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Teil A: Stilisierte Fakten der Wechselkurspolitik im Transformationsprozeß

4. Die tschechische Krone

4.1 Makroökonomische Rahmenbedingungen

Indem die Ökonomie bereits 1993 wieder auf einen positiven Wachstumspfad zurück-kehrte, fiel die Transformationsrezession in Tschechien im Ländervergleich relativ kurz aus (Abbildung B-3). Bei der Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik standen der Markt und die Gestaltung makroökonomischer Parameter im Vordergrund. Gute volkswirt-schaftliche Leistungsdaten in Verbindung mit einem festen Wechselkursregime ließen Tschechien nach Überwindung der anfänglichen Transformationskrise zum Primus unter den MOEL werden: Zu diesem Bild trugen in der ersten Hälfte der 90er Jahre vor allem der ausgeglichene Staatshaushalt, moderate Inflationsraten, stabile Wechselkurse, nied-rige Arbeitslosigkeit sowie die schnelle Voucher-Privatisierung bei.

Die Verschärfung der gesamtwirtschaftlichen Situation 1997 kann im Grundsatz auf die Vernachlässigung von mikroökonomischen Parametern und insofern der unternehmeri-schen Ebene zurückgeführt werden. Während die Wirtschaftspolitik lange Zeit an dem policy-mix aus strikter Inflationsreduktion, festen Wechselkursen und rascher Privatisie-rung festhielt, konnte sich die Effizienz tschechischer Unternehmen nicht im gleichen

360 Vgl. Szapary/Jakab (1998), S. 714.

Tempo verbessern wie die von Unternehmen anderer Visegrad-Staaten. Die Währungs-und Finanzkrise in Verbindung mit den Folgen des sehr restriktiven Stabilisierungspa-ketes (s. Abschnitt 4.2.4) führten die Wirtschaft in der zweiten Hälfte der 90er Jahre in eine erneute Rezession, die erst im zweiten Halbjahr 1999 beendet war. Seitdem befin-det sich die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs. Das Jahr 1997 markiert insofern ei-nen deutlichen Wendepunkt in der Wirtschaftspolitik, indem umfangreiche Korrektur-maßnahmen mit einem Schwerpunkt auf strukturelle Probleme (vor allem Reformen im Finanzsektor und im Privatisierungsprozeß) eingeleitet wurden.

Abbildung B-3: Ausgewählte Fundamentaldaten im Zeitablauf der Transformation (Tschechien)

(Verbraucherpreise, in % zum Vj.) 70

Die Fremdwährungsliquiditätslage hat sich in den letzten Jahren durch die Verbesserung der außenwirtschaftlichen Position wieder deutlich entspannt (s. Tabelle B-7). Während im ersten Quartal 1997 eine dramatische Leistungsbilanzverschlechterung der endgültige Auslöser für die anschließenden Austeritätsmaßnahmen war, fiel das Leistungsbilanzde-fizit angesichts der schwächeren Binnennachfrage in den beiden Folgejahren mit etwa 2% des BIP sehr moderat aus. Gleichzeitig konnte das Defizit in der Leistungsbilanz während der letzten drei Jahre stets durch starke Zuflüsse ausländischer Direktinvesti-tionen (8-10% des BIP) gegenfinanziert werden. Damit zählt die tschechische Außen-handelsposition derzeit zu den stabilsten in der betrachteten Ländergruppe. Demgegen-über gilt eine nachhaltige Reform der öffentlichen Haushalte als Schlüsselaufgabe für die Wirtschaftspolitik. Vor dem Hintergrund eines in den letzten Jahren sukzessiv ange-stiegenen Budgetdefizits wird die Regierung von ausländischen Institutionen gedrängt, die Staatsfinanzen zu konsolidieren und transparenter zu gestalten.

