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V. DISKUSSION

2. Entzündungsreaktion

Bei dem entwickelten Modell wurde eine ausführliche histologische Untersuchung des Knochens und des Weichgewebes durchgeführt, da bei einer Infektion ebenfalls das umliegende Gewebe Entzündungsanzeichen aufweist, und nicht nur der Knochen selbst (MCCREA 2014; OFLUOGLU ET AL. 2007). Im Gegensatz dazu haben zum Beispiel LUCKE ET AL. (2003) nur den Knochen mit dem Knochenmark, jedoch nicht das angrenzende Weichgewebe histologisch untersucht. Des Weiteren gibt es mehrere Modelle, bei denen keinerlei histologische Auswertung durchgeführt wurde, sondern ausschließlich das Vorkommen von Bakterien ermittelt wurde (CHEN ET AL. 2005;HAENLE ET AL.2013).

Es gibt bereits Veröffentlichungen, die wie bei unserem Modell die Infiltration des Gewebes durch Leukozyten als das Maß für die Entzündungsreaktion verwendeten (ERICSSON ET AL.1995;ZIJLSTRA ET AL.2009). Bei unseren Untersuchungen konnte zu jedem Analysezeitpunkt bei den infizierten Tieren eine ausgeprägte Entzündungsreaktion der Schädeldecke und des umgebenden Gewebes dargestellt werden. Die Anzahl der Entzündungszellen, hauptsächlich neutrophile Granulozyten und auch Lymphozyten, war bei den infizierten Tieren zu allen Analysezeitpunkten identisch. Man kann also davon ausgehen, dass die Infektion dauerhaft zu einer starken Infiltration des Gewebes mit Entzündungszellen führt, unabhängig von der vorhandenen Bakterienanzahl, die an den Tagen zehn und 21 deutlich geringer war als an Tag zwei. Ähnliche Ergebnisse zeigten SNOWDEN ET AL.(2012), die ein Maus-Modell mit ventrikulären Kathetern entwickelten, die mit S. aureus infiziert waren. In dieser Arbeit wurden Zellzählungen mit Hilfe von Fluoreszenz aktiviertem Cell Sorting (FACS) im umgebenden Gewebe durchführten, wobei hauptsächlich neutrophile Granulozyten und Makrophagen erfasst wurden. Vor allem die Anzahl der neutrophilen Granulozyten war über einen Zeitraum von drei Wochen nahezu konstant.

Diese dauerhaft stark ausgeprägte Infiltration des Gewebes durch Entzündungszellen wird hauptsächlich durch den vorhandenen Biofilm verursacht.

Die Kontrolltiere wiesen ebenfalls Entzündungszellen auf, jedoch deutlich weniger als die Tiere mit besiedelten Implantaten. Neutrophile Granulozyten sind die wichtigsten Zellen in der Abwehr bakterieller Infektionen, wobei sie sehr gut in der Lage sind, planktonische Bakterien durch Phagozytose zu eliminieren (FRANK 1980; HANKE UND

KIELIAN 2012; SILVA 2011). Biofilme sind hingegen deutlich resistenter und können sich der Phagozytose weitgehend entziehen (JESAITIS ET AL. 2003). Dies ist für uns ein weiteres Indiz, dass im vorliegenden Modell eine Biofilmbildung stattgefunden hat. Wenn es sich ausschließlich um planktonische Keime gehandelt hätte, hätte in der Zeit zwischen Tag zehn und Tag 21 die Bakterienanzahl durch Phagozytose wahrscheinlich abgenommen. Somit wären wahrscheinlich ebenfalls an Tag 21 weniger Entzündungszellen zu finden gewesen als an den vorangegangenen Analysezeitpunkten. So lange der Biofilm vorhanden ist und nicht durch eine

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umgebende Fibrose oder ähnliches eingekapselt und somit vom Immunsystem weitestgehend abgeschottet ist, bleibt der Reiz, der zu einer permanenten Anlockung der Entzündungszellen führt, bestehen (COSTERTON UND VEEH 2003). Gegebenenfalls wäre bei einem längeren Versuchszeitraum zu erkennen, dass die Anzahl der Entzündungszellen mit zunehmender umgebender Fibrose abnimmt.

