• Keine Ergebnisse gefunden

*) Ein Dörfchen am gleichnamigen Karstflüsschen, zwei Wegstunden südlich von Mostar

— 8 —

Wie, schämst du dich nicht, — spricht er zu ihm mit sanfter und schmeichelnder Stimme, .— du, ein Mann von Jahren, über die vierzig hinaus, bist so gehorsam und schluckst dazu noch Watschen hinunter . . . Du arbeitest, ihr aber gibst du das Geld hin . . . Sie ist der Hausherr, du aber, das Mannsbild, ein Sklave . . .

Mir ist das Wurst, — pflegte Mulla-Mehmed gelassen zu antworten, indem er Rauchwolken durch die Nasenlöcher blies. — Sie ist die Mutter, ist als die ältere die vorgesetzte. . . . Ja, darf denn eine Mutter ihrem Kind keinen Schlag versetzen? Ich bin ihr Kind; so mag sie mich denn hauen, die Augen wird sie mir nicht herausschlagen . . . Mir ist's aber lieber, dass sie sich um das Hauswesen be kümmert . . . Ich gebe ihr das Geld und bin dann aller Sorgen frei und ledig . . . Trage keinerlei Be kümmernis auf meinem Kopfe herum; weder denk ich nach, was ich mir zum Mittagmahl, noch was ich zum Nachtmahl kaufen werde. Ich bin im Hause wie ein vornehmer Gast . . . Sie aber ist die Mutter, ist die ältere, und es gebührt sich auch, dass sie der Hausherr sei . . .

Ja, warum lässt sie dich denn nicht sich be weiben? — fiel ihm Tahiraga etwas kräftiger in die Rede ein. — Deine übrigen Altersgenossen haben das Haus voll Kinder, du aber kein Hündchen und kein Kätzchen. Es gibt nichts schöneres als sein eigen Weib . . . Eh, wüsstest du, Ärmster, wie süss es sich mit einem Weibe lebt . . .

Mulla-Mehmed Hess Rauchwolken aufsteigen und zuckte mit den Achseln.

Ich würde um keinen Preis heiraten, — ant

taugen? Die Mutter kocht mir so zu Mittag als zu Nacht das Essen, wäscht mir die Wäsche, fegt das Haus rein, milkt die Kühe, tut kurzum alles. Wo zu sollte ich wen anderen brauchen?

Und das Weib umhalsen, und sie zu küssen?

Das sind lauter Schnurrpfeifereien . . . Für all dies tät ich nicht einmal als Betrunkener auftanzen.

Meine Mutter soll mir nur leben bleiben und im Haus soll Ordnung walten, etwas anderes benötige ich zur Zeit nicht.

Auf diese Weise erwies sich schliesslich alles Zureden und alle Ratschläge Tahiragas und der anderen als erfolglos. Ja, sie bezweckten damit nur, dass ihnen Mulla- Mehmed um so häufiger auswich und um so mehr den Umgang mit Kindern suchte.

Die Mutter konnte ihn bei seinen Spielen und Ge sprächen mit ihnen nicht sehen und stören, Spiele und Gespräche der Kinder sagten aber seinem Ge-müte am meisten zu.

Und Mulla-Mehmed hätte so bis an sein Grab weiter gelebt, und niemals wäre es ihm in den Sinn gekommen, sein gegenwärtiges Leben zu beklagen oder nach einem andern ein Begehren zu tragen, hätten ihn nicht unverhofft Leiden im Hause heim gesucht. Um die Zeit vor dem Beirani, wohl infolge zu grosser Arbeiten, erkältete sich seine Mutter und erkrankte. Am Tag nach dem Beiram hauchte sie ihre Seele aus und ging in die Wahrheit vor Gottes Thron ein. Dieser Schlag schmetterte Mulla-Mehmed gänzlich nieder. Erschüttert und von Tränen halb erstickt warf er sich über den Leichnam der Mutter hin und erhob ein derartig Wehegeschrei, dass da

— 10 —

rüber vier Stadtteile in Aufruhr gerieten und klein und gross sich auf die Beine machte, um zu erkunden, was für Unglück sich wohl da in der Stadt zugetragen habe.

Als erster kam Tahiraga zu Mulla-Mehmed her beigerannt, und als er ihn sich vor Herzeleid krüm men und Hilferufe ausstossen sah, sprang er auf ihn zu und begann ihn zu rütteln.

Was für ein Teufel ist in dich hineingefahren?

Was brüllst du so sehr? — fragte er ihn zornerfüllt.

— Willst du die ganze Stadt in Unruhe versetzen?

Deine Stimme vernimmt man wie eine Militärtrom pete bis am Ende der Stadt, und die Welt vermeint, es habe sich irgend ein Wunder ereignet.

