• Keine Ergebnisse gefunden

Das Land als Steuerungsfeld: Kooperation regionaler Akteure unter Einbeziehung der regionalspezifischen sozio-ökonomischen Bedingungen

5. Kooperationsmodelle als neuer Politikstil: Ressort-, Regionen- und Akteursübergreifende Zusammenarbeit

5.3. Das Land als Steuerungsfeld: Kooperation regionaler Akteure unter Einbeziehung der regionalspezifischen sozio-ökonomischen Bedingungen

Die Betrachtung des Landes als Steuerungsfeldbetont

• erstens die Notwendigkeit, bei der Formulierung von Politiken die besonderen demographischen, geographischen und räum- und siedlungsstrukturellen Determinanten - v. a.

in ihrer regionalspezifischen Differenz - des Landes Niedersachsen zu berücksichtigen.

• Zweitens kommen bei dieser Betrachtungsweise die regionalen Akteure bzw. Akteursnetze in den Blick, ohne deren Berücksichtigung (ihrer Interessen, Ressourcen und Potentiale, Probleme und Restriktionen) die Umsetzung von Politiken nur schwer bzw. nicht gelingen wird.

Diese Bedingungen gelten insbesondere für das Postulat einer wirklichkeitsnahen Politikfolgenabschätzung und ist damit eine zentrale Voraussetzung für die akkurate Bestimmung politischer Machbarkeiten von politischen Programmen, v. a. aber für ihre paßfähige, das Problem weder unter- noch übersteuernde, Gestaltung.

Nicht auf jeden Topf paßt also derselbe Deckel. Es scheint notwendig, stärker als bisher, regionalspezifisch angepaßte Verkehrspolitiken zu entwickeln. Durch dieses regionale finetuning, das die Einrichtung entsprechender Planungs- und Koordinationsinstanzen, verstärkte Kooperation und Kommunikation der ansässigen wirtschaftlichen und politischen Akteure sowie eine breite Beteiligung der betroffenen Bürger voraussetzt, sollte es möglich sein, eine erhöhte ökologische Lenkungseffizienz zu geringen wirtschaftlichen Kosten und unter Vermeidung negativer sozialer Verteilungswirkungen zu erreichen.

Ausgangspunkt dafür wäre zunächst die nähere Bestimmung regionaler Mobilitätstypen, wie sie sich aus der Zusammenschau demographischer, wirtschaftsstruktureller und kommunal- bzw.

regionalpolitischer Determinanten ergeben. Je nach Charakteristik der Region wäre es dann notwendig, eine ihr angemessene Strategie zu erarbeiten. Beispielsweise könnten sich bestimmte Ferienregionen aufgrund ihrer spezifischen Voraussetzungen für eine flächendeckende Einrichtung besonderer Leihwagenzentralen entscheiden, während andere es aufgrund ihrer anders gelagerten Bedingungen für sinnvoll erachten, den mlV so weit wie möglich zu minimieren und statt dessen auf eine umfassende Verlagerungsstrategie zu setzen.

Konzepte dieser Art werden - z. B. auch für Feriengebiete (s. u.) - zunehmend diskutiert. Die wichtige Frage ist die nach der Umsetzung: Wie können die Regionen politisch-institutionell als

"Verkehrskompetenzregionen" (Lompe 1994) aufgewertet werden, wie kann man sie dazu bringen, ein Eigeninteresse an der Entwicklung ihnen gemäßer Mobilitätsformen zu entwickeln, welche Akteure und Institutionen sind vorhanden, die nötige planerisch-konzeptionelle und vermittelnde Funktionen wahrnehmen könnten?

Nach einer kurzen Beschreibung Niedersachsens mit seinen regionalen Unterschieden wird im folgenden an Beispielen dargestellt, wie Ansätze regional paßfähiger Verkehrskonzepte unter Kooperation mit den orts- und regionalspezifischen Akteuren - aber auch der Akteure untereinander - aussehen könnten. Durch Einführung dialog- und kooperationsbetonender Politikmodi können Synergie- und damit größere Steuerungseffekte erzielt werden, als durch herkömmliche, hierarchische Politikkonzepte zu erwarten wären.

5.3.1. Demographische, wirtschafts- und verkehrsinfrastrukturelle Voraussetzungen in den Landesregionen

Niedersachsen ist mit 47.351 k m2 das zweitgrößte, nach Einwohnerzahl das viertgrößte Bundesland. Von allen alten Bundesländern hatte es mit 156 Einwohner pro k m2 die geringste durchschnittliche Bevölkerungsdichte.

