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2.2 Eigenschaften poröser Werkstoffe

2.2.3 Tränkung poröser Medien

In porösen Werkstoffen bewirken die zuvor geschilderten Benetzungsvorgänge, dass Flüssigkeiten aufgesogen werden können. Dies ist der Kapillareffekt. Wird die untere Öffnung einer vertikalen Kapillare mit der Oberfläche einer benet-zenden Flüssigkeit der DichteρLin Kontakt gebracht, bildet sich als Resultat

Abbildung 2.7: Unterschiedliche Kontaktwinkel zwischen Flüssigkeit und Substrat nachGENNES ET AL.(2010)

der Wechselwirkung der Grenzflächenspannungen zwischen Flüssigkeit und dem Material der Kapillare eine Flüssigkeitssäule aus, die über das Flüssigkeits-niveau hinaus bis zur kapillaren Steighöhehvordringt (STROPPE2015, S. 120).

Die Flüssigkeitssäule benetzt dabei die Innenfläche der Kapillare. Gegenüber dem Luftdruck der Umgebung bildet sich in der Kapillare ein Unterdruck, der das Emporsteigen der Flüssigkeit entlang der Innenwand unter Bildung eines konkaven Meniskus bewirkt (CZESLIK ET AL. 2010, S.201). Diese Erscheinung wird als Kapillaraszension bezeichnet und ist der Grund für den Anstieg von Flüssigkeiten in porösen Medien. Im Gegensatz dazu unterschreitet bei der Kapillardepression eine nicht benetzende Flüssigkeit (θ>90) das anfängliche Flüssigkeitsniveau, sodass ein konvexer Meniskus vorliegt. Der kapillare Fluss kommt zum Erliegen, wenn der Kapillardruck dem hydrostatischen Druck entspricht. Die aufgrund der Schwerkraft beschränkte kapillare Steighöhehbei Umgebungsdruck lässt sich anhand der Gleichung

h= 2·σLG·cosθ

ρL·g·r (2.6)

mit der Erdbeschleunigunggberechnen (STROPPE2015, S. 120). Ab dieser Höhe muss zur weiteren Tränkung ein zusätzlicher Druckgradient auf die Flüssigkeitssäule wirken.

Anstieg einer Flüssigkeitssäule

Da in Gleichung 2.6 zeitunabhängige Größen verwendet werden, lässt sich damit nur der Endzustand kapillarer Tränkung in Form der kapillaren Steighöhe

hberechnen. Für den zeitlichen Verlauf des kapillaren Flüssigkeitsanstiegs, der zur Berechnung des Fortschritts der Elektrolytfront in der Zelle benötigt wird, muss deshalb die Impulsbilanz an einer Flüssigkeitssäule innerhalb einer Kapillare betrachtet werden. Nach FRIES& DREYER(2008, S. 260) werden dafür folgende Annahmen getroffen:

• Der Fluss innerhalb einer Kapillare ist eindimensional.

• Das aus der Kapillare verdrängte Luftvolumen verursacht keine Reibungs-und Trägheitseffekte.

• Es treten keine Trägheits- und Eintrittseffekte innerhalb des Flüssigkeits-reservoirs auf.

• Bei laminaren Strömungen kann der viskose Druckverlust innerhalb eines Röhrchens sowohl durch das Gesetz nach Hagen-Poiseuille als auch durch das Gesetz nach Darcy berechnet werden.

• Der Kapillardruck wird als konstant angenommen. Infolgedessen muss auch der Kontaktwinkel konstant sein.

Die Gleichung

zeigt die Impulsbilanz an einer um den Winkelψgeneigten Kapillare. Glei-chung 2.7 besteht, von links nach rechts gelesen, aus einem Term für den Kapillardruck, einem Graviationsterm, einem Druckverlustterm mit der dy-namischen Viskositätηnach dem Gesetz von Hagen-Poiseuille sowie einem Trägheitsterm. Soll der Fluss innerhalb eines porösen Mediums statt in einem kapillaren Röhrchen berechnet werden, kann anstelle des viskosen Druckver-lustterms nach dem Gesetz von Hagen-Poiseuille auch das Gesetz nach Darcy äquivalent in Gleichung 2.7 verwendet werden (FRIES& DREYER2008).

LUCAS(1918) und WASHBURN(1921) beschreiben eine analytische Lösung der Gleichung 2.7. Bei dieser können Trägheits- und Gravitationsterm vernachläs-sigt werden, wenn sich die Kapillare in der Horizontalen befindet oder nur der initiale Anstieg der Flüssigkeitssäule analysiert wird. WASHBURN(1921) geht dabei von dem in Unterabschnitt 2.2.1 vorgestellten Porenmodell aus.

