• Keine Ergebnisse gefunden

Transfer – Gibson zwischen Rom und London

Im Dokument John Gibson & Antonio Canova. (Seite 107-118)

Die zentrale Bedeutung des Austauschs zwischen Rom und London wird vor allem mit Blick auf die Idealskulptur deutlich, welche im 19. Jahrhundert als die höchste Gattung der Skulptur angesehen wurde.1 Mit dem Ankauf der El-gin Marbles in den Jahren 1816/17 waren erhebliche Erwartungen an die bri-tischen Bildhauer einhergegangen. Man erhoffte, dass der Import der Skulp-turen des Parthenonfrieses sich in ähnlicher Weise auf die Kunst auswirken würde wie einst der Export griechischer Kunst nach Rom.2 Doch erst unter Königin Viktoria kam es zu einem Durchbruch der Bildhauerei jenseits von Porträt-, Denkmals- und Architekturskulptur. In den Untersuchungen zur viktorianischen Kunst wird dies mit der schwierigen Marktsituation

begrün-det.3 Porträt- und Grabmalskulptur wurde in Großbritannien in großer Zahl gekauft, Idealskulptur nur in sehr viel geringerem Maße. Jedoch bedarf diese Feststellung – auf welche sich schon die Zeitgenossen beriefen4 – einer diffe-renzierten Betrachtung. Denn es waren gerade britische Auftraggeber, die seit 1815 in erheblichem Umfang Idealskulptur aus Rom importierten. Dies wiede-rum führte dazu, dass entscheidende Anstöße für das Erstarken auftragsloser Skulptur in Großbritannien im engen künstlerischen Austausch mit Rom, sei es durch den Import von Werken oder die dortige Ausbildung von Künstlern, lagen. Schon die Zeitgenossen identifizierten Canovas zentrale Rolle diesbe-züglich.5 Es war wohl kein Zufall, dass es mit Gibson, einem britischen Bild-hauer aus seiner Werkstatt, gelang, mit seinen Idealskulpturen sehr bald große Erfolge zu verbuchen. Die frühe Aufmerksamkeit für seine Werke bei briti-schen Sammlern und Kritikern basierte fast ausschließlich auf der Protektion Canovas. Es war der britische „Canova-Schüler“, für den sich Auftraggeber wie der 6th Duke of Devonshire und George Beaumont interessierten. Nach Ca-novas Tod im Jahre 1822 gelang es Gibson, direkt in die Lücke zu stoßen, die der Venezianer hinterlassen hatte. Gemeinsam mit weiteren britischen Bild-hauern, die in den frühen 1820er Jahren nach Rom kamen, etablierte er eine anglo-römische Schule für klassizistische Bildhauerei.

Gibsons studio in der Via della Fontanella zählte bald zu den größten Werk-stätten Roms. Es umfasste 1841 die Hausnummern 4–7 mit mehr als sieben

1 S. Kapitel Die Skulptur in London 1816/17.

2 Pavan 2004a, S. 194.

3 Read 1982, S. 128.

4 Im Art Journal wurde 1870 anlässlich des Todes von Gibsons Schüler Benjamin Edward Spence über die ausweglose Situation der Bildhauer berichtet : „[…] the result of the sale only confirms what we have frequently had occasion to remark, that there is little or no taste for, and less desire to acquire, ideal sculpture on the part of our patrons of art. Portrait statues and busts are ‚plentiful as blackberries‘ ; they gratify one’s vanity, or proclaim good deeds, and English sculptors manage to live by them, while, as a rule, imaginative works are little more than ‚drugs on the market !‘“ The Art Journal 1870, S. 221, zit. nach Greenwood 1998, S. 41, Clark 1852, S. 76–78.

5 Diese Ansichten wurden von J. Beavington Atkinson und Edmund Gosse im Art Journal ver-breitet, vgl. Greenwood 1998, S. 54–57. Auch William Calder Marshall betonte Canovas Rolle 1837 in einem Brief an seinen Vater : „Canova had made a vast step towards simplicity, which is the most difficult thing in sculpture“. RAA/Marshall Papers/3, William Calder Marshall an seinen Vater, 24. Mai 1837.

