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2. LITERATURÜBERSICHT

2.1 Dictyocaulus viviparus - Der Lungenwurm des Rindes

2.1.3 Bekämpfung der Dictyokaulose

2.1.3.2 Vakzinierung zur Prophylaxe parasitärer Infektionen

Aufgrund der Komplexität eukaryoter Organismen stellt die Impfstoffentwicklung gegen parasitäre Infektionen seit jeher eine große Herausforderung dar (NEWTON u.

MUNN 1999). Dies gilt insbesondere für mehrzellige Parasiten wie den bovinen Lungenwurm.

2.1.3.2.1 Stand der Forschung zur Vakzineentwicklung gegen mehrzellige Parasiten

Es gibt zahlreiche Beispiele für die Evaluierung von Vakzinekandidaten gegen mehrzellige Parasiten. Zu unterscheiden sind Vakzineversuche, die natives Protein z. B. Parasitenhomogenate oder Ausscheidungsprodukte wie beispielsweise exkretorisch/sekretorische (ES)-Produkte des Parasiten enthalten von solchen, die rekombinant exprimiertes Protein enthalten.

Es gelang, einen Impfstoff basierend auf dem rekombinanten, membranständigen Protein Bm86 von Rhipicephalus (Boophilus) microplus, einer Zecke, die schwer-wiegende Verluste in der Rinderhaltung subtropischer Gebiete verursacht, zu entwickeln (FRAGOSO et al. 1998). Dies ist einer der wenigen bisher erfolgreich kommerzialisierten Impfstoffe gegen Parasiten (TickGARD™). Zudem hat sich der Impfstoff auch als kreuzprotektiv gegenüber Infestationen mit B. annulatus gezeigt.

FRAGOSO et al. (1998) fanden heraus, dass nach Impfstoffapplikation zwischen 55 und 100 % weniger Zecken auf den Tieren saugen. Dies hat einen stark ver-minderten Bedarf an Akariziden zur Folge und schützt die Tiere vor der Infektion mit von Zecken übertragenen Krankheiten wie z. B. der Babesiose (DE LA FUENTE et al. 1999).

Bei Schafen führt die Impfung mit Antigenen der Onkosphäre des Cestoden Taenia ovis zu einer nahezu vollständigen Protektion gegen Neuinfektionen (RICKARD u. WILLIAMS 1982). Basierend auf diesen Proteinen wurde ein rekombinanter Impfstoff entwickelt, der zu zufriedenstellender, wenn auch nicht kompletter Protektion führt (JOHNSON et al. 1989). Allerdings kam es nie zur Markteinführung dieses Impfstoffes (NEWTON u. MUNN 1999). In Bezug auf die prophylaktische Impfung gegen die Zystizerkose beim Schwein gibt es mehrere Studien, sowohl mit nativem, als auch mit rekombinant exprimiertem Antigen von T. solium (SCIUTTO et al. 2013). Dafür wurden Antigene des Erregers der murinen Zystizerkose T. crassiceps, genutzt und in Feldstudien an mit T. solium infizierten Schweinen getestet.

Gegen den humanpathogenen Trematoden Schistosoma mansoni entwickelten CHLICHLIA et al. (2001) eine DNA-Vakzine, welche gegen das Legumain Sm32 des Parasiten gerichtet ist. Diese Vakzine wurde am Mausmodel getestet und führte zu einer verminderten Fruchtbarkeit der weiblichen Parasiten und konnte so die Eiausscheidung um 37 % vermindern. Bei Nematoden gibt es ebenfalls zahlreiche Ansätze, protektive Impfstoffe zu entwickeln. ZHANG et al. (2013) untersuchten die immunogene Wirkung einer rekombinant in Escherichia coli exprimierten Amino-peptidase von Trichinella spiralis in Mäusen. Die Vakzinierung mit diesem rekombinanten Protein resultierte in einer Reduktion der Wurmbürde um 38,1 %.

Haemonchus contortus gehört wie D. viviparus zu den Trichostrongyliden, ernährt sich von Blut und kommt vorwiegend im Labmagen von Schafen und Ziegen vor.

MUNN et al. (1987) konnten zeigen, dass einer Infektion mit H. contortus durch die Impfung mit nativem Darmprotein aus adulten Stadien dieses Parasiten wirkungsvoll entgegen gewirkt werden kann. Das integrale Glycoprotein H11 aus der Darmwand des Parasiten scheint für die gebildete Immunität vorwiegend verantwortlich zu sein.

