• Keine Ergebnisse gefunden

2.1 Das natürliche Saugen und der Saugreflex der Kälber

2.1.3 Unterdruck am Saugnuckel

In einem Versuch (Zerbe, 2003) mit zwei Gruppen à 15 Kälber der Rasse Holstein Frisian wurde der Unterdruck, den die Kälber beim Saugen am Tränkeautomaten erzeugten, gemessen. Aufgezeichnet wurde der Unterdruck im Milchschlauch und in der Maulhöhle der Kälber. Ausgewertet wurden folgende Parameter: der mittlere Unterdruck, der obere Unterdruck (= mittlerer Höchstwert aller Saugpulse) und die mittlere Saugfrequenz (ermittelt durch eine Fourier-Analyse über mehrere 25 Sekun-den Intervalle). Leersaugen ist ausgeschlossen worSekun-den. Begonnen wurde die Unter-suchung mit einem konventionellen Lochnuckel (CN) (Lochdurchmesser 4 mm). Es wurde ein weiterer Durchgang mit einem sogenannten Bioniknuckel (BN) durchge-führt. In dem Bioniknuckel wurde in der Nuckelspitze ein Schlauch (20 mm lang und 1 mm Durchmesser) fixiert.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Kälber der Gruppe mit dem BN trotz eines höheren Saugwiderstandes keinen signifikant höheren Unterdruck erzeugen und auch ihre Saugfrequenz nicht verändern. Der BN bewirkte bei den Kälbern allerdings eine län-gere Saugzeit im Vergleich zu den Tieren die am CN saugten.

Für die Kälber der CN-Gruppe ergab sich, dass die Druckmodulation (Differenz zwi-schen oberem und mittlerem Unterdruck) im Milchschlauch größer war als im Maul, weil infolge des fehlenden Saugwiderstandes auch ein höherer Unterdruck vor dem Saugnuckel erzeugt werden konnte. Dagegen hatten die Saugpulse der BN-Kälber eine größere Amplitudenmodulation in der Maulhöhle als im Milchschlauch. Hinsicht-lich der mittleren Saugfrequenz der Kälber zeigte sich zwischen dem CN- und dem BN-Sauger kein Unterschied.

Saugten die Kälber am konventionellen Lochnuckel über einen Unterdruck von 250 mbar hinaus, konnte sich allerdings das Normalmuster der Saugpulse im Maul verlie-ren. Hinzu kam, dass die im Milchschlauch erzeugten Einzelpulse nicht mehr auf at-mosphärische Druckverhältnisse zurückfielen. Bei hastiger Milchaufnahme wurde der Kauschlag, der durch das Zusammenpressen des Nuckels den Milchfluss für die Dauer des Abschluckens stoppt, nicht vollständig ausgeführt. Dies lies sich daran erkennen, dass der Unterdruck zwischen den Pulsen im Milchschlauch nicht mehr auf Null sank. Teilweise waren die Pulse auch zweigipfelig, so dass von einem un-vollständigen Saugreflex und einer gestörten Saugmotorik ausgegangen werden musste. Im Ganzen wurde dieser Effekt der Verlängerung des Abschluckens als

„Filling up“ bezeichnet, bei dem die Kälber auch das Gefälle zwischen Milchbecher

und Labmagen für die Milchaufnahme nutzten. Wenn sowohl vor wie hinter dem Nu-ckel ein beständiger Unterdruck entsteht, kann im NuNu-ckel kein Überdruck gebildet werden, der während des Kauschlags durch das Zusammenpressen des Nuckels zwischen Zunge und Gaumen entstehen würde. Es wurde beschrieben, dass Verän-derungen in der Kehlkopffunktion auch VeränVerän-derungen in der Koordination von Ein- und Ausatmung nach sich ziehen. Oft husteten die Kälber in den Saugpausen am Lochnuckel. Ein solcher „Filling up“ Effekt wurde am BN-Sauger nie beobachtet.

Becker (1955) fand in seinen Versuchen, dass Kälber beim Saugen sowohl Unter- als auch Überdrücke erzeugen. Für den Unterdruck in der Mauhöhle schwankten die Werte zwischen 280 – 80 mbar (213 – 63 mm Hg). Der Überdruck, der im Zitzenlu-men entstand, lag konstant zwischen 130 – 170 mbar (100 – 130 mm Hg).

