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5. Studie 3

5.5. Diskussion

5.5.1. Theoretische Implikationen

Die vorliegende Studie untersuchte die Wirkungsweise von politischem Willen in Füh-rungspositionen. Sie betrachtete dabei die Auswirkungen des eigennützigen und benevolenten politischen Willens einer Führungskraft auf das von Mitarbeitern wahrgenommene und beur-teilte OCB und CWB und grenzt diese von globalem politischem Willen ab. In zusätzlichen ergänzenden Analysen wurde zudem der Zusammenhang mit Leistungsbeurteilungen des di-rekten Vorgesetzten der Führungskraft untersucht. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die postulierten Haupteffekte von eigennützigem und benevolentem politischem Willen nicht bestätigt werden konnten. Die beiden Dimensionen eigennützig und benevolent unterschieden sich auch in ihren Zusammenhängen mit den betrachteten Kriterien nicht signifikant vonei-nander. Obwohl diese Ergebnisse entgegen der Hypothesen ausfallen, sind sie keineswegs ein Einzelfall. Studien zur proaktiven Persönlichkeit (Campbell, 2000; Crant, 2000; Frese & Fay, 2001; Grant, Gino & Hofmann, 2011), die wie politischer Wille als gleichzeitig benevolent und eigennützig wahrgenommen werden kann, zeigten ebenfalls gemischte Effekte und uner-wartete Konsequenzen für Gruppen, Organisationen oder die Individuen selbst. Nach Grant und Ashford (2008) ist dies durch die ambiguen Voraussetzungen des Konstrukts bedingt. Ein weiterer Grund für die geringen Zusammenhänge zwischen den beiden Dimensionen politi-schen Willens und den Kriterien ist möglicherweise auch die Distanz zwipoliti-schen der Führungs-kraft und den Mitarbeitern, die größer ist als zwischen Kollegen (vgl. Studie 1, 2). Um diese Distanz zu überbrücken, braucht es zusätzliche Kompetenzen, die dabei helfen die mikropoli-tische Motivation entsprechend umzusetzen und zu vermitteln. Diese These lässt sich durch die Berücksichtigung politischer Fertigkeiten teilweise untermauen, da die vorliegende Studie signifikante Interaktionseffekte aufzeigen konnte. Dabei wirkte sich die Interaktion von ei-gennützigem politischem Willen und politischen Fertigkeiten nur auf CWB aus, die Interakti-on vInterakti-on benevolentem politischem Willen und politischen Fertigkeiten nur auf OCB. Dies be-stätigt wiederum die ursprünglich angenommene Assoziation von eigennützigem politischem Willen und CWB bzw. benevolentem politischem Willen und OCB. Vergleichbar zu diesen Ergebnissen fanden auch Sun und van Emmerik (2015) keinen Haupteffekt von proaktiver Persönlichkeit auf das fremdeingeschätzte Hilfeverhalten, aber einen signifikanten Interakti-onseffekt mit politischen Fertigkeiten.

Die Interaktion von eigennützigem politischem Willen und politischen Fertigkeiten ergab wie erwartet einen signifikanten Anstieg des beurteilten CWBs, wenn der eigennützige politische Wille hoch und die politischen Fertigkeiten niedrig ausgeprägt waren. Bei hoch ausgeprägten politischen Fertigkeiten war der Zusammenhang zwischen eigennützigem politi-schem Willen und CWB hingegen deutlich geringer. Wie erwartet waren die Effekte v.a. für CWB-O signifikant und unterstützen die Annahme, dass eigennütziger politischer Wille sich primär auf organisationaler Ebene abspielt. Die Ergebnisse bestätigen außerdem eine protek-tive Wirkung politischer Fertigkeiten. In den post-hoc Analysen zeigte sich, dass sozialer Scharfsinn und Netzwerkfähigkeit die Facetten politischer Fertigkeiten sind, die hauptverant-wortlich für den Interaktionseffekt sind. Sozialer Scharfsinn beinhaltet das akkurate Verstehen anderer Personen und sozialer Situationen (Ferris et al., 2007), sodass damit ausgestattete Per-sonen besser einschätzen können, wann CWB zu vermeiden ist und welche Verhaltensweisen generell in sozialen Interaktionen angemessen sind. Eine ausgeprägte Netzwerkfähigkeit un-terstützt die Entwicklung wichtiger Allianzen, die Informationen und Unterstützung bereit-stellen (Ferris et al., 2007). Dadurch wird CWB zum einen weniger notwendig, da bestimmte Ressourcen oder angestrebte Ziele auch über das zur Verfügung stehende Netzwerk erreicht werden können. Zum anderen können mächtige Partner auch dabei helfen kontraproduktive Taten zu verschleiern, sodass diese weniger wahrgenommen werden. Sozialer Scharfsinn und Netzwerkfähigkeit tragen beide dazu bei, dass ein Individuum Zugang zu mehr Informationen besitzt und somit das eigene Verhalten besser an eine gegebene Situation adaptieren kann (vgl. Sun & van Emmerik, 2015).