Das permanent hohe Vorkommen von Entzündungszellen bei den infizierten Tieren ist gleichzeitig durch das Phänomen der frustrierten Phagozytose zu erklären. Es sind vor allem Makrophagen, aber auch neutrophile Granulozyten aktiv, um vorhandenes Fremdmaterial, wie zum Beispiel den Biofilm oder auch das Implantat zu phagozytieren. Da die Phagozytose jedoch erfolglos bleibt, kommt es zu einer ausgeprägten Freisetzung proinflammatorischer Zytokine, was zu einer anhaltenden Infiltration des Gewebes mit Entzündungszellen und zur Bildung von Fremdkörper-Riesenzellen durch Makrophagen führt (BAINTON ET AL. 1989; BRAXTON ET AL. 2005;

HENSON 1980; LEID ET AL. 2002). Da die Kontrolltiere mit unbehandeltem Implantat eine deutlich geringer ausgeprägte Infiltration mit Entzündungszellen zeigten, ist davon auszugehen, dass die anhaltend hohe Zahl an Entzündungszellen im Gewebe hauptsächlich durch den vorhandenen Biofilm hervorgerufen wurde und nicht durch das Titan-Implantat.

MAYER (2012) zeigte, dass bei einem Entzündungsgeschehen in Umgebung von Knochen, die Anzahl der Osteoklasten mit der Dichte des Entzündungszellinfiltrates, vor allem mit den neutrophilen Granulozyten, korreliert. Dieses Phänomen konnten wir nicht uneingeschränkt nachvollziehen. Bei unseren Versuchen zeigten die infizierten Tiere zwar ein deutlich vermehrtes Vorkommen von Osteoklasten als die Kontrolltiere an den Tagen zehn und 21, jedoch war zu diesen Zeitpunkten immer die gleiche Anzahl an Entzündungszellen bei den infizierten Tieren nachweisbar.

Anscheinend besteht im vorliegenden Versuch ein Zusammenhang zwischen vorhandenen Bakterien und Osteoklasten. Eine solche Annahme wird unter anderem von LI ET AL. (2008) unterstützt, die zeigten, dass es an infizierten Implantaten zu einem deutlich vermehrten Vorkommen von Osteoklasten mit Sequestrierung des Knochens kommt, was ein Zeichen einer Osteomyelitis ist (KOCH UND MASCHE 1999;

LEW UND WALDVOGEL 2004). Bei uns war sowohl an Tag zehn, als auch an Tag 21 ein

signifikanter Unterschied zwischen den Kontrolltieren und den besiedelten Tieren im Bereich des Knochenumbaus nachzuweisen, was zeigt, dass S. aureus den Knochenumbau nachhaltig beeinflusst. Zusätzlich verändert sich die Anzahl der Osteoklasten bei den Kontrolltieren nicht im Laufe der Zeit, was auch dafür spricht, dass vor allem die vorhandenen Bakterien den Knochenumbau anregen.

Untermauert werden diese Ergebnisse durch Studien, die zeigten, dass S. aureus eine Entzündungsreaktion am Knochen hervorruft und die Aktivität von Osteoklasten beeinflussen kann (ALEXANDER ET AL.2003;ELLINGTON ET AL.1999;WRIGHT UND NAIR

2010). Gleichzeitig mit dem Einfluss von S. aureus fördern die Entzündungsmediatoren ebenfalls den Knochenumbau und -abbau (BROGGINI ET AL. 2003).

Fremdkörper-Riesenzellen werden häufig bei Versuchen mit Implantaten gefunden, wobei die Ausprägung der Fremdkörper-Reaktion von verschiedenen Faktoren abhängig und ihr Vorkommen unter anderem ein Ausdruck der frustrierten Phagozytose ist (ANDERSON ET AL. 2008; BAINTON ET AL. 1989). So ist sie bei einer ausschließlichen Implantation von unbehandelten Implantaten aus Metall oder Keramik deutlich geringer ausgeprägt als bei gleichzeitigem Einbringen von anderem Fremdmaterial, wie zum Beispiel Bakterien (HOLLSTEIN 2003). Im vorliegenden Modell ist die Fremdkörper-Reaktion wie erwartet durch die Infektion mit S. aureus stärker ausgeprägt als beim unbehandelten Titanimplantat, für das bereits eine gute Biokompatibilität und Osseointegration gezeigt wurde (BÜCHELER ET AL.2002;NOWAK

