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Tierindividuelle Unterschiede in der antepartalen peripheren IGF-1-Konzentration

6. Übergreifende Diskussion

6.1. Stoffwechseladaptation in der späten Trächtigkeit der Milchkuh

6.1.2. Tierindividuelle Unterschiede in der antepartalen peripheren IGF-1-Konzentration

Die Entkopplung der somatotropen Achse kann bei pluriparen Kühen eines Betriebs zusätzlich durch eine Verminderung der IGF-1-Konzentrationen bei vergleichbarer GHR1A-Expression verstärkt werden (Publikation 3 und Publikation 5). Die aus einem Großbetrieb ausgewählten Kühe zeigten deutlich unterschiedliche IGF-1-Konzentrationen im Blut, aber nur eine geringe Variabilität in der hepatischen IGF-1-mRNA- und GHR1A-Expression. Aus diesen Ergebnissen wurde gefolgert, dass zum einen zusätzlich die GHR-Signaltransduktion in der Leber vermindert sein könnte und zu einer geringeren IGF-1-Produktion führt und/oder es zum anderen zu Unterschieden in den die Halbwertszeit von IGF-1 verlängernden IGFBPs kommt. Interessanterweise war tatsächlich in beiden Studien (Publikation 3 und Publikation 5) die hepatische Expression der ALS, nicht aber der von IGFBP3 deutlich nied-riger bei Kühen mit niedrigen IGF-1 Konzentrationen. Dies lässt basierend auf den Daten von Scharf et al. (1996) für die Ratten auf die Beteiligung unterschiedlicher hepatozytärer

Kom-46 partimente schließen. Die Ursachen für diese unterschiedliche Regulation sollte in weiteren Studien untersucht werden.

Eine verminderte hepatische IGF-1 Produktion bei vergleichbarer GHR1A-Expression wurde bereits bei einer deutlich verringerten TMA, auch im nicht peripartalen Zeitraum beschrieben.

Kobayashi et al. (2002) und Gross et al. (2011) beobachteten im Rahmen einer restriktiven Fütterung eine Minimierung der IGF-1-Plasmakonzentration und der hepatischen IGF-1 mRNA-Expression, aber keine Änderung in der Expressionshöhe des hepatischen GHR1A-Transkripts. Gross et al. (2011) untersuchten hierzu Kühe, die in der Mitte der Laktation drei Wochen restriktiv gefüttert wurden. In anderen Studien wiederum wurde nach 14-tägiger Fut-terrestriktion auch eine Verminderung des GHR1A-Transkripts nachgewiesen (Radcliff et al., 2006). Bei kurzzeitiger restriktiver Fütterung kommt es zu keiner nennenswerten Verände-rung in der IGF-1-Blutkonzentration (Publikation 4). Welche Faktoren in der Leber zu einer Verminderung der IGF-1-mRNA-Expression bei vergleichbarer GHR1A-Genexpression oder zu einer gleichzeitigen Abnahme der IGF-1- und GHR1A-Genexpressionen führen, ist bisher bei der Milchkuh kaum detailliert untersucht worden bzw. nicht separat von der peripartal auftretenden Entkopplung der somatotropen Achse unterschieden worden. So kann aus den in dieser Habilitationsschrift durchgeführten Untersuchungen die Schlussfolgerung abgeleitet werden, dass eine verminderte Produktion in der Leber oder eine niedrige IGF-1-Konzentration im Blut auch additiv bzw. unabhängig von der Entkopplung der somatotropen Achse, die nach gängiger Definition mit sinkenden GHR1A-Expressionen einhergeht, peripartal stattfinden kann. Im Hinblick auf die peripartale Regulation der somatotropen Achse bei der Milchkuh müssen demnach die zwei grundlegenden endokrinologischen Regulationsmechanismen voneinander unterschieden werden:

a) Entkopplung der somatotropen Achse, die sich in Form einer Verminderung der hepatischen GHR-Expression (GHR1A-Transkript) manifestiert und zu einer niedrigeren IGF-1-mRNA-Expression und -Konzentration im Blut führt. Hierdurch wird der negative Feedback auf die Hypophyse vermindert und eine erhöhte postpartale GH-Ausschüttung gewährleistet.

b) Blockade der GHR-Signaltransduktion oder Unterschiede in den IGFBP-Konzen-trationen, die sich als eine verminderte IGF-1-Produktion/IGF-1-Konzentration bei ver-gleichbarer GHR1A-Expression darstellt. Hierbei scheinen Hormone und andere Faktoren parallel und/oder additiv die Entkopplung zu verstärken, indem die IGF-1-Produktion zusätzlich vermindert wird.

