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Falls f : MN eine bijektive Funktion ist, so hat f eine Umkehrfunktion f−1 : NM. Dabei wird jedes yN auf das eindeutige xM mit der Eigenschaft, dass f(x) = y gilt, abgebildet, d.h.

f−1(y) =x⇐⇒f(x) = y.

M N

f f−1

Beispiel 5.16. Besimmen Sie die Umkehrfunktion von (a) f :N→N\ {0}, n7→n+ 1

(b) g :Q→Q, p7→2p+ 1

Funktionen, die nicht bijektiv sind, haben keine Umkehrfunktion. Man kann aber den Definitions-und Wertebereicheinschränken, um eine bijektive Funktion zu erhalten.

Definition 5.17. Sei f : MN eine Funktion und sei XM eine Teilmenge von M. Dann definiert man f X :XN, x7→f(x) als dieEinschränkung von f aufX.

Beispiel 5.18. Wir betrachten die Funktion f :R→R, x7→x2.

f ist nicht injektiv: Es gilt f(−1) = f(1) = 1. Wenn wir den Definitionsbereich auf R≥0 = [0,∞) einschränken, so ist f injektiv, d.h. f R≥0 ist injektiv.

f ist nicht surjektiv: Es gibt kein x ∈ R mit f(x) = −1. Wenn wir den Wertebereich auf R≥0 einschränken, so ist f surjektiv.

−2 −1 1 2 3 4 5

−1 1 2 3 4

0 f(x) =x2

f−1(x) = x

Die Umkehrfunktion von f R≥0 :R≥0 →R≥0 ist gegeben durchf−1(x) =√ x.

Sei f : MN eine bijektive Funktion. Wie bestimmt man die Umkehrfunktion von f? Man muss füryN die Gleichung y=f(x) nach x auflösen:

Beispiel 5.19. Sei f :R→R, x7→e

1−x2+ 1. Bestimmen Sie einen maximalen Definitions-bereichM und WertebereichN so, dassf bijektiv ist und bestimmen Sie die Umkehrfunktion.

Bemerkung 5.20. Falls f :MN nicht bijektiv ist, so gibt es keine Umkehrfunktion:

• Falls f nicht injektiv ist, so gibt es x1, x2M mit f(x1) = f(x2) und x1 6= x2. Falls es eine Umkehrfunktion f−1 wie oben gäbe, so hätte y := f(x1) zwei verschiedene Funkti-onswerte, nämlichx1 und x2.

• Falls f nicht surjektiv ist, so gibt es yN mit der Eigenschaft, dass f(x) 6= y für alle xM. Dann hätte die Umkehrfunktionf−1 im Punkty keinen Funktionswert.

Im Falle, dass die Funktionf nicht surjektiv ist, so kann man den Wertebereich auf die Menge {f(x) | xM} einschränken, damit f surjektiv wird. Falls f nicht injektiv ist, so kann man den Definitionsbereich so einschränken, dass die Funktion injektiv wird.

Lemma 5.21. Eine Funktion f : MN ist genau dann bijektiv, wenn es eine Funktion g :NM gibt mit gf = idM und fg = idN.

Falls eine solche Funktion g existiert, so gilt g =f−1.

Beweis. Wir nehmen zunächst an, dass f :MN bijektiv ist. Es gilt

f−1f = idM: Sei xM und y:=f(x). Nach Definition gilt f−1(y) =x, also (f−1f)(x) = f−1(f(x)) =f−1(y) =x.

ff−1 = idN: Sei yN. Da f bijektiv ist, gibt es ein eindeutiges xM mit f(x) = y und somit f−1(y) = x. Also folgt (ff−1)(y) = f(f−1(y)) =f(x) = y.

Da f−1f = idM und ff−1 = idN, können wirg :=f−1 wählen.

Wir nehmen nun an, dass es eine Funktion g :NM mit gf = idM und fg = idN. Wir zeigen, dass f bijektiv ist.

injektiv: Seien x1, x2M mit f(x1) =f(x2). Es gilt

x1 = idM(x1) = (g◦f)(x1) =g(f(x1)) = g(f(x2)) = (g◦f)(x2) = idM(x2) =x2. Damit ist gezeigt, dassf injektiv ist.

surjektiv: SeiyN. Dann gilty= idN(y) = (f◦g)(y) =f(g(y)) =f(x) fürx:=g(y). Somit istf auch surjektiv.

Es bleibt zu zeigen, dass aus gf = idM und fg = idN folgt, dass g =f−1. Sei alsoyN. Da f surjektiv ist, gibt es ein xM mit f(x) =y. Damit folgt g(y) =g(f(x)) = (g◦f)(x) = x= (f−1f)(x) = f−1(f(x)) = f−1(y).

