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prosiluit: Den Austritt der luftigen und feurigen Seele aus dem sie behindernden schweren Körper beschreibt Seneca als einen Vorgang, der sich ruckartig und mit

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großer Schnelligkeit vollzieht; vgl. dial.12,9,8: fruitur nunc aperto et libero caelo; ex humili atque depresso in eum emicuit locum; nat.quaest.7,11. Bei Lucan ist dieser Vorgang veranschaulicht: Der Totenschatten springt aus dem Grab.

semustaque membra: Rückverweis auf 8,786-789 (Cordus bricht die Bestattung bei Tagesanbruch ab): semusta rapit resolutaque nondum / ossa satis nervis et inustis plena medullis / aequorea restinguit aqua congestaque in unum / parva clausit humo.

4. convexa: substantiviert vom Himmelsgewölbe seit Verg. Aen.4,451, danach zahlreiche Belege; vgl. ThLL 4,Sp.871,Z.53-Sp.872,Z.3 (LOMMATZSCH). Zu convexus als astronomischem Begriff vgl. LE BOEUFFLE 1987,105.

Tonantis: Rückverweis auf das Ende des achten Buches (8,872: Creta Tonantis).

Unter dem Namen Jupiters faßten die Stoiker das Walten aller göttlicher Mächte, der Weltseele oder des Fatums zusammen; vgl. SVF II,1008-1100; Sen. quaest.nat.2,45;

dial.11,8,3. Convexa Tonantis ist daher gleichbedeutend mit convexa superum (5,632) oder convexa Olympi (7,478). Bekanntlich ist Lucan von den stoischen Gottesvorstellungen, mit denen ihn wohl sein Lehrer Cornutus bekannt machte (vgl.

LAPIDGE 1978,352-354), in einem entscheidendem Punkt abgewichen: Caesars Sieg im Bürgerkrieg war mit dem Glauben an eine göttliche Vorsehung nicht vereinbar, und so finden sich immer wieder scharfe Ausfällle Lucans gegen die Götter; vgl. LE BONNIEC

1970,174-178. Hier ist von Lucans Zweifel an der Macht der Götter nichts zu spüren:

die Topothesie erläutert den mythologischen Begriff convexa Tonantis in der gewohnten naturphilosophischen Terminologie der Stoiker, ohne Polemiken daran anzuschließen.

An zahlreichen anderen Stellen des BC läßt sich Lucans Skepsis gegenüber der traditionellen Religion und dem von ihr gestützten Herrscherkult gerade an der Verwendung der Jupiter Tonans-Vostellung deutlich machen. Seit Horaz (vgl. bes.

carm.3,5,1-3) die Niederschlagung des Gigantenaufstandes durch Jupiter mit der Beendigung des Bürgerkriegs durch Augustus parallelisiert hatte, galt der Princeps als irdischer Stellvertreter des blitzeschleudernden und donnernden Jupiters. Vgl. BELLER

1979,67-80. Indem Lucan immer wieder dem Leser vor Augen führt, daß Jupiter Tonans keineswegs die Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung garantiert, sondern dem Verbrecher Caesar hilflos gegenübersteht oder ihn sogar unterstützt (vgl. 1,195-200; 2,34-36; 3,315-320; 6,260-262; 7,40-44), untergräbt er nicht nur herkömmliche Gottesvorstellungen, sondern auch einen bedeutenden Bestandteil der Repräsentationsmythologie des Prinzipats. Jupiters Entmachtung zeigt sich am deutlichsten darin, daß er sogar der Magie der Hexen schutzlos ausgeliefert ist. Vgl.

6,464-467: axibus et rapidis impulsos Iuppiter urguens / miratur non ire polos. nunc omnia complent / imbribus et calido praeducunt nubila Phoebo,/ et tonat ignaro caelum

Iove. Nur im Neroelogium (1,33-37) verwendet Lucan den Vergleich zwischen Jupiter Tonans/Gigantomachie und Princeps/Bürgerkrieg positiv.

Lucan führt die Kritik hier nicht aus, doch spricht aus der Art und Weise, wie Pompeius’ Seele in den Äther aufsteigt und sich dort über die Erkenntnis des Weltlaufs freut, ein anderer Geist als aus Martial. 9,91, wo der Dichter versichert, daß er die Einladung Domitians zum Abendessen selbst dann annehmen werde, wenn ihm Jupiter Tonans eine Reise zu den Sternen anbieten sollte.

