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6 Untersuchungen zur In-vitro-Biotransformation von Nitroxylradikalen .1 Mikrobielle Metabolisierung in Pilzkulturen ( Gattung Cunninghamella )

6.4 Biotransformation in der humanen Keratinozytenzellkultur HaCaT

6.4.4 Untersuchungen zur Toxizität von Nitroxiden in Keratinozyten

Für die Validität der Untersuchungen an Zellkulturen ist die Vermeidung toxischer Effekte der verwendeten Substanzen von besonderer Bedeutung. Da die verfügbaren Literaturangaben zur Toxizität der Nitroxide ein unvollständiges und teilweise widersprüchliches Bild ergeben [154, 155], wurden eigene Untersuchungen zur Toxizität der Verbindungen unter Anwendung des Amidoschwarz-Assays [156, 157] durchgeführt. Der speziell für die Untersuchung von Keratinozyten entwickelte Amidoschwarz-Assay beruht in Analogie zum verbreiteten Kristallviolett-Assay [158] auf einer Proteinfärbung der Zellen, die nach Xenobiotikaeinfluß noch an der Kultivierungsgrundlage angeheftet sind. Die Methodik ist zwar als Screening für toxikologische Effekte geeignet, läßt aber keine Differenzierung zwischen verschiedenen Stadien und Mechanismen der Zellschädigung zu. Für eine Abschätzung der Cytotoxizität sowie zur Dosisfindung für die durchgeführten Biotransformationsuntersuchungen bilden die mit Hilfe des Amidoschwarz-Assays gewonnenen IC50-Werte eine ausreichende Datenbasis.

Zusätzlich wurden morphologische Veränderungen der Keratinocyten nach Einwirkung von Nitroxylradikalen im Lichtmikroskop beobachtet (siehe Abbildung 75).

177 A

B

Abbildung 75: Humane Keratinozytenkultur HaCaT mit der Ausbildung einer Monolayerschicht nach 1 Woche Kultivierungszeit (A) ohne und (B) mit anschließendem Zusatz des Nitroxides 1 20 mmoll-1 (gelöst in DMSO, Inkubationszeit 6 h).

Für den Amidoschwarz-Assay wurden die HaCaT-Zellen 6 h bzw. 24 h mit den

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Untersuchungssubstanzen in entsprechenden Konzentrationen inkubiert, anschließend mit Trypsinlösung von der Unterlage abgelöst, gezählt (CASY 1 Cell Counter and Analyzer System), mit Amidoschwarz angefärbt und photometrisch vermessen (Spectra II/ SLT-Labinstruments Gröding). Für alle Toxizitätsuntersuchungen wurden ein Vergleich (Bahn 1 Zellen ohne Zusatz), zwei Kontrollen (Bahn 2 und 12 mit Lösungsmittel DMSO und Aceton) und 9 Verdünnungen der Probe (restl. Bahnen) als Pipettierschema verwendet. Pro Bahn wurden alle 8 Vials beschickt (max. Kapazität einer 96-Well-Platte). Um die Toxiziät der Verbindungen bewerten zu können, wurden die IC50-Werte von drei für die Anwendung an der Haut relevanten Arzneistoffen bestimmt. Dies waren Salicylsäure, Benzocain, Procain und Chloramphenicol. Weiterhin wurde die Cytotoxizität der verwendeten Lösungsmittel DMSO und Aceton überprüft (siehe Abbildung 76). Als Kontrolle wurde ein äquivalentes Volumen Puffermedim verwendet.

Abbildung 76: Überlebensrate von humanen Keratinozyten (HaCaT-Zellen) nach Inkubation mit den Lösungsmitteln DMSO und Aceton nach 24 h Inkubationszeit.

Die höheren Standardabweichungen bei Aceton könnten auf die hohe Flüchtigkeit der Untersuchungssubstanz zurückgeführt werden. Bei hohen Lösungsmittelkonzentrationen (> 1 %) ist mit toxischen Effekten, sowie mit einer veränderten Metabolisierung von Cytochrom P-450-vermittelten Biotransformationsreaktionen zu rechnen [159, 160]. Die Lösungsmitteleinflüsse können aber weitgehend vernachlässigt werden, da bei den durchgeführten Untersuchungen die Konzentration von DMSO und Aceton jeweils unter

179 0,5% gehalten wurde.

