• Keine Ergebnisse gefunden

U RSACHEN DER Z YPERNKRISE VON 1974

Die Spaltung der beiden Volksgruppen wurde Ende des 19. Jahrhunderts von den Briten voran-getrieben, indem durch die Politisierung der beiden religiösen Konfessionen (die Briten über-nahmen die aus der osmanischen Zeit stammende sprachlich-religiöse Unterteilung und inte-grierten sie in ihr parlamentarisches Staatsmodell für Zypern)92 diese sich nunmehr als griechi-sche bzw. türkigriechi-sche politigriechi-sche Gruppierungen verstanden und, darauf aufgebaut, zwei verschie-dene Schulsysteme installiert wurden. Die politische Entscheidung auf einen integrierenden Schulunterricht mit Englisch als gemeinsamer Unterrichtssprache zu Gunsten einer „humanisti-schen Wertschätzung gegenüber dem Griechi„humanisti-schen“ zu verzichten, erreichte das erhoffte Ge-genteil, denn durch die Kontrolle und weitgehende Selbstfinanzierung des Schulsystems durch die griechische Religionsgemeinschaft konnte eine in Griechenland ausgebildete Lehrerschaft mit aus Athen eingeführten Unterrichtsmaterialien streng nach staatlichem Lehrplan ihres

„Mutterlandes“ die Schulkinder voll auf die Zugehörigkeit zum griechisch-orthodoxen Natio-nalstaat und seiner Kirche einschwören. Schlagwörter des Nationalismus wie „Vaterland“,

„Glaube“, „Fahne“, „Königsfamilie“ und „Feiertage“ förderte die griechische Identität der or-thodoxen Zyprioten. Gleichzeitig führte dieser indoktrinierte Unterricht zu einer stärkeren Ab-lehnung der griechischen Zyprer gegenüber der britischen Kolonialherrschaft, die als unrecht-mäßig bezeichnet unterrichtet und folgerichtig als unrechtunrecht-mäßig angesehen wurde. Besonders der jüngere Teil der zyperngriechischen Elite wie etwa Lehrer, Rechtsanwälte, Kaufleute, Geldverleiher, Grundbesitzer etc. hatten durch ihre Ausbildung (meist in Athen) die emotionale Bindungskraft der Megali Idea93 erfahren.94

90 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 71-73.

vgl. KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 18, 20.

vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 54.

vgl. PILLER, Zypern, S. 20, 21.

91 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 23.

92 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 70.

vgl. PILLER, Zypern, S. 21.

93 „Die große Idee“; die Vereinigung aller Gebiete in denen sich auf den Hellenismus beziehende Griechen leben;

Inanspruchnahme des byzantinischen Erbes in Kleinasien und dem östlichen Mittelmeerraum.

u.a. vgl. PILLER, Zypern, S. 14.

94 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 73, 74.

Auch in der Spätzeit der osmanischen Herrschaft auf Zypern, in der sich der europäische Philhellenismus am Höhepunkt befand (der griechische Nationalismus wurde von den europäischen Königshäusern gebilligt, schließ-lich galt das „Alte Griechenland“ als Wiege der europäischen Kultur), wurde der Enosis-Gedanke von in Athen ausgebildeten jungen Heimkehrern weitergetragen.

vgl. PILLER, Zypern, S. 14.

Trotz der etappenweise erfolgten Einschwörung des nachrückenden griechisch-zyprischen Nachwuchses auf die Enosis wurde bis zum Jahre 1931 noch versucht, eine politische Lösung für die Zypernfrage zu finden. Vor allem der Regierungswechsel in London von 1929, dem Jahr, als die Labour Party die Regierung stellte, ließ die griechischen Zyprioten auf eine Wie-dervereinigung mit Griechenland hoffen. Es wurde vor allem auf das Versprechen des briti-schen Politikers Ramsay Mac Donald bei einer internationalen Sozialistenkonferenz von 1920 gehofft, der im Falle einer Machtergreifung das Selbstbestimmungsrecht anwenden lassen wür-de. So stellte am 20. Juli 1929 der Bischof von Kition Forderungen zur Reform des Gesetzge-benden Rates, der trotz einer 80 pozentigen griechisch-orthodoxen Bevölkerungsmehrheit nach wie vor gleich viele türkische und britische Abgeordnete wie griechische umfasste. Kolonial-minister Lord Passfield kommentierte die Forderungen mit den Worten:

