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2 LITERATURÜBERSICHT

2.3 Skelettmuskelveränderungen bei Menschen mit COPD

2.3.3 Systemische Ursachen für Skelettmuskelveränderungen

In der Muskulatur von Menschen mit COPD ist die Aktivität einiger Muskelenzyme verändert. Während die Aktivitäten der Creatinkinase (CK) und der Phosphofructokinase im Musculus deltoideus bei betroffenen Patienten keine Unterschiede im Vergleich zu gesunden Probanden aufweisen, sind die Aktivitäten der Citratsynthase und der Laktadehydrogenase signifikant erhöht (GEA et al. 2001; HERNANDEZ et al. 2003). GEA et al. (2001) und

metabolische Adaptation in der mitochondrialen Kapazität und des glykolytischen Stoffwechsels stattfindet.

In zahlreichen humanmedizinischen Studien wurde nicht nur die Muskulatur von chronisch erkrankten Lungenpatienten im Vergleich zu gesunden Kontrollgruppen in Ruhe, sondern auch der Einfluss einer standardisierten Belastung (meist mit dem Fahrradergometer) untersucht (MALTAIS et al. 1996; SERRES et al. 1998; ENGELEN et al. 2000a). Dabei trat bei untrainierten COPD – Patienten ein frühzeitiger und höherer Anstieg des Blutlaktatwertes auf als bei einer gesunden Kontrollgruppe (MALTAIS et al. 1996; ENGELEN et al. 2000a).

Zusätzlich wurde bei den Patienten mit stark erhöhtem Blutlaktatspiegel nach Belastung eine stärkere Reduktion der oxidativen Enzymaktivitäten im Muskel beobachtet als bei Patienten mit moderatem Laktatgehalt (MALTAIS et al. 1996).

Systemische Entzündung

Verschiedene Studien konnten belegen, dass bei COPD – Patienten neben lokalen entzündlichen Reaktionen in der Lunge auch systemische Entzündungsprozesse auftreten. So wurden erhöhte Serumlevel von C-reaktivem Protein, Fibrinogen, Leukozyten und proinflammatorischen Enzymen wie Interleukin-6 (IL-6), IL-8 und TNF-α (Tumornekrosisfaktor-α) gemessen (SCHOLS et al. 1993; DENTENER et al. 2001; GAN et al. 2004). Nicht nur im Blut sondern auch in der Muskulatur wurden Anzeichen einer systemischen Entzündung diagnostiziert. So wurde in der Interkostalmuskulatur von chronisch lungenkranken Menschen ein signifikanter Anstieg von TNF-α und IL-6 nachgewiesen (CASADEVALL et al. 2007).

Verschiedene Studien führen zu der Annahme, dass es eine Korrelation zwischen dem Gehalt an systemischen Entzündungsmarkern und einer schlechten kontraktilen Muskelleistung gibt.

So wurde eine negative Korrelation zwischen der Muskelkraft des Musculus quadrizeps femoris und dem Serum-IL-8 Spiegel während der Belastung nachgewiesen (SPRUIT et al.

2003; YENDE et al. 2006). Auch eine Korrelation zwischen der Lungenfunktion und dem Gehalt an Entzündungsmarkern im Blut konnte nachgewiesen werden, da es bei einem reduzierten FEV1 zu einem Anstieg von C-reaktivem Protein und IL-6 im Plasma von Patienten mit schwerer COPD kommt (BROEKHUIZEN et al. 2006).

Die Annahme, dass systemische Entzündungsprozesse zur Skelettmuskeldysfunktion bei COPD beitragen wird dadurch bekräftigt, dass viele proinflammatorische Enzyme das Skelettmuskelwachstum und die Kontraktionsleistung beeinflussen. TNF-α wird eine

bedeutende Rolle als Inititator für den Muskelschwund zugesprochen, da TNF-α eine Apoptose induziert, welche anhand einer erhöhten Anzahl an apoptotischen Zellkernen im M.

quadrizeps femoris nachgewiesen wurde (CARBO et al. 2002; AGUSTI et al. 2004;

LANGEN et al. 2006). Zusätzlich scheint TNF-α die oxidative Kapazität des Skelettmuskels durch eine Hemmung der mitochondrialen Biogenese zu reduzieren (VALERIO et al. 2006).

