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vidit: das auf Plato Theaet.178e zurückgehende Motiv des glücklichen Schauens der Seelen auf die Erde findet sich seit Ciceros Somnium Scipionis häufig in der römischen

Im Dokument Lucan. 9, 1-604 (Seite 37-41)

Literatur; vgl. SHACKLETON BAILEY 1952,309-310; VAN DAM zu Stat. silv.2,7,107-111.

In der Mythologie ist der souveräne Blick auf die Erde den Göttern, vor allem Jupiter und Helios, vorbehalten; vgl. Verg. Aen.1,223-226; 10,1-4.

13-14. quanta sub nocte iaceret / nostra dies: paradoxe Verkehrung der gewöhnlichen Assoziationen Licht/Leben und Tod/Finsternis; zum Gedankengang vgl. Sen.

dial.12,9,8: nunc libere illic vagatur omniaque rerum naturae bona cum summa voluptate perspicit. erras: non perdidit lucem frater tuus sed sinceriorem sortitus est.

Zur Tag/Nacht-Metaphorik vgl. Sen. dial.6,26,3-4.

14. risitque sui ludibria trunci: Rückverweis auf 8,709-710: carpitur in scopulis hausto per volnera fluctu, / ludibrium pelagi. Angesichts der Vorzüge der himmlischen Existenz erscheint die auf der Erde erduldete Demütigung lächerlich. Imitation dieser Stelle bei Stat. silv. 2,7,100 (Genethliacon Lucani ad Pollam): terras despicis et sepulchra rides. Vgl. auch Sen. dial.6,25,2: iuvat enim ex alto relicta despicere.

15. Emathiae campos: Emathia ist eigtl. der Name des makedonischen Kernlandes zwischen den Flüssen Haliakmon und Axios, dichterisch bezeichnet es häufig Makedonien insgesamt; vgl. OBERHUMMER 1905,2480. Weil Thessalien und Makedonien die römische Provinz Macedonia bildeten, ist die Bezeichnung Emathiae campi für das in Thessalien gelegene Schlachtfeld von Pharsalos nicht ungewöhnlich;

vgl. auch zu 271.

15-16. cruenti / Caesaris: Caesars Blutdurst wird im BC immer wieder hervorgehoben.

Während der Schlacht von Pharsalos prüft er, ob die Schwerter seiner Soldaten blutig sind (7,565-571) und peitscht den Kampf wie Bellona mit ihrer blutigen Geißel auf (7,567-571). Nach der Schlacht lassen Vögel, die von den auf Caesars Geheiß unbestattet gebliebenen Gefallenen gefressen haben, Blut und Eiter aus der Höhe auf die Sieger herabtropfen (7,838-839). Cruentus verwendet Lucan auch zur Charakterisierung von Marius (2,111), Sulla (2,156), Hannibal (4,789) und Cinna (4,822).

16. sparsas ... in aequore classes: um wessen Schiffe es sich handelt, läßt Lucan offen. Da die Route der Seele Pompeius' von Pharsalos über Caesars Truppen zu Cato führt, sind vielleicht eher die republikanischen Schiffe gemeint, die sich nach der Niederlage in Unordnung befinden; vgl. 30.

volitavit: vom Körper befreit überfliegt Pompeius die Stätte der Niederlage und blickt aus überlegener Höhe auf den siegreichen Caesar hinab; vgl. Sen. dial.6,23,2: nec umquam magnis ingeniis cara in corpore mora est: exire atque erumpere gestiunt, aegre has angustias ferunt, vagari per omne sublimes et ex alto adsueti humana despicere; Cic. de or.2,6,23 mit LEEMAN/PINKSTER/NELSON, die auf Plato 7. Brief 347e - 348a; Phaidros 249d als den Ursprung des Motivs hinweisen.

