Neben der Beseitigung hyperglyk
ämiebedingter S5anptome, die bei den meisten Patienten bereits bei Werten unter 250mg/dl erreicht wird, strebt man eine Reduktion der Folgekomplikationen an. Zur Ver
meidung der mikrovas
kulären Komplikationen ist eine Senkung der Nüchtern-BZ-Spiegel auf 140mg/dl wahrschein
lich ausreichend (8). In der DCCT (11) konnte für Typ-I-Dia- betiker nachgewiesen werden, daß eine normnahe Einstellung erheb
lich zur Verminderung der mikrovas
kulären Komplikationen beiträgt.
Für die lyp-II-Diabetiker sind die makrovaskulären Komplikationen bezüglich Morbidität und Mortalität jedoch von vorrangiger Bedeutung.
Bereits eine pathologische Glukose
toleranz führt möglicherweise zu ei
ner Erhöhung der makrovaskulären Komplikationen. Bei Typ-II-Diabeti- kern ist deshalb möglicherweise eine noch stärkere Senkung der Blutzuk- kerspiegel auf Werte unter 108mg/dl notwendig, um die Morbidität und Mortalität zu beeinflussen (4).
Ein Beweis, daß eine Senkung der BZ-Spiegel auch die makrovaskulä
ren Komplikationen senkt, liegt bis
her aber noch nicht vor.
Die vorläufigen 6-Jahres-Ergebnis- se der U.K. Prospektive Diabetes Stu
dy (12) konnten diese Frage bisher noch nicht klären. Die medikamen- tösenTherapien führten mit Insulin,
m.ji^
TYP-II-DIABETE5 BEI NIERENINSUFFIZIENZ
Tabelle 2: Vergleich Diät alleine gegen Diät + Insulin oder Sulfonylharnstoffe
Therapiebeginn nach GJahren
Diät alleine Diät + Medikamente
P = Diät alleine Diät +
Medikamente P =
Körper
-gewicht (kg) 75,9±15,1 75,4 ±14,2 NS 78,5±15,8** 80,7115,5** <0,001 Nüchtern
Daten als Durchschnitt ± SD für Körpergewicht, als Median (iq range) für Nüchternglukose und HbAI c, und geometrischer Durchschnitt (1 SD-Intervall) für Nüchterninsulin.
* P < 0,5; * * P < 0,0001 für den Vergleich mit Therapiebeginn innerhalb der Therapiezuordnung.
Modifiziert nach U.K. Prospektive Diabetes Study Croup, Diabetes 1995
Tabelle3: Vergleich Diät alleine mit Diät + Metformin
Therapiebeginn nach 6 Jahren
Diät alleine Metformin P = Diät alleine Metformin P =
Körper
gewicht (kg) 86,1 ±14,8 86,7115,6 NS 87,5116,4** 87,9117** NS
Nüchternglu
Daten als Durchschnitt ± SD für Körpergewicht, als Median (iq range) für Nüchternglukose und HbAI c, und geometrischer Durchschnitt (1 SD-Intervall) für Nüchterninsulin.
* P < 0,5; * * P < 0,01: * * * P < 0,0001 für den Vergleich mit Therapiebeginn innerhalb der Therapie
zuordnung.
Modifiziert nach U.K. Prospektive Diabetes Study Group, Diabetes 1995
Sulfonylharnstoffen oder Biguani- den zu einer vergleichbaren Sen
kung des HbAlc-Wertes um 0,8% ge
genüber den rein dietätisch Behan
delten (Tab. 2 und 3). Nach sechs Jah
ren hatten nur noch 5% der reinen Diätgruppe, 18% der Sulfonylharn
stoffgruppe und 20% der Insulin
gruppe Nüchtern-BZ-Spiegel unter 108mg/dl. Die Zahl schwerer Hypo
glykämien pro Jahr, die Fremdhilfe notwendig machten, lag bei 0,03%
unter reiner Diät, bei 0,7% unter Sul
fonylharnstoffen und bei 2,3% unter Insulintherapie.
Unter rein dietätischer Therapie und zusätzlicher Therapie mit Met
formin nahmen die Patienten 2kg weniger an Gewicht zu als unter The
rapie mit Sulfonylharnstoffen oder Insulin. Die Seruminsulinspiegel wa
ren wie erwartet unter Therapie mit Insulin oder Sulfonylharnstoffen si
gnifikant höher als unter rein diäte
tischer Therapie und lagen unter Metformintherapie deutlich nied
riger (Tab. 2 und 3).
Trotz der niedrigeren BZ-Spiegel unter medikamentöser Therapie und trotz theoretischer Vorteile einzel
ner Medikamente (Metformin) wur
den bezüglich der Mortalität und Morbidität keinerlei Unterschiede festgestellt.
