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U mstrukturierung der Beschäftigung

3. Der Transformationsprozeß und die Perspektiven der

3.1 U mstrukturierung der Beschäftigung

72. Der Übergangsprozeß von zentral geplanten zu marktwirtschaft-liehen Ökonomien in den Ländern Mittel- und Osteuropas birgt Chancen, allerdings sind auch die Kosten hoch, zumindest im Augenblick und für die nächste Zeit. Wie in der Einleitung bereits erwähnt, impliziert der Transformationsprozeß eine weitreichende Umverteilung und Umstruktu-rierung von Arbeit, Einkommen und Lebensmöglichkeiten, was am deut-lichsten an den Arbeitsmärkten aufzeigbar ist. Die Umstrukturierung der Beschäftigung und die Neuverteilung der Beschäftigungsmöglichkeiten wird von der öffentlichen Politik und von institutionellen Vorkehrungen beeinflußt, die ein neues Gleichgewicht von Arbeitsangebot und -nach-frage schaffen sollen.

73. Bereits die ersten Schritte hin zu einer politischen und ökonomi-schen Transformation haben die Schwäche der alten Strukturen verdeut-licht: eine verzögerte Modernisierung, was sich im relativ hohen Anteil des Landwirtschaftssektors ausdrückt; eine sub-optimale Entwicklung des Dienstleistungsse ktors; unzureichende internationale industrielle Wett-bewerbsfähigkeit; umfangreiche versteckte Arbeitslosigkeit und On-gleichgewichte auf dem Arbeitsmarkt.

74. Kurzfristig bewirkt sowohl die strukturelle Krise als auch der Über-gangsprozcss in diesen Ländern ein weiteres Absinken des Bruttosozial-produkts und einen dramatischen Anstieg der Inflation. Deutliche Zu-wächse der öffentlichen Verschuldung und das Sinken der öffentlichen Einnahmen gehen u.a. auf die ökonomischen Probleme der (staatseigenen) Unternehmen und Steuerbefreiungen für die privaten Un-ternehmen zurück.

75. Die nationalen Transformationsmuster variieren stark. Dieser Überblicks-Bericht kann die verschiedenen Muster nicht en detail

analy-sieren. Wir konzentrieren uns daher auf die Frage, ob die Elemente des Transformationsprozesses Männerund Frauen unterschiedlich betreffen.

76. Die zukünftige Beschäftigungsstruktur und die Beschäftigungsmög-lichkeiten werden von Entwicklungen in verschiedenen Bereichen beein~

flußt werden:

Grundlegend sind Prozesse der Umstrukturierung der Beschäftigung nach Wirtschaftsbereichen und -sektoren. Das relative Gewicht der Sektoren (Landwirtschaft, Produktion, Dienstleistungen) innerhalb der Volkswirt-schaften wird sich verschieben, zudem wird die Einführung einer markt-orientierten Ökonomie den Arbeitsprozeß und die verlangten Qualifika-tionen verändern. Dieser Prozeß wird von der Implementierung neuer Technologien und einem flexibleren Einsatz der menschlichen Arbeits-·

kraft ( d.h. Tcilzeitarbeit, flexible Arbeitszeiten im Hinblick auf bessere Übereinstimmung von bezahlter und gearbeiteter Zeit) beeinflußt wer-den. Der Übergang zu einer Marktwirtschaft wird vermutlich die Entlas-sung eines größeren Teils der Beschäftigten zur Folge haben. Als struktu-relle Elemente, die den Umfang der Entlassungen beeinflussen, sind ab-sehbar:

- Der Abbau von Überbeschäftigung: Es wird zu Entlassungen in großem Umfang kommen, wenn die Betriebe mit harten Budgetrestriktionen konfrontiert sind. Die Bereitschaft zur Entlassung von überzähligen Arbeiterinnen und Arbeitern wächst bereits, nicht zuletzt angesichts der Einführung von Arbeitslosengeld.