47 Diese Schlussfolgerung wird durch Studien an Ratten untermauert. In der späten Gestation kommt es, wie bereits beschrieben, bei Ratten zu einer der Milchkuh vergleichbaren Ent-kopplung der somatotropen Achse (Escalada et al., 1997). Auch Ratten zeigen eine deut-liche Verminderung der Futteraufnahme vor der Geburt, was aber nur teilweise für die GHR-Resistenz verantwortlich gemacht wird (Yoshizato et al., 2004; Tanaka and Kadokawa, 2012). Die sehr geringe IGF-1-Produktion vor der Geburt wird vor allem auf eine Blockade des GHR-Signaltransduktionswegs zurückgeführt (Travers et al. 1993). Dabei gehören SOCS, CIS und (PIAS) Leong et al. 2004, Frank und Fuchs 2008, Deng et al. 2012) zu den intrazellulären Faktoren, die induziert werden können und den GHR-Signaltransduktionsweg inhibieren bzw. blockieren können. Hohe 17β-Östradiolkonzentrationen werden in der späten Gestation der Ratte für die Induktion dieser SOCS-Proteine und damit zusätzlichen Blockade des GHR-Signatransduktionswegs verantwortlich gemacht (Escalada et al., 1997). Die Korrelation aus antepartalen 17β-Östradiolkonzentrationen und der SOCS2 Expression ergab allerdings in Publikation 5 keinen statistisch absicherbaren Zusammenhang zwischen beiden Parameter bei der Milchkuh. Folglich wurde diese Hypothese bei den in Publikation 5 ausgewählten Tieren nicht bestätigt. Winkelman et al. (2008), die ebenfalls die Hypothese aufstellen, dass 17β-Östradiol zu einer SOCS2-Induktion bei Milchkühen führen könnte, zeigten bei restriktiv gefütterten Kühen höhere 17β-Östradiolkonzentrationen ante partum und deutlich höhere GH-Konzentrationen post partum zum Zeitpunkt einer erhöhter SOCS2-mRNA-Expression in der Leber, was die Annahme eines verminderten GH-Signaltransduktionswegs durch SOCS2-Induktion untermauert. Allerdings fanden Winkelman et al. (2008) keine Unterschiede in der IGF-1-Konzentration im Gegensatz zu den Ergebnis-sen der Publikation 5, in der deutliche IGF-1-Unterschiede bei vergleichbarer GHR1A-Ex-pression gefunden wurden, aber keinerlei Unterschiede in der SOCS2-ExGHR1A-Ex-pression. In der Studie von Winkelman et al. (2008) wurde zudem kein Augenmerk auf IGFBPs gelegt, die einen deutlichen Einfluss auf die Gesamt-IGF-1-Konzentration haben. Dass aber nicht nur bei der Ratte (Leong et al., 2004), sondern auch bei der Milchkuh, SOCS2 parallel zu hohen endogenen 17β-Östradiolkonzentrationen in der Leber induziert wird, zeigen die Ergebnisse von Publikation 7. Der Interaktion von Steroidhormonen und der somatotropen Achse ist im Kapitel 3.3. ein separates Kapitel gewidmet.

Neben der Assoziation zwischen niedrigen Insulinkonzentrationen bei Kühen mit niedriger Gesamt-IGF-1 Konzentrationen, konnte in den Publikationen 3 und 5 erstmals im pe-ripartalen Zeitraum der Milchkuh auch eine enger Zusammenhang zwischen den Schilddrüsenhormonen und der somatotropen Achse gezeigt werden. In den letzten drei Wochen der Trächtigkeit war ein Abfall der Thyroxinkonzentration zu beobachten und

48 konstant bleibenden Triiodthyroninkonzentrationen zu messen (Castro et al., 2012, Publikationen 3 und 5). Interessant war, dass in Publikation 3 Kühe mit niedrigeren IGF-1-Konzentrationen höhere T3-Werte aufwiesen und zudem die in der Leber gebildete Deiodi-nase 3, die einen Großteil des im Blut zirkulierenden T4 in T3 spaltet, ebenfalls eine deutlich erhöhte Expression zeigte. Allerdings konnte dieses Ergebnis in Publikation 5 nicht bestätigt werden und bedarf demnach weiterer Klärung. Der Hauptunterschied der beiden in den Publikationen 3 und 5 beschriebenen Studien ist, dass es nur in Publikation 5 möglich war, die täglich entnommenen Blutproben retrospektiv in Abhängigkeit eines physiologischen Kal-bedatums darzustellen und demnach diese Daten eine höhere physiologische Aussagekraft aufweisen.

6.2. Stellenwert der somatotropen Achse für die postpartale Gesundheit von