17-18: Pompeius’ Seele läßt sich als Rächer in Brutus und Cato nieder. Die Vorstellung, daß eine in die Ätherregion aufgefahrene Seele wieder auf die Erde zurückkehrt und in verschiedenen Personen eingeht, ist sonst nicht belegt. Sie ist eine Augenblicksbildung Lucans, der auf diese Weise die Übertragung der Kommandogewalt auf Cato in ein einprägsames Bild kleidet, das unmittelbar folgende Auftreten Catos vorbereitet und durch die Nennung Brutus’ den Leser daran erinnert, daß Pompeius’ erfolgreich gerächt werden wird. Von der Funktion im Kontext ist Lucan. 9,17-18 mit dem Pfingstwunder (Apg. 2,1-13) vergleichbar. Hier wie dort stellt sich das gleiche Problem: Nach Tod und Himmelfahrt des bisherigen Anführers müssen die Zurückgebliebenen, die bis zu diesem Zeitpunkt nur auf Weisung gehandelt haben, legitimiert werden, von nun an selbständig zu handeln.

Diskutiert werden die Verse 17-18 in der Forschung hauptsäcklich im Hinblick auf das geplante Ende des BC. B.M.MARTI (1970,20-22) betrachtet die Nennung Brutus’ als ein Argument für die Annahme, daß Lucan ursprünglich vier Tetraden gaplant habe, deren letzte mit der Ermordung Caesars enden sollte. Sie beruft sich in erster Linie auf 2,234-325, wo Lucan durch die gemeinsame Einführung von Brutus und Cato auch das Fundament für ein späteres Auftreten Brutus’ gelegt habe. Die Frage nach dem ursprünglich vorgesehenen Schluß des Epos ist jedoch nach wie vor umstritten; vgl. die ausführliche Diskussion der verschiedenen Positionen bei MASTERS 1992,216-259, der neuerdings wieder dafür plädiert, das Epos so, wie es überliefert ist, für vollendet anzusehen. Dies kann jedoch kaum zutreffend sein. Das formale Argument, daß das zehnte Buch, das nach nur 546 Versen unmittelbar in der Handlung abbricht, nicht vollständig sein kann, wiegt zu schwer.

Unbestritten ist allerdings, daß der Abschnitt 9,1-18, wenn schon nicht eine Mittelachse (MARTI), so doch eine spürbare Zäsur im Epos darstellt. Während Pompeius im Vergeich zu Caesar zwar das kleinere Übel darstellte, aber, weil er selbst nach der Alleinherrschaft strebte, stets in ein gewisses Zwielicht getaucht war, werden mit Cato und Brutus zwei Personen als Gegner des Verbrechers Caesar eingeführt, die Lucan uneingeschränkt positiv darstellt; vgl. BRISSET 1964,148-157.

17. scelerum vindex: scelus ist einer der zentralen Begriffe des BC (81 Belege). Mit ihm bezeichnet Lucan den Bürgerkrieg (z.B. 1,2) und die aus ihm resultierenden Greueltaten, die römische Bürger aneinander verüben. Die Schuld an diesem Verbrechen wird fast durchgängig Caesar angelastet. Als Petreius in Spanien (4,236) die Verbrüderung der Truppen verbietet und die wehrlosen Caesarianer ermorden läßt, hebt Lucan dies ausdrücklich als das einzige Mal hervor, bei dem die Pompejaner für ein Verbrechen an römischen Bürgern verantwortlich sind; vgl. 4,254-259: tu, Caesar, quamvis spoliatus milite multo,/ agnoscis superos; neque enim tibi maior in arvis / Emathiis fortuna fuit nec Phocidos undis / Massiliae, Phario nec tantum est aequore gestum, / hoc siquidem solo civilis crimine belli / dux causae melioris eris. Während der Entscheidungsschlacht sind die Rollen eindeutig verteilt: Pompeius versucht die kampfbereite Truppe vor Pharsalos zurückzuhalten (7,95) und möchte lieber sterben als die ungeheuren Verbrechen zu sehen (7,114-120); Caesar wünscht dagegen keine Untat ungeschehen zu lassen (7,558) und verbreitet um sich herum eine nox ingens scelerum (7,771); er hat das ius sceleris (8,642). Zu scelus bei Lucan vgl. THOME 1993, 238-239.