Auch hier rekapitulieren wir die Begriffe der Komposition von Funktionen und der Umkehr-funktion, indem wir sie durch die verschiedenen Darstellungsformen charakterisieren:

Komposition gf Umkehrfunktion f−1

Funktionsterm

Graph

Wertetabelle

6 Das Hotel Hilbert

„Ich sehe keinen anderen Ausweg als zu sagen, unendlich ist die Anzahl aller Zahlen, unendlich die der Quadrate, un-endlich die der Wurzeln; weder ist die Menge der Quadrate kleiner als die der Zahlen, noch ist die Menge der letzteren größer; und schließlich haben die Attribute des Gleichen, des Größeren und des Kleineren nicht statt bei Unendlichem, sondern sie gelten nur bei endlichen Größen.“

(Galileo Galilei) Wir stellen uns zunächst ein Hotel, welches genau 100 Zimmer besitzt. Ist das Hotel voll belegt, so gibt es keine Möglichkeit einen Neuankömmling unterzubringen, egal wie man die Gäste des Hotels umordnet. In anderen Worten: Es gibt keine bijektive Funktion von {1, . . . ,100} nach {2, . . . ,100}, denn eine solche Funktion würde uns erlauben, die Gäste so umzuordnen, dass Zimmer 1 frei wird.

Wie sieht es nun aus, wenn wir uns stattdessen ein Hotel mit unendlich vielen Zimmern vor-stellen? Das folgende Gedankenexperiment wurde vonDavid Hilbertin einer Vorlesung über das Unendliche 1926 eingeführt wurde. Das Hotel Hilbert enthält unendlich viele Zimmer, durchnummeriert mit den natürlichen Zahlen (außer 0), also

Zimmer 1, Zimmer 2, Zimmer 3. . . Wir nehmen im Folgenden an, dass das Hotel voll belegt ist.

1. Szenario: 1 neuer Gast kommt an. Obwohl das Hotel bereits voll belegt ist, lässt sich der neue Gast einquartieren: Es wird einfach jeder Gast aufgefordert ein Zimmer weiter zu rücken.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 · · ·

x

xx x xx x xx x xx x xx x xx x xx x xx x xx

· · ·

Allgemein erhält man die Zuordnung

Zimmern 7→Zimmer n+ 1.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 · · ·

y

yy x xx x xx x xx x xx x xx x xx x xx x xx

· · ·

Damit wird das erste Zimmer frei für den Neuankömmling.

2. Szenario: Ein unendlich langer Bus mit unendlich vielen Gästen kommt an. Auch hier lassen sich alle Passagiere, durchnummeriert als Passagier 1, Passagier 2,. . . durch eine geschickte Umordnung der bestehenden Gäste einquartieren:

1 2 3 4 5 6 7 8 9 · · ·

x

xx x xx x xx x xx x xx x xx x xx x xx x xx

· · ·

Allgemeiner erhält man die Zuordnung

Zimmern 7→Zimmer 2n

1 2 3 4 5 6 7 8 9 · · ·

y

yy x xx y yy x xx y yy x xx y yy x xx y yy

· · ·

Dadurch werden alle Zimmer mit ungerader Zimmernummer frei und somit können die Passagiere wie folgt einquartiert werden:

Passagier n 7→Zimmer 2n−1

3. Szenario: Unendlich viele unendliche lange, voll besetzte Busse kommen an. Wir können nun die Busse durchnummieren als Bus 1, Bus 2, Bus 3,. . . Auch dafür hat der Portier eine Lösung: Er verwendet die Existenz unendlich vieler Primzahlen. Die bisherigen Gäste werden aufgefordert, wie folgt umzuziehen:

2 22 23 24 25 26 27 28 · · · Gast

x xx x xx x xx x xx x xx x xx x xx x xx

· · ·

3 32 33 34 35 36 37 38 · · · 1. Bus

y yy y yy y yy y yy y yy y yy y yy y yy

· · ·

5 52 53 54 55 56 57 58 · · · 2. Bus..

x xx x xx x xx x xx x xx x xx x xx x xx

· · ·

. ... ... ... ... ... ... ... ... . ..

Man ordnet die Hotelgäste den Zweierpotenzen zu mit der Zuordnung Gast n 7→Zimmer 2n

Nun nummerieren wir die Primzahlen der Größe nach als p1 = 2, p2 = 3, p3 = 5, . . . und ordnen die Passagiere der Busse den entsprechenden Primzahlpotenzen zu:

Passagier n des m-ten Busses7→Zimmerpnm+1 Somit sind auch genügend freie Zimmer für alle neuen Gäste vorhanden.

Was ist das Paradoxe an diesem Gedankenexperiment? Wir betrachten die zweite Situation.

Die Essenz ist, dass man schließen kann, dass die Menge der Zimmer mit gerader Nummer (resp. die Menge 2N := {2n | n ∈ N} aller geraden Zahlen) in einem gewissen Sinne „gleich groß“ ist wie die Menge aller Zimmer des Hotels (resp.N), denn es gibt gleich viele Hotelgäste wie Hotelgäste mit gerader Zimmernummer. Die Begründung ist, dass die Funktion

f :N→2N, n7→2n

bijektiv ist. Auf der anderen Seite ist jedoch 2N eine echte Teilmenge von N! Im Endlichen ist dies nicht möglich, denn gilt M (N, so folgt|M|<|N| und es kann keine Bijektion zwischen M und N geben. Im Unendlichen wird die „Größe“ zweier Mengen also anders verglichen als im Endlichen.

