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Untersuchungen zum Einfluss des Alters und Geschlechts

5.4 Untersuchungen zu mechanischen Stimuli

5.4.3 Untersuchungen zum Einfluss des Alters und Geschlechts

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden sowohl alters- als auch geschlechtsspezifische Einflüsse auf die Ergebnisse der elektrophysiologischen Untersuchungen überprüft. In der Literatur findet man keine vergleichbaren Daten anderer porciner Darmabschnitte. Gleiches gilt auch für andere Tierarten: KREUTZ (2019) verwendete im Rahmen seiner Versuche mit dem Interessensschwerpunkt Mechanosensitivität ebenso wie andere Autoren ausschließlich männliche Tiere (MAZZUOLI u. SCHEMANN 2009, 2012; KUGLER et al. 2015; MAZZUOLI-WEBER u.

SCHEMANN 2015a; KUGLER et al. 2018). Verantwortlich hierfür ist in der Regel die Verfügbarkeit der Unternehmen, die die Versuchstiere liefern. Außerdem wird durch den Verzicht auf weibliche Tiere ein möglicher geschlechtszyklisch bedingter Effekt ausgeschlossen. Ob dieser tatsächlich vorliegt, wird kontrovers diskutiert (MILLION u.

LARAUCHE 2016). In der vorliegenden Arbeit konnte weder im Colon ascendens noch im Colon transversum des Schweins ein geschlechtsspezifischer Einfluss auf die durch die eingesetzten Stimuli hervorgerufene neuronale Aktivität festgestellt werden (s. Kapitel 4.5.4, 4.5.5, 4.6.4, 4.6.5). Es ist jedoch zu erwähnen, dass es sich bei den verwendeten Schweinen um männliche kastrierte Tiere handelte. Versuche mit intakten männlichen Schweinen könnten in Zukunft helfen, einen möglichen Einfluss männlicher Geschlechtshormone gezielter zu untersuchen.

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Kontroverse Ergebnisse wurden auch bezüglich des Einflusses des Alters festgehalten. Dass das Alter unter anderem einen Einfluss auf die Anzahl submuköser Neurone hat, wurde anhand von Untersuchungen des Colon ascendens und descendens von Ratten ermittelt (PHILLIPS et al. 2007). Die Versuche von PHILLIPS et al. (2007) zeigten, dass ein linearer Verlust von Nervenzellen bei dieser Tierart ab einem Alter von zwölf Monaten einsetzt. Als BERNARD et al. (2009) zwei Jahre später den SMP des humanen Colons (Patientenalter: 33 – 99 Jahre) untersuchten, konnten sie einen signifikanten Einfluss des Alters auf die Anzahl submuköser Neurone aber ebenso wenig entdecken, wie auf die Anzahl ChAT- oder nNOS-positiver Neurone. Zu einem anderen Ergebnis gelangten SUN et al. (2018). In ihren Experimenten mit Mäusen in einem Alter von zwei bis 24 Monaten detektierten sie eine Reduktion ChAT- oder NOS-positiver Neurone im Colon ab einem Alter von 20 Monaten, was nach SUN et al. (2018) einem mittleren Lebensalter entspricht. In der vorliegenden Studie konnte weder im Colon ascendens noch im Colon transversum des Schweins ein signifikanter Einfluss des Alters festgestellt werden. Da die verwendeten Tiere ein Höchstalter von sieben Monaten aufwiesen, die maximale Lebenserwartung von Hausschweinen aber ca. zwölf Jahre beträgt (WEISS et al. 2014), bleibt unklar, inwieweit die Mechanosensitivität adulter Tiere altersspezifischen Effekten unterliegt.

