1 Wie erhöhte Triglyzeride zum KHK-Risiko beitragen
■ Sie sind in allen atherogen Lipoprotei
nen vorhanden (in kleinen dichten LDL-Partikeln, in IDL und wohl auch im VLDL).
■ Es existiert eine Beziehung zwischen niedrigem HDL und erhöhten Trigly
zeridwerten - und hohes HDL ist ein Schutzfaktor«.
■ Es gibt Beziehungen zwischen un
günstigen rheologischen Faktoren und hohen Triglyzeridspiegeln (Fak
tor VII, VIII, X und PAI-1 erhöht, t-PA erniedrigt).
sind in vivo wahrscheinlich athero
gen. Da also Triglyzeride in den mei
sten atherogenen Remants vorhan
den sind, steigt mit dem Triglyzer
idspiegel auch das Herzkreislauf-Ri- siko, meint LaRosa. Dabei sind - oh
ne daß wir bis jetzt genau wissen weshalb - erhöhte Spiegel bei Frau
en ein besserer Risikoindikator als bei Männern, dies zeigt eine ganz ak
tuelle Metaanalyse von Hokanson und Austin (J. Cardiovascular Risk 1996; 3; 23-219). Bei Frauen, die ora
le Östrogene einnehmen, steigt der Triglyzeridspiegel ebenfalls an, wäh
rend er bei transdermaler Verabrei
chung sinkt, ln prämenopausalen Frauen sind auch die üblichen Maß
nahmen der ersten Stufe zur Sen
kung der Triglyzeridspiegel - Diät und körperliche Bewegung - nicht so wirksam wie bei Männern. Auch hierbei weiß man noch nicht, wes
halb dies so ist. Die PROCAM-Studie zeigt an Männern deutlich, daß Tri
glyzeride bei gleichem Verhältnis von LDL zu HDL das Risiko zur Ent
wicklung einer Herzkrankheit er
heblich vergrößern.
Diabetische Männer und Frauen jeglichen Alters haben bei gleich ho
hen Triglyzeridspiegeln aber ein gleich hohes Risiko, der geschlechts
spezifische Unterschied ist hier auf
gehoben - weshalb, wissen wir heu
te noch nicht, so LaRosa.
Im Alter steigen die Triglyzer
idspiegel zwar generell an, sie blei
ben aber auch bei älteren Menschen wichtige Risikoindikatoren.
Auch nach den Mahlzeiten gehen die Triglyzeridspiegel in die Höhe, wobei genetische Faktoren und das Alter das Niveau mitbestimmen - bei älteren Menschen fallt der Anstieg generell höher aus.
Und nicht zuletzt hat auch das Kör
pergewicht einen großen Einfluß auf die Triglyzeridspiegel; Bei Überge
wichtigen sind sie viel höher und wer abspeckt, senkt auch seine Triglyze
ride ab.
Mittlerweise gibt es auch eine be
grenzte Anzahl von klinischen Studi
en. die zeigen, daß eine Triglyzerid- Senkung und eine LDL-Senkung in der Verhinderung der Progression ei
ner Atherosklerose gleichermaßen effektiv sind. Dennoch fehlen, so La
Rosa, weitere Studien zur Bestäti
gung dieser Hypothese.
Fibrate in der Therapie von Lipidstörungen
Alle Fibrate haben eine ähnliche Struktur, die sich nicht sehr von nor
malen langkettigen Fettsäuren un
terscheidet, erklärt Prof Guido Fran- ceschini, Mailand. Diese strukturelle Ähnlichkeit könnte auch für ihre breite Wirkung auf den Lipid-Meta
bolismus verantwortlich sein, ins
besondere durch die Beeinflussung des Fettsäuren-Metabolismus in der Leber (Kasten 2).
1962 wurde das Clofibrat zugelas
sen, das mit 1,5 bis 2g relativ hoch dosiert gegeben werden muß und mit unerwünschten Wirkungen be
haftet ist. Diesem folgten dann rasch andere Fibrate, vornehmlich mit
^ Was Fibrate bei Hyperlipidämie bewirken
Triglyzerid-Absenkung Reduzierte Bildung von VLDL.
Beschleunigte VLDL
Lipolyse/Katabolis-LDL-Senkung
Erhöhte Expression von LDL-Rezepto- ren.Veränderung in der Größe der LDL- Partikel, in der Zusammensetzung und in der Affinität.
HDL-Anhebung
Indirekt und direkt (über die apoA-l-Syn- these).
