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Z u dieser ursprünglichen Zuständigkeit des kirchlichen Lehramtes in re- re-bus morum gehören auch jene sittlichen Erkenntnisse, die zwar nicht

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aus-drücklich in der Offenbarung enthalten sind, die aber unmittelbar daraus abzuleiten sind. Dazu zählen die wesentlichen Normen des natürlichen Sittengesetzes.

3. Auch die Präzisierung eines göttlichen Gebotes durch das Lehramt ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Gerade hier muß aber in mancherlei Hinsicht ein Unterschied in der Verarbeitung lehramtlicher Quellen von Moraltheologie und Dogmatik beachtet werden, besonders dann, wenn sich Entscheidungen moraltheologischen Inhalts im Zusammenhang dogmatischer Entscheidungen finden (Erbsünde-, Gnaden-, Rechtferti-gungs-, Sakramentenlehre). »In solchen direkten Lehraussagen muß der vom Lehramt intendierte Aussagegehalt und die beanspruchte lehramtli-che Autorität genau festgestellt werden. Z u beachten ist, daß Entslehramtli-chei- Entschei-dungen, die einzelne Thesen verurteilen oder einzelne an die obersten In-stanzen herangebrachte Zweifelsfälle klären, ihre volle lehramtliche Auto-rität nur im Umfang des konkreten Gegenstandes der Entscheidung ha-ben. Jede schlußfolgernde oder analoge Erweiterung durch die Theologie muß ihr Recht eigens erweisen2 5 0

Die Hinweise zur Stellung des Lehramtes sind aus heutiger Sicht sicher noch zu ergänzen2 5 1. Aus der damaligen Sicht, besonders im Vergleich zu anderen moraltheologischen Werken (z. B . G . Ermecke, B . Häring), scheint mir bei R. Hofmann eine bemerkenswerte Veränderung vorzuliegen. Er fordert aus-drücklich die Uberprüfung lehramtlicher Aussagen auf ihren intendierten Aussagegehalt und die damit verbundene lehramtliche Autorität hin. Die Moraltheologie hat die amtlichen kirchlichen Lehraussagen zu überprüfen, damit eine unterschiedlose Beanspruchung der Lehrautorität vermieden wird.

Unter den faktisch theologischen Quellen steht an erster Stelle die theologi-sche Wissenschaft im Unterschied zu den formell theologitheologi-schen Quellen, die zugleich Glaubensquellen sind. »Die Theologie bezeugt in vielen Fällen den Inhalt der tatsächlichen kirchlichen G l a u b e n s ü b e r z e u g u n g und der amtlichen kirchlichen Lehre in einer durch Reflexion, geschichtlichen Uberblick und geistige Vertiefung differenzierten und kritisch geprüften Gestalt. Für die im allgemeinen Bewußtsein der Gläubigen und in der kirchlichen amtlichen Lehre aller Jahrhunderte enthaltene sittliche Offenbarungsbotschaft gibt es keine gleichermaßen zuverlässige, geistig verarbeitete und folglich ebenso vielseitig verwertbare Dokumentation2 5 2.« Eine theologische Meinung

er-2 5 0 Ebd. 149.

2 5 1 Vgl. F. BÖCKLE, Glaube und Handeln. A.a.O. (s. Anm. 45), hier 108.

2 5 2 R . HOFMANN, a.a.O. 151.

langt erst dann authentisch kirchlichen Glaubwürdigkeitscharakter, wenn sie vom Lehramt in entsprechender Form aufgenommen worden ist.

Gesondert ist als Quelle moraltheologischer Erkenntnis auf das in der Kirche gelebte Ethos zu achten. In den Heiligen wurde und wird diese christliche Sittlichkeit konkret.