- Die Schließung nicht-wettbewerbsfähiger Unternehmen: Die Kürzung der Subventionen für verschiedene Wirtschaftsbereiche führt zu Be-triebsschließungen und großen Verlusten an Arbeitsplätzen. Von diesen Entwicklungen sind vor allem betroffen die Schwerindustrie, die Textil-und Nahrungsmittelindustrie sowie ein Teil der Landwirtschaft.

- Der Strukturwandel: Wegen der Weltmarktkonkurrenz sind Arbeits-: platzverlaste in der Kapitalgüter-Industrie sowie in der Konsumgüter-industrie zu erwarten. Während der Anteil des Produktionssektors an der Gesamtbeschäftigung abnehmen wird, steigt die Beschäftigung im

Dienstleistungssektor, allerdings verbunden mit Umstrukturierungen.

Produktionsorientierte Dienstleistungen, Finanz- und Beratungsdienste sowie Einzel- und Großhandel werden zunehmen.

Zudem wird es zu einem Ersatz von öffentlichen durch private Angebote von persönlichen Dienstleistungen kommen.

- Die Entbürokratisierung der zentralen staatlichen Verwaltung und der Verwaltung der Unternehmen wird zu Arbeitsplatzverlusten führen (bzw. hat schon dazu geführt).

77. Frauen werden vom aktuellen und zukünftigen Abbau von Ar-beitsplätzen in allen Wirtschaftsbereichen betroffen sein. Wie oben be-reits erwähnt, waren Frauen in höherem Maße in der Landwirtschaft und im Produktionssektor beschäftigt als in den westlichen Industriestaaten.

Frauen sind besonders häufig in den überbesetzten Verwaltungen dieser Sektoren und sie stellen die Mehrheit der Beschäftigten in der Leichtin-dustrie und der Landwirtschaft, wo sie häufig als ungelernte oder wenig qualifizierte Arbeitskräfte eingesetzt sind.

78. Der Dienstleistungssektor, vor allem die sozialen und kommunalen Dienste, ist ein "weibliches" Territorium. Obwohl Frauenbeschäftigung in diesen Bereichen eine lange Tradition hat, wird es entscheidend darauf ankommen, ob es den Frauen gelingt, die notwendige Neu- und Höher-qualifizierung zu erhalten, damit sie sich auch in den um:struklurierten Dienstleistungsberufen behaupten können.

79. Das Wachstum des Dienstleistungssektors könnte erweiterte Chan-cen für die Beschäftigung von Frauen eröffnen. In der Marktwirtschaft werden verschiedene Arten von Kenntnissen und Fertigkeiten für Mana-gement und Finanzierung verlangt. In den meisten der untersuchten Län-der fehlen diese dringend benötigten Erfahrungen und Fachkenntnisse, vor allem in Rechnungswesen, Finanzen, Versicherungen und Beratung. In den mittel- und osteuropäischen Ländern sind Frauen seit langem in der Buchhaltung, im Rechnungswesen und anderen Bereichen der Verwal-tungsarbeit beschäftigt. Die meisten dieser Berufe waren ausgesprochene

"Frauenarbeit". Aber diese Tätigkeiten erforderten meist wenig

Qualifika-tionen über einfache Buchhaltung hinaus und hatten zudem kein hohes so~

ziales Ansehen. In der Marktwirtschaft werden diese Berufe jedoch viel prestigeträchtiger. Vorausgesetzt Frauen haben Zugang zur Weiterbil-dung, dann werden sie die Möglichkeit haben, ihre Position in diesem wichtigen und wachsenden Bereich mit speziellen Fachkenntnissen zu hal-ten.

80. Andere Berufsfelder wie Personalmanagement, Arbeitseinsatz-Pla-nung und Marketing werden weiter an Bedeutung gewinnen. Im Westen haben nur wenige Frauen in diesen speziellen Bereich{m Karriere ge-macht: Das entscheidende Moment bei der Rekrutierung von Frauen für höhere Management- und Verwaltungspositionen scheü1t für die Arbeit-geber die allgemeine Entwicklung der Arbeitsmärkte zu sein: Wenn, und nur wenn, das Angebot männlicher Arbeitskräfte begrenzt ist, bekommen Frauen eine Chance.

