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Zehn Tage lang wandelte der Hodza wie ein Halbverrückter im Garten und Hof umher. Der

Zehn Tage lang wandelte der Hodza wie ein

Halbverrückter im Garten und Hof umher. Der

Mensch vergass an das Begiessen, sowie an das Um

hauen, und die Sonne versengte seine Gemüsebeete,

das Grünzeug begann hinzuwelken und eine Menge

Obstes abzufallen. Dem Kaffeegenuss fröhnte er

mehr als sonst gewöhnlich, und auch Tabak rauchte

er mehr als sonst. Sein langer Cibuk hörte schier nicht mehr zu qualmen auf, und zuweilen verschwand selbst der Hodza hinter den Tabakrauchwolken. Seine Ausgänge in die Ge^chäftstrasse gab er auf, viel mehr, er wagte es gar nicht mehr auszugehen, denn er wusste, er sehe herabgekommen aus und jeder mann würde ihn um den Grund dafür befragen . . . Nicht einmal Verschreibungeu stellte er mehr aus.

Kundschaften öffnete er nicht einmal die Türe mehr, sondern empfieng sie schroff hinter dem Türflügel und fertigte sie mit dem Hinweis auf seine Schlaff heit und seine Schwäche ab, die es ihm nicht ein mal das Schreibrohr in die Hand zu nehmen er laube. Sogar einige Freunde, die aus der Geschäft strasse eigens ihn zu besuchen gekommen, schickte er unverrichteterdings zurück.

Was wollt Ihr? — fragte er sie stirnrunzelnd hinter dem Türflügel . . .

Wir kamen, um dich zu sehen.

Ich bin kein Bär, dass ihr mich anschauen solltet.

Aber, wir vernahmen, du wärst leidend.

Ei, jetzt habt Ihr's gehört, dass ich's nicht bin, und so kehrt ruhig wieder heim.

Und die Freunde zogen in schwerer Sorge ab und fragten sich nebenher, ob nicht am Ende der Hodza infolge endloser, gelehrter Beschäftigung zu fällig überschnappt sei . . .

Am elften Tage endlich klapperte der Fallriegel an des Hodzas Haustür, der Flügel ging auf, und der Hodza erschien in eigener Selbstherrlichkeit in der Geschäftstrasse, angekleidet und ausgerüstet wie am Beiramfeste. Die Pluderhosen hatte er im Bache ausgewaschen, und sie sahen beinahe wie neu aus,

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den Kaftan hatte er sorgfältig ausgeflickt, einen neuen Gurt sich um den Leib geschlungen und einen nagelneuen Turban um den Fez gewunden. Seine Schlappschuhe schlurren allerdings nach wie vor und wirbeln den Strassenstaub auf, doch schauen sie nicht mehr so zerfetzt wie vordem aus, denn er wusste sie geschickt mit einem Bindfaden festzubin den; ebenso waren seine Füsse diesmal sauberer als sonst . . .

Wo steht das Haus des Matan Pilinorac? — fragte er eine Kinderschar, die in Unordnung und mit grossem Geschrei aus einer türkischen Religion schule, einem Mrjtef, herauswimmelte.

Kaum vermochte er eine Auskunft zu erlangen.

Unter dem Hum-Berge, in der Blindengasse, das erste Haus rechter Hand, das mit den neuen Tür flügeln und den alten Pochringen, — das ist das Haus von Matan Pilinorac.

Der Hod2a liebkoste die Kinder, reichte ihnen eine Silbermünze, damit sie Nüsse kaufen und schlug die Richtung gegen den Hum ein.

Er gieng bedächtig einher mit gesenktem Haupte, ein Bein dem anderen nachschleifend und bei jedem dritten Schritt stehen bleibend, bald, um den Turban in die richtige schiefe Lage zu setzen, bald, um das Gürtelband in Ordnung zu bringen und bald wieder, um die Spagatschnur an den Schlapfen strammer zu zuziehen.

Eh, gelobt und gepriesen sei Allah! — atmete er auf, als er sich vor der Blindengasse befand. — Nun wäre ich an Ort und Stelle . . . Jetzt brauche ich nur schöne AVorte zu drechseln und nicht kopf los aus der Rolle zu fallen . . .

Und behutsam, wie ein eigentumgefährlicher Strolch, fortwährend um sich schauend, damit ihn nicht wer gewahre, stahl er sich an die Tür hin und pochte mit dem Ring an.

Wer ist's? — fragte aus dem Hofe eine silber helle Frauenstimme, bei deren Laut der Hodza zu sammenfuhr und sein Bart erzitterte.

Ich, — antwortete er lispelnd. — Wir sind die unsrigen.

Über den gepflasterten Hofräum klapperten Pan toffel, rauschten Pluderhosen, der Fallriegel klimperte, und die Tür ging auf.

Ach, Effendi! — fuhr Lucija zurück und blieb verwundert auf der Schwelle stehen. — Wie? du bist es?

Ich, du siehst es, — antwortete der Hodza und machte eine abwehrende Handbewegung. — I)ie Satanim oder weiss ich was, führten mich wahrhaftig hieher.

Ei, zu welchem Zweck denn? — fragte sie lächelnden Mundes.

Des Hodzas Bart nahm eine wellenförmige Be weglichkeit an, seine Augen fiengen zu funkeln und seine Stimme zu erzittern an.

Ich, beim Allah, ich kam zu dir, damit du mir einen Talisman gibst, — sagte er. — Ich stellte aller Welt Talismane aus, und nun sollst du auch mir einen gewähren !

Lucija klatschte sich mit den flachen Händen auf die Knie und näherte ihm dabei so sehr ihr Ge sicht, dass ihn ihr Haar auf der Stirne zu kitzeln begann.

Ich? —. fragte sie.

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Du, bei meinem Glauben, ja du! Seitdem du an jenem Abend zu mir kamst, trugen mir die bösen Geister allen Verstand davon, und ich denke schier an nichts anderes als nur an dich . . . Spott und Schande auf meine alten Tage . . . Hast mich be zaubert, so wahr mir die Kaaba! . . .

Voll neckischen Übermutes drückte Lucija ihre Nase an seine an und zerrte ihn am Barte.

Wer vermöchte dich zu bezaubern? — sagte sie.

Der Hodza vergass sich plötzlich.

Fürwahr, treib du keinen Jux mit mir, — rief er schroff aus, — sondern reich mir entweder irgend einen Talisman oder irgend welches Heilmittel dar, denn so geht es nimmer weiter! ... So wahr mir Allah, mich packt die Wut! . . .

Und er ergriff die Hand, die ihn am Bart hielt, führte sie an seinen Mund und ehe sie ihm Lucija entwinden konnte, brachte er ihr in heftiger Brunst eine Bisswunde bei.