5.5 Untersuchungen zur neurochemischen Codierung

PETTO et al. nahmen bereits 2015 eine umfangreiche Untersuchung der neurochemischen Codierung im porcinen Colon ascendens vor, in deren Zusammenhang sie auch die Gesamtanzahl an Nervenzellen im ISP und OSP bestimmten. Während die Autoren im ISP des Colon ascendens drei Wochen alter Schweine 122 ± 12 Neurone in einem Ganglion ermittelten, wiesen Ganglien dieses Darmabschnitts in der vorliegenden Studie lediglich 77,83 ± 05 Nervenzellen auf. Eine mögliche Erklärung kann die unterschiedliche Form der Auswertung sein. PETTO et al. (2015) bildeten für jedes untersuchte Gewebepräparat die Mediane aus den Anzahlen immunoreaktiver Neurone pro Ganglion. Im Anschluss wurden diese

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Mediane genutzt, um einen Mittelwert für alle Tiere zu kalkulieren. In der vorliegenden Studie wurden hingegen direkt Mittelwerte berechnet.

Im Rahmen ihrer Untersuchungen ermittelten PETTO et al. (2015) mit einem prozentualen Anteil von 42 % fast ausschließlich ChAT-positive Nervenzellen, wovon 66 % darüber hinaus eine Colokalisation mit SP aufwiesen (s. Kapitel 2.3.4). Sie gingen davon aus, dass einige der cholinergen Nervenzellen im ISP die Rolle der Sekretomotoneurone übernehmen, da ihre Fortsätze direkt in die Mukosa projizierten.

Diese Hypothese wird auch durch eine Veröffentlichung von HENS et al. (2000) bekräftigt, in der 78 % der Neurone, die in das mukosale Epithel projizierten, im ISP lokalisiert waren. Auch funktionelle Untersuchungen belegen diese Sekretomotofunktion der cholinergen Subpopulation im porcinen Colon (LEONHARD-MAREK et al. 2009; PFANNKUCHE et al. 2012). Neben ACh konnte auch SP bereits in früheren Studien als weiterer sekretorisch wirkender Neurotransmitter unter anderem im porcinen Colon identifiziert werden (BROWN et al. 1992; PFANNKUCHE et al. 2012). Weiterhin wird eine Rolle ChAT- und SP-positiver Nervenzellen als Interneurone vermutet, auch wenn PETTO et al. (2015) keine neuronalen Verbindungen zwischen dem porcinen ISP und den anderen Plexus feststellen konnten. Zumindest für SP konnte diese Rolle im Rahmen funktioneller Untersuchungen belegt werden, da es neben einer direkten Wirkung auf die Epithelzellen der Dickdarmschleimhaut auch andere submuköse Neurone aktivierte (RANGACHARI et al. 1990; PFANNKUCHE et al. 2012). Die vorliegende Arbeit fügt nun durch die Kombination der MSORT mit der IHC die Rolle ChAT- und SP-positiver Neurone als MEN im porcinen Colon ascendens und transversum hinzu. Dabei zeigte die IHC keine signifikanten Unterschiede zwischen den ChAT- und SP-positiven Subpopulationen des porcinen Colon ascendens und transversum. Es erwiesen sich 69,44 % der kompressionssensitiven Neurone im Colon ascendens (im Vergleich:

64,00 % im Colon transversum) als ChAT-positiv, wovon 64,00 % (im Vergleich:

60,42 % im Colon transversum) zusätzlich eine Colokalisation mit SP zeigten. Ähnliche Daten wurden auch für dehnungssensitive Neurone erhoben, von denen 71,43 % der Nervenzellen im Colon ascendens (im Vergleich: 63,41 % im Colon transversum) eine

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Immunoreaktivität für ChAT aufwiesen und 62,50 % (im Vergleich: 61,54 % im Colon transversum) gleichzeitig SP exprimierten.