Es führte in Impfversuchen zu einer Reduktion der Eiausscheidung um 94,6 % und der Wurmbürde der Männchen um 86,5 % bzw. der Weibchen um 93,5 % (SMITH et al. 1993). Es handelt sich bei H11 um ein bei verschiedenen Helminthen konserviertes Protein, was die Autoren JASMER und MCGUIRE (1991) spekulieren lässt, es könnte eine Kreuzimmunität zu anderen Nematoden bewirken. Der Vorteil

von Darmproteinen bei blutsaugenden Parasiten als Vakzinekandidaten ist, dass sie zwar einerseits dem Immunsystem nicht zugänglich sind und daher nur ein geringer Selektionsdruck bezüglich der Immunevasion auf sie einwirkt, aber dass sie andererseits nach Aufnahme einer Blutmahlzeit von spezifischen, durch eine Impfung gebildeten Antikörpern oder auch sensibilisierten Immunzellen erkannt werden können (NEWTON u. MUNN 1999). BOISVENUE et al. (1992) nutzten für die Immunisierung von Schafen eine Fibrinogen-degradierende Cathepsin B-ähnliche Cysteinprotease, die aus dem Darm adulter H. contortus stammte und zu einer Reduktion der Eiausscheidung von über 80 % und der Wurmbürde von über 90 % führte. Auch in Bezug auf den gastrointestinal parasitierenden Nematoden Ostertagia ostertagi wurden mehrere sowohl native als auch rekombinant exprimierte Proteine hinsichtlich ihrer Eignung als Vakzinekandidaten getestet. GELDHOF et al. (2002) impften Kälber mit ES-Produkt, welches für Cysteinproteasen angereichert war und erreichten eine signifikante Reduktion der Eiausscheidung um 60 %, eine Reduktion der Wurmbürde um 18 % und eine signifikante Reduktion der Länge von männlichen und weiblichen Adulten. Im Gegensatz dazu konnten DE MAERE et al. (2005) sowohl nach Impfung mit nativem als auch mit in Baculoviren exprimiertem Aspartyl-proteaseninhibitor (API) keine Protektion gegen eine nachfolgende Infektion mit O. ostertagi erreichen.

2.1.3.2.2 Stand der Forschung zur Vakzineentwicklung gegen D. viviparus Die Impfstoffforschung zur Bekämpfung der bovinen Dictyokaulose begann bereits in den 1950er Jahren. JARRET et al. (1955; 1958; 1960a,1960b) wiesen drei mögliche Wege der Immunisierung bei Rindern nach: Sowohl die intraperitoneale Ver-abreichung von Serum infizierter und darauf folgend genesener Tiere, die intra-muskuläre Injektion von Parasitenmaterial aus adulten Würmern unter Zugabe eines Adjuvans, als auch die orale Applikation von röntgenattenuierten dritten Larven führten zu einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Reduktion der Larven-ausscheidung und der Wurmbürde sowie zur Verminderung klinischer Symptome.

Dabei erwiesen sich virulenzattenuierte Larven als sehr viel effektivere Stimuli als

somatische Extrakte. Dies deutet auf eine essentielle Bedeutung der vom Parasiten sezernierten Proteine in der Immunitätsentwicklung hin (BRITTON et al. 1993).

Der Impfstoff aus röntgenattenuierten dritten Larven wurde kommerzialisiert (Bovilis®

Dictol, INTERVET) und in Deutschland und anderen Ländern Europas eingesetzt, steht aber aus Gründen, die im Folgenden weiter erläutert werden, in Deutschland nicht mehr zur Verfügung. So ist zur Larvenproduktion eine Passage in Rindern zwingend erforderlich. Das dringend notwendige Einhalten einer adäquaten Kühl-kette und die kurze Haltbarkeit des Impfstoffes erschweren die Anwendung in abgelegeneren Gebieten und erfordern zudem eine ständige Nachproduktion. Eine rekombinante Subunitvakzine wäre stabiler, länger haltbar und würde die Haltung von Ausscheidertieren vermeiden (MCKEAND 2000).

MICHEL (1976) zeigte, dass bei immunen Kälbern nach erneuter D. viviparus Infektion Lungenwurmlarven die Lunge erreichen und erst dort absterben. Dies beweist indirekt, dass die Immunantwort bei der natürlichen Immunität gegen spätere parasitische Stadien gerichtet ist und nicht bereits die L3 nach der Penetration der Darmwand eliminiert. Dies legt wiederum die Vermutung nahe, dass Bestandteile des ES-Produktes der Präadulten und Adulten eine gewichtige Rolle spielen könnten (MCKEAND 2000).