In der folgenden Abbildung 77 ist die Überlebensrate der HaCaT-Zellen als Maß für die Toxizität nach Inkubation mit 1 (Inkubationszeit 24 h) im Vergleich der Meßergebnisse zu den Kontrollwerten dargestellt. Die erhaltenen IC50-Werte sind in Tabelle 33 zusammengefaßt.

Abbildung 77: Abhängigkeit der Überlebensrate der Keratinozyten (im Vergleich zu den Kontrollwerten nach gleicher Menge DMSO) von der Konzentration des verwendeten Nitroxides 1 nach einer Inkubationszeit von 24 h.

Die Überlebensrate zeigt eine charakteristisches sigmoidales Verhalten in Abhängigkeit von der Konzentration der eingesetzten Untersuchungsssubstanz. Im Ergebnis der Untersuchungen an Keratinozyten konnte festgestellt werden, daß die Überlebensrate der HaCaT-Zellen, im Vergleich zu unbehandelten Kontrollzellen, mit steigender Nitroxidkonzentration abnimmt. Die erhaltenen IC50-Werte legten die Vermutung nahe, daß die Toxizität der Nitroxylradikale überwiegend mit deren Lipophilie und weniger mit weiteren Substituenteneffektion oder ihrer Biotransformation zusammenhängt. Die daraufhin durchgefürte Regressionsanalyse („Methode der kleinsten Quadrate“) mit der Einflußgröße P (Heptan-Wasser-Verteilungskoeffizient bei pH 7,4) und der IC50 als Zielgröße bestätigte

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diese Annahme. Eine Korrelationskoeffizienta von r = 0,97 (siehe Abbildung 78) ist für eine Untersuchung mit biologischer Zielgröße als sehr gut anzusehen [161].

Tabelle 33: IC50-Werte nach Inkubation mit den Untersuchungssubstanzen und vier Vergleichssubstanzen in HaCaT-Zellen (Amidoschwarz-Assay; 24 h Inkubationszeit).

Untersuchungssubstanzen IC50 [mmol••••l-1] ±±±± s%

( 10000 HaCaT-Zellen pro Vial )

1 2,7 ± 16

Die Toxizität der untersuchten Nitroxide wird somit ausschließlich durch deren Distribution zwischen den angehefteten Zellen und der Kulturlösung sowie durch das Durchdringungsvermögen von Lipidmembranen bestimmt. Die Radikalfunktion der Nitroxide besitzt, bedingt durch die starke sterische Abschirmung der Methylgruppen, keinen nachweisbaren Einfluß auf die Cytotoxizität der Verbindungen (vgl. z.B. Nitroxid 2 und Amin 2C). Die offensichtliche Differerenz der IC50-Werte zwischen Nitroxid 1 (POctanol/Puffer 63) und Amin 1C (POctanol/Puffer 5,4) ist durch die unterschiedliche Lipophilie dieser beiden Verbindungen erklärbar.

Das lipophile Benzoesäurederivat 5 besitzt trotz sehr hohem Verteilungskoeffizienten (P >> 100) einen vergleichbaren IC50-Wert wie das unsubstituierte Nitroxid 1. Dieser Effekt könnte, auf die ungenügende Löslichkeit der Untersuchungssubstanz zurückzuführen sein, da das Nitroxid 1 (TEMPO) mit einem gemessenen Verteilungskoeffizient von P = 63 immer noch eine ausreichende Wasserlöslichkeit besitzt. Die Regressionsanalyse mit POctanol/Puffer

(pH 7,4) liefert mit r = 0,863 eine etwas schlechte Korrelation (siehe Abbildung 79).

a Der Korrelationskoeffizient r ist ein Maß für die Abhängigkeit zwischen log 1/ IC50 und log P, wobei r zwischen 0 ( keine Korrelation ) und 1 ( vollständige Korrelation ) liegen kann.