Tabelle B-7: Ausgewählte Indikatoren des tschechischen Transformationsprozesses Tschechien 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 Reales BIP-Wachstum(% z. Vj.) -11,6 -0,5 0,1 2,2 5,9 4,8 -1,0 -2,2 -0,2 3,1 Inflation (I\CPI in% zum Vj.) 56,6 11,1 20,8 10,0 9,1 8,8 8,5 10,7 2,1 3,9 Leistungsbilanzsaldo 1,2 -1,0. 1,4 -1,7 -2,6 -7,3 -6,2 -2,4 -1,90 4,0 (% zum BIP)

Handelsbilanzsaldo (Mrd. USO) 1,6 -0,6 0,4 -0,7 -3,4 -5,5 -4,7 -2,5 -1,9 -3,2 Staatsbudget(% des BIP) 0,6 -3,1 0,5 -1,1 -2,5 -2,3 -2,3 -2,4 -4,0 -3,4 Aus!. Direktinvestitionen k.A. 983 563 749 2526 1276 1275 2641 6324 4595 (Mio. USO)

CZK/USD (Jahresdurchschnitt) 29,48 28,29 29,16 28,78 26,55 27,14 31,71 32,27 34,60 38,63 CZK/EUR (Jahresdurchschnitt) 38,17 38,15 34,91 34,66 35,07 35,01 35,90 35,96 36,85 35,60 Devisenreserven in Mrd. USO k.A. k.A. 3,8 6,1 13,8 12,4 9,7 12,5 12,8 12,5 Bruttoauslandsverschuldung k.A. k.A. 9,3 10,8 16,5 20,8 21,3 24,0 22,6 21,3 (Mrd. USO)

Arbeitslosenquote in % 4,1 2,6 3,5 3,2 2,9 3,5 5,2 7,5 9,4 8,9 Investitionen (% des BIP) 24,1 27,9 28,4 28,7 32,0 31,8 30,8 28,3 26,4 27,5 Diskontsatz e.a. k.A. k.A. 8,63 8,13 9,08 10,08 12,17 11,79 5,96 5,00 Datenquelle: Standard & Poor's DRI, FERI, PlanEcon (2001a), EBRD (2000a, b).

4.2 Kriseninduzierter Kurswechsel der Währungsstrategie 4.2.l Ausgangssituation

Im Vergleich zu den anderen Visegrad-Staaten war die makroökonornische Ausgangsba-sis in Tschechien361 deutlich günstiger. Die Planwirtschaft zeichnete sich durch eine Tradition solider makroökonornischer Rahmenbedingungen aus. Während sich die Wäh-rungshüter in Ungarn und Polen mit einer hohen ausländischen Verschuldung, hohen Inflationsraten und steigender Staatsverschuldung konfrontiert sahen, war das Geld- und Währungswesen in Tschechien durch eine hohe interne Disziplin gekennzeichnet:362 Der Staatshaushalt war während der 80er Jahre weitgehend ausgeglichen, und die Staats-schulden betrugen zu Transformationsbeginn nur rund ein Prozent des BIP. Die ver-steckte Inflation wurde in den Jahren vor Reformbeginn auf lediglich 2,5% im Jahres-durchschnitt geschätzt. In Tschechien fiel der monetäre Überhang, der in Planwirtschaf-ten typischerweise infolge eines unzureichenden Güterangebots und einer entsprechend starken Akkumulation von Ersparnissen entsteht, vergleichsweise gering aus.

Darüber hinaus stellten sich - die im Vergleich zu anderen MOEL in Tschechien mit wenig Einfluß ausgestatteten Gewerkschaften und regionalen Verwaltungseinheiten -als transformationsfördemd heraus: Der neue, demokratische Regierungsapparat konnte die umfangreichen und einschneidenden Reformen in den verschiedenen Politikberei-chen vergleichsweise zügig durchsetzen. Die positiven Ausgangsbedingungen im mo-netären Bereich bedeuteten jedoch nicht, daß dort eine umfangreiche Umorientierung ausbleiben konnte. Vielmehr spiegelt die Entwicklung das Ergebnis einer im Länderver-gleich wesentlich tiefgreifender zentralistisch gelenkten Wirtschaftsplanung wider. Der

361 Zur Vereinfachung wird im folgenden von Tschechien gesprochen, obgleich die Tschechische Repu-blik vor 1992 ein Teil der Tschechoslowakei war.

