• Keine Ergebnisse gefunden

2. Theorie

2.2. Politischer Wille

2.2.3. Die empirische Messung politischen Willens

Mit-arbeiter eher Feedback suchen, wenn die Gefahr, dass dieses dem öffentlichen Image schadet, gering ist (Morrison & Bies, 1991) oder dass Mitarbeiter eher Voice-Verhalten zeigen, wenn das organisationale Klima wenig bedrohlich ist (Miceli & Near, 1985). In einer qualitativen Studie von Doldor et al. (2013) konnte des Weiteren gezeigt werden, dass politisches Enga-gement mit dem Gewinn und Verlust und damit mit dem Riskieren der persönlichen Reputati-on assoziiert sein kann. Obwohl verschiedene Umweltumstände dazu beitragen können, dass es risikoreich sein kann, sich politisch zu betätigen, sollte stets berücksichtigt werden, dass manche Individuen risikoaverser sind als andere und dies die Wahrscheinlichkeit risikoreiches Verhalten zu zeigen, ebenfalls beeinflusst (Treadway, 2012).

Im Forschungsfeld der organisationalen Politik wurde das Konzept der Motivation bislang eher lose betrachtet und das Konzept des politischen Willens dementsprechend kaum berücksichtigt. Obwohl Mintzbergs (1983) Vermutungen über das Zusammenspiel von politi-schem Willen und politischen Fertigkeiten als Voraussetzung für Effektivität in Organisatio-nen vielfach zitiert werden, fand bislang nur wenig konkrete Diskussion über diese Annahme statt. Völlig fehlend in der Debatte über politischen Willen ist auch die Überlegung, ob die Motivation von Mitarbeitern auch dysfunktional für eine Organisation oder für den Mitarbei-ter selbst sein kann. Die theoretische Modellierung politischen Willens durch Treadway (2012) macht einen wichtigen Schritt hin zu einem besseren Verständnis von organisationaler Politik im Allgemeinen und zu politischem Verhalten im Spezifischen. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen ist die Entwicklung eines Instruments zur empirischen Erfassung politischen Willens ein weiterer wichtiger Schritt für die wissenschaftliche Erforschung des Konstrukts.

Im Folgenden werden daher die Ergebnisse einer multinationalen Skalenvalidierung vorge-stellt.

abschließend die Konstrukt- und Kriteriumsvalidität des neuen Instruments. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Validierungsstudie von Kapoutsis et al. (2015) zusammengefasst.

Zu Beginn der Entwicklung der Skala zur Erfassung politischen Willens (Political Will Scale, PWS) wurden mithilfe eines deduktiven Ansatzes zur Itemgeneration (vgl. Hinkin, 1998) 50 Items generiert. Diese wurden in einem Pool von Items in einer Item-Sortierungs-Aufgabe von wissenschaftlichen Mitarbeitern und Promotionsstudenten bearbeitet (N = 26).

Die Items, die dem Konstrukt politischer Wille korrekt zugeordnet werden konnten und somit eine ausreichende substantielle Validität besaßen, wurden beibehalten, alle anderen Items wurden aus der Skala entfernt. Das Vorgehen reduzierte die Itemanzahl auf 16. In einer auf-bauenden Studie wurden anhand von zwei Stichproben die Dimensionalität und die psycho-metrischen Eigenschaften der PWS überprüft und eine finale Version entwickelt. In der ersten Stichprobe füllten 207 Studierende die PWS sowie Messinstrumente zur Erfassung des Af-fekts und der sozialen Erwünschtheit aus. In einer zweiten Stichprobe wurden mittels Ama-zons MTurk 406 englische Muttersprachler, die in den USA erwerbstätig waren, in Bezug auf ihren politischen Willen, ihre politischen Fertigkeiten und ihr politisches Verhalten befragt.

