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Umwelt und Entwicklung in Amazonien

Zum Begriff der Kooperation

3 Die brasilianische Umweltpolitik in Bezug auf Amazonien

3.1 Umwelt und Entwicklung in Amazonien

41 Als modifizierte Vorlage vgl. Hamacher / Heidbrink / Paulus (2001), S. 61, Kasten 38.

3 Die brasilianische Umweltpolitik in Bezug auf Amazonien

Im folgenden Kapitel werden die wichtigsten In-formationen zu den systemischen Handlungsbe-dingungen der brasilianischen Umweltpolitik in Amazonien dargestellt. Um die Herausforderun-gen verständlich zu machen, vor denen dieses Politikfeld steht, wird zunächst ein kurzer Über-blick über die bisherigen wirtschaftlichen Er-schließungsstrategien für die Region gegeben (Abschnitt 3.1). Anschließend werden die Folgen dieser Strategien dargestellt und die sich daraus ergebenden wichtigsten Aufgaben im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklungsstrategie (Ab-schnitt 3.2). Daraufhin werden der rechtliche Rahmen der Umweltpolitik, ihre wichtigsten Or-ganisationen und Instrumente (Abschnitt 3.3) sowie die vorhandenen Partizipationsrechte (Ab-schnitt 3.4) vorgestellt.

3.1 Umwelt und Entwicklung in Amazonien

Die Erschließung und Entwicklung Amazoniens und Parás (zu den wirtschaftlichen Grunddaten siehe Kasten 3) wurde seit den 60er Jahren durch ehrgeizige Pläne auf Bundesebene vorangetrieben.

Prägend für die gesamte Erschließungspolitik während der Militärdiktatur (1964–1985) war, dass der Bund handeln konnte, ohne eine Ab-stimmung mit lokalen oder Landesinteressen su-chen zu müssen.

Seit den 60er Jahren lassen sich fünf Phasen der regionalen Entwicklung in Amazonien unter-scheiden, deren Ergebnis die gegenwärtigen so-zioökonomischen Ungleichgewichte sind.

1. Nach dem Militärputsch 1964 wurden im Rahmen der nationalen Entwicklungsplanung die Erschließungsanstrengungen in Amazo-nien intensiviert und die Operação Amazônia lanciert. Die Entwicklungsagentur SUDAM wurde gegründet und mit der Entwick-lungsbank BASA Finanzierungsinstrumente geschaffen. Steuerliche Anreize und der Straßenbau förderten Investitionen in die

großbetriebliche Viehwirtschaft. Diese Ent-wicklungsstrategie sollte die „selbsttragende Entwicklung der Wirtschaft und die soziale Wohlfahrt Amazoniens in harmonischer Wei-se und in Übereinstimmung mit der nationalen Wirtschaft fördern.“42

2. Im Rahmen des nationalen Entwicklungsplans Programa de Integração Nacional von 1971 bis 1974 wurde die Förderung der Agrarin-dustrie und der bäuerlichen Besiedlung zum Leitbild für die Entwicklung des Nordens erhoben. Mit dem Bau der Transamazônica und der Straße zwischen Santarém und Cuiabá (BR-163) sollte das Innere des Landes für die geplante Ansiedlung der ländlichen Bevöl-kerung aus dem dürregeplagten Nordosten Brasiliens erschlossen werden. Der Ausbau der Landwirtschaft, der Holzindustrie und des Bergbaus sollten nicht nur nationalen Zielen dienen, sondern auch die regionale wirtschaft-liche Entwicklung fördern.

42 Mahar (1978), S. 21.

3. Im darauf folgenden Entwicklungsplan POLAMAZÔNIA (1975 bis 1979) wurde die Funktion Amazoniens als Rohstofflieferant deutlicher hervorgehoben. Es wurde eine Reihe von Entwicklungspolen geplant, wovon das größte das Programa Grande Carajás war, mit dem innerhalb kurzer Zeit das größte Eisenerzfördergebiet Brasiliens entstand. Mit den Rohstoffen sollten Devisen erwirtschaftet werden. Die Maßnahmen zur Regional-entwicklung wurden neben diesem Ziel zweit-rangig. Die Besiedlungsprogramme wurden heruntergefahren, und die SUDAM und die BASA richteten ihre Förderinstrumente wie-der an wie-der großbetrieblichen Viehzucht und den Großprojekten zum Abbau von Eisenerz und Bauxit sowie der Produktion von Aluminium und Zellstoff aus.43

4. In den 80er Jahren verabschiedete die SU-DAM mehrere Fünfjahrespläne für Amazo-nien, für ihre Umsetzung waren jedoch auf-grund der Verschuldungskrise kaum noch Mittel vorhanden. Die negativen Effekte der entwicklungspolitischen Erschließungsmaß-nahmen konnten daher nicht abgefedert werden. Die Viehfarmen im Osten und Süden Parás expandierten, vor allem als sichere Geldanlage in Zeiten der Hyperinflation. In den 90er Jahren wurde die Viehzucht zu einer lukrativen Geldanlage, da es mit Unterstütz-ung des AgrarforschUnterstütz-ungsinstituts EMBRAPA gelungen war, die dauerhaft produktive Nut-zung der Weideflächen durch Rotation zu gewährleisten.44

