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Bezüglich der Lateralisierung der Verarbeitung spezifischer Stimulusklassen, scheinen Gesichter in der RH präferiert verarbeitet zu werden, insbesondere in der rechten Fusiform Face Area (FFA) (Kanwisher, McDermott, & Chun, 1997). Wörter hingegen, die kulturell abhängig und symbolisch erlernt sind (Desmond et al., 1995), werden bevorzugt in der temporalen LH verarbeitet (Annett, 1991; Wada et al., 1960). Handgesten sind wiederum speziell und schwerer einzuordnen. Denn ob-wohl in diversen Studien eine verstärkte Verarbeitung von Gesten in der LH gesehen wird (Mühlau et al., 2005) und diese als überwiegend erlernte soziale Symbole ohne echte evolutionäre Signifikanz oder prädisponierte einheitliche Bedeutung berichtet und interpretiert werden (Buck et al., 2002), wird die Verarbeitung von Handgesten zum Teil nicht mit der LH, sondern mit der RH assoziiert und deren biologisch-evolutionärer Aspekt als Körperteil hervorgehoben (Flaisch et al., 2009).

Von der anatomischen Verarbeitung und Konzeption scheinen sich somit mindestens zwei Ebenen abzuzeichnen, bezüglich derer man die drei Stimulusklassen jeweils mindestens in zwei Gruppen von Stimuli einordnen kann:

a) Symbolisch versus nonsymbolisch: Auf der ersten Ebene gibt es einen Pol mit symbolischen eher linkslateralisierten Stimuli, wie Gesten und vor allem Wörter, deren Bedeutung gelernt wurde (Desmond et al., 1995; Schacht et al., 2009). Dem gegenüber stehen rechtslateralisierte non-symbo-lische Stimuli, wie Gesichter, welche eine evolutionär saliente Bedeutung haben. Gesten weisen in

diversen Studien eine linkshemisphärische Verarbeitungspräferenz auf, unter anderem als ideomoto-rische Handbewegungen bei Apraxie-Patienten (De Renzi, Motti, & Nichelli, 1980; Kimura &

Archibald, 1974), aber auch sonst bei bedeutungsvollen Handbewegungen (Decety & Grezes, 1999;

Grezes, 1998). Allgemein werden beim Betrachten von Gesten auch ohne zusätzliche Imitationsauf-gabe linkshemisphärisch inferior-parietale (BA 40) sowie mittel-temporale (BA 21) Areale aktiviert, aber auch bilateral okzipito-temporale (BA 37/19) und superior-okzipitale Areale (BA 19) werden bei der Verarbeitung von Handbewegungen aktiviert (Grezes, 1998). Insofern kann auch bei diesen Studien die rechte Hemisphäre bei der Verarbeitung einbezogen sein, beziehungsweise kann eine bihemisphärische Verarbeitung auftreten. Dies scheint je nach Stimulus im Kontext biologischer oder symbolischer Aspekte und auch abhängig vom Paradigma variabel. Gesten beinhalten somit sowohl biologische als auch symbolische Aspekte und können somit als eine Art hybrid angesehen werden.

b) Biologisch versus non-biologisch: Auf dieser Dimensionsebene würden wiederum die non-biolo-gischen Wörter, als nonbiologische Stimuli, separat den beiden anderen biolonon-biolo-gischen Stimulusklas-sen gegenüberstehen. Es gibt zudem viele Studien, welche die natürlichen biologisch-evolutionären Stimuli wie Gesichter (Rhodes, 1985) sowie die konzeptionell ähnlichen Handgesten (Flaisch et al., 2009) in deren prädisponierter Verarbeitungsweise vergleichen und als eine Klasse gruppieren wür-den. In der RH wurde zudem eine selektive Fusiform Body Area (FBA) gefunden (Peelen &

Downing, 2005), welche funktionell und räumlich in etwa vergleichbar wäre mit der rechtshemisphä-rischen FFA bei Gesichtern(Kanwisher et al., 1997). Im fMRT zeigen sich zudem für Videos mit ärgerlichen und neutralen Handbewegungen im Vergleich zu ebensolchen Gesichtsbewegungen sub-stanzielle Überlappungen der aktivierten Strukturen (Grosbras & Paus, 2006). Beim Beobachten von ärgerlichen Handgesten wurden die linke anteriore Insula, der rechte mediale Frontalkortex und das rechte dorsale prämotorische Areal gleichermaßen aktiviert (Grosbras et al., 2006).