Die Analysen der Daten führten zum Ausschluss von sechs weiteren Items, die zu hohe Kor-relationen mit der sozialen Erwünschtheit aufwiesen. Zwei weitere Items wurden nach fakto-renanalytischen Betrachtungen eliminiert, da ihre Ladungen nicht eindeutig zuzuordnen wa-ren. Die verbleibenden acht Items wurden erneut faktorenanalytisch betrachtet. Es zeigte sich, dass eine zweifaktorielle Struktur, mit jeweils vier Items pro Faktor, die Daten am besten ab-bildete. Die beiden Faktoren wurden in Anlehnung an Treadway (2012) als eigennützig und benevolent bezeichnet. Das zweifaktorielle Modell erwies sich als nur geringfügig durch den Affekt und die soziale Erwünschtheit verzerrt. Anhand mehrerer Modellvergleiche konnte des Weiteren gezeigt werden, dass das Modell und die dazugehörigen Items distinkt von politi-schen Fertigkeiten und politischem Verhalten waren.

In einem nächsten Schritt wurden die Konstrukt- und die Kriteriumsvalidität der fina-len Acht-Item-Skala überprüft. Dazu wurde aufbauend auf den theoretischen Überlegungen von Treadway (2012) auf intrinsische Motivation und die drei Motive Macht, Leistung und Anschluss zurückgegriffen. Ebenfalls wurde die zuvor beschriebene Risikodimension anhand von Risikoaversion erfasst. Zusätzlich wurden als bekannte Konstrukte organisationaler Poli-tik EinflusstakPoli-tiken und politische Fertigkeiten miterhoben. Nach der Argumentation von Ka-poutsis et al. (2015) wählen Personen mit gut entwickelten politischen Fertigkeiten wahr-scheinlicher Einflusstaktiken aus, die in einer Situation angemessen sind. Empirische

Ergeb-nisse bestätigen, dass politisch talentierte Personen effektiver bei dem Erreichen ihrer Ziele durch das Einflussverhalten sind (vgl. Treadway et al., 2007). Dieser Erfolg politisch talen-tierter Personen kann zu einer erhöhten Neigung führen, politisch tätig zu sein und somit ge-nerell zu politischem Handeln motivieren. Diejenigen, die gewillt sind politisch aktiv zu sein, sollten darüber hinaus auch tatsächlich mehr politisches Verhalten zeigen (vgl. Treadway, 2102). Das Durchsetzen des eigenen Willens kann es dabei aber auch erfordern Voice-Verhalten zu zeigen und Veränderungen zu initiieren. Zur Überprüfung dieser Annahmen erhoben Kapoutsis et al. (2015) daher politisches Verhalten und Voice-Verhalten als Maße der Kriteriumsvalidität. Zusätzlich wurde auf den Status innerhalb der Organisationen und auf das Karrierewachstumspotenzial als Kriterien zugrückgegriffen. Status, so argumentieren Ka-poutsis et al. (2015), als Indikator von Macht und Ressourcen, hängt eng mit organisationaler Politik zusammen. Dabei werden bestimmte Formen politischen Verhaltens bewusst dazu eingesetzt, um die eigene Reputation, d.h. die Wahrnehmung der eigenen Person durch ande-ren, zu verbessern. Individuen mit einem ausprägten politischen Willen sollten eher gewillt sein Verhaltensweisen zu zeigen, die sich positiv auf den Status auswirken. Zusätzlich können solche Verhaltensweisen auch das Karrierewachstumspotential beeinflussen (vgl. Liu, Liu &

Wu, 2010).

