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II. LITERATURÜBERSICHT

3. Tiermodelle für die Untersuchung von Implantatinfektionen

Tiermodelle werden in der Forschung für unterschiedliche Zwecke verwendet. Dazu gehören unter anderem die Erprobung neuer Materialien in der Implantologie oder die präklinische Testung von Behandlungsmöglichkeiten, bevor diese Ansätze am Patienten untersucht werden (AMORENA UND GRACIA 1999; HAENLE ET AL. 2013;

NORDEN 1988; STAVRAKIS ET AL. 2015). Ebenso ist es möglich, pathophysiologische Vorgänge mit Hilfe von Tiermodellen besser zu verstehen (ARAD ET AL.2013;FOSTER 2005). Für die Untersuchung von Implantatinfektionen gibt es bereits einige Tiermodelle, wobei der Großteil dieser Modelle mit orthopädischen oder dentalen Implantaten durchgeführt wurde (ALT ET AL.2011;AN UND FRIEDMAN 1998;CHEN ET AL. 2005;FREIRE 2011;VERMA ET AL.2010).

In der Regel werden Nager für solche Modelle verwendet, wie zum Beispiel Mäuse oder Ratten. Die Haltung dieser Tiere ist einfacher und in höherer Zahl möglich als bei größeren Tieren, wie Hund, Schwein oder Schaf. Ratten eignen sich sehr gut als Modelltier, da sie nach der Maus das am zweitbesten untersuchte Versuchstier sind und aufgrund ihrer Größe erlauben, komplexere Implantate als bei Mäusen zu untersuchen. Das Genom der Ratte ist inzwischen vollständig sequenziert worden, wobei bei vielen Genen, die für die Entstehung von Krankheiten verantwortlich sind, Parallelen zum Menschen gefunden wurden (GIBBS ET AL.2004). Ein weiterer Vorteil von Nagern ist eine große kontrollierte genetische Variabilität, die im zukünftigen Verlauf eines Modells verwendet werden könnte. So zeigen zum Beispiel einige Stämme eine sehr hohe Inzidenz an Diabetes mellitus, welches unter anderem ein Faktor ist, der die Infektionsraten von Implantaten deutlich erhöht. Durch die Verwendung solcher Tiere können zusätzlich die Einflüsse verschiedener Risikofaktoren evaluiert werden (HALLAK 2014; HEINONEN ET AL. 2015; STAVRAKIS ET

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AL. 2015). Die Verwendung von Ratten als Modelltier birgt jedoch neben den genannten Vorteilen vor allem für Infektionsversuche auch einige Nachteile. Ratten haben ein sehr effektives Immunsystem, was dazu führt, dass Bakterien, die aufgrund der angestrebten prädiktiven Validität häufig humanen Ursprungs sind, sehr schnell eliminiert werden und es schwierig ist, chronische Infektionen insbesondere unter Beteiligung von Biofilmen hervorzurufen, wie sie beim Menschen vorkommen (OFLUOGLU ET AL.2007).

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Immunsystem der Tiere zu beeinflussen, um eine entsprechende Infektion durch humanpathogene Bakterien auszulösen. Ein häufig gewählter Ansatz ist die Verwendung genveränderter, immundefizienter Nacktratten zur Untersuchung solcher Infektionen (DRAKE ET AL.2011; OHASHI ET AL. 1999). Die Kosten für die Anschaffung sind jedoch verhältnismäßig hoch. Zudem sind die Haltung und das Handling der Ratten insbesondere bei chirurgischen Eingriffen vergleichsweise schwierig (JÄCKEL 2012).

Ein weiterer Ansatz wäre eine pharmakologische Immunsuppression der Tiere. Für diesen Zweck ist oft die Behandlung mit Ciclosporin A (CSA) das Mittel der Wahl und wurde schon in mehreren Tiermodellen erfolgreich verwendet (HANDRECK ET AL. 2015; DA SILVA PERALTA ET AL. 2015; ZIJLSTRA ET AL. 2009). Das Einsatzgebiet liegt hauptsächlich in der Transplantationsmedizin, wo es zur Verhinderung von Transplantatabstoßungen eingesetzt wird (SCHRAMM 2005). CSA beeinflusst durch die spezifische Hemmung der T-Zellen die zelluläre Immunantwort und wird als Calcineurin-Inhibitor eingestuft (SCHRAMM 2005;STUCKER UND ACKERMANN 2011). Die Calcineurin-Hemmung wird durch eine Komplexbildung von CSA und Cyclophilin erreicht, welches ein immunkompetentes Protein in den T-Helferzellen ist (LADENBURGER 2003; LIU ET AL. 1991). Es erfolgt eine Blockade von aktivierten T-Lymphozyten und zusätzlich wird die Antigen-Erkennung durch T-Zellen über mehrere Signalwege gehemmt (ALLISON 2000; SCHRAMM 2005). CSA zeigt jedoch relativ starke Nebenwirkungen und eine geringe therapeutische Breite (CURTIS ET AL. 1986;PADOVAN ET AL.2002;STUCKER UND ACKERMANN 2011).

Eine Alternative zur Immunsuppression der Tiere stellt die Verwendung von

rattenpathogenen Keimen dar, um die schnelle Eliminierung von Bakterien durch das Immunsystem zu erschweren und eine der humanen chronischen Erkrankung ähnliche Infektion zu simulieren (MEISSNER 1959). Auch bei Ratten kommen normale S. aureus - Stämme auf der Haut vor, sodass vor allem durch spezifisch pathogene Keime eine erkennbare Entzündung hervorgerufen werden kann.