Biologisch-prädisponierte Stimuli, wie Gesichter, scheinen dabei auch bezüglich der Emotionsdi-mension eine schnelle holistisch-parallele Verarbeitung zu erfahren (Latinus & Taylor, 2006). Auch die Ortsfrequenz eines Stimulus ist für dessen Verarbeitung entscheidend. Bilder mit einer niedrigen Ortsfrequenz sind eher unscharf und flächig, dagegen sind Bilder mit einer hohen Ortsfrequenz eher detailreich und zeigen gut erkennbare Kontraste und Umrisse. Eine niedrige Ortsfrequenz (Vuilleumier, Armony, Driver, & Dolan, 2003) reicht dabei für Gesichter aber auch andere biologi-sche Stimuli (Ginsburg, 1978) zur korrekten Verarbeitung aus, wohingegen non-biologibiologi-sche Stimuli, wie Wörter, eine hohe Ortsfrequenz zur semantischen Verarbeitung des symbolischen Inhaltes benö-tigen (Roberts et al., 2013; Woodhead, Wise, Sereno, & Leech, 2011). Weiterhin zeigt sich bei der Präsentation von Gesichts- und Körperstimuli beim Betrachter eine vergleichbar gute emotionale Re-aktion (Tamietto et al., 2009). Ebenso spricht für eine Klassifikation als eine gemeinsame biologische

Stimulusklasse, dass Patienten mit kortikaler Blindheit insbesondere auf Augenkontakt mit einer Amygdala-Aktivierung reagieren (Burra et al., 2013). Die Amygdala-Aktivierung wird aber nicht nur als Reaktion auf Gesichter beobachtet, sondern auch bei anderen biologischen, neuen salienten Sti-muli wie Tieren und Pflanzen (Balderston, Schultz, & Helmstetter, 2013). Die Amygdala wird dabei in manchen Studien als Neuheitsdetektor betrachtet (Balderston et al., 2013) und scheint aus ver-schiedenen Subregionen zu bestehen, die sensitiv sind für visuelle Stimuli, welche ein aversives Er-eignis vorhersagen (Balderston, Schultz, Hopkins, & Helmstetter, 2015). Bislang wurde die Amygdala aber häufiger als eine Art Erregungs- beziehungsweise Salienzdetektor angesehen (Pourtois et al., 2013), welche sensorisch wahrgenommene negative, aber auch positive (Williams, Morris, McGlone, Abbott, & Mattingley, 2004) Emotionen entdeckt und zu einer verstärkten Verar-beitung des Stimulus führt (Vuilleumier, 2005). Insofern liegt ein Forschungsschwerpunkt darauf, typische und stärker interpretierbare emotionale Unterschiede "ökologisch" gegenüber neutralen Sti-muli zu untersuchen (Sabatinelli et al., 2011); zumal Effekte, die größtenteils auf das Erregungsni-veau zurückzuführen sind, gleichermaßen für negative als auch positive Emotionen erwartbar sind (Kousta, Vinson, & Vigliocco, 2009). Wiederum gibt es vermehrt Forschung, die chemosensorisch aufzeigt, dass bei Erregungskontrolle die Amygdala-Aktivität besser durch die Valenz, also die Ver-einfachung nur auf einer Skala in positiv, neutral oder negativ einzuordnende emotionale Dimension, der Stimuli erklärt werden kann anstatt rein durch das Erregungsniveau (Anders, Eippert, Weiskopf,

& Veit, 2008). Stimulusklassen, wie Gesichter oder komplexe Szenenbilder, ziehen dabei generell die exogene Aufmerksamkeit in ähnlicher Weise auf sich, was sich mitunter anhand der Verhaltens-daten und auf Ebene der gesteigerten Amplitude der P2(a)-Komponente zeigt (Carretie et al., 2013).

Carretie et al. (2013) konnten dabei exklusiv für Gesichtsdistraktoren bereits einen N1-Emotionsef-fekt detektieren. Speziell ängstliche Gesichter ziehen laut anderen Studien die exogene Aufmerksam-keit auf sich und generierten nach validem exogenem Hinweisreiz bereits 100 ms nach Stimulusprä-sentation einen Emotionseffekt (Pourtois et al., 2004). Handgesten, wenn auch symbolisch kulturell-erlernt (Archer, 1997), sind ebenfalls auf dem Level der Stimuluswahrnehmung zu einem sehr frühen Zeitpunkt (P1) effizient beim schnellen Erzeugen selektiver Aufmerksamkeitsprozesse (Flaisch et al., 2009). Handgesten können mitunter aufgrund ihres teilweisen Rechtslateralisierungspotentials bei der neuronalen biologischen Verarbeitung in der FBA rechtshemisphärisch (Peelen et al., 2005), ähnlich wie rechtsdominant verarbeitete biologisch-evolutionäre Gesichter (FFA) (Kanwisher et al., 1997), auch als Stimuli mit exogener Aufmerksamkeitsrekrutierung fungieren.

Allgemein werden oft Interferenzen und Verarbeitungsnachteile bei wenig kompatiblen Verarbei-tungssituationen festgestellt, beispielsweise bei Stroop-Aufgaben (Fernandez-Duque & Posner, 2001) oder negativem Priming, wohingegen kompatible Kombinationen die Verarbeitung erleichtern

(MacLeod & MacDonald, 2000). Diese Annahme lässt somit den Schluss zu, dass bei Stimulusklas-sen, die speziell nur eine Form der Aufmerksamkeit auf sich ziehen, aber mit einem inkompatiblen Hinweisreizparadigma kombiniert werden, aufgrund der Interferenz eine Emotionsverarbeitungsre-duktion stattfindet (MacLeod et al., 2000).