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3.2.5.4 Untersuchungen zum Wachstumsverhalten

Es wurden die Generationszeiten für die Rekombinanten bestimmt, indem die Entwicklung der optischen Dichte über die Zeit gemessen wurde (Abschnitt 2.2.1.4). Ziel war es, die Unterschiede im Wachstumsverhalten der Rekombinanten zueinander und im Vergleich zum Ausgangsstamm M415 zu beurteilen. Es sollte untersucht werden, ob bei den Stämmen das Auftreten der gyrA-Mutationen zu einer Fitnessreduktion bzw. – kompensation, gemessen als Veränderung der Generationszeit, führen würde.

Tabelle 3-24: Wachstumsuntersuchung der Rekombinanten

M415 RM415 RM415-87 RM415-59-87 RM415-75-87

g in min 36 36 38 34 37

g in % 100 100 106 94 103

g = Generationszeit

Die Generationszeiten der Rekombinanten im Vergleich untereinander und mit dem Ausgangsstamm M415 zeigten keine großen Abweichungen. Als Vergleich können die Werte aus Tabelle 3-1 (Abschnitt 3.1.1) und Tabelle 3-15 (Abschnitt 3.1.6) herangezogen werden, in denen die ermittelten Unterschiede zwischen den Stämmen M415, Nal2ori, Nal2passage und vacT dargestellt sind. Dabei zeigte der Impfstamm bei der Bestimmung über die OD-Messung im Vergleich zum Ausgangsstamm eine Verlängerung der Generationszeit um ca. 35% sowie Nal2ori und Nal2passage um ca. 74 bis 90%. Legt man die Ergebnisse der KBE-Bestimmung zugrunde, waren die Werte sogar noch höher.

Die prozentualen Abweichungen von bis zu 6% bei den Rekombinanten liegen im Bereich der methodischen Schwankung der Messung.

3.3.1 MHK-Wert-Bestimmung des Effluxpumpeninhibitors

Um den Einfluss des aktiven Efflux zu untersuchen, wurden die minimalen Hemmkonzentrationen unter Zugabe eines Effluxpumpeninhibitors bestimmt. Die Konzentration des zugesetzten EPIs ist entscheidend für die Veränderung der MHK-Werte des untersuchten Stammes. Eine zu hohe Konzentration des eingesetzten EPIs würde ein Ausschalten zu vieler Effluxpumpen bewirken, was sich für die Zelle letal auswirkt. Bereits bei Vorversuchen wurde festgestellt, dass die Stämme M415, Nal2ori, Nal2passage und vacT sehr unterschiedlich auf Zugabe hoher EPI-Konzentrationen reagierten. Um die Konzentration des eingesetzten EPIs optimal anzupassen, wurde die minimale Hemmkonzentration des Effluxpumpeninhibitors für die einzelnen Stämme zunächst in Abwesenheit eines Antibiotikums bestimmt (Tabelle 3-25). Der Stamm ATCC14028 wurde als Referenzstamm und die selektierte Mutante SM415-87 als Kontrollstamm, welcher nur eine gyrA-Mutation besitzt, mitgeführt.

Tabelle 3-25: Bestimmung der EPI-MHK [µg/ml]

ATCC14028 M415 SM415-87 Nal2ori Nal2passage vacT

EPI-MHK 256 256 256 128 64 16

Die Werte aus Tabelle 3-25 zeigen, dass der Impfstamm vacT die höchste Empfindlichkeit gegenüber dem Effluxpumpeninhibitor aufwies (16µg/ml). Die Empfindlichkeit nahm in der Reihe M415 Æ Nal2ori Æ Nal2passage Æ vacT ab. Aus den ermittelten EPI-MHK-Werten wurden die Konzentrationen abgeleitet, welche in den folgenden Antibiotika-MHK-Wert-Bestimmungen eingesetzt wurden.

