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Das Autonomieverständnis

Im Dokument KIRCHE SITTLICHES (Seite 141-144)

Da in der gegenwärtigen Moraltheologie die Bedeutung des Autonomie-verständnisses einen breiten Raum einnimmt, ist es angebracht, auf die Bedeutung des Autonomiebegriffs in der Pastoralkonstitution hinzuwei-sen.

4 0 Daß die Deutung des Gewissens, so wie sie in Nr. 16 vorliegt, nicht ausreichend ist, um besonders das Verhältnis des Einzelnen zu den Gütern und Werten und den damit verbundenen Normen näher zu skizzieren, sie hier nur erwähnt. Die Diskussion um die Bedeutung des Gewissens ist in letzter Zeit wieder intensiver geführt worden, nachdem sie lange Zeit wegen der Normenlrage etwas in den Hintergrund gerückt war.

Vgl. K. GOLSER, Gewissen und objektive Sittennorm. Zum Gewissensbegriff in der neueren katholischen Morallehre. Wien (WBTh 48) 1975; A . K. RUF, Grundkurs Moraltheologie II: Gewissen und Entscheidung. Freiburg 1977. J . FUCHS, Hrsg., Das Gewissen. Vorgegebene Norm verantwortlichen Handelns oder Produkt gesell-schaftlicher Zwänge? Düsseldorf 1979. B. HÄRING, Frei in Christus. Moraltheologie für die Praxis des christlichen Lebens. I. Das Fundament aus Schrift und Tradition.

Freiburg Basel Wien 1979. 226-296. P H . SCHMITZ, Das Gewissen. Gefährdete sittliche Instanz, in: StZ 104 (1979) 665-676. H . ROTTER, Wort Gottes und Stimme des Gewis-sens, in: ZKTh 102 (1980) 1-13. F. FURGER, Gewissen-Gebote-Geschichte, m:SKZ 24 (1980) 379-381.

4 1 LthK.E III (1968) 370/371 (Kommentar von O . SEMMELROTH).

Das III. Kapitel des ersten Hauptteils befaßt sich mit dem menschlichen Schaffen in der Welt. »Was ist der Sinn und der Wert dieser angestrengten Tätigkeit? Wie sind all diese Güter zu nutzen? Was ist das Ziel dieses indi-viduellen und kollektiven Bemühens?« Das Konzil räumt ein, »daß sie (die Kirche) nicht immer zu allen einzelnen Fragen eine fertige Antwort bereit hat; und so ist es ihr Wunsch, das Licht der Offenbarung mit der Sach-kenntnis aller Menschen in Verbindung zu bringen, damit der Weg, den die Menschheit neuerdings nimmt, erhellt werde« (Nr. 33). Diese Verbin-dung von »Licht der Offenbarung mit der Sachkenntnis aller Menschen«

wird als Kriterium des Autonomiegedankens verwandt. »Wenn wir unter Autonomie der irdischen Wirklichkeiten verstehen, daß die geschaffenen Dinge und auch die Gesellschaft ihre eigenen Gesetze und Werte haben, die der Mensch schrittweise erkennen, gebrauchen und gestalten muß, dann ist es durchaus berechtigt, diese Autonomie zu fordern.« Diese A u -tonomie liegt »im Willen des Schöpfers«. »Wird aber mit den Worten >Au-tonomie der zeitlichen Dinge< gemeint, daß die geschaffenen Dinge nicht von Gott abhängen und der Mensch sie ohne Bezug auf den Schöpfer ge-brauchen könne, so spürt jeder, der Gott anerkennt, wie falsch eine solche Auffassung ist« (Nr. 36).

Die Pastoralkonstitution will in allen Bereichen die Zuordnung von Kirche und Welt, von Glaube und sittlichem Handeln deutlich machen. Die Texte der Kirchenkonstitution werden vorausgesetzt, um auf diesem Fundament anthropologische Themen anzugehen. Kirche und Welt bleiben von daher zwei aufeinanderbezogene Größen, ohne ineinander aufzugehen. Die K i r -che, die auch um die Sünde des Menschen weiß (Nr. 13 und N r . 37), verkün-det die Befreiung von der Macht der Sünde durch Christi Kreuz und Aufer-stehung. Die Komplementarität der Gesichtspunkte ist für die Pastoralkon-stitution prägend. Dies können wir auch dem Hinweis von B . Häring ent-nehmen: »Es ist entscheidend, daß die einzelnen Aussagen ... stets in der Per-spektive der Gesamtkonstitution gesehen und ausgelegt werden4 2.« Die sitt-lichen Fragen, wie z. B. nach der Ehe und Familie in der heutigen Welt (Nr.

47ff.), dürfen deshalb nicht isoliert von diesem Gesamtkontext behandelt werden.

So erweist sich, daß das Zeugnis des Glaubenden über den individuellen Be-reich hinausgeht und so »die Einheit der ganzen Menschheit«, die in innigster Verbindung mit Gott geschieht, immer auch eine soziale Komponente in sich birgt. W i r werden anhand zweier Aufsätze von J. Ratzinger4 3 und W .

Breu-4 2 Ebd. 425 (Kommentar von B. HÄRING).