106 | Transfer – Gibson zwischen Rom und London

Räumen.6 Die Werkstattbücher des Briten machen deutlich, wie viele Mitar-beiter an den dortigen Arbeiten beteiligt waren.7 Er selbst war vor allem für die Anfertigung der Präsentationsskizzen8, Bozzetti und der kleinformatigen Modelle zuständig. Das Abgießen in Gips,9 die Übertragung in ein großes For-mat, das Aufrichten und Vorbehauen des Marmorblocks10 bis hin zur Ausfüh-rung der Details wurde dabei spezialisierten Arbeitskräften übertragen.11 Fest angestellt war, soweit ersichtlich, einzig der Steinmetz und Bildhauer Felice Baini, der oft für mehrere Monate an einzelnen Werken Gibsons arbeitete.12 Er taucht über die gesamte Karriere Gibsons in seinen Notizen auf, leitete die Arbeitsabläufe und vertrat ihn in seiner Abwesenheit.13

In der Werkstatt wurden zahlreiche Reproduktionen nach großen Gips-modellen angefertigt.14 Diese Arbeitsweise hatte bereits Canova etabliert und

6 Dort befanden sich das ‚Studio Grande‘, in welchem Gibsons Marmorskulpturen ausgestellt wurden, der ‚Camerino Scuro‘ mit Abgüssen und Antiken, ein ‚Camerino‘ mit Reliefs und Gip-sen, ein ,Camerino di sopra‘ und die ,Camere No. 4–7‘, welche die Gipsmodelle beherbergten.

Eine wichtige Quelle zur Rekonstruktion der Werkstatt ist eine Werkliste, die nach Gibsons Tod von seinem Nachlassverwalter angefertigt wurde : In ihr verzeichnete er nicht nur, welche Arbeiten sich noch im Atelier befanden, sondern nannte auch deren genauen Standort. RAA/

GI/4/47. Außerdem beschreibt seine Schülerin Harriet Hosmer, die ebenfalls einen Raum in Gibsons Werkstattkomplex hatte, diesen folgendermaßen : „Gibson’s studio (..) consisted of a series of rooms, in one of which Canova had worked. (..) passing through a gallery filed with Gibson’s own works and crossing a garden bright with flowers and ferns, one ascended a flight of steps to a small workroom lighted by an arched window.“ Carr 1912, S. 22.

7 Die Account Books sind in der Royal Academy unter den Signaturen GI/6/1–5 aufbewahrt.

Wobei GI/6/1 eine ungeordnete Ansammlung von Informationen darstellt. Diese werden in Account Book GI/6/2 in Reinschrift gebracht. Darüber hinaus geht das Account Book 2 in seinen Aufzeichnungen bis in die 1860er Jahre. Die Account Books 3–5 enthalten weniger übersichtliche Informationen und sind sehr fragmentarisch.

8 In der Royal Academy finden sich einzelne aus zwei großen Foliobänden herausgeschnittene querformatige Blätter, auf welche Gibsons Skizzen geklebt wurden – teilweise sogar mit Passe-partout. Die Skizzen des einen Bandes zieren nachträglich aufgebrachte, doppelte Umrahmun-gen aus Tinte. Die Sandbachs bestellten ihren Meleagros, soweit aus den Memoiren ersichtlich, nach mehreren Skizzen.

9 In den Werkstattbüchern wird im Zusammenhang mit den Gipsabgüssen für das Altenaumu-seum der Name Voltieri genannt, sonst wird allerdings nur allgemein auf den ,caster‘ verwie-sen. RAA/GI/4/2. Im Falle des Modells der Theseusskulptur war ein gewisser Filippo Malpiere der Gießer und erhielt hierfür 120 Scudi (100 für die Form und 20 für den Guss).