Die Verteilung der Bevölkerung ist recht unterschiedlich. Relativ hohe Bevölkerungsdichten weist der stärker industrialisierte südliche Landesteil auf. Dem stehen sehr geringe Dichten im landwirtschaftlich geprägten Nordteil des Landes gegenüber. Ballungsräume sind Hannover, Braunschweig, Osnabrück, Oldenburg, Göttingen, Hildesheim und Wilhelmshaven. Größeres Bevölkerungswachstum ergab sich in den letzten Jahren insbesondere im Niedersächsischen Nahbereich des Stadtstaates Hamburg, im Bremer Einzugsbereich und im Umland von Hannover.

Die ökonomische und verkehrliche Situation Niedersachsens ist geprägt durch seine Lage zwischen Nordeuropa und dem mittel- und westeuropäischen Raum. Die Randlage in der Europäischen Union, aber auch zu den Wirtschaftszentren der alten Bundesrepublik hat sich durch den Wegfall der Grenzen und die Aktivierung der ökonomischen Aktivitäten nach Osten in eine zentrale Lage gewandelt.

Niedersachsen weist zwei Hauptrichtungen des Transitverkehrs auf: Der W-O-Verkehr verläuft v. a. am nördlichen Saum der Mittelgebirgsschwelle, der N-S-Verkehr, der von den Nordseehäfen ausgeht, benutzt v. a. das Leinetal als Verkehrsträger. Innerhalb der Radialstruktur der "Stadt Europa" (Kutter 1993) kommt ein weiteres extremes Wachstum des Transitverkehrsaufkommens (insbesondere Westeuropa/Benelux-Iänder-Skandinavien bzw.

Polen) auf Niedersachsen zu. Wichtige Wasserstraßen (insgesamt 1.680 km Länge) sind der Dortmund-Ems-Kanal, Elbeseitenkanal, Mittellandkanal, der Küstenkanal für Europaschiffe, Weser, Ems und Elbe. Das Straßennetz umfaßt 27.993 km überörtlichen Verkehrs (davon 1.176 km Bundesautobahnen). Das Eisenbahnnetz umfaßt dagegen nur 5.031 km, davon sind 39 % elektrifiziert.

In den Beschäftigtenzahlen kommt die Konzentration der Großbetriebe und Verwaltungen auf Südostniedersachsen (SON) mit den Städten Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg zum Ausdruck.

Als Industriezweig ist in Südostniedersachsen der Straßenfahrzeugbau doppelt so stark vertreten wie im Bundesdurchschnitt. Daran wird deutlich, daß diese Region als eine von der Nachfrage nach Automobilen besonders abhängige Region gelten kann.

In Folge dieser wirtschaftsstrukturellen Monokultur schlagen sich konjunkturelle Schwankungen und langfristige Strukturveränderungen im Weltautomobilbau (Globalisierung, Überkapazitäten) besonders ungeschützt im regionalen Arbeitsmarkt nieder. Gerade dieser letzte Aspekt verweist auf die schwierige Ausgangslage für Klimastrategien in Niedersachsen. Klimaschutz wird sich dort in besonderem Maße mit der gleichzeitigen Frage nach Beschäftigungssicherung auseinandersetzen müssen.

Mit Harz, Heide und ostfriesischer Nordseeküste ist Niedersachsen aber auch ein Ferienland.

Die Regionen sind für Urlauber wie für Kurzstreckenausflügler gleichermaßen anziehend, also Verkehrsmagneten. Aufgrund der engen Verknüpfung von Freizeit, Tourismus und Mobilität ist auch dieser Wirtschaftssektor ein zentraler Ansatzpunkt einer verkehrlichen C 02 -Minderungsstrategie. Es gilt hier ebenfalls in besonderem Maße, neue Mobilitätskonzepte zu entwickeln, ohne Beschäftigung zu gefährden.

5.3.2. Fallbeispiel Südostniedersachsen (SON)

Die arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischen Besonderheiten sowie die forschungspolitischen Ressourcen der Region Südostniedersachsen sind bereits ansatzweise charakterisiert worden.

Im folgenden werden das aus den regionalen Ressourcen (und diese Ressourcen liegen in besonderem Maße im Verkehrsbereich) folgerichtig für SON entwickelte Leitbild der

„Verkehrskompetenzregion", der Prozeß der Erstellung eines regionalen Entwicklungskonzeptes am Beispiel für SON und eine regionale Gemeinschaftsinitiative kurz dargestellt.

5.3.2.1. Entwicklung eines regionalen Leitbildes

Das Leitbild der „Verkehrskompetenzregion" für die Region Südostniedersachsen (SON), welches seit ca. 1987 von Prof. Lompe und seinem Team entwickelt worden ist, baut auf den vorhandenen regionalen Strukturen und den damit verbundenen Spezialisierungsvorteilen auf.