362 Vgl. OECD (1991), S. l3ff.; Fröhlich (1992), S. 57; Horvarth/Jonas (1998), S. 1.

Anteil des Privatsektors fiel äußerst gering aus, und die Bedingungen konnten im marktwirtschaftlichen Sinne nicht als gleichgewichtiger Wirtschaftsprozeß charakteri-siert werden. 363

Tschechien entschied sich für ein Big-Bang-Programm. Bevor jedoch zu Beginn des Jahres 1991 die umfangreichen Wirtschaftsreformen umgesetzt werden konnten, erfolg-ten im Jahresverlauf 1990 drei Eingangsabwertungen, um auf dem Weg zur internen Konvertibilität der Krone einen realistischen Außenwert sowie eine Vereinheitlichung von kommerziellen Wechselkursen und Touristenkursen herzustellen. Indem der offizi-elle Wechselkurs am 8. Januar 1990 von 15 CZK/USD auf 17 CSK/USD, am 15. Okto-ber 1990 auf 24 CZK/USD sowie am 28. DezemOkto-ber 1990 auf 28 CZK/USD abgewertet wurde, betrug der nominale Wert der Krone gegenüber dem US-Dollar nur noch die Hälfte. Diese Abwertungsstrategie zum unmittelbaren Transformationsbeginn sollte der Industrie ausreichende Wettbewerbsvorteile liefern und eine Umorientierung des Han-dels zu westlichen Absatzmärkten induzieren. Durch die starken Eingangsabwertungen erfolgte eine Angleichung des offiziellen Wechselkurses an den parallelen Schwarz-marktkurs, der zu dieser Zeit rund 34 CZK/USD betrug. Die Währungshüter entschieden sich im Gegensatz zu Polen nicht für eine vollständige Beseitigung der Parallelmarkt-prämie. 364

4.2.2 Absicherung des Reformprogrammes durch ein Festkursregime (Phase])

Nachdem das Jahr 1990 im Grundsatz durch einen politischen Liberalisierungsprozeß gekennzeichnet war, setzte der wirtschaftliche Reformprozeß zum Jahresbeginn 1991 mit einer 'Schocktherapie' ein. Das monetäre Kernelement des Übergangs von der Kommando- zur Marktwirtschaft bildete die feste Wechselkursanbindung. Indem der Wechselkurs eine Schlüsselfunktion als nominaler Anker für das Preisniveau erhielt, sollte das Hauptziel der jungen Wirtschaftspolitik - die Verhinderung eines Inflationsan-stieges im Zuge der umfangreichen Preisliberalsisierung - abgesichert werden.

Aus monetärer Sicht implizierten die zum 1. Januar implementierte, makroökonomische Stabilisierung sowie die radikale außenwirtschaftliche Öffnung folgende Maßnahmen:

Festkursregime: Die Krone wurde bei einer Parität von 28 CZK/USD fest an einen Korb aus fünf Währungen (u.a. DEM 45,52%, USD 31,34%)365 innerhalb eines en-gen Schwankungsbandes von plus/minus 0,5% gebunden. Durch die Fixierung ge-genüber einem Währungskorb vermieden es die Behörden, in der Öffentlichkeit eine einziie Ziffer zum Beurteilungsmaßstab der Wirtschaftspolitik zu machen.366

363 Vgl. Fröhlich (1992), S. 57.

364 Vgl. Stippler (1998), S. 162f. sowie Diehl/Schweickert (1997), S. 63f.

365 Die vollständige Zusammenstellung des Währungskorbes war wie folgt (Gewichtung entsprach der Bedeutung der jeweiligen Länder als Handelspartner): DEM 45,52%; USD 31,34%; ATS 12,35%; GBP 4,24%; CHF 6,55%.