10 Den Marmor bezog er von verschiedenen Lieferanten in Carrara, von wo aus dieser, wie be-reits im Zusammenhang mit Mars und Amor erläutert, über das Meer, dann über den Tiber zum Hafen von Ripa Grande und von dort mit Ochsenkarren in seine Werkstatt gebracht wurde. S. Kapitel Mars und Amor.

11 Es finden sich in den Unterlagen Namen von Gipsabgießern, Punktierern, Steinmetzen, Po-lierern und verschiedener Hilfsarbeiter, die meist für mehrere Tage an den einzelnen Werken mitarbeiteten, etwa Battoni (Punktierer), Babboni, Bonanni und Celso (Steinmetze). Darüber hinaus arbeiteten noch weitere Steinmetze für Gibson, die schlicht als „mason“ aufgeführt sind.

Ebenfalls anonym sind die Arbeiter aufgelistet, die Attribute wie zum Beispiel die Verzierun-gen des Helms des Mars, die Flügel der Psyche, die Vase des Hylas oder die Haare der einzelnen Figuren anfertigten. Die Kosten für die Ausführung der Attribute waren meist sehr gering. Die Anbringung eines Feigenblattes lag zum Beispiel bei 2 Scudi. Vgl. RAA/GI/4/2, GI/6/3.

12 An der Version des Amor für Lord Selsey arbeitete er zum Beispiel 36 volle Tage, wobei die Flügel der Figur, die Haare und die Attribute von anderen Steinmetzen ausgeführt wurden. Mit der dreifigurigen Gruppe der Psyche von Zephyrn getragen für die Torlonia war Baini rund 145 Tage beschäftigt.

13 NLW, Gibson Papers, John Gibson an Margarete Sandbach, 1. Mai 1851.

14 In Gibsons Werkstatt wurde der Amor als Schäfer verkleidet mindestes sieben Mal reproduziert, der Meleagros immerhin vier Mal.

Transfer – Gibson zwischen Rom und London | 107

Thorvaldsen derart gesteigert, dass sogar während seiner Abwesenheit wei-terproduziert werden konnte.15 Gibson hielt von einzelnen Kompositionen Marmorversionen vorrätig, die von Käufern direkt mitgenommen werden konnten.16 Neben ganzfigurigen Skulpturen wurden Büsten als kostengünstige Variante angeboten17 und das Angebot somit der Nachfrage durch die Reisen-den angepasst. Auf diese Weise wurReisen-den innerhalb der 48 Jahre, die Gibson in Rom arbeitete, rund 350 Gipsmodelle, Idealskulpturen, Grabmäler und Büsten angefertigt.18 Gibson berechnete die Preise hierfür nach einem standardisier-ten System : Sie lagen bei £30 bis £40 für ideale Büsstandardisier-ten, £45 bis £70 für Porträt-büsten19, £100 bis £200 für Reliefs und £250 bis £1000 für freistehende Plasti-ken je nach Größe, Figurenzahl und Auftraggeber. Und obwohl Gibson immer wieder betonte, für den Ruhm und nicht für das Geld zu arbeiten,20 berechnete

er doch immer wieder Zwischensummen seiner Gewinne.21 Etwa hatte er 1836 nur mit dem Verkauf von Büsten eine Summe von £1225 erwirtschaftet und die siebenfache Reproduktion des Amor verkleidet als Hirtenjunge (s. Abb. 75) brachte ihm mehrere Tausend Pfund ein.