Erkennbar wird dabei eine sehr starke Orientierung der Region auf den Fahrzeugbau selbst, die vor- und nachgelagerten Bereiche sowie auf den Verkehrsbereich insgesamt (Lompe et al. 1996 und Prätorius 1995).

Die inhaltliche Gestaltung des Begriffs „Verkehrskompetenzregion1 0" bleibt dabei keineswegs bei der bloßen Tatsache stehen, daß in der Region eine Anzahl führender Hersteller für Verkehrsmittel und -komponenten mit entsprechenden Entwicklungs- und Forschungskapazitäten usw. angesiedelt sind (Prätorius/Lehrach 1995*. 115), sondern baut auf der Möglichkeit und Notwendigkeit auf, aus dieser Kompetenz resultierende Innovationen z. B.

für die Entwicklung und Umsetzung eines integrierten und ökologischen Gesamtverkehrssystems als regionale Musterprojekte zu entwickeln und zu produzieren (Lompe et al. 1996, siehe auch in Lompe 1994, Lompe 1995 und Prätorius/Lehrach 1995).

In Lompe et al. 1994 wird unter „Kompetenzregion für Verkehr, Verkehrssysteme und -technologien" (kurz:

Verkehrskompetenzregion) eine mittel- bis langfristige Zielperspektive für die krisenanfällige Automobilregion verstanden. Dabei wird versucht, regionale Wirtschafts-, Struktur-, Beschäftigungs- und Technologiepolitik mit den Schnittstellen zur Verkehrspolitik zu verbinden.

Gefragt sind Innovationen, die im Bereich neuer Verkehrstechnologien und neuer Verkehrssysteme eine effizientere und ökologischere Verknüpfung bisher noch weitgehend isolierter Teilsysteme des Verkehrs umsetzen helfen (Lompe et al. 1994 und Lompe 1995).

Durch den Einsatz integrierter Verkehrssysteme, durch z. B. die Vernetzung von Systemen des mlV und des ÖPNV/SPFV entlang einer in sich geschlossenen Transportkette1 1 können durch eine Reihe daraus entstehender Vorteile für den Verkehrskunden (z. B. Attraktivitätsgewinn durch Zeit-, Komfort-, Sicherheits- und Akzeptanzvorteile) und einer damit verbundenen erhöhten Nutzung dieses Verkehrssystems C02-Reduktionspotentiale gegenüber der isolierten Nutzung nicht miteinander verbundener und nicht optimal auf die Transportaufgabe abgestimmter Verkehrsmittel bzw. -träger erschlossen werden.

5.3.2.2. Erstellung eines regionalen Entwicklungskonzeptes

Die Neuorientierung der Wirtschaftsförderung durch den Bund, welche bestimmt ist von den knapper werdenden finanziellen Ressourcen sowie dem Verlassen des primär lokalen Ansatzes der Förderung und dem Hinwenden zu einer verstärkt projektbezogenen Förderung, findet ihren ersten Niederschlag in der Neufassung des Rahmenplans der Gemeinschaftsaufgabe zur

„Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" vom 9.3.1995. Darin ist die Aufstellung regionaler Entwicklungskonzepte mit dem Ziel, die öffentlichen Fördermittel auf einige wenige regional bedeutsame Leitprojekte zu bündeln, ausdrücklich vorgesehen (Tetsch/ Benterbusch/

Letixerant 1996, resonanz Nr. 6/96, Bezirksregierung Braunschweig u. a.1996).

In diesem Prozeß müssen in erster Linie die Gemeinden und Regionen selbst ihre regionale Entwicklung voranbringen. Es leuchtet ein, daß die lokalen bzw. regionalen Handlungsträger am besten über die Problem- und Ortskenntnisse verfügen, die für Entscheidungen regionaler Entwicklungen Voraussetzung sind. Politische Verantwortung für lokale bzw. regionale Entwicklung zeigt sich in Entwicklungsvorstellungen, Eigenanstrengungen und Initiativen zur Förderung des REK-Prozesses (Tetsch/ Benterbusch/Letixerant, 1996).

Der Prozeß der Erstellung regionaler Entwicklungskonzepte (REK) für Regionen in Niedersachsen hat bereits begonnen und wird am Beispiel eines REK für Südostniedersachsen näher dargestellt (resonanz Nr. 6/96).