366 Vgl. Fröhlich (1992), S. 59.

Interne Konvertibilität: Die zu Jahresbeginn 1991 eingeleiteten Reformmaßnahmen umfaßten die Einführung der Inländerkonvertibilität für Leistungsbilanztransaktio-nen, die um einige Bestandteile der externen Konvertibilität ergänzt wurden. Diese Liberalisierungsmaßnahmen stützte die Regierung mit Hilfe einer Importabgabe in Höhe von 20% auf Konsumgüter ab.367

Lohnkontrollen: Zwar bildete das Festkursregime einen nominalen Anker für die Lohnpolitik, jedoch entschloß sich die Regierung, zusätzlich zur Absicherung des Stabilisierungsprogrammes Lohnkontrollen einzuführen. Diese basierten auf Steuer-zuschlägen, falls bestimmte leistungsbezogene Grenzwerte der Lohnerhöhungen überschritten wurden. Mit Hilfe einer solchen Ankerbildung sollte die Glaubwürdig-keit der Währungsstrategie gestärkt werden. 368

Preisliberalisierung: Im Rahmen des Reformprogrammes erfolgte zum 1. Januar eine umfangreiche Liberalisierung staatlich administrierter Preise. Diese Maßnahme bein-haltete Güter, die zu dieser Zeit insgesamt rund 80-90% des tschechischen BIP aus-machten. 369

Die interne und externe Stabilisierung durch das Reformpaket kann als erfolgreich ge-wertet werden und stellt ein Lehrbuchbeispiel der Wechselkursstabilisierung dar. Die Preisliberalisierung bewirkte einen zwangsläufigen Inflationsschub. Die Anpassungsin-flation fiel zwar im ersten Quartal 1991 mit 35% gegenüber dem Vorquartal sehr stark aus, jedoch verringerte sie sich bereits im zweiten Quartal und galt Mitte 1991 als abge-schlossen. Die Wechselkursbindung ist nicht automatisch als glaubwürdig anzusehen.

Vielmehr sind eine ausreichende monetäre Kontraktion und eine rasche Preisanpassung im Privatsektor die unabdingbaren Voraussetzungen für die Glaubwürdigkeit des nomi-nalen Ankers. Nur unter diesen Umständen ist die Erreichung der gewünschten Stabili-sierung und die Vermeidung tiefgreifender realer Anpassungskosten möglich.370 Den Währungshütern gelang die Durchführung eines solchen konsistenten Reformpro-grammes: Nach den starken Eingangsabwertungen wurde die Geld- und Wechsel-kurspolitik in den Dienst der Preisniveaustabilisierung gestellt. Die Verwendung eines stabilen Wechselkurses als nominalen Anker bei der Inflationsbekämpfung wurde über eine restriktive Geld- und Fiskalpolitik in Verbindung mit den erwähnten Lohnkontrol-len abgesichert. Die inflationären Impulse angesichts der Preisliberalisierung zu Jahres-beginn, der Rückwirkungen des während der 80er Jahre aufgestauten Geldüberhangs sowie der Eingangsabwertungen im Jahr 1990 mußten begrenzt werden, um eine Inflati-onsspirale zu verhindern. Zum einen zielten die fiskalpolitischen Maßnahmen im ersten Reformjahr auf einen ausgeglichenen Staatshaushalt ab.371 Zum anderen strebten die geldpolitischen Maßnahmen eine Begrenzung des Geldmengenwachstums über Kredit-plafondierungen der Geschäftsbanken sowie deutliche Zinserhöhungen an.372

367 Die Importabgabe wurde graduell bis zum Jahresende 1992 abgebaut.

368 Vgl. Gaspar (1995), S. 9.

369 Vgl. Horvath/Jonas ( 1998), S. 11.

370 Vgl. Schweickert/Nunnenkamp/Hiemenz (1992), 19f.

371 Die Regierung entschied sich etwa für eine durchgreifende Subventionssenkung. Tatsächlich konnte Tschechien 1991 einen Budgetüberschuß von 0,6% des BIP erwirtschaften. Vgl. OECD (1991), S. 35f.