Der ununterbrochene Romaufenthalt Gibsons von 1817 bis 1866 markierte eine wichtige Phase für seine Integration in die internationale Künstlerge-meinde. Von Beginn an, vor allem während seiner Studienzeit an der Aka-demie, hatte er Kontakte zu italienischen Kollegen geknüpft, etwa dem Gem-menschneider Tommaso Saulini, mit dem ihn Zeit seines Lebens eine enge Freundschaft verband.22 Er war Gründungsmitglied der Società degli amatori e cultori di belle arti, welche am 8. Dezember 1829 ins Leben gerufen wurde23 und jährliche Ausstellungen der internationalen Künstlergemeinde auf dem Kapitol organisierte.24 1833 wurde er Mitglied der Accademia di San Luca.25 Zudem pflegte Gibson enge Kontakte zu den deutschen Künstlern in Rom. Jo-seph von Kopf schreibt in seinen Memoiren, dass der Brite sogar Deutsch ver-stand und in geringem Maße auch sprechen konnte.26 Nachweislich tauschte er sich nicht nur mit Thorvaldsen, sondern auch mit den Nazarenern und den

15 Zur den Werkstattabläufen bei Thorvaldsen vgl. Kat. Ausst. Germanisches Nationalmuseum 1991, Kapitel V. „Thorvaldsen als Künstler und Unternehmer“, mit Beiträgen von Peter

Sprin-ger, Harald Tesan, Peter Laub und Günter Lorenz.

16 Eastlake 1870a, S. 7–8.

17 Fünfzehn Büsten der Nymphe mit Sandale tauchen in Gibsons Rechnungsbüchern auf. Auch die Büste der Helena wurde knapp zehn Mal reproduziert. Auch bot die Anfertigung von Por-trätbüsten eine gute Möglichkeit zu Nebenverdiensten. Bei diesen fertigte Gibson lediglich das Gesicht selbst an, die Haare wurden von spezialisierten Arbeitskräften ausgeführt und variierten je nach Komplexität der Frisur im Preis. RAA/GI/6.

18 Eine genaue Auflistung findet sich in der Werkliste im Anhang der Arbeit.

19 Damenporträts waren aufgrund der Locken teurer als männliche Porträts.

20 Eastlake widmete ein ganzes Unterkapitel der Memoiren Gibsons seiner „Indifference to mo-ney“. Vgl. Eastlake 1870a, S. vii.

21 RAA/GI/6/2.

22 Dickmann de Petra/Barberini 2006, S 14. Gibsons Verhältnis zu den Saulini wird im Kapitel Exkurs : Gibsons Werke in der Glyptik ausführlich besprochen.

23 Spadini 1998, S. 18.

24 Die frühen Ausstellungskataloge und Dokumente des Künstlervereins sind verloren, so dass nichts darüber bekannt ist, welche Werke Gibson dort ausstellte. Vgl. Spadini 1998, S. 20.

25 ADSL : Busta 106, n. 40 Lettera di Giovanni Gibson a Giuseppe Fabris Presidente, 27. Januar 1847.

108 | Transfer – Gibson zwischen Rom und London

Künstlern im Umkreis von Ludwig I. von Bayern wie Peter von Cornelius und Leo von Klenze aus.27

Die römischen Zeitschriften berichteten seit den 1820er Jahren regelmäßig über ihn und seine Werke. Anfang des 19. Jahrhunderts hatte es in Rom zwar aufgrund der Zensur unter Napoleon und den Jahren der Restauration nur wenige Kunstzeitschriften gegeben, doch lässt sich auch für Rom in den

fol-genden Jahrzehnten ein Anstieg konstatieren.28 Von 1806 bis 1819 erschienen die Memorie enciclopediche romane sulle belle arti, antichità etc. von Antonio Guattani,29 seit 1819 das Giornale arcadico di scienze, lettere ed arti, welches neben Themen zu Wissenschaft und Literatur auch Artikel zur zeitgenössi-schen Kunst publizierte.30 Ab 1826 wurde Il Tiberino publiziert, welcher von Gaspare Servi herausgegeben wurde,31 von 1835 bis 1840 L’ape italiana delle belle arti. Giornale dedicato ai loro cultori ed amatori, mit Giuseppe Melchiorri als Herausgeber, das Stiche nach modernen Kunstwerken enthielt.32 Darüber hinaus wurde monatlich das Giornale delle belle Arti herausgebracht.33 Außer-dem wurde von 1846 bis 1849 mit The Roman Advertiser sogar eine englisch-sprachige Zeitschrift in der Tiberstadt von I. Hermans publiziert.34 Gibson war in diesen römischen Journalen außerordentlich präsent. Im Giornale Arcadico, der Ape italiana, dem Album und dem Giornale delle Belle Arti tauchen seine Werke mehrfach auf.35 Il Tiberino widmet seiner Venus Verticordia 1836 einen