„Was Zypern gegenwärtig nötig hat, sind weniger Gelegenheiten zur politischen Diskussionen und mehr Gelegenheiten zur konstruktiven Arbeit“.95

Auslöser für die Unruhen von 1931 waren neben mangelndem Gespür seitens des Kolonialmi-nisters zur Förderung des politischen Diskurses die Frage nach der Verwendung des zyprischen Staatshaushaltsüberschusses und neuen Zollbestimmungen. Hierbei geschah in der Abstim-mung ein unvorhersehbarer Moment, denn es stimmte der türkisch-zypriotische Abgeordnete Mehmet Nejati (Necati) Bey Missirlizade mit seinen inselgriechischen Kollegen gegen den An-trag der Briten. Die daraus entstandene Stimmenmehrheit passte dem Gouverneur allerdings nicht, und er ließ die Entscheidung per Dekret ändern.96

In einer geheimen Sitzung vom 1. September 1931 einigten sich griechische Ratsmit-glieder97 auf zukünftige Vorgehensweisen: passiver Widerstand, Verweigerung von Steuerzah-lungen und Boykott britischer Waren. Auch die orthodoxe Kirchenführung entschloss sich da-zu, energischer gegen die britische Kolonialregierung vorzugehen. Bischof Nikodemus von Kition rief am 20. Oktober 1931 die zyperngriechische Bevölkerung auf, für die Befreiung von der britischen Kolonialmacht zu kämpfen. Alle griechischen Ratsmitglieder traten zurück und innerhalb von 48 Stunden erfasste der Aufstand die gesamte Insel. 10 Tage lang tobten die

vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 64.

Piller zur Frage der Fehlinterpretation des „Alten Griechenland“:

vgl. Fußnote 32 od. PILLER, Zypern, S. 7.

vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 34-37.

95 vgl. HILL, Sir G., A history of Cyprus Bd. 1-4, Cambridge 1940 -1952, Bd. 4 S. 431.

zitiert nach: KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 21, Fußnote 26.

96 vgl. PILLER, Zypern, S. 24.

vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 26, 57f.

97 Die im Dezember 1921 ins Leben gerufene politische Organisation, bekannt unter dem Namen „Nationalver-sammlung“, forderte alle griechischen Zyprioten auf, unter der Führung des Erzbischofes die Union mit Griechen-land zu vollziehen und jegliche Kooperation mit der britischen Kolonialmacht einzustellen.

vgl. KYRIAKIDES, Stanley, Constitutionalism and Crisis Government, University of Pennsylvania 1968, S. 18.

zitiert nach: KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 31, Fußnote 51.

ruhen, die sechs griechischen Zyprioten das Leben kostete und etliche Verwundete forderte.

Doch alle Opfer waren letztlich umsonst, die britische Kolonialregierung beschnitt nach der erfolgreichen Beendigung des Aufstands weiter die politischen Freiheiten der Griechen. Neben dem erzwungenen Exil der Bischöfe von Kition und Kyrenia wurden 2.000 Menschen inhaf-tiert, politische Vereinigungen und jegliche Art von politischer Betätigung untersagt, eine Pres-sezensur eingeführt, Englisch wurde als Pflichtsprache in den Grundschulen installiert, ein Ver-bot des Hissens der griechischen oder türkischen Flagge erlassen, das Läuten der Kirchenglo-cken außerhalb der Gottesdienstzeiten untersagt, die orthodoxe Kirche zu politischer Enthalt-samkeit aufgefordert, der Gesetzgebende Rat aufgelöst und der Insel-Gouverneur mit umfas-sender Gesetzgebungsgewalt befähigt.98