Die »Übeltäter«
sind kleine, dichte LDL- Partikel dem Ziel, die Wirkung zu erhöhen und die unerwünschten Wirkungen zu senken (Bezafibrat, Gemfibrozil, Fenofibrat). Denn obwohl die Fibra
te zu einer chemischen Stoffklasse gehören, sind sie doch in Bezug auf Aktivität und unerwünschte Wirkun
gen unterschiedlich. Bei Fenofibrat (z.B. Normalip®) müssen z.B. nur noch 250 bis 400mg eingenommen werden.
Charakteristisch für die Wirkung der Fibrate ist, daß sie die Plasma-Tri
glyzeride - und zwar sowohl die Nüchternspiegel als auch die post
prandialen - und das VLDL sowohl im Plasma als auch in
der Leber (apo-B) senken.
Unter der Behandlung mit Fibraten, werden die LDL-Partikel größer; »ei
ne gute Sache«, so Fran- ceschini, »weil die Übel-
täter kleine und dichte LDL-Partikel sind«. Fibrate heben kleine dichte HDL-Partikel an, große HDL-Partikel sind nicht betroffen. Auch dies ist wieder von Vorteil, meint France- schini, denn diese kleinen, dichten HDL-Partikel nehmen das Choleste
rin effizienter auf Nur bei Patienten mit isolierter Hypertriglyzeridämie, bei denen die LDL-Spiegel oft im Normbereich oder sogar erniedrigt sind, können Fibrate die LDL-Spiegel leicht anheben. Bei Patienten mit Hy- percholesterinämie unterscheidet sich die Wirkung der Fibrate in ihrer Stärke kaum von derjenigen der nur das Cholesterin senkenden Substan
zen wie Anionenaustauscher und HMG-CoA-Reduktasehemmer. Dar
über hinaus beeinflussen Fibrate je
doch auch noch die Blutrheologie günstig.
Insgesamt führen diese positiven Effekte auf die Plasmalipide und -li- poproteine und auf die Hämostase in den Therapiegmppen zu einer signi
fikanten Reduktion kardiovaskulä
rer Ereignisse - und dies sowohl in der Primär- als auch in der Sekundär
prävention. Es profitieren dabei am meisten Patienten mit einem erhöh
ten Triglyzerid-Spiegel und einem er
höhten LDL/HDL-Quotienten.
1482
koncressaktueli
Medikament & Praxis
Wie Fibrate ihre Wirkung entfalten, zeigt die neueste Forschung. Man hat eine Gruppe von hepatischen Trans
skriptionsfaktoren identifiziert, die Fibrate und andere »falsche Fettsäu
ren« erkennen können, die soge
nannten »PPAR’s« (Peroxisome Pro- liferator Activated Receptors). Dies läßt vermuten, daß die Wirkung der Fibrate über einen hepatischen Re
gulationsmechanismus abläuft. Die PPAR’s gehören zur großen Familie der Zellkern-Hormon-Rezeptoren, die nach Liganden-Aktivierung die Freisetzung von Genen beeinflussen, die spezifische Strukturelemente in ihrer Kontrollsequenz aufweisen.
Solche Antwort-Elemente wurden in den Promotor-Regionen identifi
ziert, in denen die HMG-CoA-Synthe- se, die Lioprotein-Lipase (LPL) und die Enzyme verschlüsselt werden, die an der ß-Oxidation der Fettsäuren betei
ligt sind. Sie wurden auch in Regio
nen gefunden, die für die Verschlüs
selung der verschiedenen HDL-Apo- lipoproteine, z.B. Apo-Al und Apo-All verantwortlich sind. Eine Modulati
on dieser Gene durch Fibrate könn
te zu einem gesteigerten Fettsäuren- Metabolismus in den Mikrosomen der Leber fuhren mit ei
ner reduzierten Sekreti
lm adipösen Ge- on vonVLDL. Möglicher
webe wird mehr weise ist im adipösen LPL produziert Gewebe die Freisetzung von LPL vermehrt, mit einem beschleunigten Katabolismus triglyzeridreicher Lipoproteine (VLDLund Chylomikronen). Die Kon
zentration von HDL, speziell von kleinen HDL-Partikeln, könnte an- steigen, entweder aufgrund eines di
rekten Effektes auf die Apolipopro- tein-Gene oder aufgrund der metabo
lischen Wechselbeziehung zwischen den Lipoproteinen im Plasma. Auch eine reduzierte Fibrinogenämie, ei
ne verringerte Plättchen-Aggregati
on und eine aktivierte Fibrinolyse könnten eine Folge dieses Prozesses sein.
Fibrate in der Behandlung von diabetischen Patienten Menschen mit Diabetes - Typ 1 oder Typ 11 - haben ein viel höheres Risiko für die Entwicklung einer
Herzerkrankung, betont Prof.