Unerwartet ist allerdings, dass die Kombination aus geringem eigennützigem politi-schem Willen und hohen politischen Fertigkeiten dazu führt, dass verstärkt CWB wahrge-nommen wird. Politischen Fertigkeiten werden in der Regel positive Aspekte am Arbeitsplatz zugeschrieben (vgl. Kimura, 2014, Munyon et al., 2015), dennoch bergen diese auch das Po-tential auf dysfunktionale Art und Weise eingesetzt zu werden (Ferris et al., 2007). So helfen politische Fertigkeiten z.B. dabei Machtunterschiede zu erkennen, Mobbingopfer auszuwäh-len und besonders wirkungsvolles Mobbingverhalten anzuwenden (Treadway, Shaughnessy, Breland, Yang & Reeves, 2013). Ohne eine eindeutige Motivation (geringer eigennütziger politischer Wille) werden politische Fertigkeiten möglicherweise als kontraproduktiv wahrge-nommen, da Mitarbeiter Manipulation vermuten. Eine andere Erklärungsmöglichkeit liegt in der ursprünglichen Annahme von Mintzberg (1983), nach der Individuen in Organisationen besonders dann effektiv und erfolgreich sind, wenn sie politischen Willen und politische Fer-tigkeiten gemeinsam besitzen. Dieser Effekt zeigt sich insofern in der gefundenen Interaktion,

als dass eine hohe Ausprägung beider Konstrukte zu geringeren CWB-Beurteilungen führt.

Gleichzeitig führt auch eine geringe Ausprägung beider Konstrukte zu weniger CWB. Sind die Konstrukte jedoch unterschiedlich ausgeprägt, steigt das wahrgenommene CWB. Mög-licherweise kommt es also auch auf die Passung von politischem Willen und politischen Fer-tigkeiten an. Einschränkend ist bei dieser Interpretation allerdings anzumerken, dass politi-scher Wille hier nicht wie ursprünglich von Mintzberg angenommen als Gesamtkonstrukt betrachtet wurde und wenig CWB nicht mit Erfolg gleichzusetzen ist.

Bei der Betrachtung von benevolentem politischem Willen und politischen Fertigkei-ten zeigFertigkei-ten sich ebenfalls teilweise unerwartete Ergebnisse. Für die Analysen mit globalem OCB zeigte sich ein negativer Interaktionseffekt, jedoch waren die Effekte für hohe und nied-rige politische Fertigkeiten beim Plotten der Interaktion nicht signifikant. Dies liegt vermut-lich an der Betrachtung des globalen Konstruktes und somit von OCB-I und OCB-O gemein-sam. Die deskriptiven Analysen zeigten einen negativen Zusammenhang von benevolentem politischem Willen und OCB-O. Darüber hinaus zeigten auch die hierarchisch moderierten Regressionsanalysen keine signifikanten Effekte für das Kriterium OCB-O. Bei der Analyse von OCB-I, das in Hypothese 3b als bedeutender für das Zusammenspiel von benevolentem politischem Willen und politischen Fertigkeiten beschrieben worden ist, zeigte sich ein signi-fikanter Interaktionseffekt. Zusätzlich fand sich ein Haupteffekt von politischen Fertigkeiten, der im Einklang mit metaanalytischen Ergebnissen steht (vgl. Bing et al., 2011). In den post-hoc Analysen erwies sich interpersonale Einflussnahme als einzige Facette politischer Fertig-keiten, für die der Interaktionseffekt auftrat. Interpersonale Einflussnahme umfasst das ange-messene Anpassen des eigenen Verhaltens, um andere subtil zu beeinflussen (Ferris et al., 2007). Gerade in sozialen Interaktionen, in denen sich OCB-I abspielt, ist interpersonale Ein-flussnahme somit eine besonders wichtige Kompetenz.