Ab diesem Zeitpunkt veränderte sich der Charakter des Versuches, Zypern auf politi-schem Wege zurück zum „griechischen Mutterland“ zu führen, da seit den Unruhen von 1931 zypriotische Politiker, im Exil lebend, von außen her die Enosis vorantreiben mussten.99 So wurde nach dem Tod des Erzbischofs Kyrillos III. die Wahl eines Nachfolgers untersagt, wo-rauf Exilpolitiker im Jahre 1937 das „London Cypriot Committee“ gründeten, das für zyprische Autonomie warb. Auf Zypern selbst durften Ordnungskräfte bei bloßen Verdachtsmomenten auf Störung der öffentlichen Ordnung Vorbeugehaft anwenden. Die Ordnungskräfte selbst wur-den in wur-den 1930er Jahre verstärkt aus der als britenloyal eingestuften türkischen Bevölkerungs-gruppe rekrutiert.100

Wie zuvor erwähnt, ging die britische Kolonialverwaltung nach den Unruhen von 1931 zunächst weitgehend repressiv gegen die Zyperngriechen vor, doch alle Verbote und Weisun-gen hielten die zyperngriechischen Enoisten nicht von ihrem Bestreben ab, die Unabhängigkeit von Großbritannien101 zu erlangen, und sich mit Griechenland zu vereinigen. Ob der harten

98 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 78, 79.

vgl. KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 21, 22.

vgl. PILLER, Zypern, S. 24.

vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 26.

99 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 79.

vgl. ZERVAKIS, Peter.A., Justice for Greece, Der Einfluß einer gräkoamerikanischen Interessengruppe auf die Außenpolitik der USA gegenüber Griechenland, 1945-1947, Die Aktivitäten der organisierten Gräkoamerikaner in der Zwischenkriegszeit, Stuttgart 1994 (=Studien zur modernen Geschichte, 47), S. 44-56.

100 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 79.

101 Exkurs: Nie war Zypern der Enosis näher als im Jahre 1915, als die britische Krone am 3. und 16. Oktober die Übergabe der Insel anbot, sofern Griechenland auf Seiten der Alliierten in den Ersten Weltkrieg eintreten würde.

Die Ablehnung des Angebots durch die griechische Regierung unter Alexandros Zaimis war für die Enoisten ein Schlag ins Gesicht, konnte man nun nicht mehr auf die loyale Unterstützung Griechenlands hoffen. Das britische Angebot bedeutete allerdings auch, dass Zypern für Großbritannien entbehrlich war, seit dem Ägypten 1882 be-setzt wurde und die militärische Funktion Zyperns übernommen hatte (Sicherung des Suezkanals; Indienhandel).

vgl. TENEKIDES, Zypern, S. 53.

vgl. PILLER, Zypern, S. 19, 22.

vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 77.

Zervakis verweist an dieser Stelle zur weiteren Dokumentation der Ablehnung des britischen Angebots von 1915 in Fußnote 72 auf: KOUMOULIDES, J.T.A. (Hrsg.), Cyprus, the Enosis Struggle, and Greece, Sir John Stavridi and the British Offer of 1915, Teil 1/2, in: Journal of Modern Hellenism, 4/5 (1987/88), S. 93-119, 85-121 und THEODOULOU, Ch.A., The 1915 British Offer of Cyprus to Greece in the Light of War in the Balkans, in:

Vorgehensweise der britischen Kolonialpolizei auf Zypern selbst, konnten sie ihre Ziele weit-gehend nur aus dem politischen Exil (London, Athen, New York)102 verfolgen. Durch die Lega-lisierung der Gewerkschaften im Jahr 1932 erhielt die Enosis-Bewegung einen Aufschwung, da durch die zahlreicher werdenden gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Organisationen weitere Plattformen zu Beschwörung des griechischen Anschlusses geboten wurden. Der Aus-bruch des Zweiten Weltkrieges führte wegen der wachsenden Bedrohung durch die Mittel-mächte (Besetzung Griechenlands und Kretas 1940/41) zu einer geschlossenen Solidarisierung aller Zyprioten mit den Westalliierten. Dem auf Zypern gebildeten britischen „Cyprus Regi-ment“ traten ca. 22.500 Zyperngriechen und etwa 7.500 Zyperntürken bei,103 wohl in der Hoff-nung, dass eine neue Weltordnung nach dem Krieg die politischen Landkarten zu ihren Gunsten verändern würde.104 In Anerkennung der Leistungen und Opfer der zypriotischen Bevölkerung trat eine erste Liberalisierungswelle unter Gouverneur William Battershill ein. Kommunalwah-len (nach dem Aufstand von 1931 ausgesetzt) und politische Vereinigungen wurden wieder erlaubt. Ziel dieser Überlegungen der Briten war die schrittweise erfolgende Rückführung der repräsentativen Verfassung nach dem Krieg.105