LEBEK 1976,33 Anm.33 spricht sich dafür aus, daß erst ab Buch 4, nach Lucans Bruch

mit Nero, Caesar zum Hauptschuldigen wird, denn zuvor wird er nur in 2,531 und 3,129, und zwar von seinen Gegnern, mit dem Verbrechensvorwurf konfrontiert.

19-35: Während Cato zu Pompeius' Lebzeiten nur unter Vorbehalt an seiner Seite gegen Caesar kämpfte (19-22), übernimmt er nach Pharsalos gern die vakante Position des Anführers, da das Volk des Schutzes vor dem Tyrannen bedarf (23-26). Er verficht uneigennützig die Sache der Freiheit (27-30) und sammelt die durch die Niederlage versprengten Truppen in Korkyra (30-35).

Lucan hatte Cato in einer ausführlichen Doppelszene, die ihn zusammen mit Brutus und mit Marcia zeigt, innerhalb des zweiten Buches dem Leser vorgestellt; vgl. 2,234-391.

Er zeichnet dort von ihm das Bild des selbstlosen Asketen, der sein persönliches Wohl den Interessen des Staates unterordnet. Obwohl Lucans Cato weiß, daß eine Parteinahme für Caesar oder Pompeius eine Wahl zwischen zwei Übeln ist, weist er Brutus, der ihn dazu zu überreden versucht, neutral zu bleiben, zurück und entscheidet sich dafür, im Heer der Pompejaner zu kämpfen, sei es, um durch ein Selbstopfer das Schlimmste vom Staat abzuwenden, oder um bei einem eventuellen Sieg über Caesar wenigstens ein Minimum an politischen Einflußmöglichkeiten beanspruchen zu können vgl. 2,286-322.

Seine Hochzeit mit Marcia, die er in aller Stille ohne jeden Aufwand begeht, verdeutlicht, daß ihm die Trennung zwischen Privatsphäre und öffentlichem Leben fremd ist. Seine ganze Lebensführung ist darauf ausgerichtet, nicht nur dem Vaterland, sondern darüber hinaus der ganzen Welt nützlich zu sein; vgl. 2,378. 383. 388-391: urbi pater est urbique maritus,/ iustitiae cultor, rigidi servator honesti,/ in commune bonus;

nullosque Catonis in actus / subrepsit partemque tulit sibi nata voluptas. Abgesehen von dieser eingehenden Charakterisierung finden sich bis zum neunten Buch nur vereinzelte Erwähnungen Catos (1,128. 313; 3,155-164; 6,306-311. 789-790). An der Darstellung seiner Rolle in den Auseindersetzungen bis zur Schlacht von Pharsalos ist Lucan nicht interessiert. So bleibt zum einen der Antagonismus zwischen Caesar und Pompeius erhalten, zum anderen tritt Cato erst in dem Moment in den Bürgerkrieg ein, in dem eine Beteiligung am Kampf gegen Caesar keinen moralischen Zweifeln mehr unterworfen ist. Durch seine Darstellung trägt Lucan gewissermaßen Brutus' Argumenten Rechnung, der Cato vor dem Verlust der moralischen Integrität durch Teilnahme am Bürgerkrieg warnt.

Entsprechend der Charakteristik des zweiten Buches ergreift Cato nach Pompeius' Tod entschlossen die Initiative und leitet den republikanischen Widerstand. An eine

Wandlung der Person Catos vom „rigido anacoreta" und „astratto teoretizzatore di virtù" zum „fiero combattente" (GAGLIARDI 1970,96-97) ist nicht gedacht. Er bleibt den in Buch 2 geäußerten Grundsätzen treu, allein der Wechsel der äußeren Verhältnisse bewirkt die Veränderung seines Verhaltens; vgl. zu Cato PECCHIURA 1965,75-88; AHL

1976,232-253; FEHRLE 1983,40-45.

19. ubi pendebant casus dubiumque manebat: „solange die Entscheidung in der Schwebe war und es zweifelhaft blieb"; vgl. 2,41: dum pendet fortuna ducum; 4,771: ancipites steterunt casus. Die Wendung dubium manere ist singulär.

20. dominum: der Verlust der republikanischen Freiheit und die Enststehung die Tyrannei

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