R. H o f mann befaßt sich im III. Teil seiner Arbeit mit der Arbeitsweise der Moral theologie. E r zeigt die Grenzen aller Methoden auf und fragt auch, ob für die Moraltheologie die Zugrundelegung eines Einheitsprinzips möglich sei. Im Verhältnis von Dogmatik und Moral theologie weist er auf die Ekkle-siologie hin. »Insbesondere wird sie (die Moraltheologie) beträchtliche Teile mancher Traktate, etwa der theologischen Anthropologie, der Gnaden- und Erlösungslehre, der Ekklesiologie und Sakramentenlehre, die von der Dog-matik in mehr essentieller und statischer Sicht dargestellt werden, nach ihren mehr existentiellen, dynamischen und personalen Sichtweisen in eigener Z u -ständigkeit erörtern müssen2 5 3

2. 8.3. Zusammenfassung

Kirche als Gemeinde der Glaubenden

-Zentraler durchgehender Gedanke für R. Hofmann in seiner Methoden- und Erkenntnislehre ist die Kirche als Gemeinde der Glaubenden. Dieser Ge-danke durchdringt alle Teile seiner Arbeit. E r enthält für das Kirchenver-ständnis im einzelnen mehrere Folgen:

1. D i e Beziehung des Glaubens des einzelnen Christen zum Glauben der Gemeinde wird näher herausgearbeitet als bei G . Ermecke aber auch bei B.

Häring, da der Glaube somit ein Geschenk wie auch noch zu verwirkli-chende Aufgabe zugleich ist.

2. Die Aufforderung zur Auseinandersetzung mit dem ethischen Gedanken-gut nichtchristlicher Gesprächspartner bedeutet eine Herausforderung an die Kirche, wie sie in den vorhergehenden Werken nicht zum Ausdruck kam.

3. Das Lehramt bleibt in seinem Autoritätsanspruch voll bestehen, wird aber eingebettet in das in der Kirche lebende Ethos.

4. Die geschichtliche Betrachtung neuer Probleme von sittlicher Bedeutung wird - wenn auch erst anfanghaft - angedeutet.

5. Die universale Verbundenheit der Kirche mit Jesus Christus wird durch die Heiligkeit der Kirche - der H l . Geist als Beistand - gewährleistet.

Bei R . Hofmann sind damit schon mehrere Bereiche angesprochen worden, die in der nachkonziliaren Diskussion verstärkt zur Sprache gebracht wur-den. Dies gilt vor allem für die Frage der Geschichtlichkeit

moraltheologi-2 5 3 Ebd. 256/257.

scher Normen wie auch das Verhältnis Theologie - Lehramt und das Einge-bettetsein beider in den Glauben der ganzen Kirche. R . H o f mann hat sicher-gerade durch das Einbeziehen der einzelnen Gläubigen in das sittliche Ge-samtbewußtsein der Kirche - das Kirchenverständnis innerhalb der Moral-theologie an diesem Punkt erweitert. Insgesamt kann sein Werk als ein Ubergang bezeichnet werden, von einer Periode, die zwar ein reflektiertes K i r -chenverständnis in der Moral aufwies, aber die damit verbundenen Probleme u. a. im Bereich des Lehramtes noch nicht anging.

2 . 9. Z U S A M M E N F A S S U N G D E R Z W E I T E N P E R I O D E

2. 9 . 1 . Ergebnis

Wenn wir diese Periode zusammenfassend würdigen wollen, dann scheint es angebracht, noch einmal das Ergebnis der ersten Periode in Erinnerung zu rufen.

Die Stellung der Kirche war, so stellten wir fest, kein Problem für die Moral-theologie, sondern unbefragte Voraussetzung. Dies schloß eine Konzentrie-rung auf das Lehramt ein.

Mit F . Tillmanns Versuch trat die Moraltheologie in eine neue Phase, in der anhand der Idee der Nachfolge Christi die Moral theologie konzipiert wurde.