Zwei zyperngriechische Gruppierungen stachen aus dem Konglomerat der 34 politi-schen Parteien Zyperns hervor. Zum einen die aus der Arbeiterbewegung hervorgegangene, 1941 wiedergegründete kommunistische AKEL106, sowie kurze Zeit später die rechtsgerichtete, klerusnahe Zyprische Nationalpartei (KEK)107. Zwar zielte die Politik beider Parteien darauf ab, Zypern aus dem britischen Koloniestatus herauszulösen, doch was danach mit Zypern gesche-hen sollte, unterschied die Parteien von einander. Während AKEL auf eine Eingliederung in die kommunistische Internationale abzielte und somit auch für kommunistische Zyperntürken wählbar wurde, verfolgte die KEK, der neben orthodoxen Kirchenvertretern auch bekannte Per-sönlichkeiten der Enosis-Bewegung angehörten, den Anschluss Zyperns an Griechenland. Mit der aufstrebenden kommunistischen Partei Griechenlands, die 1944/45 kurz vor der Macht-übernahme stand, wurde auch für die zyprischen Kommunisten die Union mit Griechenland attraktiv und so bekannte sich die Führung der AKEL in der Folgezeit ebenfalls zum Anschluss, obwohl die Entscheidung aus anderen Gesichtspunkten gefallen war: Nicht die griechische Na-tion unter dem Schlagwort „Megali Idea“ war ausschlaggebend, sondern eine gemeinsam

Epetiris tou Kentrou Epistimonikon Erevnon, 4 (1970-1971), S. 417-430. Zur Analyse der griechischen Sicht lt.

Zervakis: THEODOULOU, Ch.A., Greek-Cypriot Manifestations of Allegiance to Greece and British Reactions (1915-1916), in: Kypriakai Spoudai, 35 (1971), S. 165-189.

102 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 79.

siehe Fußnote 100, S. 27.

103 Kizilyürek und Piller geben als Zahl der teilnehmenden Zyprioten beider Volksgruppen 25.000 an.

vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 91.

vgl. PILLER, Zypern, S. 25.

104 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 92 und Kapitel 2.1.4, S. 60-66.

105 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 79, 80, 82.

106 Anorthotikon Komma Ergazomenou Laou (Fortschrittspartei des werktätigen Volkes).

107 Kypriakon Ethnikon Komma.

hoffte kommunistische Regierung, die auch die zyprischen Linken der sozialistischen Internati-onale näher bringen würde. So tat sich die AKEL nicht schwer, sich hinter die nationalistische Führung der zyprischen Kirche zu stellen und gemeinsam mit griechischen Nationalisten durch Generalstreiks die Aufhebung aller britischen Notverordnungen (Ergebnis der Unruhen von 1931) zu erreichen. Die schlussendlich erfolgende Niederlage der Kommunisten im griechi-schen Bürgerkrieg im Jahre 1949 führte zu einem Kurswechsel der AKEL. In dieser Phase wandte man sich von den nationalen Enosis-Plänen ab und diskutierte (gemeinsam mit den Zy-perntürken) mit dem britischen Gouverneur Lord Winster über Verfassungsreformvorschläge, um das angestrebte Ziel, die Selbstverwaltung für Zypern, zu erreichen.108

Die 1931 ins Exil gezwungenen Enoisten durften ab 1946 wieder nach Zypern zurück-kehren. Sofort fühlten sie sich durch die erstarkten Kommunisten in ihrer traditionellen Macht-position auf Zypern angegriffen, wodurch auch die Linke zum Feindbild des nationalen Bünd-nisses wurde. Die 1947 gegründeten rechtsextremistischen zyperngriechischen Organisationen EOKA und PEON109 strebten zunächst entschieden die Beseitigung der kommunistischen und gewerkschaftlichen Führer an und läuteten eine Ära des Terrorismus auf Zypern ein. Die ext-reme Linke antwortete ihrerseits mit Sprengstoff-Anschlägen auf ihre rechten Opponenten. Die Situation eskalierte erstmals seit 1931 im Sommer 1948, als ein Generalstreik zu heftigen Aus-einandersetzungen mit der Polizei führte, der nur durch die Verlegung britischer Soldaten aus Palästina beendet werden konnte.110