6.1 Abzählbarkeit

„Das Unendliche hat wie keine andere Frage von jeher so tief das Gemüt der Menschen bewegt. Das Unendliche hat wie kaum eine andere Idee auf den Verstand so anregend ge-wirkt. Das Unendliche ist aber auch wie kein anderer Begriff der Aufklärung bedürftig.“

( David Hilbert) Im letzten Abschnitt haben wir gesehen, dass unterschiedliche unendliche Mengen in einem gewissen Sinne als “gleich groß” betrachtet werden können, auch wenn eine Menge Elemente enthält, die nicht in der anderen Menge enthalten sind. Das motiviert die Frage, ob es ver-schieden große unendliche Mengen gibt, oder ob alle unendlichen Mengen prinzipiell gleich groß sind. Wir werden sehen, dass diese Frage eine negative Antwort hat.

Die “kleinsten” unendlichen Mengen sind “gleich groß” wie die natürlichen Zahlen. Ihre gemein-same Eigenschaft ist, dass man sie zählen kann: 0, 1, 2, 3,. . . oder eben 2,4,6, . . .

Definition 6.1. Eine Menge M heißt

endlich, falls die Anzahl der Elemente von M gleich einer natürlichen Zahl ist.

abzählbar unendlich, falls es eine bijektive Funktion zwischen N und M gibt.

abzählbar, fallsM entweder endlich oder abzählbar unendlich ist.

überabzählbar, falls M nicht abzählbar ist.

Die Schreibweise|M|=|N|bedeutet im Unendlichen, dass es eine bijektive Funktion zwischen M und N gibt.

Beispiele 6.2.

1. Die ganzen Zahlen Zsind abzählbar, denn man kann sie wie folgt aufzählen, indem man abwechslungsweise eine positive und eine negative Zahl aufzählt:

0,1,−1,2,−2,3,−3,4,−4. . . Formal wird diese Aufzählung durch die bijektive Funktion

f :N→Z, f(n) =

beschrieben.

2. Teilmengen von abzählbaren Mengen sind auch abzählbar. Analog sind Obermengen von überabzählbaren Mengen ebenfalls überabzählbar.

3. Die Vereinigung MN zweier abzählbarer Mengen M und N ist abzählbar:

4. Falls f : MN bijektiv ist, so gilt Folgendes: Falls M abzählbar ist, so ist auch N abzählbar, und falls M überabzählbar ist, so ist auch N überabzählbar.

Theorem 6.3. Die Menge der rationalen Zahlen Q ist abzählbar.

Der Beweis stammt von Cantor und wird auch als1. Cantorsches Diagonalargumentbezeichnet.

Beweis. Das folgende Diagramm zeigt, dass die MengeQ+ aller positiven Brüche abzählbar ist.

1

Analog zeigt man, dass die negativen rationalen Zahlen abzählbar sind. Somit sind die rationalen Zahlen als Vereinigung zweier abzählbarer Mengen auch abzählbar.

Bemerkung 6.4. Man kann sogar explizit eine bijektive Funktion zwischen Q+ und N ange-ben, diese ist gegeben durch

Bemerkung 6.5. Ein ähnliches Argument wie das 1. Cantorsche Diagonalargument zeigt, dass abzählbare Vereinigungen abzählbarer Mengen abzählbar sind. In anderen Worten: Falls Mn eine abzählbare Menge ist für jedes n∈N, so ist auch die Vereinigung

[

n∈N

Mn={x| ∃n∈N:xMn}

auch abzählbar. Ebenfalls mit dem Cantorschen Diagonalargument lässt sich zeigen, dassM×N abzählbar ist, falls M und N abzählbar sind.

Bis jetzt haben wir nur Beispiele für abzählbare Mengen angegeben. Es gibt aber auch über-abzählbare Mengen, wie das folgende Argument, bezeichnet als das 2. Cantorsche Diagonalar-gument, zeigt:

Theorem 6.6. Die Menge der reellen Zahlen R ist überabzählbar.

Beweis.

x0 0, x00 x01 x02 x03 x04 x05 . . . x1 0, x10 x11 x12 x13 x14 x15 . . . x2 0, x20 x21 x22 x23 x24 x25 . . . x3 0, x30 x31 x32 x33 x34 x35 . . . x4 0, x40 x41 x42 x43 x44 x45 . . . x5 0, x50 x51 x52 x53 x54 x55 . . . ... ... ... ... ... ... ... ... . ..

Damit ist die Existenz überabzählbarer Mengen bewiesen. Insbesondere ist es also unmöglich, die reellen Zahlen zu zählen. Es gibt allerdings noch „größere“ Mengen als R; so kann man zeigen, dass es keine Bijektion zwischen einer Menge M und ihrer Potenzmenge P(M) gibt, d.h. P(R) ist noch „größer“ als R, und P(P(R)) ist noch „größer“. . .

Das Fazit lautet: Es gibt unendlich viele „verschieden große“ Unendlichkeiten!