Diese Idee war ohne das Bild vom mystischen Leib Christi nicht durchzufüh-ren. O . Schillings Caritasprinzip widersprach zwar entschieden der Idee der Nachfolge2 5 4, versuchte aber auch die Moraltheologie von einem Leitgedan-ken her zu entwickeln. Formal blieb er bei der schon in den früheren Hand-büchern üblichen Reihenfolge der Quellen, in der dem Lehramt eindeutig der Primat zukam. Das hatte auch zur Folge, daß keinerlei Einfluß des Caritas-prinzips auf das Kirchenverständnis festzustellen ist. J . Stelzenberger, der seine Moraltheologie als Königsherrschaft Gottes darbietet, spricht der Kir-che eine Hinweisfunktion auf die Basileia zu. Der Gedanke des mystisKir-chen Leibes Christi findet bei ihm keine Beachtung.

Diese drei unterschiedlichen Ansätze zeigen m. E . zweierlei i m Hinblick auf das Kirchenverständnis.

2 5 4 Auf die Problematik von Idee und Prinzip geht auch J. F U C H S ein: (a.a.O. s. Einlei-tung Anm. 4) »Die verschiedenartigen Stellungnahmen über das Verhältnis der beiden Aufbauprinzipien, Liebe und Nachfolge lassen wohl das eine erkennen, daß man nicht absolut dem einen oder dem anderen den Primat zuerkennen kann; es kommt auf die jeweilige Sicht an. Nur darf man das geht vor allem aus der Diskussion Schilling -Hadrossek hervor - Prinzip nicht als Erkenntnisprinzip fassen, in dem Sinne, als ob bis ins einzelne und unmittelbar aus ihm alle Normen des sittlichen Lebens müßten er-schlossen werden können.« (S. 84).

1. Die ekklesiale Seite hängt wesentlich von der Voraussetzung ab, unter welchem Leitgedanken die Moraltheologie behandelt werden soll.

2. Diese Voraussetzung bestimmt auch wesentlich die formale Betrachtung des Gegenstandes. F. Tillmann gibt der H l . Schrift als erster Quelle den Vorzug, O . Schilling dem Lehramt, J. Stelzenberger nennt als erste Quelle die übernatürliche Offenbarung.

Besonders bei F. Tillmann konnten wir ein ausgeführtes Kirchenverständnis finden, das aber keineswegs die Stellung des Lehramtes problematisierte.

Verschiedene andere Aufsätze von J. Kraus, N . Krautwig und O . Schaffner wünschten eine stärkere theologische Durchdringung der Moraltheologie, wobei J. Kraus und N . Krautwig die Christozentrik hervorhoben, während O . Schaffner das Grunddogma der Trinität demgegenüber betonte. Auch wenn hier keine direkten ekklesiologischen Hinweise vorlagen, so hat diese Diskussion die theologische Begründung innerhalb der Moral vertieft. Dies ist am Werk von B. Häring deutlich abzulesen. Sein christozentrischer A n satz hatte ekklesiologische Konsequenzen, wie wir sie bereits bei der Z u -sammenfassung des Werkes »Das Gesetz Christi« aufgeführt haben. Auch bei ihm wird das Kirchenverständnis ausführlich in die Moral einbezogen, ver-schiedentlich erweitert (Kirche als Quasi-Sakrament), aber nicht eigens zum Thema gemacht, sondern nur übernommen.

G . Ermecke bindet das Kirchen Verständnis in seinen metaphysischen Ansatz ein. Die Kirche, die bei ihm auf das Lehramt und seine Aussagen konzentriert ist, hat eine formale wie metaphysische Seite. (»Die Kirche als Lebens- und Liebesgemeinschaft in Christus«)

B. Häring nimmt die ersten Anstöße des II. Vatikanischen Konzils in seinem Beitrag zur Rahner-Festschrift mit auf und konzipiert eine Moral in Verbin-dung mit dem Geheimnis der Kirche. Dieser sehr gehaltvolle Aufsatz läßt die Leib-Christi-Idee als alleinig bestehen und verbleibt somit noch im vorkon-ziliaren Bereich.

R. H o f mann bringt einen deutlichen neuen Akzent unter dem Gesichtspunkt der Kirche als Gemeinde der Glaubenden.

2. 9.2. Methodische Fragen

Wenn wir den bisherigen Gang durch die moraltheologische Literatur be-trachten, so sind wir sehr oft auf methodische Fragen gestoßen.