Das Jahr 1949 brachte eine innenpolitische Wende. Langsam erkannte man, nationale Enoisten früher als kommunistische Linke, dass mit der vornehmlich agrarisch geprägten zypri-schen Landbevölkerung kein sozialistisch inspirierter Massenaufstand gegen die britische Be-satzung ins Leben gerufen werden konnte. Die als konservativ einzustufende bäuerliche Bevöl-kerungsmehrheit wurde letztlich durch die Enosis-Bewegung aktiviert, was nach der verlorenen Gemeinderatswahl von 1949 gegen die Nationalisten die AKEL dazu brachte, sich voll und ganz hinter die zyprische Kirche und den nationalen Block zu stellen, sodass sich eine einheit-lich pro-griechische Front gegen die britische Kolonialherrschaft herausbildete.111

108 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 80-82.

vgl. DISCHLER, Ludwig, Die Zypernfrage, Frankfurt am Main 1960, S. 23-26, 91-95.

zitiert nach: ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 82, Fußnote 85.

109 Ethniki Organosis Kypron Agonistan (Nationale Organisation zyperngriechischer Kämpfer) vgl. PILLER, Zypern, S. 126.

PEON war eine militante Jugendorganisation der zyprisch-orthodoxen Kirche.

vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 99.

vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 86f.

110 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 82.

111 Zur politischen Entwicklung auf Zypern in und nach dem Zweiten Weltkrieg:

vgl. TZERMIAS, Republik Zypern, S. 46-51.

vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 81, 82.

vgl. TENEKIDES, Zypern, S. 60ff.

vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 92.

Der türkisch-zypriotische Nationalismus formierte sich etwas verzögert, was an der meist reak-tionären und pro-britischen Haltung der traditionellen türkischen Eliten Zyperns lag.112 Den-noch kann schon in den 1920er Jahren (Zervakis sieht die Ausbreitung des Kemalismus unter den Zyperntürken ab den 1930er Jahren) eine starke Zunahme des Einflusses der Kemalisten erkannt werden.113 So war es der Kemalist Fazil Küçük, Gründer der Nationaltürkischen Volks-partei Zyperns114, der auf einer Kundgebung in Nikosia vom 11. Dezember 1949 die zypern-griechische Bevölkerung und britische Kolonialverwaltung vor energischem Widerstand gegen die immer aggressiver auftretenden Enosis-Bestrebungen warnte.115

Mit dem Zerfall der großen Kolonialreiche im 20. Jahrhundert schöpften auch die zypri-otischen Enoisten erneut neue Hoffnung, die Union mit Griechenland zu vollbringen.116 Der Enosis-Gedanke hatte nun scheinbar auf die gesamte Insel übergriffen. Aber dies ist nur eine oberflächliche Betrachtungsweise, denn man darf nicht vergessen, dass die Enosis in Wirklich-keit ein Mittel zur Durchsetzung politischer Interessen einer konservativen, nationalistischen griechisch-zyprischen Elite war. Der Nationalismus, der nun offensichtlich den politischen, aber auch immer mehr den privaten Alltag Zyperns prägte, nutzte den auf Fahnen gehefteten Enosis-Wunsch als Werkzeug zur Beschwörung der zyprischen Bevölkerung zur Loslösung vom britischen Empire und zum Anschluss an Griechenland. Besonders am Beispiel der ortho-doxen Kirchenführung lässt sich dies gut verdeutlichen. Denn um ihre politische Rolle zu legi-timieren, sah sich die griechisch-orthodoxe Kirche Zyperns in einer Art „kulturell-ideologischer Einheit“ mit dem griechischen Nationalstaat verbunden, dessen Nationalismus im Rahmen ei-ner expansionistischen Außenpolitik auch Zypern mit einbezog.117 Das erste Mal wurde die Enosis-Ideologie in den Wirren des Jahres 1931 benutzt, als Erzbischof Makarios I. die Bevöl-kerung aufrief, sich der „Nationale Radikale Union Zyperns (EREK)“ anzuschließen, um die britischen Machthaber in allen wichtigen Entscheidungsfragen zu boykottieren und den Briten zu zeigen, wie unerwünscht sie seien. Die Enosis wurde zum umfassenden „Heilmittel“, hatte doch die Kirche selbst ihr den Segen gegeben.118 Für die griechisch-zyprische, somit orthodoxe, Bevölkerung zur Zeit der von Makarios II. ins Leben gerufenen Volksabstimmung, war der