2010). HOLLSTEIN (2003) zeigte ebenfalls, dass gleichzeitig mit einer ausgeprägten Fremdkörper-Reaktion infolge eines Implantates der Knochenumbau durch Osteoklasten deutlich vermehrt ist. Dieses Phänomen können wir bestätigen, da in unserem Modell bei den infizierten Tieren zu allen Analysezeitpunkten eine deutlich stärkere Fremdkörper-Reaktion erkennbar ist und an Tag zehn und Tag 21 ebenfalls ein ausgeprägter Knochenumbau durch Osteoklasten nachweisbar ist.

Bei der Fibrosebildung konnten wir nur nach 21 Tagen Standzeit bei den infizierten Tieren eine signifikant stärkere Ausprägung dieses Parameters im Vergleich zu den Kontrolltieren nachweisen. Dieses Ergebnis passt zu bisherigen Erkenntnissen, dass eine Biofilm-Infektion im Körper langfristig fibrös eingekapselt wird (HANKE UND

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KIELIAN 2012). Der dahinterstehende Mechanismus ist jedoch noch weitgehend unbekannt. Man geht davon aus, dass das Ziel eine Eindämmung und Abkapselung der Infektion ist, wenn keine Eliminierung des Biofilmes durch das Immunsystem möglich ist (HANKE UND KIELIAN 2012; THURLOW ET AL. 2011). Zudem fördern bestimmte Proteine auf der Oberfläche von S. aureus die Bildung und Anlagerung von Fibronectin und Kollagen. Somit profitiert gleichzeitig der Biofilm selbst von einer fibrösen Einkapselung, da diese zu einer weiteren Abschottung von äußeren Einflüssen wie Immunzellen oder antibakteriellen Substanzen führt (ALEXANDER ET AL. 2003).

Dass an den Tagen zwei und zehn nach der Operation kein Unterschied bei der Fibrose zwischen den infizierten Tieren und der Kontrollgruppe nachweisbar ist, jedoch bei beiden Gruppen ein signifikanter Anstieg von Tag zwei zu Tag zehn stattgefunden hat, ist durch die normale Reaktion des Körpers auf das Einbringen eines Implantates und auf eine Verletzung von Gewebe erklärbar. Diese Ereignisse führen immer zu einer vorläufigen Entzündungsreaktion mit dem Ziel der Regeneration oder Reparation des Gewebes, was mit einer Fibrose und Narbenbildung verbunden ist (ANDERSON 1993). Dies erklärt ebenfalls, dass es in der Kontrollgruppe von Tag zehn zu Tag 21 keinen nennenswerten Anstieg der Fibrose mehr gab, da in diesem Zeitraum das Implantat ohne Infektion eingeheilt sein sollte und somit keine weitere Narbenbildung mehr stattfindet (FREIRE 2011).

Als eine Ergänzung der histologischen Auswertung wären Hartschnitte oder -schliffe mit den Implantaten möglich, was eine aufschlussreiche Beurteilung der Osseointegration zu den unterschiedlichen Zeitpunkten nach der Implantation ermöglichen würde (HOLLSTEIN 2003;WENG ET AL.2008). So könnte genau dargestellt werden, ob ein guter Kontakt zwischen Knochen und Implantat besteht und wie sich die periimplantäre Knochenneubildung und die periimplantäre Fibrose entwickeln (MARTINEZ ET AL. 2014; SCHÄFER 2011). Hierbei wäre zu vermuten, dass nach zehn Tagen Standzeit die Implantate am wenigsten gut in den umliegenden Knochen integriert sind, da zu diesem Zeitpunkt der stärkste Knochenumbau durch Osteoklasten nachgewiesen wurde.

In mehreren Studien wurden während der Standzeit der Tiere röntgenologische oder computertomographische Untersuchungen des Knochens mit den Implantaten durchgeführt (CHEN ET AL. 2005; FREIRE 2011; HAENLE ET AL. 2013; LI ET AL. 2008).