181 Abbildung 78: Regressionsanalyse zur Cytotoxizität: Einflußgröße P (Heptan-Wasser-Verteilungskoeffizient bei pH 7,4), Zielgröße IC50 (Inkubationszeit 24 h).

Abbildung 79: Regressionsanalyse zur Cytotoxizität: Einflußgröße P (Octanol-Wasser-Verteilungskoeffizient bei pH 7,4), Zielgröße IC50 (Inkubationszeit 24 h).

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Da der Amidoschwarz-Assay nur eine relativ unspezifische Proteinbestimmung darstellt, ist anhand der bisherigen Ergebnisse nur eine grobe Unterteilung in lebende und abgestorbene Keratinocyten möglich. Um nun eine weitergehende Differenzierung zwischen intakten HaCaT-Zellen und anhaftenden geschädigten Zellen bzw. Zellbruchstücken zu erhalten, wurden Toxizitätsuntersuchungen mit Hilfe des spezifischeren Neutralrot-Assay durchgeführt. Der Neutralrot-Assay beruht auf der Aufnahme und Speicherung des Farbstoffs Neutralrot (2-Methyl-3-amino-7-dimethylaminophenazin) in den Lysosomen von intakten Zellen [162]. Schädigungen der Zellmembran und der lysosomalen Membran resultieren in einer verringerten Farbstoffretention während der Rücklösung. Die Ergebnisse dieser Messungen sind in der Tabelle 34 dargestellt.

Tabelle 34: IC50-Werte der Neutralrotfreisetzung in HaCaT-Zellen nach Inkubation mit Nitroxiden und vier Vergleichsubstanzen mittels Neutralrot-Assay nach 24 h Inkubation.

Untersuchungssubstanzen IC50 [mmol••••l-1 ] ±±±± s%

Chloramphenicol 4,9 ± 11

Bei der Untersuchung der IC50-Werte des Neutralrot-Assays und der zugehörigen Verteilungskoeffizienten der Verbindungen konnte keine Korrelation nachgewiesen werden.

Als Ergebnis der Untersuchungen zur Cytotoxizität der Untersuchungssubstanzen in humanen Keratinocyten mittels Amidoschwarz- und Neutralrot-Assays kann festgestellt werden, daß die Verbindungen weniger bzw. vergleichbar cytotoxisch sind wie die untersuchten definierten Modellarzneistoffe. Die IC50-Werte der Cytotoxizität von Nitroxiden und sekundären Aminen sowie der untersuchten Modellarzneitoffe, bestimmt mit Hilfe des

183 des Amidoschwarz- und des Neutralrot-Assays, liegen trotz unterschiedlicher chemischer Struktur der Verbindungen in der gleichen Größenordnung.

Bei den Piperidinnitroxiden korreliert die Cytotoxizität weitgehend mit der Lipophilie der Verbindungen (Korrelationskoeffizient r = 0,96), so daß bei diesen Verbindungen der paraständige Substituent von besonderer Bedeutung für das cytotoxische Potential der Nitroxide ist.

Mechanistische Aussagen zur Cytotoxizität der Untersuchungssubstanzen in humanen Keratinozyten lassen sich aus den vorliegenden Ergebnissen allerdings nicht ableiten. Hierzu sind tiefergehende Untersuchungen, wie z.B. Enzymaktivitätsmessungen, notwendig, die späteren Arbeiten vorbehalten sind. Prinzipiell wird hier auch die bekannte Problematik der Übertragbarkeit von In-vitro-Untersuchungen auf In-vivo-Bedingungen offensichtlich [163,164], da die besondere Schwierigkeit in der Extrapolation auf die Verhältnisse in vivo und in der Bewertung von sekundären toxischen Veränderungen besteht [165].

Für die durchgeführten Untersuchungen zur Biotransformation von Nitroxiden an Keratinozyten wurden ausschließlich nichttoxische Ausgangskonzentrationen (im Bereich

< / = 1 mmoll-1) verwendet.

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6.5 Untersuchungen zu Mechanismen der Reduktion von Nitroxiden in