Vor dem Hintergrund aktueller Probleme in der Region und einer Reihe von Vorarbeiten (u. a.

der gemeinsamen Herausgabe der Broschüre „Neue Wege für den Großraum Braunschweig", vgl. Bezirksregierung Braunschweig u. a. 1996) fand im August 1996 die Regionalkonferenz in Peine statt1 2. Rund 350 Teilnehmer verständigten sich auf die Erarbeitung eines gemeinsamen REK in den kommenden zwei Jahren auf einer breiten Grundlage.

In diesem Zusammenhang müßte es eigentlich „Beförderungskette" heißen, dieser Begriff ist jedoch ungebräuchlich. Generell wird aber zwischen dem Transport von Gütern (materiell und immateriell) und der Beförderung von Personen unterschieden.

1 2 Ein Dokumentationsband zur Regionalkonferenz in Peine wird derzeit bei reson vorbereitet und in Kürze (wahrscheinlich Anfang '97) erscheinen.

Die weitere Vorgehensweise sieht wie folgt aus: In drei Arbeitsgruppen, wovon in diesem Kontext die Arbeitsgruppen „Verkehr" (1) und „Wirtschaft, Technologie, Innovation" (2) von besonderem Interesse sind, werden Schwerpunkt- und Fachthemen mit dem Ziel identifiziert, daraus regional bedeutsame Projekte abzuleiten. Koordiniert werden diese Arbeitsgruppen von den drei genannten Veranstaltern der Regionalkonferenz.

Ein erstes Treffen zur Vorbereitung der konstituierenden Arbeitsgruppensitzungen hat für die Arbeitsgruppe 1 eine Fülle von möglichen Schwerpunktthemen ergeben, welche sich zu einem großen Teil mit wirtschaftlich-ökologisch orientierten Problemstellungen aus dem Verkehrsbereich beschäftigen, wie z. B. Einsatz von Telematiksystemen im Verkehr, Entwicklung neuer integrierter Mobilitätsdienstleistungen, Entwicklung alternativer Antriebskonzepte u. v. m.

Die Erstellung eines REK für Südostniedersachsen kann in dem Maße zur Reduzierung von verkehrsbedingten C02-Emissionen beitragen kann, wie es gelingt, aus den o. a.

Themenstellungen auch tatsächlich jene wirtschaftlich-ökologisch orientierten Verkehrsprojekte in der Region zu entwickeln und auch in der Region musterhaft zu realisieren, die über ein C 02 -Minderungspotential verfügen.

5.3.2.3. Gemeinschaftsinitiative reson

Innerhalb dieses Abschnittes wird über eine Institution als ein Beispiel dafür berichtet, wie die beschriebenen Rahmenbedingungen einer Region einerseits und die daraus (notwendigerweise) abgeleiteten Schlußfolgerungen andererseits zu der institutionellen Einrichtung einer Entwicklungsagentur geführt haben.

Die Regionale Entwicklungsagentur für Südostniedersachsen e.V. (reson) ist als eine freiwillige Gemeinschaftsinitiative von den regionalen IG Metall Verwaltungssteilen (Braunschweig, Peine, Salzgitter und Wolfsburg), der Volkswagen AG, der Preussag AG und dem Land Niedersachsen im März 1994 gegründet worden.

Unternehmen Gewerkschaften

Projekte

reson

Dialog

Gebietskörperschaften

Abb. 10.1: Der Reson-Ansatz

Im September 1994 nahm die Agentur in Braunschweig ihre Tätigkeit auf. Ihr gehören mittlerweile über 40 Mitglieder an, darunter vorwiegend Unternehmen aus der Region, Gebietskörperschaften, wissenschaftliche Institutionen und Gewerkschaften.

„Die Regionale Entwicklungsagentur für Südostniedersachsen e.V. verfolgt den Zweck, zur Verbesserung der Standortfaktoren in Südostniedersachsen beizutragen und damit einen Beitrag zur Standort- und Beschäftigungssicherung der Region zu leisten sowie Initiativen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, gleichberechtigt für Männer und Frauen, zu fördern. Sie will dazu regionale Potentiale mobilisieren und bündeln.(...) Das Tätigkeitsfeld des Vereins umfaßt daher u. a. die

• Initiierung, Organisation und Koordination von Kooperationen der Betriebe, Bildungsträger, Forschungseinrichtungen, Arbeitsämter, Gewerkschaften, Kommunen etc.,

• Unterstützung der regionalen Unternehmen und Organisationen bei der Definition von neuen Aktivitäts- und Diversifikationsfeldern,

• Unterstützung von Produkt- und Verfahrensinnovationen, insbesondere auf dem Gebiet der umweit- und verkehrsbezogenen Technologien und die

• Entwicklung, Unterstützung und Vernetzung von inner- und außerbetrieblichen Qualifizierungsaktivitäten." (reson 1996: 54).