112 vgl. TZERMIAS, Republik Zypern, S. 46. Tzermias verweist in Fußnote 249 auf weiterführende Literatur. u.a.

ATTALIDES, Michalis, Die Beziehungen der Griechischzyprioten zu den Türkischzyprioten, in:

TENEKIDIS/KRANIDIOTIS, Zypern, S. 411-443.

Diese pro-britische Haltung wurde von der Kolonialmacht gefördert.

vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 106f.

113 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 82.

vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 55-57.

114 Kibris Milli Türk Halk Partisi, KMTHP, gegründet 1944.

vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 25, 105.

115 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 82f.

vgl. MAIER, Franz Georg, Cypern, Insel am Kreuzweg der Geschichte, Stuttgart 1964, S. 157.

zitiert nach: KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 93, Fußnote 189.

116 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 63.

117 vgl. CHOISI, Wurzeln und Strukturen des Zypernkonfliktes, S. 81.

118 vgl. PILLER, Zypern, S. 23f.

Anschlussgedanke an Griechenland Doktrin. Die Euphorie kannte keine Grenzen, die allermeis-ten sahen sich nun „endgültig als Griechen“.119 Da „die Griechen“ ihrerseits noch immer von der Megali Idea eingenommen waren, überschneiden sich hier zwei Nationalismen, und ihr ide-ologisches Fundament bildet der Hellenismus.120

Während der zyperngriechische Nationalismus sehr von Emotionalität geprägt war, ba-sierte der zyperntürkische Nationalismus vielmehr auf dem Vernunftgedanken, da man mit der Durchsetzung der Enosis die Sicherheit für die türkische Bevölkerungsgruppe gefährdet sah.

Ein für die Türkei nicht unwesentlicher Moment stellt die geografische Lage der Insel dar, da im Falle eines Anschlusses Zyperns an Griechenland das strategische Gleichgewicht im Ostmit-telmeerraum zu Ungunsten der Türkei gestört werden würde. Ein drittes, emotionales, dem zy-perngriechischen Populismus ähnelndes Argument türkischer Nationalisten war der Hinweis, dass Zypern über 300 Jahre lang Teil des osmanischen Reiches, aber jedoch nie völkerrechtlich Teil Griechenlands gewesen war.121

Aufgrund der Weltwirtschaftskrise, der wirtschaftlichen Überlegenheit der Inselgriechen und der stetig wachsenden Enosis-Forderungen ihrer Nachbarn gewannen die Kemalisten im-mer mehr Anhänger.122 Trotzdem ist der zyperntürkische Nationalismus eher reaktionär ge-prägt, politische Verbände123, paramilitärische Gruppierungen124, Demonstrationen und Ge-waltanwendung waren in der Regel immer eine Antwort auf zyperngriechische Aktionen.125 Da ein Anschluss der gesamten Insel an die Türkei weit unwahrscheinlicher war als die Durchset-zung der Enosis begnügte man sich lange Zeit mit der Beibehaltung des Status quo, also der Machtausübung der Briten, welche der türkischen Bevölkerungsgruppe einen gewissen Schutz sowie Einbindung in die Administration und politische Teilhabe bot. Mit der Radikalisierung des Zypernkonfliktes schien die Taksim, also die Teilung der Insel, die einzige Alternative, welche 1974 de facto verwirklicht wurde.126

119 vgl. PILLER, Zypern, S. 24.

vgl. PILLER, Zypern, Kapitel 3.1, S. 7.

120 „Hellenismus bedeutet in diesem Sinne eine irrationale Identifikation mit der idealisierten, glorifizierten Ver-gangenheit der griechischen „Kulturnation“, nämlich mit ihren byzantinischen und antiken kulturellen Wurzeln.