Die medikamentösen Interventio
nen hatten also weder einen Nutzen noch einen Schaden zur Folge, abge
sehen von einer deutlich höheren Hypoglykämierate unter Insulin und Sulfonylharnstoffen.
Als mögliche Erklärung dieser feh
lenden Unterschiede werden primär drei Ursachen diskutiert;
■ die Beobachtungsdauer war zu kurz, die geplante Studiendauer wurde deshalb bis 1997 verlängert,
■ die erreichte BZ-Senkung war zu gering gewesen und
■ die Nebenwirkungen der Medika
mente haben möglicherweise den Nutzen der Blutzuckersenkung aufgehoben, z.B. durch ein mögli
cherweise’ erhöhtes Herzinfarkt
risiko durch Sulfonylharnstoffe und Biguanide, was z.B. in der UGDP-Studie vermutet wurde (13).
Diese ersten, prospektiv an einer großen Patientenzahl erhobenen, al
lerdings noch vorläufigen Studien
ergebnisse legen sicher eher eine vorsichtige BZ-Einstellung bei niere
ninsuffizienten Patienten nahe, so
bald eine medikamentöse Therapie notwendig wird. Bei entsprechender Bereitschaft der Patienten zu häufi
gen BZ-Selbstkontrollen und multi
plen präprandialen Injektionen von Normalinsulin oder Einsatz einer In
sulinpumpe kann auch bei Nierenin
suffizienz eine gute BZ-Einstellung erreicht werden. Allerdings ist sie bei gleichem Aufwand fast immer etwas schlechter als bei normaler Nieren- funktion.
Fazit
Die diätetische Behandlung ist in allen Stadien der Niereninsuffizienz nebenwirkungsfrei durchführbar und reicht zu Beginn der Erkrankung für eine befriedigende BZ-Einstel
lung fast immer aus. Das Erreichen des Idealgewichtes und regelmäßige
TYP-II-DIABETE5 BEI NIERENINSUFFIZIENZ
Medikament & Praxis
Acarbose: gerin
ges Risikoprofil, aber oft schlecht verträglich
körperliche Aktivität hat sicher die besten Ergebnisse, wird jedoch nicht von allen Patienten erreicht. Durch
schnittlich wird bei guter Betreuung eine dauerhafte Gewichtsabnahme von 3 bis 5kg erreicht. Der Gewichts
reduktion sind bei vielen Patienten offensichtlich Grenzen gesetzt, die nicht nur in mangelnder Complian
ce begründet sind (7,14).
Da alle medikamentösen Thera
pien bei Niereninsuffizienz eine hö
here Nebenwirkungsrate haben und ein prognostischer Nutzen ihres Ein
satzes noch nicht belegt ist, ist die Fortführung der rein diätetischen Be
handlung auch bei mäßig erhöhten BZ-Spiegeln unter Umständen sinn
voll.
Die Grenze, ab wann eine medika
mentöse Therapie notwendig wird, kann nur individuell festgelegt wer
den, sie sollte auf jeden Fall so ge
wählt sein, daß keine hyperglyk
ämiebedingten Symptome auftreten.
Von den oralen Antidiabetika kön
nen Biguanide bei Niereninsuffi
zienz nicht eingesetzt werden, die anderen oralen Medikamente sind bis auf eine Ausnahme (Gliquidon) nur bei leichter Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance > 25-30ml/min) zugelassen. Acarbose hat hierbei das gering
ste Risikoprofil, bei al
lerdings oft subjektiv schlechter Verträglich
keit. Von den gut ver-
"" träglichen Sulfonyl
harnstoffen bietet sich bei Nierenin
suffizienz das fast ausschließlich bi
liär eliminierte Gliquidon an.
Insulin kann in allen Stadien der Niereninsuffizienz eingesetzt wer
den, die Hypoglykämierate ist jedoch wie bei den Sulfonylharnstoffen er
höht. Im Vergleich zu Nierengesun
den muß deshalb der Therapieauf
wand erhöht werden, oder es müs
sen etwas höhere BZ-Spiegel toleriert werden.
Es sollte bedacht werden, daß bei lyp-ll-Diabetes und Niereninsuffi
zienz risikoarme Therapieprinzipien mit nachgewiesener Senkung der makrovaskulären Komplikationen zur Verfügung stehen, nämlich:
■ eine optimale Blutdruckeinstel
lung und
■ eine Senkung der Serumlipide.
Diese Möglichkeiten sollten voll ausgeschöpft werden. Die genannten Therapieziele müssen evtl, nach Ab
schluß der UKPDS im Jahr 1997 er
neut überdacht werden.
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Dr. med. K. Schmidt
Arzt für Innere Medizin - Endokrinologie Fachklinik für Herz-Gefäßkrankheiten, Stoffwechsel und Diabetes der KVB Sodener Straße 43
61462 Königstein
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