Ein Kalb erzeugt beim Saugen kurze Unterdruckeinwirkungen auf die Zitze im Wech-sel mit einem Druckausgleich auf atmosphärische Druckverhältnisse. Diese WechWech-sel erfolgen nach jedem Saugakt (ca. zwei Mal pro Sekunde). Der Unterdruck erreichte eine Höhe von 500 – 800mbar (0,5 –0,8 kgcm-2) (Happel, 1963).

Rasmussen und Mayntz (1998) fanden bei Kälbern in der Maulhöhle während des Saugens Unterdrücke zwischen 100 und 610 mbar (10 – 61 kPa). Die Autoren stell-ten auch einen Überdruck im Zitzenlumen fest. Dieser Überdruck entsteht etwa 0,2 Sekunden nach dem Unterdruckpeak in der Maulhöhle des Kalbes. Der Überdruck unterstützt den Milchfluss aus der Zitze in das Kälbermaul.

Eine zu schnelle Milchaufnahme, durch Fehlfunktionen der Saugmotorik und des Schlundrinnenreflexes begünstigt, kann zu Verdauungsstörungen bei Saugkälbern führen. Bei neugeborenen Kälbern ist der Labmagen das größte Eingeweideorgan.

Der Pansen nimmt erst mit der Aufnahme von Raufutter an Volumen zu und entwi-ckelt seine vollständige Funktion in den ersten 12 Lebenswochen. Nimmt ein Kalb pro Mahlzeit mehr als 2 Liter auf, so kommt es zu einer deutlichen Senkung des pH-Wertes des Panseninhaltes über 1 – 2 Stunden. Verursacht wird diese Säuerung durch das Zurückfließen eines Teils der aufgenommenen Milch aus dem überfüllten Labmagen in die Vormägen. Somit reicht die Verweilzeit der Milch im Labmagen, bevor sie zurückfließt, nicht aus, um die Kaseolyten und andere Milchkeime (z.B.

E. coli) durch Salzsäure abzutöten und das Kasein kann nicht vollständig gerinnen.

Dies führt dazu, dass der Eiweißgehalt im Pansen stark ansteigt und der Inhalt dann

der bakteriellen Kaseolyse unterliegt wodurch der pH-Wert der Vormägen schnell in den alkalischen Bereich ansteigt (Trautmann und Schmidt, 1933).

Das Pansentrinken kann für große wirtschaftliche Verluste bei Mastkälbern verant-wortlich sein. Es resultiert aus der Störung des Reflexes der für das Schließen der Schlundrinne, die normalerweise die Milch direkt in den Labmagen lenkt, verantwort-lich ist. Dies führt zu einer großen Ansammlung von Milch im Vormagen (Fehlgä-rung). Klinische Symptome sind unter anderem Inappetenz, rezidivierende Tympa-nien, die Dehnung des Abdomen, Wachstumsstörungen und lehmfarbener Kot.

Diese Erkrankung ist mit allen Formen von Stresssituationen in Verbindung zu brin-gen, kann aber auch organische Ursachen haben. Zur Behandlung werden zwei Methoden vorgeschlagen. Zum einen sollte dem Kalb Milch nur noch langsam verab-reicht werden (z.B. über Saugnuckel mit kleiner Öffnung) oder das Kalb sollte abrupt abgesetzt werden (Breukink et al., 1988).

Das natürliche Saugen ist ein komplexer Vorgang und die Verabreichung der Tränke aus Eimern oder über Saugnuckel bietet bei weitem keinen adäquaten Ersatz für das Saugen an der Zitze. Hierdurch werden Verdauungs- und Wachstumsstörungen be-günstigt, die hohe wirtschaftliche Verluste nach sich ziehen können. Bei der Tränke der Kälber sollte darauf geachtet werden, dass die Kälber die Milch nicht zu schnell aufnehmen und dass die Milchaufnahme ungestört erfolgen kann. Außerdem ist die Tränke über Saugnuckel der Tränke aus dem Eimer vorzuziehen, wobei der Saugnu-ckel regelmäßig erneuert werden und auf einen kleinen Lochdurchmesser geachtet werden sollte.