81. Frauen müssen im Restrukturierungsprozeß mit hohen Beschäfti--gungsrisiken rechnen. Berufe, die früher als "Frauenberufe" definiert wurden (insbesondere im Dienstleistungs- und Verwaltungsbereich ), er··

reichen einen höheren sozialen Status und ein höheres Einkommen. Der kritische Faktor für die Beschäftigungsmöglichkeiten von Frauen wird sein, ob Männer zu anderen Berufen Zugang haben, die genauso attraktiv sind wie die aufstrebenden Berufe des Dienstleistungs- und Verwaltungs-bereichs.

82. Angesichts des hohen Qualifikationspotentials von Frauen wären politische Strategien in dieser Transformationsperiode erforderlich, die auch für die höheren Ebenen der technischen und Management-Berufe Frauen vorsehen. Die Arbeitsmarktposition von Frauen auch bei der Re-strukturierung zu erhalten oder gar zu verbessern, ist eine naheliegende Forderung an eine Wirtschaftspolitik, die auf die effektive Nutzung der Humanressourcen setzt.

83. In den mittel- und osteuropäischen Ländern vollzieht sich eine Um-schichtung der Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen. Die

Dezen-tralisierung der Staatsunternehmen, eine der radikalsten Veränderungen, führt zur Privatisierung von Unternehmen und zu kleineren Betriebs-größen. Die Tradition der Kleinunternehmen hat auch in zentral geplan-ten Ökonomien in Form kleiner landwirtschaftlicher Unternehmen und städtischer Straßenverkäufer überdauert. Eine unregulierte, aber wirt-schaftlich notwendige "Parallelökonomie" ist inzwischen entstanden und könnte die Basis für eigenständige Arbeitsplatzschaffung in Kleinunter-nehmen bilden.

84. Die jüngsten Entwicklungen bei den neuen Selbständigen bestätigen jedoch die Skepsis hinsichtlich der Chancen für Frauen. Obwohl zahl-reiche Frauen im informellen Sektor aktiv sind, bilden sie unter den Selb-ständigen eine Minderheit. In der CSFR, Ungarn und Polen betreiben die meisten Firmengründer ihr Unternehmen als zweitenJobzusätzlich zu ih-rer Anstellung in "sozialistischen" Betrieben. Diese zweiten und dritten Jobs sind überwiegend in männlichen Beschäftigungsfeldern und die mei-sten der neugegründeten oder privatisierten Betriebe werden von den Managern der früheren Staatsunternehmen geleitet. In allen untersuchten Ländern scheinen Frauen hauptsächlich die flexibel genutzte "neue" Be-legschaft dieser Unternehmen am Ende der Berufshierarchie zu sein. Dies zeichnet sich auch als Trend im Dienstleistungssektor ab, wo Frauen bis-lang die Mehrheit der ausgebildeten Beschäftigten stellten. Finanzielle und praktische Unterstützung auf regionaler, nationaler und internatio-naler Ebene mit dem Ziel, Frauen den Zugang zu Ausbildungsprogram-men beispielsweise in Rechnungswesen, Finanzdienstleistungen und Per-sonalmanagement zu öffnen, erscheint dringlich. Ansonsten haben Frauen kaum Chancen, aus den informellen Wirtschaftsaktivitäten in lebensfä-hige und legale Kleinunternehmen zu wechseln. Es wird spezieller Maß-nahmen bedürfen, um die vorhandenen unternehmefischen Fähigkeiten von Frauen zu nutzen, wie sie sich in der Meisterung des Alltagslebens spiegeln und in der Fähigkeit, erste, zweite und dritte Jobs zu kombinie-ren.