4 3 J. RATZINGER, Der Weltdienst der Kirche. Auswirkungen von * Gaudium et spes« im letzten Jahrzehnt, in: IKaZ 4 (1975) 439^54.

ning4 4 am Ende dieses Kapitels noch einmal auf die besondere Bedeutung des Inhalts und der theologischen Methode dieser beiden Konstitutionen für das Kirchen Verständnis zurückkommen. Vorher werden wir uns mit Äußerun-gen einiger MoraltheoloÄußerun-gen zur Bedeutung des II. Vatikanums, speziell des dort entwickelten Kirchen Verständnisses, für die Moraltheologie befassen.

3. 2. D A S K I R C H E N V E R S T Ä N D N I S D E S II. V A T I K A N I S C H E N K O N Z I L S I M L I C H T E I N I G E R M O R A L T H E O L O G E N

3. 2.1. Das nachkonziliare Kirchenverständnis hei B. Häring45 Daß wir hier als ersten Autor wieder B . Häring zu Wort kommen lassen, hängt mit seiner Darlegung des Kirchenverständnisses zusammen, die er kurz vor Beendigung des Konzils in der Rahner-Festschrift zum Ausdruck brach-te.

Für die Moraltheologen von großer Bedeutung war die Aussage des Konzils im Dekret über die Priestererziehung »Optatam Totius« : »Besondere Sorge verwende man auf die Vervollkommnung der Moral theologie, die, reicher genährt aus der Lehre der Schrift, in wissenschaftlicher Darlegung die Erha-benheit der Berufung der Gläubigen in Christus und ihre Verpflichtung, in der Liebe Frucht zu tragen für das Leben der Welt, erhellen soll« (Nr. 16).

B. Häring sieht »einen entscheidenden Einfluß auf die künftige Moralver-kündigung«4 6 durch die Pastoralkonstitution. Er fordert den M u t zur Treue

»gegenüber Christus und seine Braut, der Kirche«4 7. Dogmatik und Moral, so stellt er fest, bewegen sich wieder aufeinander zu. »Christozentrische M o -raltheologie versteht sich im Zeitalter des Zweiten Vatikanischen Konzils vor allem vom paulinischen >Sein in Christus< her.

>Das Gesetz Christi< (Gal 6, 2) ist >das Geistgesetz des Lebens in Christus Je-sus< (Rom 8,2), kraft dessen wir durch den Geist Christi mit Christi eigener Liebe den himmlischen Vater und alle Glieder des Leibes Christi, ja die ganze erlösungsbedürftige Menschheit mitlieben können4 8.« V o n diesem bei B . Häring in verschiedenen Wendungen immer wieder skizzierten Grundansatz ist dann auch sein Kirchenverständnis her zu sehen, daß er zum einen

ab-4 ab-4 W. BREUNING, Die Kirche als Thema im Umkreis des Zweiten Vatikanums und die Kirchlichkeit der Theologie, in: TThZ 85 (1976) 25-39.

4 5 Für unseren Zusammenhang hier sind zwei Beiträge von B. HÄRING von Bedeu-tung: Moralverkündigung nach dem Konzil. Bergen-Enkheim 1966 und Art. Moral-theologie, in: SM III (1969) 622-634.

4 6 Moralverkündigung, ebd. 9.

4 7 Ebd. 13.

4 8 Ebd. 37.

grenzt gegen die Vergangenheit: »Sah die Moral theologie der abgelaufenen Epoche im einzelnen Christen vor allem einen gehorsamen Untertan der hierarchisch regierten Kirche, so steht heute im Vordergrund des Bewußt-seins, daß er ein solidarisch mitverantwortliches Glied des Gottesvolkes ist4 9.« Zum anderen formuliert er für die Gegenwart: »Die Ekklesiologie ist wesenhaft christozentrisch5 0

Das Kernproblem der Ausführungen B . Härings scheint darin zu liegen, daß er in seinen ekklesiologischen Aussagen, die wir ja schon kennengelernt ha-ben und die er auch hier wiederholt, die Idee vom Volk Gottes nicht recht miteinbeziehen kann. Auch sein Hinweis auf die Verbindung zwischen »My-stici Corporis« und den Texten des II. Vatikanums übersieht gerade, daß

»Mystici Corporis« nicht die Volk-Gottes-Idee enthält und folgerichtig im II.

Kapitel der Kirchenkonstitution nicht erwähnt wird.

Der Ausdruck »christozentrisch« als alleiniges Kennzeichen der Ekklesiolo-gie bringt die trinitarische Fülle in »Lumen Gentium« nicht zur Geltung, auch wenn natürlich Christus die Mitte der Kirche und des Lebens der Glau-benden ist. H . U . v . Balthasars Satz trifft den Inhalt des II. Vatikanischen Konzils wohl präziser, wenn er schreibt: »Da aber Kirche vom Heiligen Geist des Vaters und des Sohnes >durchtränkt< ist, ist der Geist der Gläubi-gen, der lebendig glaubend die Eucharistie feiert und empfängt, immer schon ins Trinitarische geweitet5 1

3. 2.2. Die »kirchliche«Moral bei]. Fuchs52

J. Fuchs geht von der Aufgabe der Moraltheologie aus, wie sie in »Optatam

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