5-18: Pythagoreisch-platonische und stoische Lehrtraditionen über das Schicksal der Seele nach dem Tod haben in Rom, häufig untereinander und mit mythologischen Überlieferungen verbunden, reichen literarischen Niederschlag gefunden; vgl. bes. Cic.

rep.6; Tusc.1; Verg. Aen.6; ausführliche Darstellung der griech.-lat. Tradition bei VAN

DAM zu Stat.Silv.2,107,107-111; BRENA 1999,275-291. Am nächsten stehen Lucan.

9,5-14 Passagen Senecas, in denen er die eschatologischen Vorstellungen vom Aufstieg der Seele aus den Gefängnis des Körpers und der beglückenden Kosmosschau in protreptischen oder konsolatorischen Zusammenhang verwendet; vgl. nat.quaest.

praef.7-17; dial.6,25; 12,9,5-9; epist.79,12; 102,23-29 und dazu HOVEN 1971,93-102 und MANNING zu Sen. dial. 6,23.

Die von Seneca verwendeten Elemente dieses besonders populären Stückes philosophischer Spekulation finden sich auch bei Lucan: Entweichen der Seele aus dem Körper, ihr Aufstieg in den Himmel, Begegnung mit den Seelen anderer tugendhafter Männer, Staunen über die unwandelbare Vollkommenheit des Sternenhimmels, paradoxe Einsicht in die Verworrenheit des Lebens angesichts der uneingeschränkten Erkenntnis im Jenseits. All diese Motive werden von Lucan jedoch mehr angedeutet als ausgeführt. Im Unterschied zu Senecas eschatologischen Ausblicken, die voraussetzen, daß der Verstorbene für immer die Vorzüge des Jenseits genießen werde, kehrt bei Lucan Pompeius aus dem Bereich des Äthers zurück und greift in den geschichtlichen Ablauf des Bürgerkriegs ein. Das Schwergewicht des Abschnitts liegt auf der Übergabe des Kommandos an Cato und Brutus. Lucan erzählt Pompeius’ Himmelfahrt nicht in erster Linie, um dem Leser ein abschließendes Urteil über Pompeius zu vermitteln, sondern um auf möglichst eindringliche Weise Cato die neue Rolle des Gegenspielers Caesars zuzuweisen.

LE BONNIEC 1970,163 kombiniert 9,1-18 mit 8,841-850 und vermutet, daß Lucan Pompeius nach griechischem Vorbild in den Rang eines Schutzheros’ Roms erheben wollte, doch muß dies mangels eindeutiger Aussagen Spekulation bleiben.

5-6: Pompeius’ Seele gelangt in die sublunare Zone, die nach gemeinstoischer Anschauung Aufenthaltsort der Seelen ist; vgl. Tert. an.54; Sext. Emp.9,73; HOVEN 1971,70-75.

Konstruktion: „niger aer idque quod patet quae duo unam rem ostendunt [...]; neque enim terrae lunaeque intervallum habitant semidei manes aetheris imi patientes“

(HOUSMAN z.St.; nach BENTLEY).

5. niger ... aer: gedacht ist an den nächtlichen Sternenhimmel.

astriferis ... axibus: „octo orbium sustÆmati qui planetas et fixa sidera ferunt, quorum infimus lunaris est“: HOUSMAN z.St. Axis, in astronomischer Verwendung eigentlich die Drehachse des Globus, wird in lateinischer Dichtung vielfach metonymisch gebraucht. Vgl. 1,142 [Himmel]; 9,542 [Pol]; 9,852 [Himmelsgegend];

3,359 [Landschaft unter der betreffenden Himmelsgegend.]; ThLL 2, Sp. 1638, Z.38-Sp.1639 (VOLLMER); LE BOEUFFLE 1987,67-70.

6. terras: häufig im Plural, wenn die Erde im Gegensatz zum Himmel gemeint ist. Vgl. z.B.

Lucr. 5,446; Cic. frg.11; Verg. Georg.4,222; Aen.4,269; idiomatisch in der Wendung terras et caelum miscere; vgl. Liv. 4,3,6; Iuv. 2,25; OLD s.v. 8-11.

7. semidei manes: die sublunare Zone ist von Seelen bevölkert, die sich in der

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