27 NLW, 4914D, Gibson an Clements, 9. November 1833.

28 Majolo Molinari 1963, S. LXXII.

29 Majolo Molinari 1963, S. 589.

30 Majolo Molinari 1963, S. 437, 776.

31 Majolo Molinari 1963, S. 933, 1626.

32 Majolo Molinari 1963, S. 43.

33 Majolo Molinari 1963, S. 452.

34 Majolo Molinari 1963, S. 850–851, 1626.

35 Giornale Arcadico, Bd. 14, S. 389, Giornale delle Belle Arti, Bd. 1, S. 11, 20, Ape Italiana, Bd. 1, S. 41–42, Bd. 2, S. 23–25, Bd. 3, S. 28, Bd. 4, S. 12–13, L‘Album, Bd. 3, 1836, S. 59, Bd. 4, 1837, S. 127.

Abb. 77  : Richard James Wyatt (vollen-det von Gibson)  : Diana (1850), Marmor,  155,5 cm, Royal Collections, London. 

© Royal Collection Trust/© Her Majesty  Queen Elizabeth II 2018.

Abb. 78  : Richard James Wyatt  : Nymphe,  Marmor, 152, 5 x 50 x 60 cm, Tommaso   Brothers, London. © Tommaso Brothers  Ltd.

Abb. 79  : Richard James Wyatt  : Diana mit  Hund, Royal Collections, London. 

© Royal Collection Trust/© Her Majesty  Queen Elizabeth II 2018.

Transfer – Gibson zwischen Rom und London | 109

ganzseitigen Artikel.36 Zudem fand er natürlich sehr große Aufmerksamkeit im Roman Advertiser in der Rubrik Fine Arts.37

Auch innerhalb der britischen Künstlergemeinde kam ihm eine Schlüssel-rolle zu. William Calder Marshall berichtete in einem Brief an seine Mutter von 1836 begeistert über die Geselligkeit des „berühmten Gibson“, der sich re-gelmäßig mit seinen britischen Kollegen im Café treffe, und verweist vermut-lich auf das Caffè Greco, in welchem Gibson laut Joseph von Kopf ein häufiger Gast war.38

Seit den 1820er Jahren hatte sich eine kleine Gemeinde von Expatriates for-miert, die sich für längere Zeiträume am Tiber niederließen und ihre Werke vor allem an britische Reisende verkauften. Gibson, der nach den Napoleoni-schen Kriegen als Erster von ihnen nach Rom gekommen war, wurde schon in den 1820er Jahren zum hervorragend vernetzten Veteran sowie zur zentralen Anlaufstelle für junge britische Künstler.

Die meisten dieser Bildhauer fanden bislang nur geringe Aufmerksamkeit in der Forschungsliteratur : so Richard James Wyatt, Lawrence Macdonald,39 Joseph Gott, John Hogan,40 William Theed II.,41 George Rennie,42 William

36 Il Tiberino, 15. Oktober 1836, S. 162.

37 The Roman Advertiser, 7. November 1846, S. 21, 47, 2. Januar 1847, S. 82, 23. Januar 1847, S. 108, 17. April 1847, S. 205, 11. Dezember 1847, 11. Februar 1848 und 13. Januar 1843.

38 Kopf 1899, S. 59.

39 Lawrence Macdonalds (1799–1878) Aufenthalt dauerte drei Jahre, dann kehrte er nach Groß-britannien zurück, bevor er sich 1832 endgültig am Tiber niederließ und nach Thorvaldsens Tod eine seiner Werkstätten übernahm. Er schuf knapp vierzig Idealskulpturen, darunter der Hyacinth und die Bacchante aus dem Jahre 1842.