43 Vgl. Scholz (1999), S. 297 ff.

44 Vgl. Margulis (2003).

Kasten 3: Wirtschaftliche Grunddaten Pará Pará ist ein Flächenstaat, der mit 1,2 Mio. km² ungefähr viermal so groß ist wie Deutschland. In Pará lebten im Jahr 2000 ca. 6,1 Mio. Menschen (ca. 4 Einwohner pro Quadrat-kilometer). 66,5 % der Einwohner sind in urbanen Räumen angesiedelt, aber nur ein Viertel der Bevölkerung lebt im Großraum der Hauptstadt Belém. Die von den Infrastruk-turprojekten betroffenen Gebiete sind extrem dünn besie-delt.45

Die brasilianischen Amazonasstaaten trugen Ende der 90er Jahre nur mit knapp 5 % und Pará mit 2,3 % zum BIP Brasi-liens bei. Innerhalb Amazoniens hat Pará mit 47 % des regionalen BIP eine starke wirtschaftliche Position. Der Bundesstaat trägt zu 58 % der regionalen landwirtschaft-lichen Produktion und zu 47 % der regionalen Industriepro-duktion bei.46

Im Jahr 2000 wurden aus Pará Güter im Wert von 2,4 Mrd.

US $ exportiert, davon jeweils knapp 1 Mrd. US $ unverar-beitete Produkte und Halbfertigprodukte. Fertigwaren machten mit nur 480.000 US $ den geringsten Anteil an den Exportgütern aus.47 Der wichtigste Wirtschaftszweig Parás ist der Bergbau, gefolgt von der Land- und Holzwirtschaft.

Alle drei Wirtschaftszweige haben direkten Einfluss auf die Entwaldung.

5. Im Zuge des Plano Real von 1994, mit dem die Inflation drastisch abgesenkt wurde und die makroökonomischen Rahmenbedingungen für private und öffentliche Investitionen und Wirtschaftswachstum verbessert wurden, wurden auch die alten Erschließungspläne Amazoniens wieder hervorgeholt und in die nationalen Entwicklungspläne integriert

45 Vgl. Gazeta Mercantil (2001), S. 15.

46 Vgl. Scholz (1999), S. 226 f.

47 Vgl. Gazeta Mercantil (2001), S. 15.

(Brasil em Ação von 1994–1998 und Avança Brasil von 1998–2002).

In den 90er Jahren hatte ein Umdenken in der Amazonienpolitik eingesetzt, da die negativen Effekte der Erschließungspolitik für die lokale soziale und wirtschaftliche Entwicklung sowie die negativen ökologischen Konsequenzen nicht mehr zu übersehen waren. Dieses Umdenken hat sich jedoch auf den verschiedenen Verwaltungsebenen ungleichmäßig durchgesetzt: Auf Bundesebene spielen Umweltbelange eher eine Rolle als in den meisten Landes- und Kommunalregierungen, woran das internationale Programm zum Schutz Abbildung 2: Untersuchungsregion

BR-163

Belo Monte

der brasilianischen Tropenwälder PPG7 von 1992 einen starken Anteil hat (siehe Kasten 4).

Das zunehmende Gewicht der Umweltpolitik auf Bundesebene und in der allgemeinen brasiliani-schen Öffentlichkeit fand seinen Niederschlag 2001 in einer großen Debatte über die erwarteten negativen Folgen des Entwicklungsplans Avança Brasil für Amazonien. Sowohl der Bau des Stau-damms in Belo Monte als auch die Asphaltierung der BR-163 gehören zu dem Paket von Großpro-jekten dieses Entwicklungsplans. Darauf hatte die Regierung in Brasilia in der letzten Legislaturpe-riode reagiert und eine strategische Umwelteva-luierung (AAE) dieses Plans und der darin

ent-haltenden großen Infrastrukturprojekte in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse liegen seit dem Frühjahr 2003 vor, wurden jedoch nicht veröffentlicht.

Im September 2003 hat die Regierung Luis Inácio Lula da Silva den neuen Entwicklungsplan für die Jahre 2004–2007, Brasil para todos, vorgelegt.

Dieser Plan steht in deutlicher Kontinuität zu den vorherigen Plänen und legt einen Schwerpunkt auf große Infrastrukturprojekte. Schwerpunkte in Amazonien sind der Bau von Transmissionslinien und Kraftwerken zur Sicherung der nationalen Energieversorgung und der Ausbau der Infra-struktur für den Sojaanbau, um Devisen zu erwirtschaften.48

3.2 Folgen der Erschließungspolitik und