George Steiner, Toronto. Atheroskle- rotische kardiovaskuläre Erkrankun
gen sind die häufigsten Komplikatio
nen bei Diabetes und z.B. in Nord
amerika die Todesursache bei 75%al
ler Diabetiker. Der Anstieg der athe- rosklerotischen Erkrankungen ist dabei bei Typ 11-Diabetikern viel stei
ler als bei Typ 1-Diabetikern - wohl deshalb, weil sehr viel mehr Men
schen am Typ 11 erkranken und weil diese im Durchschnitt viel älter sind.
Pro Jahr 160.000 Todesfälle in den USA sind auf einen Diabetes zurück
zuführen - und zwei Drittel davon (104.000) sterben an
makrovaskulä-3 j Triglyzeride: Risiko-Schwelle viel niedriger als bisher gedacht Neueste Daten untermauern die Befun
de, daß Triglyzeride als eigenständige Risikofaktoren angesehen und entspre
chend behandelt werden müssen. Wer
te, die bislang als unbedenklich angese
hen werden, führen in Wirklichkeit be
reits zu einer deutlichen Erhöhung des Risikos, eine koronare Herzkrankheit odereinen Infarkt zu entwickeln, erklär
te in New Orleans Michael Miller, Direk
torder Abteilung Preventive Cardiology der University of Maryland Medical Cen- terin Baltimore. Milleretal. analysierten Daten von 460 Männern und Frauen zwi
schen 30 und 80 Jahren aus den Jahren 1977 und 1978, bei denen Verdacht auf eine koronare Herzkrankheit oder einen arteriosklerotischen Prozess bestand. In den Jahren 1993 bis 1995 wurden die Pa
tienten nachverfolgt, um festzustellen, bei wievielen ein koronares Ereignis auf
getreten war.
Das überraschende Ergebnis: Selbst un
ter Berücksichtigung anderer Faktoren wie Alter, Geschlecht, Rauchgewohnhei
ten, Hochdruck, Diabetes, Bewegungs
mangel, niedriger HDL-Spiegel und ho
her LDL-Spiegel, erwiesen sich dieTrigly- zeride als ein unabhänger Risikofaktor.
Die Risikoschwelle liegt dabei wesent
lich tieferals bisherangenommen: Nicht erst bei 200mg/dl, sondern bereits bei Spiegeln von lOOmg/dl waren dieTrigly- zeride wichtige Prädiktoren für die Ent
wicklung eines kardialen Ereignisses! La
gen die Spiegel bei der Erstunter
suchung 1977/78 in diesem Bereich, war das Risiko um den Faktor 2.3 erhöht.
69th Sessions der American HeartAssocia- tion, Vortrag am 11. November 1996 in New Orleans
ren Erkrankungen. »Ein Diabetes ver
schlimmert die Arteriosklerose«, er
klärt Steiner. Es gibt eine Vielzahl von atherogenen Faktoren, die bei Diabetes zum Risiko beitragen. Dazu gehört vor allem auch die Dys- lipoproteinämie. Häufig aM sind bei Diabetikern -
insbesondere bei den übergewichtigen Typ 11- Diabetikern - das VLDL und das IDL erhöht, das
LDL im »Normbereich« und das HDL kann sowohl über als auch unter der Norm liegen: eine klassische Hyp- ertriglyzeridämie. Eine Hyperchole- sterinämie liegt bei Diabetikern et
wa so häufig vor wie in der Normal
bevölkerung - und ist auch hier mit einem vermehrten Auftreten einer Koronararteriosklerose verbunden.
Die Korrektur der Dyslipoprotein- ämie müsste deshalb auch bei Dia
betikern das Risiko vermindern. Um genau dies zu überprüfen - da sich bislang die therapeutische Rationale vorwiegend auf Auswertungen und retrospektive Analysen von Studien stützt - wurde DAIS (Diabetes Athe
rosclerosis Interventions Study) von der WHO initiiert. Bei dieser angio
graphischen Studie an Männern und Frauen mittleren Alters mit Typ 11- Diabetes wird die Frage geprüft, ob die Therapie mit mikronisiertem Fe
nofibrat das Koronararteriosklerose- Risiko in dieser Gruppe reduziert. Fe
nofibrat ist aufgrund seiner Wirk
weise für den Einsatz in diesem Be
reich besonders geeignet, da es die Triglyzeride senkt, das HDL anhebt und auch das LDL reduziert. Mit den Ergebnissen wird 1999 gerechnet.