40 John Hogans (1808–1858) berühmteste Figur wurde der Betrunkene Faun, der aus einem Gespräch mit Gibson entstand, in dem Letzterer meinte, dass schon jede mögliche Pose des menschlichen Körpers dargestellt worden sei, woraufhin Hogan den Faun in einer außerge-wöhnlichen Komposition umsetzte.

41 Hardy 2009e, S. 1236–1243.

42 George Rennies (1802–1860) Werk Amor entzündet die Fackel von Hymen zeigt enge Paralle-len zu Teneranis Gruppe der Genien für das Grabmal des Grafen von Leuchtenberg, welche zum Zeitpunkt von Rennies Romaufenthalt entstand. BDSB 2009, S. 1029–1030.

Abb. 80 (rechs)  : Henry Timbrell  : In-disches Mädchen (1848), Marmor,  103 × 66 × 60,5 cm, Royal Collections, Lon-don. © Royal Collection Trust/© Her Majesty  Queen Elizabeth II 2018.

Abb. 81 (links)  : John Hogan  : Der betrun-kene Faun (1826), Gips, 98 × 155 × 70 cm,  Crawford Art Gallery, Cork. © Crawford Art  Gallery, Cork.

110 | Transfer – Gibson zwischen Rom und London

Calder Marshall, George Gamon Adams, Henry Timbrell43 und Benjamin Edward Spence44. Mehr Interesse weckte die jüngere Generation mit Harriet Hosmer45, Mary Thornycroft und Frederic Leighton46. Doch neben ihnen fin-den sich auch Bildhauer, wie Mary Llyod47 aus Australien oder Alfred Gatley, die heute nahezu unbekannt sind. Auch ihre Werke – Marshalls Zurückgewie-sene Hebe (s. Abb. 76), Wyatts Diana, Nymphe und Diana mit Hund (s. Abb.

77–79), Timbrells Indisches Mädchen (s. Abb. 80) oder Hogans Betrunkener Faun (s. Abb. 81), um nur ein paar Beispiele anzuführen – fristen bis heute ein Schattendasein in der Literatur zur britischen Skulptur des 19. Jahrhunderts.

Dabei verkauften diese Künstler nahezu alle ihre Werke nach Großbritannien und waren somit für den Transfer römischer Skulptur nach Großbritannien verantwortlich. Gerade die jüngere Generation tauschte Themen der antiken Mythologie und Dichtung immer häufiger gegen literarische Motive etwa von Dante, Shakespeare und Milton, aus der Geschichte des Mittelalters oder aus Heldensagen aus und übertrug diese in eine neue Formensprache, wie sie sich in Hosmers Schlafendem Faun, dem Puck und ihrer Beatrice Cenci manifestiert (s. Abb. 82–84). Gibson vermittelte ihnen wichtige Kontakte zu Künstlern und Sammlern.48

Gibson verfügte über ein engmaschiges Netzwerk zu britischen Auftragge-bern.49 Exemplarisch lässt sich die Struktur der Auftraggeber Gibsons anhand der Versionen des Meleagros aufzeigen, welcher in vier Versionen entstand.

Den ersten Auftrag erhielt Gibson vom bereits erwähnten Henry Sandbach, Sohn eines erfolgreichen West-India-Händlers aus Liverpool. Er und seine Frau Margaret, die Nichte von William Roscoe, entstammten der aufstreben-den Liverpooler Mittelschicht, die ihr Vermögen vor allem durch Bankge-schäfte, Handel und Industrie erworben hatte. Das Ehepaar verbrachte den Winter 1838/39 in Rom, wo es in Gibsons Werkstatt eine Marmorskulptur

43 Henry Timbrell (1806–1849) hinterließ eine unfertige weibliche Sitzfigur Indisches Mädchen (s. Abb. 80), die sein Studium der Ohnmächtigen Psyche Teneranis und von Gibsons Psyche von Zephyrn getragen verrät und welche Gibson und Wyatt nach seinem Tod vollendeten. BDSB 2009, S. 1272.