Es werden jedoch parallele Kapillaren, die jeweils den gleichen Radius

besit-zen, angenommen. Gleichung 2.8 ist als „Lucas-Washburn-Gleichung“ bekannt. kann der zeitliche Verlauf kapillarer Tränkung mit der Anfangssteighöheh0 berechnet werden. Der FaktorKbeschreibt die Permeabiltät einer Flüssigkeit in einem porösen Medium. Je höher die Permeabilität ist, desto schneller verläuft der Fluss innerhalb des porösen Mediums (GENNES ET AL. 2010). Der auch experimentell feststellbare, initial sehr rasche Fortschritt der Flüssigkeitssäule wird mit Gleichung 2.8 wiedergegeben. Die Lucas-Washburn-Gleichung wird in den Veröffentlichungen, die die Benetzbarkeit von Zelllagen thematisieren, verwendet (siehe Abschnitt 3.2) und hierfür durch die Annahme vonh0 =0 weiter vereinfacht.

Präzisierung der Lucas-Washburn-Gleichung

Die klassiche Lucas-Washburn-Gleichung in der Form

h(t) =h0+K·tk (2.9)

mit dem Zeitexponentenk=0, 5 ist eine starke Vereinfachung der Kapillaritäts-effekte in porösen Werkstoffen (CAI& YU2011). Es wurden jedoch zahlreiche Ansätze veröffentlicht, die das komplexe Phänomen der Flüssigkeitsaufnahme in poröse Strukturen physikalisch und mathematisch korrekt beschreiben sol-len (GENNES ET AL. 2010). Kapillaren liegen in porösen Medien in der Regel nicht als zylindrische Röhrchen mit gleichen Durchmessern vor, sondern in gewundener Form mit ungleichmäßigen Durchmessern. Dies beeinflusst den Tränkprozess von porösen Medien entscheidend. BENAVENTE ET AL. (2002) adaptieren die Lucas-Washburn-Gleichung durch die Einführung von Formfak-toren so, dass die Mikrostruktur der porösen Medien Beachtung findet. CAI&

YU(2011) thematisieren die anhand von Experimenten mit unterschiedlichen Medien nachgewiesene Abweichung des Exponentenkvom ursprünglichen Wert aus der Lucas-Washburn-Gleichung und geben eine Tabelle mit Werten vonkfür verschiedene poröse Medien an. FRIES& DREYER(2008) zeigen, dass die Lucas-Washburn-Gleichung mit einem Fehler von bis zu 3,7 % behaftet

ist, wenn vertikale Flüssigkeitssäulen betrachtet werden, deren Steighöhe bis zu 10 % der maximal erreichbaren Flüssigkeitssäulenhöhe beträgt. Basierend auf Arbeiten von ZHMUD ET AL. (2000) stellen FRIES& DREYER(2008) eine erweiterte analytische Lösung vor, welche Trägheits- und Gravitationsterme berücksichtigt. Die Gleichung

h(t) = a

b·(1−e−b2·ta) (2.10) mit a und b definiert als

a= σLG·r·cosθ

η (2.11)

b= ρL·g·r2·sinψ

η (2.12)

beschreibt den Verlauf des Flüssigkeitsanstiegs für größere Zeitintervalle.

Fraktale Grenzflächen zwischen Fluiden unterschiedlicher Viskosität

Beim Anstieg der Flüssigkeit im Zellkörper wird ein Fluid (Gas) durch ein zweites Fluid (Elektrolytflüssigkeit) verdrängt. An der Grenzfläche zwischen Fluiden unterschiedlicher Viskosität wird durch ein Ungleichgewicht zwischen den Kräften, die aufgrund der Viskosität und des Kapillareffektes entstehen, die sogenannte „Saffman-Taylor-Instabilität“ hervorgerufen (SAFFMAN& TAYLOR

1958). Diese Instabilität bewirkt eine fraktale Struktur der Grenzfläche zwischen sich ausbreitendem und verdrängtem Fluid. Die Saffman-Taylor-Instabilität wird in dünnen Spalten wie beispielsweise der Hele-Shaw-Zelle beobachtet und zudem auch als Modell für die Strömung in porösen Medien herangezogen (LINDNER ET AL. 2000, S. A477).

Ein Sonderfall der Saffman-Taylor-Instabilität ist das „Viscous Fingering“, bei dem die Grenzfläche charakteristische, Finger-förmige Strukturen ausbildet (SAFFMAN1986). Manche in Kapitel 5 gezeigte Abbildungen, wie beispiels-weise Abbildung 5.14 (rechts) mögen entfernt an Viscous Fingering erinnern.

Voraussetzung für das Auftreten der Saffman-Taylor-Instabilität ist, dass die verdrängende Flüssigkeit eine niedrigere Viskosität aufweist als die verdräng-te (SAFFMAN & TAYLOR1958). Bei der Elektrolytbefüllung liegt jedoch der

umgekehrte Fall vor. Die Saffman-Taylor-Instabilität wird daher als irrelevant betrachtet und hier nicht weiter vorgestellt.

In der vorliegenden Arbeit liegt der Schwerpunkt auf dem Anstieg der Flüs-sigkeit im Zellstapel. Die Strömung des Fluids im getränkten porösen Medium oder zwischen zwei ebenen Platten mit sehr kleinem Abstand – beides beispiels-weise von SPURK& AKSEL(2010, S. 278 ff.) beschrieben – ist für den weiteren Verlauf nicht von Belang und wird daher hier nicht vertieft.