Doch liefern verschiedene Studien gegensätzliche Ergebnisse bezüglich der gemessenen Gehalte an proinflammatorischen Enzymen. Während in einigen Studien keine signifikanten Unterschiede zwischen COPD Patienten und gesunden Probanden bezüglich der Gehalte an IL-6, IL-8, Interferon-γ und TNF-α nachgewiesen werden konnten (CRUL et al. 2007;

BARREIRO et al. 2008), wurde in anderen Untersuchungen ein mehr als fünffacher Anstieg des TNF-α Levels in der Quadrizepsmuskulatur bei Patienten mit schwerer COPD im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden beschrieben (MONTES DE OCA et al. 2005). Bei Menschen mit moderater bis schwerer COPD wurde ein signifikanter Anstieg von IL-18 in Muskelproben der Quadrizepsmuskulatur beobachtet (PETERSEN et al. 2007). Die Ursache für diese gegensätzlichen Ergebnisse ist bislang ungeklärt, aber Faktoren wie eine geringe Anzahl an Probanden, An- oder Abwesenheit von Hypoxie und schwerem Gewichtsverlust sowie unterschiedliche Schweregrade der Erkrankung können eine Rolle spielen.

Ernährungsbedingte Ursachen

Eine Mangelernährung oder ein Nährstoffmangel tritt bei den COPD Erkrankten als Ergebnis einer Imbalance von Energieaufnahme und Energieverbrauch auf. Häufig nehmen betroffene Patienten aufgrund postprandialer Dyspnoe, frühzeitiger Sättigung, Erschöpfung oder reduziertem Appetit weniger Energie auf. Gleichzeitig haben sie jedoch aufgrund der erschwerten Atmung, thermoregulatorischen Effekten von Bronchodilatatoren und systemischen Entzündungsprozessen einen erhöhten Verbrauch (BAARENDS et al. 1997;

VERMEEREN et al. 1997). Der durch das Energiedefizit entstehende Gewichtsverlust hat einen negativen Einfluss auf die Muskulatur. So ist bei Patienten mit einem BMI (body mass index) unter 14 die maximale Muskelkraft der Quadrizepsmuskulatur deutlich reduzierter als bei normalgewichtigen COPD Patienten (MCLOUGHLIN et al. 1998).

Medikamentelle Einflüsse

Kortikosteroide werden häufig in der Therapie der humanen COPD eingesetzt. Sie können zu einer Dysfunktion der Skelettmuskulatur im Rahmen der Steroid-induzierten Myopathie führen. So hat eine Langzeittherapie mit relativ hohen Dosen von Kortikosteroiden eine signifikante Reduktion der Muskelkraft und eine Atrophie von sowohl der Atemwegsmuskulatur als auch der Extremitätenmuskulatur zur Folge (DECRAMER u. STAS 1992). Bei Patienten, die während einer akuten Exazerbationsphase eine Kurzzeittherapie mit einer Tagesdosis von 4 mg Methylprednisolon verabreicht bekamen, konnte eine schwere Muskelschwäche beobachtet werden, welche nicht mehr in Relation zu dem Verlust an Muskelmasse stand. Die reduzierte Muskelkraft ist mit einem erhöhten Auftreten von Muskelfaseratrophien und Muskelzellnekrosen assoziiert (DECRAMER et al. 1994;

DECRAMER et al. 1996).

Chronische Inaktivität

Die bei COPD Patienten häufig auftretende chronische Inaktivität geht mit verschiedenen adaptiven Veränderungen in der Skelettmuskulatur einher. Der Anteil an Typ I – Muskelfasern wird reduziert, es kommt zu einer Muskelfaseratrophie, einer reduzierten Kapillardichte und einer Reduktion des Gehaltes an antioxidativen Enzymen (FRANSSEN et al. 2002; REMELS et al. 2007). Der Grad der Veränderungen ist stark von dem Grund und der Dauer der Inaktivität abhängig. Es scheint, dass die Skelettmuskulatur von COPD Patienten stärker durch chronische Inaktivität beeinträchtigt wird als jene von gesunden Kontrollprobanden. So zeigten COUILLARD et al. (2002) in einer Studie, in der die gesunden Kontrollprobanden den gleichen Grad an Inaktivität aufwiesen wie die COPD Patienten, dass die betroffenen Patienten in der Quadrizepsmuskulatur eine geringere Ausdauer und einen erhöhten Gehalt an Typ I - Muskelfasern aufwiesen. Während sich der Gehalt an Typ I - Fasern bei gesunden Probanden bei chronischer Inaktivität von 60% - 65%

auf ca. 40% reduziert, weisen Menschen mit COPD bei dem gleichen Grad an Inaktivität eine Reduktion auf unter 19% auf (PROCTOR et al. 1995; HOUMARD et al. 1998; GOSKER et al. 2002; ALLAIRE et al. 2004).