44 Gibson bezeichnete den jungen Benjamin Edward Spence (1822–1866) allerdings als „slightly behindhand in his art“, der ein „regular ABC study of the figure from the antique“ nötig hätte.

45 Harriet Godhue Hosmer (1830–1908) stammte aus Watertown, Massachusetts. 1853 führte Gibson Christian Daniel Rauch während seines Romaufenthalts durch die Werkstatt seiner Schülerin, deren Werke den Beifall des deutschen Besuchers fanden. Carr 1912, S. 24.

46 Frederick Leighton (1830–1896), selbst Maler und Bildhauer, folgte seine ganze Karriere hin-durch antiken Vorbildern und wurde später zum Präsidenten der Royal Academy. Carr 1912, S. 337–338. Leighton berichtet in seiner Autobiographie, dass er Gibson sehr gut kannte. Zwar betont er mehrfach, dass Gibson als Bildhauer keinen Geschmack für Malerei besessen habe, jedoch verweist er auf dessen freundliche Unterstützung. So brachte Gibson 1860 den Prince of Wales und Mr. Bruce in die Werkstatt von Leighton in Rom und pries dort dessen Werke an.

Russel Barrington 1906, Bd. 1, S. 114, 81, 262, 78, Bd. 2, S. 39.

47 Carr 1912, S. 216.

48 Dies zeigt sich am deutlichsten am Reisetagebuch von Prinz Albert Edward in den Royal Ar-chives in Windsor, aus welchem ersichtlich wird, dass Gibson den Kronprinzen durch mehr als 50 Künstlerwerkstätten führte. RC/Prince of Wales Journal Rome 1859. Es ist bemerkenswert, dass der Großteil der Werke sowohl von Gibson als auch von seinen Kollegen an britische Reisende verkauft wurde. (Mit Alessandro Torlonia ist, soweit ersichtlich, nur ein einziger rö-mischer Auftraggeber von Gibson dokumentiert.)

49 Susinno und Di Majo haben in ihrem Aufsatz zu Thorvaldsen festgestellt, dass der Däne zu-nehmend vom Künstler zum „Produzenten“ und der Auftraggeber zum unbeteiligten Käufer wurde. Diese Beobachtung lässt sich nur bedingt auf Gibson übertragen. Di Majo/Susinno 2009, S. 87.

Abb. 82–83  : Harriet Hosmer  : Puck,   Marmor, Walker Art Gallery, Liverpool. 

© Anna Frasca-Rath.

Transfer – Gibson zwischen Rom und London | 111

nach dem Entwurf des Meleagros bestellte.50 Kurze Zeit darauf wurde eine zweite Version des Meleagros von Charles Anderson-Pelham, dem 2nd Earl of Yarborough in Auftrag gegeben, der dem britischen Adel entstammte und in seinen Landhäusern große Sammlungen in der Tradition des 18. Jahrhunderts beherbergte.51 Gibson hatte Charles Anderson-Pelham, den 1st Earl of Yarbo-rough (1781–1846), bereits zu Beginn der 1820er Jahre durch die Vermittlung

50 Matthews 1911, S. 96. Anders als die meisten Sammler aus der gehobenen Mittelschicht, die Skulpturen meist zur Ausstattung ihrer Häuser erwarben, verfolgte Sandbach das Ziel, eine Skulpturengalerie in seinem Landsitz Hafodunos Hall zu errichten. Mehrere flüchtige Skizzen zu dem Projekt finden sich in den Gibson-Sandbach-Papers in der National Library of Wales.

Der Anbau wurde, wie heutige Aufnahmen des 2005 durch einen gelegten Brand zerstörten

Der Anbau wurde, wie heutige Aufnahmen des 2005 durch einen gelegten Brand zerstörten

Im Dokument John Gibson & Antonio Canova. (Seite 107-118)