372 Vgl. Stippler (1998), S. 165; Kutan/Brada (1999), S. 6.

Tschechien konnte im Gegensatz zu den anderen MOEL auf eine diskretionäre Wech-selkursanpassung der festen Parität im Refonnprozeß verzichten: Neben einer mit der Wechselkursfixierung einher gegangenen Unterbewertung der Krone zu Transfonnati-onsbeginn trug die erreichte Inflationsreduktion dazu bei, daß in den ersten beiden Re-formjahren die preisliche Wettbewerbsfähigkeit tschechischer Exporte aufrecht erhalten werden konnte. Die realen Aufwertungen verliefen im Ländervergleich langsamer, so daß die anfängliche Unterbewertungsstrategie in Ergänzung mit der vorübergehenden Importabgabe zunächst nicht konterkariert wurde.

Gleichzeitig gelang Tschechien im Zuge der außenwirtschaftlichen Öffnung nicht nur die Reorientierung des Außenhandels, sondern auch die Bewältigung des Zusammen-bruchs der CMEA.373 Um die außenwirtschaftlichen Verflechtungen adäquat abzubilden, entschied sich Tschechien im Januar 1992 für eine leichte Revision des Währungskorbes zugunsten des US-Dollars.374

Mit einer ersten größeren Herausforderung sah sich die Wechselkurspolitik im Zusam-menhang mit der Disintegration von Tschechien und der Slowakei konfrontiert. Wäh-rend die politische Union mit Wirkung zum 1. Januar 1993 aufgekündigt wurde, erfolgte der monetäre und ökonomische Bruch am 8. Februar 1993.375 Die monetären Rahmen-bedingungen im ersten Quartal 1993 waren durch eine hohe Unsicherheit geprägt: Wäh-rend für inländische Unternehmen der entscheidende Unsicherheitsfaktor in der Frage lag, zu welchem Zeitpunkt und in Verbindung mit welchem Abwertungssatz sich die slowakische Währung abspaltet, sahen ausländische Investoren vor allem die grundsätz-liche Stabilität der tschechischen Krone gefährdet.376 Angesichts vorübergehend anstei-gender Kapitalabflüsse geriet die tschechische Krone unter Abwertungsdruck. Die Zen-tralbank war in der Lage durch Interventionen auf dem Devisenmarkt die zentrale Parität der Krone zu verteidigen und die starken Abwertungserwartungen bis April 1993 zu-rückzuführen. Das Vertrauen ausländischer Investoren in die Nachhaltigkeit des Struk-turwandels erlebte lediglich einen transitorischen Einbruch, indem bereits im zweiten Quartal 1993 eine steigende Dynamik beim Zufluß ausländischer Direktinvestitionen verzeichnet wurde. Tschechien führte in diesem Zeitraum nur eine geringfügige Ände-rung der WähÄnde-rungsstrategie durch, als am 3. Mai 1993 unter Beibehaltung der engen Bandbreiten eine Umschichtung des Währungskorbes zugunsten der zwei führenden Leitwährungen (DEM 65%; USD 35%) erfolgte. Dieser Schritt sollte neben der Anpas-sung an die leicht veränderte Außenhandelsverflechtung eine für die Marktteilnehmer transparentere Berechnung gewährleisten.

373 Vgl. Stippler (1998), S. 171.

374 Die Struktur des Währungskorbes lautet: USO 49,07%; DEM 36,15%; ATS 8,07%; CHF 3,79%;

FRF2,92%.

375 Dies wurde am 19. Januar beschlossen. Eine ausführliche Analyse der tschechoslowakischen Disin-tegration aus währungspolitischer Sicht bieten Fidrmuc/Horvath/Fidrmuc (1999).