Die Frage, mit welcher Methode die Moraltheologen ihren Gegenstand am angemessensten zur Sprache bringen können, kam immer wieder zum Vor-schein.

Im Rahmen der Fragestellung dieser Arbeit schien es sinnvoll zu sein, die A u -toren weitgehend selbst zu Wort kommen zu lassen. Dies verhindert eine frühzeitige Festlegung und Bewertung. V o n daher wurden die einzelnen

Bei-träge in ihren eigenen Absichten dargestellt und auf ihr Kirchenverständnis hin befragt. Querlinien und neue Aspekte ergaben sich aus der Diskussion innerhalb der Moraltheologie, wobei der verhältnismäßig lange Zeitraum von 1900 bis zum II. Vatikanischen Konzil die verschiedenen Entwicklungen sichtbar werden ließ.

Das weitgehend Unbefragtsein des Kirchenverständnisses deutet auf eine positive Selbstverständlichkeit der Moraltheologie über Wesen und Aufgabe der Kirche hin. V o n daher kann es dem Gegenstand der Untersuchung nicht angemessen sein, mit den Erkenntnissen heutiger Theologie die Vergangen-heit zu begutachten, womöglich in sie Probleme hineinzuverlagern, die zwar heute vorhanden, sich aber unter anderen Zeitumständen anders darboten.

Es ist allerdings sinnvoll und angebracht, z. B. zu fragen, welche Stellung das Lehramt in der Zeit vor dem II. Vatikanum innehatte, wie genau der Stellen-wert päpstlicher Aussagen anzusehen ist, um dann vielleicht feststellen zu müssen, daß früher gegebene Antworten die heutigen Fragen nicht ausrei-chend klären können2 5 5.

Einige Gesichtspunkte aus den dargestellten Ansätzen scheinen mir auch für die gegenwärtige Diskussion hilfreich zu sein. Dies gilt besonders für die Be-deutung des Bildes vom mystischen Leib Christi, wie es insbesonders bei F . Tillmann und B. Häring Gestalt gewonnen hat, das in der gegenwärtigen M o -raltheologie zu wenig berücksichtigt wird.

Wenn wir als Ergebnis dieser zweiten Phase festhalten können, daß das Kir-chenverständnis die Entfaltung der Moraltheologie nicht nur formal im Sinne von päpstlichen Lehrentscheidungen, sondern auch weitgehend material im Sinne der Ausgestaltung ekklesiologischer Bilder aus der Schrift prägte, dann kann das für die heutigen Grundsatzfragen in der Moraltheologie nur bedeu-ten, daß das zugrundeliegende Kirchenverständnis moraltheologischer Aus-sagen nicht außer acht gelassen werden kann. A n diesem Punkt liegt dann auch eine Möglichkeit von Dogmatik und Moral, gemeinsam nach Lösungs-möglichkeiten entstandener Fragen zu suchen. Es zeigt sich allerdings, daß die Diskussion zur Zeit an diesem Punkt noch in der Phase gegenseitigen A n -fragens steckt.

Konkret werden wir im folgenden die Konsequenzen der ekklesiologischen Neuorientierung des II. Vatikanums im Spiegel der Moraltheologen aufwei-sen, die Diskussion um »Humanae Vitae« besonders hinsichtlich des Autori-tätsverständnisses aufgreifen und die Frage nach dem Kirchenverständnis in der gegenwärtigen Auseinandersetzung um das Proprium christianum der Ethik in der katholischen Moraltheologie angehen. Besonders bei dem letzt-genannten Punkt sollen, dem Anliegen der Arbeit gemäß, verstärkt Ge-sichtspunkte aus der Dogmatik zur Sprache gebracht werden.

2 5 5 Siehe hierzu F . BÖCKLE, Glaube und Handeln. A. a. O . 107/108.

3. D I E B E D E U T U N G D E S I L V A T I K A N I S C H E N K O N Z I L S

Im Dokument KIRCHE SITTLICHES (Seite 125-130)