Wie die Abbildungen zeigten, bestand ein positiver Zusammenhang zwischen benevo-lentem politischem Willen und OCB-I, wenn politische Fertigkeiten (bzw. interpersonale Ein-flussnahme) niedrig ausgeprägt waren. Waren die politischen Fertigkeiten (bzw. interpersona-le Einflussnahme) hoch ausgeprägt, bestand ein Nullzusammenhang. Um gute Bewertungen des Kooperationsverhaltens durch die Mitarbeiter zu erhalten, braucht es nach den Ergebnis-sen entweder hohe politische Fertigkeiten, einen hohen benevolenten politischen Willen oder die Kombination aus beidem. Überraschend ist hier jedoch, dass die Kombination einer hohen Ausprägung beider Konstrukte keine Verbesserung bzgl. des OCB-I bewirkt; rein deskriptiv fand sich sogar ein leichter Abfall bei hochausgeprägten politischen Fertigkeiten. Dies

wider-spricht zwar nicht einer positiven Interpretation der Bedeutung von benevolentem politischem Willen für das Kooperationsverhalten, die Ergebnisse erweisen sich aber dennoch als konträr zu Befunden von proaktiver Persönlichkeit in einem ähnlichen Zusammenhang (vgl. Sun &

van Emmerik, 2015) sowie auch zu Mintzbergs (1983) ursprünglicher Theorie.

Betrachtet man die Ergebnisse der post-hoc Analysen, geht der gefundene Effekt auf interpersonale Einflussnahme zurück. Interpersonale Einflussnahme ermöglicht es Individuen aus Gelegenheiten Kapital zu schlagen (Wihler et al., 2014) und gilt als Werkzeug, um das Bestreben nach Macht und Status (getting ahead; Hogan & Shelton, 1998) auf eine Art und Weise zu verfolgen, die zu positiven Evaluationen führt (vgl. Schütte et al., 2015; Wihler et al., 2014). Dabei ist jedoch davon auszugehen, dass sich Individuen nicht darauf konzentrie-ren, mit allen Personen ein gutes Verhältnis aufzubauen, sondern dass sie vielmehr selektiv, in Bezug auf die Verfolgung ihrer Ziele, agieren. Berücksichtigt man zudem, dass ein benevo-lenter politischer Wille darauf abzielt dem Gemeinwohl zu dienen, Arbeitsbedingungen zu verbessern und etwas Gutes für andere zu tun (Kapoutsis et al., 2015) und somit eher dem Motiv des miteinander Auskommens (getting along; Hogan & Shelton, 1998) zuzuordnen ist, können ein hoher benevolenter politischer Wille und eine ausgeprägte interpersonale Ein-flussnahme möglicherweise gegensätzliche Signale senden und somit einen Abfall des wahr-genommenen OCB-I bedingen. Zusätzlich gilt es noch zu beachten, dass es signifikante Un-terschiede in der Einschätzung des OCB gab, die abhängig davon waren, ob ein oder zwei Mitarbeiterbeurteilungen vorlagen. Die Beurteilungen waren signifikant geringer, wenn zwei Mitarbeiter das OCB ihrer Führungskraft eingeschätzt hatten. Dies könnte für den selektiven Einsatz interpersonaler Einflussnahme sprechen. Zukünftige Studien sollten daher die Bedeu-tung der interpersonalen Einflussnahme für das getting along und die komplexen Beziehungen von benevolentem politischem Willen und politischen Fertigkeiten in Bezug auf OCB sowie weitere Leistungsdimensionen näher untersuchen.