Hypoxie

Häufig ist die humane COPD vergesellschaftet mit einer chronischen moderaten Hypoxie oder mit wiederholten hypoxischen Phasen. Aufgrund der mangelhaften Sauerstoffsättigung im Blut der betroffenen Patienten entsteht eine ungenügende Oxygenierung im peripheren Muskel. Dies führt zu adaptiven Veränderungen im Muskelmetabolismus mit einer Verschiebung vom oxidativen zum glykolytischen Stoffwechsel (GOSKER et al. 2000). Es gibt Hinweise, dass eine Hypoxie zu einer signifikanten Reduktion der Muskelkraft und Muskelausdauer führen kann. Auch der Anteil der Typ I – Fasern in der Quadrizepsmuskulatur ist signifikant niedriger bei hypoxischen COPD Patienten verglichen mit nicht hypoxischen (GOSKER et al. 2002). Zusätzlich korreliert die Belastungskapazität positiv mit dem Sauerstoffpartialdruck im Blut (SERRES et al. 1998). Eine Hypoxie kann sowohl einen direkten Einfluss auf die Skelettmuskulatur haben, als auch einen indirekten durch eine erhöhte Freisetzung an proinflammatorischen Zytokinen wie TNF – α oder IL 1β (GHEZZI et al. 1991). Der Gehalt an belastungsinduzierter Lipidperoxidation und oxidierten Proteinen in der Muskulatur (M. quadrizeps femoris) bei COPD Patienten mit chronischer Hypoxie ist größer als bei nicht hypoxischen Patienten (KOECHLIN et al. 2005). Auch im Zwerchfell kommt es zu einer signifikanten Reduktion der Muskelkraft und –ausdauer bei hypoxischen Patienten. Eine 15 minütige Inhalation mit Sauerstoff führt jedoch zu einer deutlichen Verbesserung der Kraft und Ausdauer des Diaphragmas (ZATTARA-HARTMANN et al. 1995).

Oxidativer und nitrosaktiver Stress

Die sogenannten reactive oxygen species (ROS = Sauerstoffradikale) und nitrosactive oxygen species (NOS) sind Sauerstoff- und Stickstoffradikale und hochreaktive Moleküle, die physiologischer Weise in relativ niedrigen Leveln in der Skelettmuskulatur produziert werden (KIM et al. 2008). Die ROS leiten sich vom Superoxidanion (O2.-) her, während die NOS auf das Stickstoffoxid (NO.) zurückzuführen sind. In physiologischen Skelettmuskelfasern spielen die in niedrigen Leveln vorhandenen ROS eine positive Rolle bei anhaltenden Kontraktionen.

Eine erhöhte Produktion dieser Moleküle auf signifikant höhere Level, die nicht mehr von der intrazellulären antioxidativen Abwehr neutralisiert werden können, führt zu schädlichen Effekten in der Muskulatur (REID 1996). Sie beeinflussen die Kontraktionsleistung der Muskulatur, in dem sie auf verschiedene Enzyme wirken, die in die mitochondriale Atmungskette, die Glykolyse und den Calciumhaushalt eingreifen (KIM et al. 2008). Ein

Membranphospholipiden, die eine Aufspaltung von mehrfach ungesättigten Fettsäuren nach sich zieht. Diese Aufspaltung führt zu einer Produktion von verschiedenen Zytokinen und hochreaktiven Aldehyden, Alkenale und Hydroxyalkenalen wie dem Malondialdehyd. Dies kann zu einer Schädigung der Zellmembran führen (HALLIWELL 1989).

Anzeichen für oxidativem Stress bei COPD Patienten wurden im Plasma, im Urin und in der Skelettmuskulatur sowohl in Ruhe als auch nach Belastung beschrieben. Im Urin konnten bei Menschen mit schwerer COPD signifikant höhere Level an Malondialdehyd gemessen werden als bei Kontrollprobanden (MERCKEN et al. 2005).

Unter physiologischen Bedingungen werden Hypoxanthine und Xanthine durch die Xanthinedehydrogenase zu Harnsäure oxidiert. Unter hypoxischen oder ischämischen Zuständen wird die Xanthindehydrogenase dagegen zur Xanthinoxidase umgewandelt. Diese reduziert vor allem molekularen Sauerstoff zu Sauerstoffradikalen und Wasserstoffperoxid, welche ebenfalls zum oxidativen Stress beitragen (ENGERSON et al. 1987). Häufig wird bei COPD-Patienten ein belastungsinduzierter oxidativer Stress beobachtet. Dieser äußert sich vor allem in Form von Fettperoxidation und Proteinoxidation (COUILLARD et al. 2003).

Auch erhöhte Gehalte an freien Radikalen und IL-6, sowie eine reduzierte antioxidative Kapazität können bei erkrankten Patienten nach Belastung beobachtet werden (VAN HELVOORT et al. 2007).

Oxidativer Stress bei COPD Patienten wird nicht nur durch das vermehrte Auftreten von Oxidantien, sondern auch durch eine signifikante Reduktion der antioxidativen Kapazität hervorgerufen (COUILLARD et al. 2002). Somit ist oxidativer Stress bei COPD das Ergebnis eines Unvermögens des antioxidativen Systems die erhöhte Produktion an Oxidantien zu neutralisieren.