Die vorgestellten Annahmen wurden in mehreren Schritten überprüft. Anhand einer ersten Stichprobe, bestehend aus 167 MBA-Alumni einer großen griechischen Universität, konnte gezeigt werden, dass die PWS moderate und signifikante Korrelationen mit den drei Motiven, intrinsischer Motivation und Machiavellismus aufwies. Der Zusammenhang mit der Risikoaversion war hingegen negativ. Bei der separaten Betrachtung der beiden Faktoren ei-gennützig und benevolent zeigte sich ein teilweise abweichendes Bild. Eiei-gennütziger politi-scher Wille korrelierte hochsignifikant mit dem Machtmotiv und Machiavellismus, allerdings nicht mit dem Anschlussmotiv. Benevolenter politischer Wille korrelierte hingegen mit dem Anschlussmotiv und der intrinsischen Motivation, zeigte aber keine Zusammenhänge mit dem Machtmotiv und Machiavellismus. In einer zweiten Stichprobe, bestehend aus 115 Managern aus Großbritannien, wurden die Zusammenhänge von politischem Willem und politischen Fertigkeiten sowie den Einflusstaktiken überprüft. Die PWS korrelierte positiv mit allen Ein-flusstaktiken und politischen Fertigkeiten. Benevolenter politischer Wille allein betrachtet korrelierte hingegen nicht mit den politischen Fertigkeiten. Eigennütziger politischer Wille zeigte keine Zusammenhänge zu der Einflusstaktik Rationalität, und korrelierte nur marginal mit der Taktik Austausch von Vorteilen. Weitere regressionsanalytische Betrachtungen

bestä-tigten die Vorhersagekraft von politischem Willen auf Einflusstaktiken, auch über politische Fertigkeiten hinaus.

Die Überprüfung der Kriteriumsvalidität erfolgte mithilfe einer Stichprobe von 160 Mitarbeitern einer griechischen Tourismus- und Transportfirma. Die Mitarbeiter machten in einer Onlineumfrage Angaben über ihren politischen Willen, ihre politischen Fertigkeiten, ihr politisches Verhalten und ihr Voice-Verhalten. Die direkten Vorgesetzten der Mitarbeiter ga-ben sechs Monate später eine Einschätzung des Status, des Karrierewachstumspotenzials und der Leistung, in Form von OCB und aufgabebezogener Leistung17, ab. Die globale PWS so-wie die beiden Faktoren korrelierten signifikant positiv mit dem politischen und dem Voice-Verhalten, dem Status und dem Karrierewachstumspotenzial. Eigennütziger und benevolenter politischer Wille erwiesen sich dabei zusätzlich von prädiktiver Effektivität für politisches Verhalten, über politische Fertigkeiten und die beiden Leistungsvariablen hinaus. Eigennützi-ger politischer Wille erklärte zudem noch signifikante relative Varianz in der Variable Status, benevolenter politischer Wille in den Variablen Voice-Verhalten und Karrierewachstumspo-tenzial. Abschließend wurden ein Test der Invarianz über die verschiedenen Stichproben aus den drei Ländern (USA, Großbritannien, Griechenland) durchgeführt.18 Die Faktorstruktur der PWS erwies sich als valide und invariant über die untersuchten Stichproben hinweg.

Die zweifaktorielle Struktur der PWS bestätigt die grundlegende Annahme, dass poli-tisches Verhalten sowohl selbstdienlich als auch selbstaufopfernd sein kann. Die Existenz von benevolentem politischen Willen, als unabhängiger Faktor und individueller Prädiktor von politischem Verhalten, stellt vor dem Hintergrund der klassischen Sichtweise organisationaler Politik als selbstdienlich und potenziell schädlich, ein richtungsweisendes Ergebnis dar. Die unterschiedlichen Zusammenhänge von eigennützigem und benevolentem politischen Willen sprechen, trotz einer hohen Korrelation der beiden Faktoren, für zwei unterschiedliche moti-vationale Mechanismen. So kann eigennütziger politischer Wille eher als eine auf sich selbst fokussierte Motivation charakterisiert werden, benevolenter politischer Wille hingegen als eine auf andere bzw. auf die Organisation gerichtete Motivation. Dies zeigt sich u.a. auch in den gefunden Zusammenhängen mit den Einflusstaktiken. Eigennütziger politischer Wille hängt verstärkt mit Taktiken zusammen, die der eigenen Person dienen, indem andere zum Handeln gezwungen werden. Benevolenter politischer Wille ist hingegen mit Taktiken assozi-iert, die verstärkt dem Zielobjekt des Einflussversuches dienen. Zusammenfassend kann

17 für eine Definition von Leistung im Allgemeinen und OCB sowie aufgabenbezogener Leistung im Speziellen vgl. Kapitel 2.3.

18 alle Studien wurden in englischer Sprache durchgeführt.

gennütziger politischer Wille durch eine Ausrichtung auf das Sichern von Ressourcen und das Erlangen von persönlichem Profit charakterisiert werden (vgl. Kapoutsis et al., 2015). Bene-volenter politischer Wille umfasst die Motivation sich politisch zum Vorteil anderer zu ver-halten.

Die Ergebnisse von Kapoutsis et al. (2015) bestätigen die Konvergenz und die Unter-schiedlichkeit der beiden Faktoren mit verwandten Konstrukten und zeigen zudem bedeuten-de Unterscheibedeuten-de zwischen bedeuten-den beibedeuten-den Faktoren auf. Neben bedeuten-der Entwicklung bedeuten-der PWS und bedeuten-der Bestätigung einer mehrdimensionalen Struktur, belegen die Ergebnisse der vorgestellten Stu-dien des Weiteren, dass politischer Wille auch über politische Fertigkeiten hinaus politisches Verhalten vorhersagen kann und damit zu einzigartigen politischen Aktionen führen kann (vgl. Mintzberg, 1983). Politischer Wille kann folglich als Motivator für die Mobilisierung persönlicher und organisationaler Ressourcen und für die Erreichung politischer Ziele aufge-fasst werden. Nach Harris et al. (2016) können dabei sowohl die beiden Faktoren als auch das Gesamtkonstrukt als Prädiktoren von politischen oder anderen organisationalen Verhaltens-weisen genutzt werden. Risiko gilt per Definition nicht länger als Kernelement politischen Willens, ist aber immer noch ein entscheidender regulativer Faktor. Ein weiterer Mehrwert der Validierungsstudie liegt darüber hinaus in der Abgrenzung politischen Willens von Ma-chiavellismus und dem Machtmotiv. Alle drei Variablen repräsentieren eine Form der Bereit-schaft, Energie für politische Ziele aufzuwenden (vgl. Porter et al., 1981). Die geringfügige Überlappung grenzt politischen Willen als neues und bedeutsames Konstrukt von Machiavel-lismus und dem Machtmotiv ab.

Die PWS ermöglicht eine intensivere Untersuchung des Konstrukts politischer Wille und die Entwicklung präziserer Modelle politischen Verhaltens. Die Ergebnisse aus unter-schiedlichen Ländern und organisationalen Gegebenheiten bestätigen eine exzellente Reliabi-lität und Validität der neuen Skala. Vor dem Einsatz der PWS im deutschen Sprachraum sollte jedoch eine weitere Validierung vorgenommen werden. Zwar hat sich die PWS als kulturell invariant gezeigt, jedoch wurde sie bislang nur in englischer Sprache19 eingesetzt. Die Funkti-onalität der PWS im deutschen Sprachraum gilt es daher noch zu überprüfen, ebenso wie eine Replikation der Dimensionalität. Eine Validierung einer deutschen Version der PWS wird in Studie 1 vorgenommen. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird die PWS zudem, in Anleh-nung an die Konzeption von Mintzberg (1983), im Zusammenhang mit politischen Fertigkei-ten untersucht (Studie 1-3). Des Weiteren geht Studie 2 ebenfalls auf die Operationalisierung

19 Auch die in Griechenland durchgeführten Untersuchungen fanden in englischer Sprache statt (vgl. Kapoutsis et al., 2015)

der Risikodimension nach Treadway (2012) ein, indem das Zusammenspiel von politischem Willen mit politischen Fertigkeiten und organisationalem Klima exploriert wird. In den Stu-dien 2 und 3 werden zudem Leistungsbeurteilungen als Kriteriumsvariable betrachtet, da der Beurteilungsprozess von Leistung ein starkes mikropolitisches Element beinhaltet (vgl. Abs.

2.3.2.). Auf das Zusammenspiel von politischem Willen und politischen Fertigkeiten wird im Folgenden genauer eingegangen. Dem Thema Leistungsbeurteilungen widmet sich der nächs-te Abschnitt.

2.2.4. Das Zusammenspiel von politischem Willen und politischen Fertigkeiten