Es gibt bereits zahlreiche Implantatmodelle, die allerdings in manchen Aspekten optimierbar sind. Man findet zum Beispiel häufig eine Vorbesiedlung der Implantate mit Bakterien in vitro, was jedoch nicht der tatsächlichen Ursache einer Implantatinfektion, nämlich der intraoperativen Kontamination oder der postoperativen, hämatogenen Absiedlung von Bakterien an dem Fremdmaterial, entspricht (BRAXTON ET AL. 2005; CAMPOCCIA ET AL. 2013; KLOOS UND BANNERMAN 1994). Zum Beispiel inkubierte FREIRE (2011) Implantate für die Maulhöhle bis zu drei Tage in einer Aggregatibacter actinomycetemcomitans-Lösung, sodass zum Zeitpunkt der Implantation bereits ein maturer Biofilm vorhanden war. Die Gruppe um INZANA ET AL. (2015) inkubierte Implantate zur Auslösung einer Osteomyelitis mindestens zwei Stunden vor der Operation in einer S. aureus-Lösung, sodass die Bakterien zum Zeitpunkt der Implantation bereits am Implantat angeheftet sein konnten. Ebenfalls wurden Zeiten von vier Stunden oder 20 Minuten bei den Versuchen von SNOWDEN ET AL. (2012) oder LI ET AL. (2008) verwendet, um eine solche Anheftung zu realisieren.

Zusätzlich findet man häufig lange Standzeiten der Tiere nach der Implantation. So nutzen VERMA ET AL. (2010) in einem Infektionsmodell in der Mundhöhle von Ratten Standzeiten von sieben bis zu zwölf Wochen. Ebenfalls findet man häufiger Standzeiten von vier bis sechs Wochen in der Literatur (HAENLE ET AL.2013;LUCKE ET AL.2003). Diese langen Zeiträume führen sowohl zu einer hohen Belastung der Tiere und gleichzeitig zu einer geringen Praktikabilität für die Experimentatoren, um das Modell regulär für Testungen neuer Materialien oder Oberflächen zu nutzen.

Zusätzlich sind solche langen Zeiten teuer aufgrund der langen Tierhaltung und des sehr hohen Arbeitsaufwandes.

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Gleichzeitig ist es bei der Entwicklung eines Modells wichtig, geeignete Methoden zur Auswertung zu wählen. Diese sollten die Bakterien auf der Implantatoberfläche nachweisen, eine Unterscheidung von planktonischen Bakterien und einem Biofilm zulassen und gleichzeitig zumindest eine Semiquantifizierung der Keime ermöglichen. Zusätzlich sollte die Entzündungsreaktion im umgebenden Gewebe beurteilt werden, da diese eine sehr große Rolle bei Implantatversagen spielt.

Häufig werden die PCR oder eine mikrobielle Kultivierung zum Bakteriennachweis verwendet. Beide Methoden wurden bereits in Kapitel 2.3.2. erörtert. Ebenfalls ist bei bisherigen Modellen häufig zu finden, dass die Experimentatoren das Hauptaugenmerk ausschließlich auf den Bakteriennachweis gelegt haben und die umgebende Entzündungsreaktion vollständig vernachlässigt wurde. Ein Modell, bei dem beides ausführlich ausgewertet wird, ist selten zu finden. Zum Beispiel haben POELSTRA ET AL.(2000) und HAENLE ET AL.(2013) bei der Auswertung ausschließlich Bakterien nachgewiesen. CHEN ET AL.(2014) haben eine Kombination aus einer PCR und einer Kultivierung von Bakterien durchgeführt, die Entzündung wurde nur durch eine makroskopische Beurteilung evaluiert. Ebenso haben ARAD ET AL. (2013) nur vorhandene Bakterien nachgewiesen, welche einerseits mit Hilfe einer Ultraschallbehandlung vom Implantat abgelöst und anschließend angezüchtet wurden. Außerdem wurde noch mit einem Elektronenmikroskop die Implantatoberfläche untersucht und somit Bakterien direkt auf dem Implantat nachgewiesen. Die wahrscheinlich vorhandene Entzündung im umgebenden Gewebe wurde nicht evaluiert. Neben einer Anzüchtung und einer PCR wurde ein direkter Nachweis von Bakterien auf dem Implantat von FREIRE (2011) mit einem konfokalen Laser-Scanning-Mikroskop (CLSM) durchgeführt. Vorteil dieser Methode war die Unterscheidung zwischen lebenden und toten Bakterien, sowie der gleichzeitige direkte Nachweis der Bakterien auf dem Implantat. Die Entzündungsreaktion wurde jedoch nicht beurteilt. Eine Kombination aus Bakterien-Anzüchtung und histologischer Auswertung der umgebenden Entzündung infolge einer Osteomyelitis zeigten JOHANSEN ET AL. (2012), OFLUOGLU ET AL. (2007) und LUCKE ET AL. (2003), wobei der Bakteriennachweis nur mittels Anzüchtung erfolgte und somit die bereits genannten Nachteile aufwies. Eine sehr umfassende

Auswertung zeigten SNOWDEN ET AL. (2012). Hier wurde nach Infektion eines cerebroventriculären Katheters neben dem Nachweis von Bakterien mittels Elektronen-Mikroskop, CLSM, Enzyme linked Immunosorbent Assay (ELISA) und einer Anzüchtung aus einer Lösung von Bakterien, die mit Ultraschall vom Implantat gelöst worden waren, auch das Gehirngewebe auf Entzündungsanzeichen untersucht.

All diese Beispiele zeigen, dass ein praktikables Modell notwendig ist, mit dem direkt eine Biofilmbildung am Implantat nachgewiesen werden kann und gleichzeitig auch die Entzündungsreaktion des umgebenden Gewebes beurteilt wird.