Dies ist sinnvoll um den Verlauf der Einheilung in vivo beurteilen und Vergleiche zwischen den unterschiedlichen Zeitpunkten nach der Operation am gleichen Tier anstellen zu können. Im vorliegenden Versuch mit den Implantaten in der Schädeldecke ist eine solche Art der Beurteilung jedoch nicht so entscheidend wie bei Implantaten, die einer deutlich höheren mechanischen Belastung ausgesetzt sind, wie zum Beispiel bei orthopädischen oder oralen Implantaten (EERENBERG ET AL.1994;INZANA ET AL.2015;WINDOLF ET AL.2013).

Ebenso wären noch weitere Färbungen der histologischen Schnitte möglich, um einen größeren Informationsgewinn zu erhalten (WILLBOLD UND WITTE 2010). Eine Masson-Goldner-Trichrom-Färbung wäre zum Beispiel hilfreich um eine gute Differenzierung des fibrösen Gewebes von den restlichen Zellen zu erreichen.

Ebenso ist durch diese Färbung eine Unterscheidung zwischen mineralisierter und nicht-mineralisierter Knochenmatrix möglich, was den Knochenumbau sehr präzise darstellt (NOWAK 2010;OTT 2011;WEBSTER ET AL.2012). Eine ähnliche Aussage wäre

mit einer Toluidin-Blau-Färbung möglich, die vor allem Osteoblasten und nicht-kalzifizierte Regionen des Knochens sichtbar macht und eine sehr genaue

Beurteilung der Knochenveränderungen durch die Unterscheidung zwischen altem stabilem und umgebautem Knochen ermöglichst (SCHÄFER 2011; WILLBOLD UND

WITTE 2010). Eine TRAP-Färbung (Tartratresistente saure Phosphatase) zeigt eindeutig Osteoklasten an, was ebenfalls die Beurteilung des Knochenumbaus erweitern könnte (LI ET AL. 2008;SCHÄFER 2011). Mit Hilfe einer von-Kossa-Färbung könnten man durch die Affinität von Silber-Ionen zu saurem Milieu die calciumreichen Bereiche eines Knochens gezielt anfärben (WILLBOLD UND WITTE 2010). Ebenso könnte man über eine Gramfärbung zur Detektierung der Bakterien im Gewebe nachdenken (SCHMIDMAIER ET AL. 2006). Diese weiteren Färbungen wären jedoch sehr arbeitsintensiv im Vergleich zu einem relativ geringen größeren Informationsgewinn, da mit der verwendeten HE-Färbung bereits die wichtigsten Parameter ausreichend erfasst und beurteilt werden können.

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Des Weiteren wäre zur Beurteilung der Entzündungsreaktion eine Bestimmung unterschiedlicher spezifischer Zytokine möglich (ANDERSON 1993; WRIGHT UND NAIR

2010). Die Beurteilung der Entzündung mit Hilfe von Zytokinen kann zum Beispiel mit Hilfe des Plasma-Spiegels des Tumor-Nekrose-Faktors-α, Interleukin-1, Interleukin-6 oder Interleukin-17 durchgeführt werden. Diese gelten als entscheidende Entzündungsmarker, bieten unter anderem einen Nachweis der Ausprägung des Knochenumbaus im Zuge einer Osteomyelitis und können somit als Indikatoren für die Biokompatibilität eines Implantates dienen (ROSENGREN ET AL.1997;SNOWDEN ET AL. 2012; THURLOW ET AL. 2011;WRIGHT AND NAIR 2010). Durch Blutproben könnten somit im Verlauf der Untersuchung zu unterschiedlichen Zeitpunkten am gleichen Tier diese Entzündungsmarker ausgewertet werden. Zytokine könnten ebenfalls mit Hilfe einer immunhistochemischen Auswertung in histologischen Schnitten beurteilt werden (ROSENGREN ET AL. 1997; SNOWDEN ET AL. 2012). Aufgrund der höheren Belastung der Tiere durch eine regelmäßige Blutentnahme und einem deutlich vermehrten Arbeitsaufwand wurden diese Methoden jedoch nicht durchgeführt.

Zusammenfassend kann man über die histologische Auswertung sagen, dass diese umfangreich und aussagekräftig ist, aber im Falle spezieller Fragestellungen erweitert werden kann.