Die Schaffung einer künstlichen, an das Altgriechische stark angelehnte Hochsprache (Katharevoussa), die Identi-fizierung des modernen Griechen (!) mit seinen antiken Helden und die Expansionsbestrebungen der Megali Idea waren und sind die wichtigsten ideologisch-politischen Ausdrucksmittel des Hellenismus.“ Adamantos Korais, Theoretiker des 19. Jahrhunderts.

vgl. ATTALIDES, M., Cyprus, Nationalism and international politics, Edinburgh 1979, S. 32.

zitiert nach: CHOISI, Wurzeln und Strukturen des Zypernkonfliktes, S. 83, Fußnote 1.

121 vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 177.

vgl. PILLER, Zypern, S. 18, 27f.

122 vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 56.

123 So wie die erste, am 18. April 1943 gegründete, zyperntürkische Massenorganisation KATAK. 1944 wurde von Fazil Kücük die erste politische Partei gegründet (KMTHP = nationaltürkische Volkspartei Zyperns).

vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 105.

124 Hier zu nennen VOLKAN, die Vorläuferorganisation der extremistischen T.M.T.

125 vgl. PILLER, Zypern, S. 16.

126 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 115f.

vgl. PILLER, Zypern, S. 18.

Nachdem im Dezember 1949 ein Antrag des Ethnarchie-Rates zur Durchführung einer Volks-befragung, welche die Ermittlung der Meinung der Bevölkerung zur Enosis zum Ziel hatte, von der britischen Kolonialregierung abgelehnt wurde, führte die orthodoxe Kirchenführung, noch unter Makarios II., am 15. Jänner 1950 eine selbstorganisierte Befragung durch. Dabei sprachen sich 96 Prozent der 224.747 stimmberechtigten griechisch-orthodoxen Zyprioten für die Enosis aus. Das öffentlich in orthodoxen Kirchen abgehaltene Referendum wurde somit von 215.108 WählerInnen angenommen (4 Prozent stimmten dagegen), während mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten (263.253) nicht zur Abstimmung gingen.127 Für Makarios III. und die zy-perngriechischen Nationalisten war die Abstimmung das ultimative Bekenntnis des „zyprioti-schen Volkes“ zur Enosis.128 Im September 1950 wurde das Ergebnis an das Generalsekretariat der UNO, sowie an die Parlamente in Athen und London geschickt, mit dem Anliegen, das kla-re Ergebnis politisch umzusetzen.129 Makarios trat mehrmals vor die UNO-Vollversammlung in New York in der Hoffnung, internationale Unterstützung vor allem von Seiten der USA zu er-halten. Die Amerikaner hatten angesichts der kommunistischen Bedrohung im Kalten Krieg den

Nachdem im Dezember 1949 ein Antrag des Ethnarchie-Rates zur Durchführung einer Volks-befragung, welche die Ermittlung der Meinung der Bevölkerung zur Enosis zum Ziel hatte, von der britischen Kolonialregierung abgelehnt wurde, führte die orthodoxe Kirchenführung, noch unter Makarios II., am 15. Jänner 1950 eine selbstorganisierte Befragung durch. Dabei sprachen sich 96 Prozent der 224.747 stimmberechtigten griechisch-orthodoxen Zyprioten für die Enosis aus. Das öffentlich in orthodoxen Kirchen abgehaltene Referendum wurde somit von 215.108 WählerInnen angenommen (4 Prozent stimmten dagegen), während mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten (263.253) nicht zur Abstimmung gingen.127 Für Makarios III. und die zy-perngriechischen Nationalisten war die Abstimmung das ultimative Bekenntnis des „zyprioti-schen Volkes“ zur Enosis.128 Im September 1950 wurde das Ergebnis an das Generalsekretariat der UNO, sowie an die Parlamente in Athen und London geschickt, mit dem Anliegen, das kla-re Ergebnis politisch umzusetzen.129 Makarios trat mehrmals vor die UNO-Vollversammlung in New York in der Hoffnung, internationale Unterstützung vor allem von Seiten der USA zu er-halten. Die Amerikaner hatten angesichts der kommunistischen Bedrohung im Kalten Krieg den