Im Rahmen ihrer Untersuchungen des ISP im Colon ascendens detektierten PETTO et al. (2015) nur bei zwei von zwölf untersuchten Ferkeln, was < 0,25 % der untersuchten Nervenzellen entspricht, eine Immunoreaktivität für nNOS. Eigene immunhistologische Untersuchungen ermittelten jedoch einen höheren Anteil NOS-positiver Neurone an der Gesamtneuronenzahl, der sich signifikant zwischen den beiden untersuchten Colonabschnitten unterschied. Im Colon ascendens exprimierten 10,34 % der Nervenzellen NOS, im Colon transversum waren es sogar 29,50 %.

Aufgrund eigener Antikörperkontrollen ist davon auszugehen, dass die Differenzen zwischen den Ergebnissen von PETTO et al. (2015) und den eigenen Daten durch die unterschiedlichen eingesetzten Antikörper zu begründen sind. Da PETTO et al. (2015) in ihrer Studie sehr junge Schweine verwendeten, könnte auch ein Alterseffekt als mögliche Ursache für die unterschiedlichen Ergebnisse bezüglich der neurochemischen Population in Erwägung gezogen werden. Der in der vorliegenden Arbeit aufgezeigte steigende Gradient hinsichtlich der NO-synthetisierenden Nervenzellen des ISP zur analen Seite des porcinen Gastrointestinaltraktes entspricht den Ergebnissen von BARBIERS et al. (1993), die bereits in den 1990er Jahren von der Existenz eines solchen Gradienten ausgingen.

Die zuvor mittels MSORT detektieren MEN wurden neben ihrer Immunoreaktivität für ChAT und SP auch hinsichtlich ihrer NOS-positiven Subpopulation untersucht. Dabei ergab sich für den durchgeführten Kompressionsstimulus kein signifikanter Unterschied zwischen den Colonabschnitten (Colon ascendens: 2,78 % der MEN positiv, Colon transversum: 12,00 % der MEN positiv). Der Anteil NOS-positiver, dehnungssensitiver Neurone unterschied sich jedoch signifikant zwischen Colon ascendens und Colon transversum. Während im porcinen Colon ascendens nur 1,79 % immunoreaktiv für NOS waren, betrug der prozentuale Anteil NOS-positiver Neurone im Colon transversum 19,51 %. Inwieweit sich diese Unterschiede in der Expression von NOS auch in Funktionsunterschieden zwischen den einzelnen Colonabschnitten wiederspiegeln (Fermentation, Eindickung des Verdauungsbreis, Mukus-Produktion) erfordert weitere Untersuchungen. Daten anderer Tierarten oder

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Darmabschnitte fehlen zudem bisher, sodass die statistischen Erhebungen dieser Arbeit noch nicht in einen wissenschaftlichen Kontext gestellt werden können.

Basierend auf strukturellen und physiologischen Gemeinsamkeiten bezüglich des Gastrointestinaltraktes wird das Schwein immer wieder als relevantes Modelltier für den Menschen diskutiert (ROWAN et al. 1994; KARARLI 1995; TIMMERMANS et al.

1997; BROWN u. TIMMERMANS 2004). PETTO et al. (2015) führten in diesem Zusammenhang kritisch an, dass Unterschiede bezüglich der neurochemisch identifizierten Subpopulationen bestehen. Sie verglichen ihre Ergebnisse drei Wochen alter Ferkel jedoch mit denen humaner Patienten von mindestens 57 Jahren (ANLAUF et al. 2003; DA SILVEIRA et al. 2007; KUSTERMANN et al. 2011; BEYER et al. 2013;

BEUSCHER et al. 2014). Diesen Autoren gemäß könnte es deshalb sein, dass altersspezifische Effekte gegenüber artübergreifenden Variationen überwiegen.

Eigene Untersuchungen können an dieser Stelle nicht mehr Aufschluss geben, da keine Gewebeproben ausgewachsener Schweine verwendet wurden. Es zeigt sich aber zumindest, dass die Expression von ChAT (gemeinsam mit SP) im ISP alters- und artübergreifend vorherrscht, wohingegen NOS-positive Nervenzellen seltener zu finden sind.

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