Abschließend wurden ergänzende Analysen durchgeführt, um die Leistungsbeurtei-lungen durch den direkten Vorgesetzten im Zusammenhang mit den beiden Dimensionen po-litischen Willens zu untersuchen. Das ergänzende Modell zeigte für die Untersuchung von eigennützigem politischem Willen keine zusätzlichen Effekte. Zu berücksichtigen gilt hier, dass CWB selten vorkommt und noch seltener wahrgenommen sowie auch tatsächlich berich-tet wird (Bennett & Robinson, 2000). Anders als bei bspw. aufgabenbezogener Leistung ist der Vorgesetzte bei CWB oft auch weniger direkt involviert. Fraglich ist außerdem, ob die Mitarbeiter das von ihnen beobachtete CWB an den Vorgesetzten auf der übernächsten

Hie-rarchieebene weitergeben; einerseits besteht hier ein deutliches Hierarchiegefälle, andererseits spielen vielleicht Loyalität oder Unsicherheit eine Rolle. Neben den theoretischen Argumen-ten für das Ausbleiben weiterer Effekte in der ergänzenden Analyse, könnArgumen-ten auch statistische Faktoren eine Rolle spielen. Die Stichprobe von N = 96 ist relativ klein, um in einem paralle-len Test mehrere Interaktionen zu überprüfen. Außerdem sind eine geringe Basisrate (Barba-ranelli et al., 2013) und Varianzeinschränkungen (Greco et al., 2015) bei der Untersuchung von CWB hinderliche Faktoren, die das Aufdecken von Effekten erschweren. Zukünftige Stu-dien mit einer größeren Stichprobe und einer größeren Zahl an CWB-Beurteilungen oder auch mehreren verschiedenen Quellen der Beurteilungen, könnten die hier untersuchten Zusam-menhänge verdeutlichen.

Bei der Untersuchung von benevolentem politischem Willen fand sich ein direkter Ef-fekt des mitarbeiterbeurteilten OCB-I auf die Leistungsbeurteilung des Vorgesetzten, was im Einklang mit bekannten Effekten steht (Conway, 1999; MacKenzie et al., 1999). OCB-I ist gut sichtbar, wird verstärkt kommuniziert und somit auch vom Vorgesetzten eher wahrge-nommen als CWB. Das ergänzende Modell zeigt des Weiteren einen signifikant positiven indirekten Effekt von benevolentem politischem Willen auf die Leistungsbeurteilung durch den Vorgesetzten, der durch eine geringe Ausprägung der interpersonalen Einflussnahme mo-deriert und durch das wahrgenomme OCB-I mediiert wird. Dies ist ein weiteres Argument für die Bedeutung von politischem Willem am Arbeitsplatz und auch für die Bedeutung prosozia-len Handelns von Führungskräften (vgl. Elprosozia-len et al., 2016). Einschränkend ist aber zu erwäh-nen, dass hier ein sehr spezifisches Set an Variablen exploriert wurde, das nicht nur die Repli-kation erfordert, sondern auch die Einbettung in einen größeren Kontext sowie eine größere Stichprobe. Des Weiteren gilt es, v.a. die Interpretation des Moderationseffektes weiter zu überprüfen und abzusichern.

Zusammenfassend hat sich die getrennt Betrachtung von eigennützigem und benevo-lentem politischen Willen als lohnend erwiesen. Im Zusammenspiel mit politischen Fertigkei-ten zeigFertigkei-ten sich diskriminante Zusammenhänge der beiden Faktoren mit CWB und OCB. Zu-sätzliche Analysen mit globalem politischem Willen konnten die gefundenen Zusammenhän-ge für CWB zudem teilweise und für OCB überhaupt nicht replizieren. Dies spricht dafür, dass eine Trennung der beiden Faktoren, trotz der in Studie 1 aufgefundenen Einschränkun-gen in Bezug auf die Konstruktvalidität, lohnend ist und mit einem Erkenntniszuwachs ein-hergeht. Dass benevolenter politischer Wille in der Interaktion mit politischen Fertigkeiten

OCB vorhersagen konnte, unterstreicht zudem die in Studie 1 getroffene Annahme über die Ähnlichkeit zum Kooperationsmotiv aus dem Dual Concern Modell (vgl. Abs. 3.4.1).