376 Vgl. OECD (1994), S. 77f.; Czech National Bank (1993), S. 24.

4.2.3 Signifikante Steigerung der Nettokapitalimporte (Phase 2)

Die Entwicklungen nach der Abspaltung der Slowakischen Republik markieren einen deutlichen Wendepunkt der monetären Rahmenbedingungen, in deren Mittelpunkt das rigide Festkursregime stand, an dem bis zum Mai 1997 festgehalten wurde: Einerseits trug die Währungsstrategie mit dem Wechselkurs als nominaler Anker durch ein transpa-rentes Stabilisierungsziel zur raschen Inflationsreduktion bei. Andererseits wurde durch das bestehende Festkurssystem in Verbindung mit weiterhin signifikant hohen Zinsdiffe-renzen sowohl spekulatives als auch investives Kapital angezogen. Ausländische Inve-storen sahen das Wechselkursrisiko auch künftig als gering an.377 Da die Inflationsraten trotz der nachhaltigen Stabilisierungserfolge doch noch höher ausfielen als bei den westlichen Handelspartnern, sah sich Tschechien mit einem realen Aufwertungstrend konfrontiert. Da dieser Aufwertungstrend nur zum Teil auf eine entsprechende Verände-rung des gleichgewichtigen realen Wechselkurses zurückzuführen war (s. Kap. VI), be-deutete diese Entwicklung eine Verringerung der preislichen Wettbewerbsvorteile. Die durch die Fortschritte im Transformationsprozeß induzierten Kapitalimporte erschwerten angesichts der Monetisierung durch Devisenmarktinterventionen die Zurückführung des Inflationsdifferentials und damit des ungleichgewichtigen Aufwertungstrends.378 Aus Sicht der Wechselkurspolitik kann das Dilemma der Zentralbank - Antiinflationspolitik durch Festkursstrategie versus Kapitalzuflüsse - bis zum endgültigen, kriseninduzierten Wendepunkt der Währungsstrategie 1997 in zwei Zeiträume unterteilt werden:379 Der Zeitraum zwischen 1994 und 1995 ist durch eine fortschreitende Liberalisierung der Kapitalbilanz und eine signifikant starke Steigerung der Kapitalzuflüsse gekennzeichnet.

Der im Vergleich zu anderen MOEL weit vorangeschrittene Wegfall von Kapitalver-kehrsbeschränkungen erfolgte in einem gesamtwirtschaftlichen Umfeld, das sich zu die-sem Zeitpunkt durch solide reale Wachstumsraten, moderate Preissteigerungsraten sowie einen ausgeglichenen Staatshaushalt auszeichnete. Insgesamt sind die folgenden ange-botsseitigen pull-Faktoren für den massiven Zustrom von ausländischem Kapital nach Tschechien in dieser Phase zu nennen:380

• Zunehmende Aufwertungserwartungen der Krone

• Festkursregime in Verbindung mit positivem Zinsspread gegenüber westlichen Währungen

• Voranschreitende Liberalisierung der tschechischen Kapitalbilanz sowie vollständige Leistungsbilanzkonvertibilität der Krone seit September 1995

• Wachstumsbeschleunigung und voranschreitender Privatisierungsprozeß unter Beteiligung westlicher Investoren

• Verbesserte Einstufung der makroökonomischen und politischen Stabilität Tschechiens durch ausländische Analysten

377 Vgl. Begg (1998), S. 16.

378 Vgl. Jarchow/Rühmann (1997), S. 356f.

379 Vgl. Horvarth/Jonas (1998), S. 2lff.

380 Vgl. Czech National Bank (1995), S. 27.

Indem die Expansion der Geldmenge M2 angesichts der starken Kapitalzuflüsse deutlich über den Zielgrößen lag, erhöhte sich der Druck auf die Geld- und Wechselkurspolitik.

Zum einen begegnete die Zentralbank dieser Entwicklung mit hohen Sterilisierungs-maßnahmen (1995: rd. 4 Mrd. USD), um das rigide Festkurssystem zu stützen. Zum an-deren implementierten die Währungshüter am 24. April 1995 zur Verlangsamung der kurzfristigen, spekulativen Kapitalimporte eine Steuer in der Höhe von 0,25% auf Transaktionen mit ausländischen Devisen für Banken sowie andere Teilnehmer am De-visenmarkt. Diese Mechanismen erwiesen sich als nicht ausreichend, um eine Verlang-samung der kurzfristigen Kapitalzuflüsse zu erreichen. Darüber hinaus trug auch die Fiskalpolitik, die über einen restriktiveren Ansatz die inländische Überschußnachfrage sowie entsprechende Überhitzungsanzeichen hätte dämpfen müssen, zu diesem Zeit-punkt zu keiner Begrenzung der Nettokapitalzuflüsse bei. Vielmehr beschleunigten sich die Portfolioinvestitionen weiter, so daß 1996 der Kapitalbilanzüberschuß weit über dem Leistungsbilanzdefizit von 7,3% des BIP lag.381