3.3.2 MHK-Wert-Bestimmung unter Verwendung eines Effluxpumpeninhibitors

Im Folgenden wurden für ausgewählte Antibiotika MHK-Werte mit und ohne die Zugabe des Effluxpumpeninhibitors Phenylalanyl-Arginyl-β-Naphthylamid bestimmt (Tabelle 3-26).

Die für die einzelnen Stämme eingesetzten EPI-Konzentrationen leiteten sich aus den vorher bestimmten MHK-Werten des EPIs ab und sind ebenfalls der Tabelle 3-26 zu entnehmen.

Tabelle 3-26: Bestimmung der minimalen Hemmkonzentrationen [µg/ml] verschiedener Antibiotika mit und ohne Effluxpumpeninhibitor

M415 SM415-87 Nal2ori Nal2passage vacT

+EPI +EPI +EPI +EPI +EPI

EPI-Konz.* 0 64 0 64 0 32 0 16 0 8

ERY 64 1 64 0,5 32 0,5 64 0,5 4 0,5

ROXI ≥64 0,5 32 0,25 ≥64 2 ≥64 0,5 4-8 0,5

CLAR 32 0,125 32 0,25 16 0,5 64 0,125 1 0,125

TYL 256 4 n.b. n.b. 32 1 32 8 8 2

TET 1 0,5 1 1 1 0,25 1 0,25 0,5 0,25

NDS 4 0,25 64 2 512 32 64 4 32 4

NOR 0,125 0,03 0,5 0,125 0,5 0,125 0,25 0,125 0,125 0,125 CIP 0,03 0,007 0,125 0,015 0,125 0,015 0,125 0,015 0,03 0,015 SPA 0,03 0,007 0,06 0,0015 0,125 0,003 0,06 0,003 0,007 0,003 GAT 0,06 n.b. n.b. n.b. 0,125 0,003 0,125 0,003 0,03 0,003 MOX 0,125 n.b. n.b. n.b. 0,25 0,015 0,25 0,015 0,06 0,015

* für die Bestimmungen eingesetzte EPI-Konzentration in µg/ml; EPI = Effluxpumpeninhibitor = Phenylalanyl-Arginyl-β-Naphthylamid; n.b. = nicht bestimmt

Beim Ausgangsstamm M415 war zu erkennen, dass die MHK-Werte unter Einfluss des Effluxpumpeninhibitors stark absinken. Bei den Makroliden waren Unterschiede in den MHK-Werten von mindestens sechs Verdünnungsstufen festzustellen, für Nalidixinsäure vier und für die getesteten Fluorchinolone zwei Verdünnungsstufen.

Für den Stamm SM415-87 zeigten sich ohne EPI die durch die Gyrasemutation erhöhten MHK-Werte der (Fluor)chinolone, welche jedoch in Anwesenheit des EPIs um zwei bis drei Verdünnungsstufen, bei Nalidixinsäure um fünf Stufen absanken. Auch bei den Stämmen Nal2ori und Nal2passage sanken die erhöhten MHK-Werte der Fluorchinolone in Anwesenheit des Effluxpumpeninhibitors auf sehr niedrige Werte (von z.T. 0,003 µg/ml) stark ab. Bei den Makroliden zeigten die Stämme SM415-87, Nal2ori und Nal2passage sowie der Ausgangsstamm M415 eine natürliche Resistenz, welche unter dem Einfluss des EPIs auf ein sensibles Niveau um bis zu sieben Verdünnungsstufen absank. Der Stamm vacT, welcher bereits ohne Effluxpumpeninhibitor eine Makrolidsensibilität aufwies, zeigte mit EPI noch einmal eine Erniedrigung um drei Verdünnungsstufen. Auch bei den Fluorchinolonen zeigte sich ein ähnliches Bild: Das Niveau auf welches die MHK-Werte unter maximalem EPI-Einfluss sanken, war für jedes getestete Antibiotikum ähnlich, auch wenn die Ausgangswerte vorher unterschiedlich hoch waren. Eine Ausnahme stellte Tetracyclin dar, dessen MHK-Werte für alle Stämme mit und ohne Effluxpumpeninhibitor kaum verändert waren.