Natürlich, so Steiner, ist die erste und wichtigste Maßnahme unver
ändert die Einstellung des Diabetes, vermehrte körperliche Bewegung und Diät (gerade bei Typ 11-Diabeti- kern). Erst anschließend kommen - je nach Typ der Dislipoproteinämie - Medikamente in Frage: Statine bei Hypercholesterinämie, bzw. Fibrate bei Hypertriglyzeridämie und bei niedrigen HDL-Werten. Nikotinsäure ist bei Diabetes grundsätzlich kon
traindiziert, meint Steiner, denn sie verschlimmert die Hyperglykämie.
Viele Diabetiker haben erhöhte Triglyzeride
koncressa KTUELL
Medikament & Praxis
Fibrattherapie
Biutviskosität f Inhibition erhöhter Throm
bozyten a ktivität Fibrinogensenkung
Plaquestabilisierung
Blutfluß f Vasomotorische
Regulationskkapazität i
Perfusionszunahme Ischämiereduktion
Gerinnungs
bereitschaft ♦ Verminderte
Thromogenese
■ Abbildung 2: Fibrate und Blutrheologie
Triglyzeride beeinflussen Rheologie und Blutgerinnung Die Rheologie - Lehre von den Fließeigenschaften des Blutes - und ihre Beeinflussung durch Lipide sind relativ neue Themen. So wird die Be
deutung der Triglyzeride für die Ent
stehung der KHK und ihrer Kompli
kationen noch immer kontrovers dis
kutiert. Allerdings, so meint Priv.- Doz. Dr. med Wolfgang König, Ulm, diskutieren wir seit 50 Jahren über das Cholesterin und kardiovaskuläre Risiken und die wichtigen »Meilen
stein-Studien« liegen auch erst seit etwa zwei Jahren vor. Klar ist jedoch, daß eine gestörte Gerinnung eine herausragende Rolle spielt. Die Be
deutung prokoagulatorischer Fakto
ren, wie z.B. des Fibrinogens, für die Atherothrombogenese konnte in den letzten Jahren gut dokumentiert werden. Sieben bis acht Studien be
legen, so König, daß ein erhöhtes Fi
brinogen ein guter Marker für kar
diovaskuläre Ereignisse ist. Rheolo- gische Parameter, wie die Plasmavis
kosität, sind demnach gute Prädikto- ren für kardiovaskuläre Ereignisse , insbesondere für Schlaganfälle. Ge
nerell fehlen jedoch noch prospekti
ve Studien zu diesem Thema, meint König.
Neuere Daten zeigen nun, daß bes
ser als die Gesamttriglyzeride spezi
fische triglyzeridreiche Lipoproteine wie VLDL, IDL, Lipoprotein-B-Par- tikel, Chylomikronen mit der Pro
gression der KHK korrellieren. Vor al
lem große Partikel, wie Chylomikro
nen und VLDL, beeinflussen die Blut
rheologie negativ. Sie verschlechtern die Plasmaviskosität und erhöhen die Erythrozyten-Aggregation.
Fibrate beeinflussen die Rheologie günstig, wie König in einer Studie mit Fenofibrat zeigen konnte (Abb. 2):
Es kam zu einer deutlichen Senkung des Fibrinogens und der Plasma-Vis
kosität, sowie zu einer Reduktion der Erjfthrozyten-Aggregation und Ver
besserung der Verformbarkeit der Er3fthrozyten.
Daten aus der ECAT-Studie zeigen in jüngster Zeit ein sehr geringes Ri
siko für koronare Ereignisse trotz ho
hen Cholesterins bei gleichzeitig niedrigem Fibrinogenspiegel. Ande
re Studien zeigen eine Assoziation zwischen triglyzeridreichen Lipopro
teinen und der Faktor VII-Aktivität und Faktor Vll-Plasmaspiegeln. Vor allem fanden sich für Marker des Fi
brinolysesystems, wie PAl-1 (Plasmi- nogen-Alctivator-lnhibitor) oder t-PA starke Assoziationen zu triglyzer
idreichen Lipoproteinen. Die Reduk
tion der Triglyzeride geht mit einer mässigen Abnahme von PAl-1 einher.
Fibrate, Niacin und möglicherweise auch Statine können die Synthese von PAl-1 beeinflussen. Experimen
telle Untersuchungen zeigen, daß VLDL-Partikel konzentrationsabhän
gig die Freisetzung von PAI-1 aus En
dothel- und Leberzellen bewirken.
Und prospektive Fall-Kontroll-Studi- en wiederum zeigen, daß erhöhte PAl-1- und t-PA-Spiegel im Plasma mit Frühformen der Atherosklerose und auch mit ihren klinischen Mani
festionen wie Myokardinfarkt und Schlaganfall assoziiert sind.
Günther Buck