Der Zeitraum zwischen 1996 und 1997 ist durch eine Eintrübung des gesamtwirtschaftli-chen Umfeldes in Tschechien mit zurückgehenden realen Wachstumsraten sowie einer drastischen Erhöhung des Leistungsbilanzdefizits gekennzeichnet. Obgleich die beste-hende Festkursstrategie ursprünglich zur Preisniveaustabilisierung implementiert wurde, verhinderte das Wechselkurssystem nun maßgeblich einen schnelleren Inflationsabbau.

Die hohen Sterilisierungsmaßnahmen konnten angesichts der gestiegenen Kapitalmobi-lität keine Aufblähung der inländischen Geldmenge verhindern. Bei ausbleibender Re-aktion der Fiskalpolitik entschieden sich die Währungshüter, das bestehende Schwan-kungsband um die zentrale Parität am 28. Februar 1996 auf plus/minus 7,5% zu erwei-tern. Durch diese Maßnahme sollte das Wechselkursrisiko für Portfolioanlagen erhöht und somit das Volumen kurzfristiger Kapitalimporte reduziert werden.382

Gleichzeitig konnte ein größerer Spielraum für die Geldpolitik geschaffen werden, um über eine Rückführung der moderaten Inflationsraten das Ausmaß der ungleichgewichti-gen realen Aufwertung zu begrenzen. Auf den Devisenmärkten wurde zunächst die er-wünschte Wirkung erzielt: In der Folgezeit sank der Anteil an 'hot money', und die Kro-ne wertete ohKro-ne InterventioKro-nen inKro-nerhalb des Schwankungsbandes ab.383 Im Mai 1996 erfolgte ein geldpolitischer Kurswechsel, indem die Zentralbank durch Zinserhöhungen auf einen restriktiveren Kurs einschwenkte. Zwar sollte dies einerseits die dynamische Importnachfrage zügeln und die Handelsbilanz entschärfen. Andererseits trugen die hö-heren Realzinsen zu erneut ansteigenden Kapitalzuflüssen sowie einer aufwertenden Krone bei.384 In den Folgemonaten sah sich die Krone mit einem anhaltenden Aufwer-tungstrend konfrontiert und notierte weitgehend in der stärkeren Bandhälfte.

381 Vgl. Kutan/Brada (1999), S. 6.

382 Vgl. Czech National Bank (1996), S. 39.

383 Allein die Kapitalabflüsse innerhalb von drei Tagen nach Erweiterung der Bandbreiten betrugen rd.

600 Mio. USD, vgl. Koch (1997), S. 11.

384 Vgl. Begg (1998), S. 18.

4.2.4 Tschechische Währungskrise im Mai 1997 (Phase 3)

Das Jahr 1997 war aus monetärer Sicht durch die Währungskrise385 im Mai geprägt, an deren Ende die Aufgabe des Festkursregimes und der Übergang zu einem managed floating stand. Die Ökonomie war im Vorfeld der Währungskrise durch eine deutliche Verschlechterung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen gekennzeichnet:

Während sich das Leistungsbilanzdefizit weiter drastisch auf mehr als 1,4 Mrd. US-Dollar im ersten Quartal ausweitete, wurden die Wachstumsprognosen für diesen Zeit-raum angesichts eines deutlich sinkenden Wachstumsbeitrages von Seiten des Außen-handels kontinuierlich nach unten korrigiert. Der reale BIP-Zuwachs im ersten Quartal lag schließlich nur bei 1,5%386, nachdem im Vorquartal noch ein Wachstum von 4,5%