Eine Studie von MCKEAND et al. (1995) an Meerschweinchen zeigte, dass diese nach Impfung mit somatischen Extrakten aus Adulten oder L3 nicht gegen eine In-fektion mit Lungenwürmern geschützt waren. Eine Gruppe, die unter denselben Be-dingungen mit ES-Produkt geimpft worden war, zeigte allerdings im Vergleich zur Kontrollgruppe eine statistisch signifikante Protektion vor einer Reinfektion. Das Serum dieser mit ES-Produkt geimpften Tiere schützte als passive Immunisierung sogar eine Gruppe naiver Tiere vor einer Infektion. MATTHEWS et al. (2001) impften daraufhin Kälber mit ES-Produkt adulter D. viviparus, um die Ergebnisse im Versuch an Rindern zu verifizieren. Aber obwohl die Rinder im Vergleich zur Kontrolle statistisch signifikant erhöhte IgG1- und IgG2-Antikörpertiter hatten, waren sie nicht vor einer Infektion geschützt. Dieser vermeintliche Widerspruch könnte darauf zurückzuführen sein, dass in den beiden Studien unterschiedliche Adjuvantien

eingesetzt wurden, worauf in der Diskussion dieser Arbeit näher eingegangen werden soll.

Die Forschungsergebnisse von JARRETT et al. (1955) zur passiven Immunisierung von Kälbern legen nahe, dass Antikörper an der Immunität maßgeblich beteiligt sind.

Die Frage, welche dezidierten Proteine eine protektive antikörpermediierte Immun-antwort hervorrufen können, ist zwar in zahlreichen Studien untersucht worden, konnte aber bis heute nicht hinreichend geklärt werden. BRITTON et al. (1992) entdeckten, dass D. viviparus in vitro abhängig vom vorliegenden Stadium unter-schiedliche Proteasen sezerniert. Einige dieser Proteasen im ES-Produkt adulter Würmer werden von Antikörpern im Serum rekonvaleszenter Rinder erkannt und gebunden. MCKEAND et al. (1994) analysierten auf der Suche nach einem dezidierten Antigen, das eine protektive Immunantwort hervorrufen kann, die Acetyl-cholinesterase (AChE). Aber obwohl rekombinant exprimierte AChE von D. viviparus von Serumantikörpern immuner Rinder erkannt wird, konnte in einer ersten Vakzine-studie keine signifikante Protektion von geimpften Rindern im Vergleich zur Kontrollgruppe erzielt werden (MCKEAND 2000). Auch die Studie von MATTHEWS et al. (2001) ergab, dass die von ihnen rekombinant in E. coli exprimierte AchE nicht zu einer protektiven Immunität gegen eine Infektion mit D. viviparus bei den Rindern führte.

Die Protein Disulfid Isomerase (PDI) von D. viviparus wurde in einer weiteren Studie rekombinant in E. coli exprimiert und in einem Vakzineversuch an Rindern evaluiert (WOLKEN 2006). Es wird vermutet, dass es sich bei der PDI um ein multi-funktionales Enzym handelt, dessen Hauptaufgabe in der Ausbildung und Mo-difikation von Disulfid-Brücken liegt. Des Weiteren fungiert es als molekulares Chaperon sowie als Untereinheit in zwei Enzymkomplexen. Doch obwohl alle ge-impften Tiere dieser Studie PDI-spezifische Antikörper bildeten, konnte weder eine signifikante Protektion, noch eine signifikante Reduktion der Wurmbürde oder der Larvenausscheidung durch Impfung mit diesem ubiquitär vorkommenden Protein erzielt werden (WOLKEN 2006). Eine weitere Studie untersuchte das Major Sperm Protein (MSP) von D. viviparus hinsichtlich seiner immunogenen und protektiven Eigenschaften (VON HOLTUM 2006). Zwar wurden wiederum Antikörper

verschiedener Immunglobulinklassen gebildet, es ergaben sich jedoch wie bei der PDI keine statistisch signifikanten Unterschiede in Wurmbürde, Larvenausscheidung oder Größe der Würmer im Vergleich zur Kontrollgruppe (VON HOLTUM 2006).

STRUBE et al. (2012) ermittelten durch Suppression Subtractive Hybridisation mehrere Gene, die vorwiegend in parasitischen und weniger in freilebenden Stadien von D. viviparus transkribiert werden. Diese Parasitismus-assoziierten Gene bzw. die resultierenden Proteine könnten geeignete Zielmoleküle für die Vakzineentwicklung darstellen. Unter den identifizierten Genprodukten befinden sich auch die beiden Legumaine LEG-1 und LEG-2, welche in dieser Arbeit untersucht wurden.