (1986) stellen Hodentumore die zweithäufigste Tumorerkrankung des Rüden dar. Dystope Organe weisen mit einer Inzidenz von 13,6 % häufiger tumoröse Veränderungen auf als abgestiegene Hoden (HAYES u.

PENDERGRASS 1976). Die drei am häufigsten diagnostizierten Tumore sind Seminome, Leydigzelltumore und Sertolizelltumore. Sie kommen nach MACHADO et al.

(1963), NIELSEN und LEIN (1974) sowie GUIMARAES CHQUILOFF und NASCIMENTO (1977) mit abnehmender Häufigkeit in dieser Reihenfolge vor. NIETO et al. (1989) zeigen Sertolizelltumore und Seminome mit einem Anteil von jeweils über 30% auf, womit sie etwas häufiger vertreten sind als Leydigzelltumore.

Seminome gehen vom Epithel der Samenkanälchen aus. Sie kommen überwiegend einzeln und unilateral vor. Betroffen sind sowohl abgestiegene als auch kryptorchide Hoden. Die Konsistenz ist fest. Die Grösse variiert von 0,1 cm bis zu 5,0 cm Durchmesser. Sie werden unterteilt in eine intratubuläre und eine diffuse Form (ENGLAND 1998; WEISS u. KÄUFER-WEISS 1999). Metastasen, Feminisierungserscheinungen oder Perianaldrüsentumore werden selten beobachtet.

Leydigzell Tumore stellen sich häufig bei älteren Tieren dar. Sie sind gutartig, kommen einzeln oder multipel nur in skrotal gelegenen Hoden uni- oder bilateral vor. Die Grösse variiert von hirsekorngross bis walnussgross (ENGLAND 1998). Histologisch werden sie beschrieben als solid-diffus, zystisch-vaskulär oder pseudoadenomatös (WEISS u. KÄUFER-WEISS 1999). Die Leydigzellen produzieren Androgene, wodurch klinisch eine Hyperplasie der Perianaldrüsen und des Suprakaudalorgans mit Alopezie und Hyperpigmentation auffällt (MULLER et al. 1989). Die Spermatogenese wird reduziert.

Sertolizell Tumore entstehen intratubulär oder diffus. Diese Form der Hodentumore produziert Östrogene, wodurch eine Feminisierung des Rüden einsetzt. Kennzeichnend hierfür sind Gynäkomastie und die Attraktivität für andere Rüden. Hodenatrophie, Hautveränderungen und endogene Östrogenvergiftungen sind ebenfalls typische Symptome für diese Tumorart (WEAVER 1981). Der Sertolizell Tumor ist häufig vergesellschaftet mit einer squamösen Metaplasie der Prostata. Der betroffene Hoden nimmt an Größe zu, während der kontralaterale Hoden meist atrophiert. Metastasen können mit einer Häufigkeit von 2 % (BRODEY u. MARTIN 1958) auftreten und finden sich in abdominalen Organen und Lymphknoten. Die Spermatogenese wird bei dieser Tumorart eingestellt.

Andere neoplastische Veränderungen der Hoden sind Mischformen der beschriebenen Tumore. Karzinome sind nur in Form des embryonalen Karzinoms nachgewiesen. Fibrome, Leiomyome und Sarkome, die alle dem mesenchymalen

Gewebe entspringen, sind von untergeordneter Bedeutung. Teratome entstehen aus allen drei Keimblättern und sind beim Hund äusserst selten (WEISS u. KÄUFER-WEISS 1999). Adenome kommen mit einer Häufigkeit von 3,8 % vor (GUIMARAES CHQUILOFF u. NASCIMENTO 1977).