Tabelle 3-27 zeigt die Ergebnisse eines Versuches, der die Beobachtungen bestätigt. Es ist deutlich zu erkennen, dass die MHK`s der getesteten Antibiotika auf das gleiche Niveau zurückgehen, wenn die maximale für den Stamm zu tolerierende Menge an Effluxpumpeninhibitor zugesetzt wird. Bei dem Makrolid Erythromycin betrugen die Differenzen bei den Stämmen M415, Nal2ori und Nal2passage sechs bis sieben Verdünnungsstufen, da die Stämme vorher mit MHK-Werten von 32-64µg/ml eine Resistenz gegenüber Erythromycin zeigten. Der Impfstamm vacT reagierte bereits ohne EPI sensibel auf Erythromycin und es war nur noch eine geringe Menge an EPI nötig, den Wert maximal abzusenken. Bei dem Fluorchinolon Sparfloxacin erkennt man, dass die Stämme Nal2ori und Nal2passage, da sie vorher leicht reduzierte Empfindlichkeiten besaßen, auch die höchste MHK-Stufen-Absenkung bei dem Zusatz von Effluxpumpeninhibitor zeigten. Die MHK-Werte von Tetracyclin waren durch den Effluxpumpeninhibitor nur schwach beeinflusst. Bei allen Stämmen zeigten sich mit und ohne EPI ähnliche Werte.

Tabelle 3-27: Absinken der MHK-Werte in Abhängigkeit der zugesetzten Konzentration des Effluxpumpeninhibitors (EPI-Konz.) in µg/ml

EPI-Konz. ohne 4 8 16 32 64

MHK-Stufen-Differenz Erythromycin

M415 64 n.b. 32 n.b. n.b. 1 6

Nal2ori 32 n.b. 4 n.b. 0,5 k.W. 6

Nal2passage 64 n.b. 4 0,5 k.W. k.W. 7

vacT 4 0,5 0,5 k.W. k.W. k.W. 3

Sparfloxacin

M415 0,03 n.b. 0,015 n.b. n.b 0,007 2

Nal2ori 0,125 n.b. 0,015 n.b. 0,003 k.W. 5

Nal2passage 0,06 n.b. 0,007 0,003 k.W. k.W. 4

vacT 0,007 0,015 0,003 k.W. k.W. k.W. 2

Tetracyclin

M415 1 n.b. 1 n.b. n.b 0,5 1

Nal2ori 1 n.b. 0,5 n.b. 0,25 k.W. 2

Nal2passage 1 n.b. 0,5 0,25 k.W. k.W. 2

vacT 0,5 0,25 0,25 k.W. k.W. k.W. 1

n.b. = nicht bestimmt; k.W. = kein Wachstum

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in der Reihe M415 Æ Nal2ori Æ Nal2passage Æ vacT immer geringere Mengen an Effluxpumpeninhibitor benötigt wurden, um die MHK-Werte auf das gleiche Niveau zu senken.

4 Diskussion

Salmonellen stellen als Erreger zoonotischer Infektionen nach wie vor ein großes Gesundheitsrisiko dar. Infektionsquellen sind vor allem mit Salmonella spec. kontaminierte Lebensmittel, wie Fleisch, aber auch Eier und Milchprodukte. Eine Therapie mit Antibiotika kommt für Menschen nur bei schweren Verläufen oder für Risikopatienten (Ältere Personen, Kleinkinder) in Frage. Eine sinnvolle Maßnahme zur Bekämpfung von Salmonellosen stellt eine Immunprophylaxe der Nutztiere mit Hilfe von Lebendimpfstoffen dar. Der Vorteil der Immunisierung von Tieren ist der präventive und oft lebenslange Schutzeffekt. Besonders vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren stark zunehmenden Resistenzentwicklung bei Salmonella spec. [18,120] kommt der Impfstammentwicklung eine immer größere Bedeutung zu [22,313].