verzeichnet werden konnte. Dieser Wachstumseinbruch wurde von deutlich zurückge-henden Steuereinnahmen begleitet, so daß sich das Haushaltsdefizit im ersten Quartal auf 2,2% des BIP (Q4 1996: 0,5%) deutlich verschlechterte. Gleichzeitig verringerte sich der Bestand an Devisenreserven von 12,35 Mrd. US-Dollar am Jahresende 1996 sukzessiv bis auf 9,95 Mrd. US-Dollar im Mai. Schließlich lagen die Steigerungsraten der Reallöhne deutlich über dem Wachstum der Arbeitsproduktivität. Insgesamt spie-gelte diese Konstellation mit einer drastischen Verschlechterung der Fundamentalfakto-ren wähFundamentalfakto-rend der ersten Monate 1997 ein offenkundiges Risikopotential für die Entste-hung einer Währungskrise wider.387

Angesichts dieser massiven Eintrübung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen entstanden Unstimmigkeiten innerhalb der Regierung über eine angemessene Reaktion der Wirtschaftspolitik. Zudem kam es zu einem offenen Dissens zwischen Regierung und Zentralbank, als die Währungshüter zur Umsetzung einer expansiveren Geldpolitik aufgefordert wurden.388 Die Entwicklungen induzierten ein hohes Maß an Unsicherheit auf den Devisenmärkten. Es erfolgte zunehmend eine Substitution von in Kronen deno-minierten Wertanlagen in Auslandswährung. Dem Aufwertungstrend der Krone, der durch starke Kapitalzuflüsse gestützt wurde, folgte ab der zweiten Februarhälfte ein suk-zessiver Wertverlust innerhalb der bestehenden Schwankungsbreite. Der Eintrübung des wirtschaftlichen Umfeldes wurde von Regierungsseite erstmals am 16. April begegnet, indem ein Stabilisierungspaket mit kurz- und mittelfristigen Maßnahmen verabschiedet wurde ( The correction of economic policy and other transformation measures ). 389

385 Eichengreen/Rose/Wyplosz (1995) definieren eine Währungskrise wie folgt: "A situation which entails a speculative attack which causes the exchange rate to depreciate or forces the authorities to de/end it by radically raising interest rates or expending reserves. " Vgl. auch Deutsche Bundesbank (1999), S. 18f. Wie noch gezeigt wird, sind beide Bedingungen für eine Währungskrise im Falle Tsche-chiens erfllllt.

386 Angaben als Wachstumsraten gegenüber dem Vorjahr.

387 Vgl. Ohr (1998a), S. 252f. für Früherkennungs-Indikatoren einer Währungskrise.

388 Vgl. Dedek (1997), S. 25.

389 Vgl. OECD (1998), S. 15f.

Das Programm enthielt unter anderem die folgenden Kernelemente:

• Reduzierung der Staatsausgaben um 25,5 Mrd. CZK

• Zinslose Bardepotpflicht (6 Monate) von 20% des Wertes ausgewählter Konsumgü-terimporte

• Beschleunigung der Privatisierungsmaßnahmen von strategisch wichtigen Unter-nehmen

Zwar wurde durch das Stabilisierungsprogramm der Abwertungsdruck vorübergehend reduziert, jedoch sahen die Finanzmärkte in den implementierten Maßnahmen im Grundsatz eine ungenügende Gegensteuerung mit geringer Glaubwürdigkeit.390 Die Re-aktion der Marktteilnehmer ist vor allem in Verbindung mit dem von Regierungsseite anvisierten Wachstumseffekt dieses ersten Maßnahmenpaketes zu sehen. Zwar erfolgte die Implementierung in Abstimmung mit der Zentralbank, jedoch wurden die divergie-renden Zielvorstellungen von Regierung (Wachstumsförderung) und Zentralbank (Infla-tionsreduktion und Entschärfung des außenwirtschaftlichen Ungleichgewichts) von den Märkten als widersprüchlich aufgefaßt.391

Insgesamt sind für das 'timing' der Währungskrise folgende vier Entwicklungen relevant:

Insgesamt sind für das 'timing' der Währungskrise folgende vier Entwicklungen relevant: