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1.3 Zugrundeliegende theoretische Grundlagen und Methodik

1.3.1 Theoretische Grundlagen

Die breit angelegte Zielsetzung spiegelt sich auch in den zugrundeliegenden methodi-schen Grundlagen wider. Während sich die Forschungsbeiträge 1 und 2 noch grundle-gend hinsichtlich der theoretischen Basis unterscheiden, basieren die Beiträge 3 bis 5 auf den Grundlagen der quantitativen Akzeptanzforschung.

Wie einführend bereits erwähnt, besteht das Hauptaugenmerk der gemachten Ausar-beitungen auf der Diffusion, Adoption und Akzeptanz innovativer Technologien.

Selbst bei Vorliegen offensichtlicher Vorteile gegenüber bestehenden Lösungen ist eine flächendeckende Adoption eines neuen Produktes oder einer Dienstleistung nicht selbstverständlich. Everett Rogers (1962) hat den theoretischen Diskurs der Diffusion von Innovationen popularisiert. Er postuliert, dass die individuelle Entscheidung po-tenzieller Nutzer zur Adoption einer Innovation nicht simultan erfolgt, sondern zeit-verzögert. Um den Diffusionsprozess verstehen und beeinflussen zu können, ist es demzufolge entscheidend, die adoptierenden Personen einer Innovation kategorisieren zu können. Hierzu klassifizierte Rogers Individuen innerhalb eines sozialen Systems auf der Grundlage ihrer zeitlichen Adoption in fünf Kategorien (Innovators, Early Adopters, Early Majority, Late Majority und Laggards). Demnach können Innovatoren und EA als verschiedene Gruppen betrachtet werden. In der vorliegenden Dissertation soll jedoch dem Beispiel zahlreicher Autoren gefolgt werden, die Innovatoren und EA synonym unter dem Begriff EA zusammenfassen (u. a., Laukkanen & Pasanen, 2008;

Lynn et al., 2017; Reinhard & Gurtner, 2015). Der Kauf eines neuen Produktes ist stets mit spezifischen Unsicherheiten behaftet. Aufgrund erster Produkterfahrungen und ih-rer Bedeutung für die virale Verbreitung dieser Eindrücke spielen deshalb insbeson-dere die ersten Nutzer von Innovationen eine entscheidende Rolle im Prozess der Ver-breitung (Arnould et al., 2002; McDonald & Alpert, 2007; Tobbin & Adjei, 2012).

Damit diese unabhängig von ihrer zeitlichen Adoption einer Innovation zu identifizie-ren sind, ist der Kritik von McDonald und Alpert (2007) gefolgt und technologische EA anhand ihrer Persönlichkeitsmerkmale selektiert worden. Da der Fokus innerhalb

der Dissertationsschrift auf dem Bereich der technologischen Innovationen liegt, sind die Ausprägung der drei Persönlichkeitsmerkmale technologische Innovationskraft (Bruner et al., 2007), unabhängige Entscheidungsfindung (Midgley & Dowling, 1978) und Meinungsführerschaft (Goldsmith & Witt, 2003) zur Definierung eines technolo-gischen EA herangezogen worden. Diese Eigenschaften beschleunigen den Diffusi-onsprozess technologischer Innovationen (Bass, 1969, 2004), weshalb ein EA fortan als ein Verbraucher definiert wird, der ein hohes Potenzial zur Akzeleration der Dif-fusion technologischer Innovationen aufweist (Bruner & Kumar, 2007).

Gemäß Bass (1969) und Rogers (2003) kommt dem Kommunikationsaspekt für die Adoption neuer Produkte eine entscheidende Bedeutung zu. Deshalb wird weiterfüh-rend die Auswirkung negativer Online-Kommunikation auf die Konsumenteneinstel-lung zu einem technologischen Produkt untersucht. Dies geschieht auf Grundlage der

„Search and Alignment Theory“ von Muthukrishnan und Pham (2002) sowie des Pri-macy-Recency-Effekts. Erstgenannte Theorie beschreibt die Wirkung gegenteiliger Informationen auf die Revision der Einstellung. Sie betrachtet den Prozess der Revi-sion eines ursprünglichen Gedankenbildes durch neu gewonnene Informationen, die der anfänglichen Vorstellung widersprechen. Die „Search and Alignment Theory“ ist für die Untersuchung bestens geeignet, da sie bereits im Kontext negativen eWOMs empirische Anwendung fand, um Effekte auf den konsumentenbasierten Markenwert zu erklären (Bambauer-Sachse & Mangold, 2011). Zur theoretischen Einordnung der Frage nach der Stabilität der neu gewonnenen Einstellung in Anbetracht der anschlie-ßenden Konfrontation mit positiven eWOM dient der „Primacy-Recency-Effekt“ als theoretisches Fundament. Demzufolge wird entweder der zuerst (u. a., Gibbons, Vel-key, & Partin, 2008) oder der zuletzt eingehenden Information (u. a., Garnefeld &

Steinhoff, 2013) mehr Gewicht beigemessen als den dazwischenliegenden. Weiterfüh-rend kann das Elaboration Likelihood Model (ELM) von Petty und Cacioppo (1968) als Erklärungsansatz für einen Teil der gewonnenen Ergebnisse herangezogen werden.

Das ELM ist eine der wichtigsten Theorien der Informationsverarbeitung und gibt an, inwiefern persuasive Kommunikation Konsumenten beeinflussen kann (Yan et al., 2016; Cheung & Thadani, 2012). Nach Ansicht des ELM bestimmen spezifische Merkmale der erhaltenen Informationen die Motivation der Verbraucher, diese zu ver-arbeiten. Die Informationsverarbeitung kann hinsichtlich ihrer Wirkung auf eine Ein-stellungsänderung in zwei antagonistische Arten, entweder die zentrale oder periphere

Route, unterschieden werden (Petty & Cacioppo, 1986).

Wie erwähnt, unterscheiden sich die theoretischen Grundlagen von den ersten beiden Forschungsbeiträgen grundlegend. Die weiteren drei Dissertationsbeiträge fokussieren sich auf die Akzeptanzforschung gegenüber technologischen Finanzdienstleitungsin-novationen. Da die Akzeptanz einer Innovation maßgeblich für eine erfolgreiche Markteinführung ist (Chiesa & Frattini, 2011), widmen sich die Beiträge der Akzep-tanz von MP sowie ST. Diese beiden Finanzdienstleistungen können als Beispiele für bisher nicht erfolgreich am Markt eingeführte Innovationen angesehen werden.

Die Forschungsbeiträge 3 und 4 untersuchen das Themenfeld MP. Damit ein umfang-reicheres Verständnis zur bisher geringen Akzeptanz dieser Dienstleistung in Deutsch-land erlangt werden kann, muss der Frage nach den Bestimmungsfaktoren für eine Marktdurchdringung nachgegangen werden. So ist anzunehmen, dass sich neben be-havioristischen Determinanten ebenfalls demografische Faktoren, wie das Alter (Liébana-Cabanillas, Sánchez-Fernández, & Muñoz-Leiva, 2014), und kulturell be-dingt Unterschiede auf die Nutzungsbereitschaft von MP auswirken (Guhr, Loi, Wiegard, & Breitner, 2013). Da diese Einflussfaktoren zugleich zur Charakterisierung verschiedener Generationen der heutigen Gesellschaft beitragen, lassen sich generati-onsspezifische Akzeptanzunterschiede im Kontext von MP vermuten. Dieser Frage-stellung nachgehend, wird Prenskys (2001) Generationenansatz der Digital Natives und Digital Immigrants (DI) als Moderator innerhalb eines modifizierten “Technology Acceptance Model” (TAM) (Davis, 1989) verwendet. Prensky (2001) berücksichtigt bei der Gruppierung der Generationen im besonderen Maße die zunehmende Integra-tion digitaler Technologie in den Alltag. Dementsprechend unterscheiden sich Indivi-duen, die vor (DI) bzw. nach (DN) dem Anbruch des digitalen Zeitaltes aufgewachsen sind, hinsichtlich ihrer Wertevorstellungen, Denkweisen und Lebensgestaltung. Als zeitliche Trenngrenze dieser dichotomen Untergliederung nennt Prensky (2001) den Geburtsjahrgang 1980. Je nachdem, ob ein Individuum mit digitalen Technologien aufgewachsen ist oder nicht, unterscheidet sich seine Einstellung zur Nutzung neuer Technologien (Dahlberg & Öörni, 2007; Gurtner, Reinhardt, & Soyez, 2014). Die sich hieraus ergebenen Erkenntnisse sollen in der Akzeptanzforschung zum MP Berück-sichtigung finden. Ein im Zusammenhang mit dem beschriebenen Generationsansatz bewährtes Modell der Technologieakzeptanzforschung stellt das TAM dar (u. a., Me-tallo & Agrifoglio, 2015).

Das TAM von Davis (1989) basiert auf der Theory of Reasoned Action von Ajzen und Fishbein (1980) und ist ein äußerst übersichtliches und robustes Model zur Bestim-mung der Nutzungsakzeptanz technologischer Innovationen. Diese Eigenschaften ma-chen es zu einem der am häufigsten genutzten Modelle zur Erklärung der Kundenak-zeptanz gegenüber neuer technologischer Systeme (u. a., Bouwman, Kommers, & van Deursen, 2014; Lai, 2017; Lee, Trimi, & Kim 2013). Es ist nicht nur mit dem Genera-tionsansatz von Prensky (2001) kompatibel, sondern bereits für die Untersuchung der Adoption von MP angewandt worden (Arvidsson, 2014; Bernet, 2014; Dahlberg &

Öörni, 2007; Keramati, Taeb, Larijani, & Mojir, 2012; Liébana-Cabanillas et al., 2014). Laut TAM ist die Entscheidung zur Akzeptanz einer neuen Technologie von zwei entscheidenden subjektiven Variablen abhängig: der wahrgenommenen Nütz-lichkeit sowie der wahrgenommenen BedienungsfreundNütz-lichkeit. Diese beiden Fakto-ren beeinflussen die Einstellung des Individuums zur Nutzung einer Technologie, wel-che zusammen mit der wahrgenommenen Nützlichkeit wiederum Einfluss auf die Ver-haltensabsicht haben. Schließlich bedingt die VerVer-haltensabsicht die tatsächliche Nut-zung (Park, 2009). Da verschiedene Untersuchungen den positiven Zusammenhang zwischen Einstellung, Verhaltensabsicht und tatsächlicher Nutzung bestätigt haben (u.

a., Meharia, 2012; Schierz, Schilke, & Wirtz, 2010) und bisher keine flächendeckende Verbreitung dieser digitalen Bezahlmethode in Deutschland stattgefunden hat, wird in Forschungsbeitrag 3 und 4 davon abgesehen, die tatsächliche Nutzung von MP zu un-tersuchen. So werden in Beitrag 3 die Nutzungseinstellung und in Artikel 4 die Ver-haltensabsicht zur Nutzung als abhängige Variable untersucht.

Das ursprüngliche TAM wurde konzipiert, um eine allgemeingültige Erklärung zu ak-zeptanzstiftenden Determinanten von Computern zu liefern. Es sollte jedoch in der Lage sein, das Nutzungsverhalten über ein breites Spektrum von endnutzerbezogenen Computertechnologien zu erklären (Davis, Bagozzi, & Warshaw, 1989). Trotz oder gerade wegen dieses breiten Anwendungsspektrums der Theorie ist es unabdingbar, das Modell auf die Zielsetzungen der Artikel und den Untersuchungsgegenstand des MP anzupassen bzw. zu erweitern. Dieser Ansatz folgt der Forderung von Bagozzi (2007), zusätzliche Forschungsmodelle zu implementieren und zu validieren, die das TAM durch Einfügen neuer Variablen erweitern und vertiefen. In Forschungsbeitrag 3 wird, in Anlehnung an Schierz und Wirtz (2009) und aufgrund ihrer großen Relevanz

für den Zahlungsverkehr (Henkel, 2001; Levente & Sandor, 2016), die wahrgenom-mene Sicherheit ins Forschungsmodell integriert. Für den Kulturvergleich in der Dis-sertationsschrift 4 werden, auf Grundlage einer umfassenden Literaturanalyse und un-terstützt durch die Beobachtung von Mondego und Gide (2018) sowie Dahlberg, Guo und Ondrus (2015), weitere, die Adoption von MP beeinflussende, Faktoren ergänzt.

So werden vertrauensbezogene (Vertrauen in MP, wahrgenommene Datensicherheit, wahrgenommenes Betrugsrisiko) und soziale Aspekte (sozialer Einfluss und techno-logische Innovationsfreudigkeit) hinzugenommen. Die Auswahl der Variablen ist zu-sätzlich in Abhängigkeit von zu erwartenden kulturellen Unterschieden zwischen den analysierten Ländern getroffen worden. Zur Erforschung solcher kulturellen Unter-schiede ist der Einfluss von Hofstedes (1980) Werk "Culture's Consequences" allge-genwärtig. Sein theoretischer Rahmen ist der gängigste und geeignetste Ansatz zur Untersuchung interkultureller Unterschiede im Bereich der Forschung zu Technolo-gie- und Informationssystemen (Dinev, Goo, Hu, & Nam, 2009; Lee et al., 2013; Ta-ras, Rowney, & Steel, 2009). Hofstede unterscheidet sechs bipolare Dimensionen, die zur Grundlage der Charakterisierung einer Kultur herangezogen werden können (Hof-stede, 2011) und bereits oftmals als Moderatoren innerhalb des TAM Anwendung fan-den (u. a., Straub, Keil, & Brenner, 1997; Zakour, 2004). Für fan-den vorgenommenen Vergleich zwischen Deutschland und den USA werden nur die Kulturdimensionen als Moderatoren verwendet, in denen sich die zu analysierenden Nationen deutlich vonei-nander unterscheiden (Individualismus vs. Kollektivismus; Unsicherheitsvermeidung;

Lang- vs. Kurzzeitorientierung) (Hofstede, 2011).

Zur empirischen Auseinandersetzung mit dem Themenfeld Social Trading (For-schungsbeitrag 5) wird vom ursprünglichen TAM Abstand genommen. Dazu wird die von Venkatesh et al. (2003) implementierte und empirisch validierte Vereinheitli-chung diverser technologsicher Akzeptanzmodelle, die “Unified Theory of Accep-tance and Use of Technology“ (UTAUT), als theoretische Grundlage verwendet. Sie ist das Ergebnis einer Analyse und eines empirischen Vergleichs der “Theory of Reasoned Action” (Fishbein & Ajzen, 1975), “Social Cognitive Theory” (Bandura, 1986), TAM (Davis, 1989), “Theory of Planned Behavior” (Ajzen, 1991), des “Model of PC Utilization” (Thompson, Higgins, & Howell, 1991), “Motivational Model” (Da-vis, 1989), der “Innovation Diffusion Theory” (Rogers, 1995) und des “C-TAM-TPB Research Model” (Taylor & Todd, 1995). Um die Verhaltensabsicht zur Nutzung einer

bestimmten Technologie vorherzusagen, identifizierten Venkatesh et al. (2003) vier Konstrukte: “performance expectancy”, “effort expectancy”, “social influence” und

“facilitating conditions”. Im Forschungsbeitrag 5 wird die Grundstruktur der UTAUT verwendet und auf den spezifischen Untersuchungsgegenstand des ST angepasst. Da-bei wird sich auf die Plattformkategorisierung von Kane et al. (2014) sowie auf die bisherige Literatur zur finanziellen Entscheidungsfindung im Kontext von Informati-onssystemen gestützt. Auf dieser Grundlage wird die ursprüngliche Variable „social influence“ durch „advice suitability“ und „facilitating conditions“ durch „perceived security“ ersetzt. Damit die Nutzungsabsicht zum ST adäquat untersucht werden kann, wird das UTAUT zusätzlich mit einer entscheidenden Variable aus der Literatur zur finanziellen Entscheidungsfindung erweitert. So wird der individuellen „risk aver-sion“, insbesondere auf ST-Plattformen, eine große Relevanz beigemessen (Berger, Wenzel, & Wohlgemuth, 2018; Pelster & Breitmayer, 2019).

Da ST-Anbieter versuchen, ihren Service einer möglichst breiten Kundenbasis anzu-bieten, zu denen insbesondere auch weniger wohlhabende und unerfahrene Kunden gehören, werden zudem potenzielle Kunden mit und ohne vorherige Erfahrungen im Wertpapierhandel verglichen. Bisherige Erkenntnisse, die zeigen, dass sich die Vor-stellungsmuster unerfahrener Nutzer von denen der erfahrenen Nutzer unterscheiden, stützen dieses Vorgehen (Karahanna, Straub, & Chervany, 1999; Venkatesh et al., 2003).