Zwischen 1994 und 2002 sind in Deutschland 10 Lebendimpfstämme von S. Typhimurium, Enteritidis und Choleraesuis zur Anwendung bei Hühnern, Schweinen und Rindern zugelassen worden [290]. Der Lebendimpfstamm „TAD Salmonella vacT“

(vacT) wird seit 1994 zur Prophylaxe von Salmonellosen bei Hühnern eingesetzt [38,290].

Er wurde aus dem Wildstamm S. Typhimurium M415 durch Selektion auf Nalidixinsäure und Rifampicin und anschließend durch eine zusätzliche Behandlung mit N-Methyl-N´-Nitrosoguanidin erzeugt [177,179]. Die Entwicklung des Impfstammes beruhte auf der Theorie des Stoffwechseldriftes. Diese besagt, dass Mutationen in essentiellen Genen den gesamten Stoffwechsel der Zelle so verändern, dass sich das phänotypisch auf die Empfindlichkeiten gegenüber Antibiotika, die Generationszeit sowie die Reduktion der Virulenz auswirkt [178] (Abschnitt 1.4).

Der attenuierte Lebendimpfstamm vacT besitzt vier verschiedene genetische Marker, welche durch Resistenz bzw. Sensibilität gegenüber bestimmten Antibiotika charakterisiert sind: (1) „Rif“ (2) „Nal (3) „rtt“ und (4) „ssq“. Die ersten beiden Marker kennzeichnen Resistenz gegen Rifampicin (1) und Nalidixinsäure (2) und dienen der Selektion von Isolaten des Impfstammes sowie ihrer Unterscheidung von Wildstämmen. Der rtt Marker (reversion to tensid tolerance) ist assoziiert mit Makrolidsensibilität (3) und der ssq Marker (super susceptible to quinolones) mit Fluorchinolonsensibilität (4). Beide fungieren als Sicherheitsmarker. Die molekularen Grundlagen der Marker waren zu Beginn der Arbeit weitgehend unbekannt. Für die Makrolidsensibilität wurde eine veränderte Durchlässigkeit der Zellwand verantwortlich gemacht. Eine Mutation im rpoB-Gen, dem Gen für die β-Untereinheit der RNA-Polymerase, könnte Rifampicinresistenz bedingen. Die Nalidixinsäureresistenz wurde mit einer Mutation (D87G) im gyrGen, dem Gen für die A-Untereinheit der Gyrase, begründet [38,179]. Nicht mit bisherigen Erfahrungen im Einklang steht in dieser Beziehung das Auftreten des ssq Markers (Fluorchinolonsensibilität): Mutationen in der QRDR (quinolone resistance determining region) von gyrA sind als Fluorchinolonresistenz vermittelnd bekannt [48,51,118,128,253]

(Abschnitt 1.3.1.3). Die Nalidixinsäureresistenz bei gleichzeitiger Fluorchinolonsensibilität

in einem Stamm mit der gyrA-Mutation D87G bildete somit einen Widerspruch, dessen Aufklärung das Hauptanliegen dieser Arbeit war. Eine Kompensation der Wirkung der resistenzvermittelnden gyrA-Mutation könnte einerseits intragenisch durch eine weitere gyrA-Mutation oder andererseits extragenisch durch Veränderungen anderer Genloci erfolgen. Für die Untersuchung der Bedeutung der im Impfstamm auftretenden Mutationen wurden durch homologe Rekombination isogene Stämme mit entsprechenden Veränderungen im gyrA-Gen hergestellt. Neben der Charakterisierung der Rekombinanten mit den aus dem Impfstamm identifizierten gyrA-Mutationen wurden auch Untersuchungen zum Einfluss des aktiven Efflux im Impfstamm vacT durchgeführt.