Und wie, ist es etwa kein Wunder, wenn mir meine Mutter verstarb? — fragte ihn unter Geweine Mulla-Mehmed. — Was fang ich schwarzer Kuckuck vogel an? Wer wird mir die Kühe pflegen, wer das Haus reinigen, wer das Nachtessen bereiten? O, welch ein holdes Glück wenn ich gestorben wäre!

Wenn sie sich jetzt erhöbe, tät es mir nicht leid und haute sie mir hundert Maulschellen herunter . . Tahiraga ergriff ihn bei der Hand und führte ihn wie ein Kind in die andere Stube weg. Er verehrte ihm auch eine Zigarette, zündete sie ihm an und setzte sich ihm gegenüber nieder.

Es gibt noch Leute, denen die Mutter hinstirbt, und sie stimmen kein solches Eselgeschrei wie du an, — so hub er ihn mit sanfterem Tone zu trösten an. — Auch sie konnte keine hundert Jahre leben.

Ja, sie konnte gut ihre hundert Jahre alt wer den. Es gibt noch Weiber, die das hundertste Lebensjahr erreichen, — fiel ihm Mulla-Mehmed traurig den Kopf schüttelnd in die Rede.

Gottes Wort allein ist massgebend und er ver fügte, sie solle jetzt sterben, — fuhr ihn Tahiraga rauh an. — Für jedes Übel ist ein Heilkraut ge wachsen, und so wird sich wohl auch eines für deinen Gram und Kummer finden lassen. Wir werden dich artig fein beweiben und damit wird alles wieder ins richtige Gleise kommen.

Mulla-Mehmed sprang auf wie mit einer Ahle gestochen.

Ich mich beweiben? — fragte er erschrocken.

—- Nein, so heilig mir der Koran! . . . Mit einem Weib weiss ich nicht umzugehen. Lieber will ich alles tun, als mich beweiben! . . .

Ja, wie beweiben sich denn andere Leute?

Soll sich nur beweiben, wem's gefällt, ich aber, beim Allah, ich mag nicht. Was wüsste ich mit einem Weibe für Unterhaltungen zu führen? Es kommt mir vor, wenn ich sie nur anschaute, bliebe mir der Mund gelähmt . . . Nein, mein Efendi! . . . Für mich taugt nicht ein Weib.

Nachdem sie die Alte bestattet hatten und nach Ablauf weiterer zwei Tage, machte Tahiraga wieder bei Mulla-Mehmed einen Besuch und hub ihn neuer dings zu beraten an.

Hör mal, sollst nicht krank sein, ich entdeckte auch ein Weib für dich, — sprach er zu ihm. — Ist feurig, gewissenhaft, hat überall ihre Augen, die wird dir passen! Jung, kräftig, kernig und dazu eine Witib! Zählt noch keine dreissig Jahre. Er zählte ihr von dir, teilte ihr mit, du besässest zwei Kühe, einen Garten und hättest auch etwas Klein geld . . . Ich sagte ihr, was du für ein guter Kerl bist, und dass sie neben dir im Hause der Haus

— 12 —

herr sein kanu, wie es deine Mutter, Gott sei ihrer Seele gnädig, gewesen, und dass du ihr folgen .wirst . . . Und ich habe ihr alles erzählt und dich herausgestrichen, bis sie mir zusagte, sie werde dir ihre Hand reichen . . . ,,Ich möchte mit ihm nur eine Begegnung haben," sagt sie, „und dann gehe ich gleich mit ihm mit!"

Mulla-Mehmed streckte den Hals aus und zog die Augenbrauen in die Höhe.

Ich habe dir bereits erklärt, dass ich nicht mag,

— sagte er. — Hast umsonst geredet. Ich weiss mit ihr nichts anzufangen . . . Am anderen Tage würde entweder sie von mir oder ich von ihr davon laufen.

Nun, so versuch es mal!

Mag ich nicht!

Nach vollen zwei Monaten trafen sie einander wieder, Tahiraga sah ein, es wäre fruchtlose Mühe wenige Tage nach der Mutter Hinscheiden dem Sohne zuzureden. Darum beschloss er, ihn sich eine Zeit lang um die Wirtung der Kühe, die Instandhaltung des Hauswesens und Gartens abrackern zu lassen, und ihm erst dann von seinem Vorschlag wieder eine Erwähnung zu tun. Inzwischen besuchte er fleissig Frau Munta, die Witwe nach einem armen Schuster, rühmte ihr unablässig Mulla-Mehmed an und belehrte sie, wie sie mit ihm zu reden habe und was sie alles mit ihm unternehmen werde.

Eh, wie steht's im Heimwesen? — so fragte Tahiraga bei einer neuen Begegnung Mulla-Mehmed.

Schlecht! — seufzte Mulla-Mehmed auf und liess den Kopf hängen. — Man merkt es, dass eine Hausfrau fehlt. Ich melke zwar die Kühe, vermag

aber nicht einmal die Halbscheit so viel Milch