Die satzungsgemäßen Organe des Vereins sind die Mitgliederversammlung, der Beirat und der Vorstand, der die Geschäftsführung bestellt (vgl. Abb. 10.2).

Der bei reson realisierte breite Beteiligungsansatz, der sich sowohl in der Struktur der Mitglieder als auch in der Zusammensetzung des Beirates zeigt, stellt die Artikulation von Interessen auch außerhalb rein formaler Zuständigkeiten sicher (reson 1996:14).

Die Arbeitsweise bei reson ist charakterisiert durch eine enge Zusammenarbeit von Ingenieuren, Natur-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern in Projektteams. Das sichert interdisziplinäre Kompetenz in der Analyse der Probleme und in der Umsetzung gefundener Lösungen.

Der inhaltliche Schwerpunkt der reson-Tätigkeit liegt in den drei Fachreferaten (vgl. Abb. 10.2).

Das Referat „Verkehrstechnologie und Umwelt" beschäftigt sich u. a. mit solchen Themenfeldern, die sich mit der Entwicklung und dem Einsatz von integrierten Technologien für den Personen- und Güterverkehr befassen. Hierbei stehen insbesondere solche Techniken im Vordergrund, die verkehrsträgerübergreifend, ressourcenschonend und mobilitätserhaltend gestaltet werden können. Weitere Themen sind Fragen rationeller Energieanwendung (z. B.

erneuerbare Energieträger) und Recycling.

berät

Beirat

t

wählt

Vorstand

bestellt

J

Geschäftsführung

Mitgliederversammlung

Verkehrstechnologie und Umwelt

Projektkoordination und Technologietransfer

Arbeitsorganisation und Qualifizierung

J 3

Abb. 10.2: Die reson-Struktur

Beispielhaft1 3 sei hier auf die Problematik der Entwicklung einer regionalen Güterverkehrskonzeption hingewiesen, die sowohl in ihrer Gesamtheit als auch in Teilaspekten C02-Reduktionspotentiale aufweisen kann, auch wenn diese nicht unmittelbar quantifiziert werden können.

Zusammenfassend kann formuliert werden, daß die bei reson beteiligten Unternehmen, Gebietskörperschaften, Gewerkschaften und Forschungseinrichtungen sich als relevante Akteure in ein regionales Netzwerk von Informations-, Beratungs-, Finanz- und Geschäftsbeziehungen einbringen. Durch ein solches regionales Netzwerk und die Initiierung technischer Projekte, welche immer die Einbeziehung der sozialen Folgewirkungen umfassen müssen, erhöhen sich beispielsweise nicht nur die Entwicklungschancen junger Technologieunternehmen, sondern es eröffnen sich damit einerseits weitere Möglichkeiten, Südostniedersachsen mittels Innovationskooperationen zu einer „Verkehrskompetenzregion" zu entwickeln und andererseits einen Beitrag zur Sicherung des Standortes und damit zu Erhaltung von Arbeitsplätzen in der Region zu leisten.

5.3.3. Fallbeispiel niedersächsische Erholungsgebiete Allgemeine Bemerkungen zum Fremdenverkehr

Der Freizeitverkehr allgemein ist mittlerweile sowohl bezüglich des Verkehrsaufkommens als auch der Verkehrsleistung bedeutendster Fahrtzweck. Trotz eines zunehmenden Gesamtverkehrsaufkommens nahm der Anteil dieses Bereiches am Verkehrsgeschehen kontinuierlich zu: 1976 bis 1989 von 31,9 % auf 34 %, an der Verkehrsleistung von 40,9 % auf 43,5 % (Schiefelbusch 1995).

Im Freizeitverkehr erreicht der mlV den höchsten Anteil aller Fahrtzwecke (Verkehrsaufkommen 1989 35,5 %, Verkehrsleistung 45,0 % nach Verkehr in Zahlen 1992). Rund die Hälfte aller bundesdeutschen Personenkilometer eines Autos werden derzeit für Freizeit- und Erholungszwecke verfahren (Vester 1995: 164). Nur mehr jeder vierte Autokilometer wird heute in Deutschland für Berufszwecke zurückgelegt. Für die Bevölkerung ist das Auto ein Freizeit-und Urlaubsmobil geworden. Der Anteil des Pkw für sämtliche Reisen innerhalb Deutschlands lag 1993 bei ca. 75 % (Frühe 1993: 47).

Neben dem übernachtenden Tourismus gewinnt der Naherholungsverkehr zunehmend an Bedeutung. Jährlich finden etwa 1 Milliarde Tagesausflüge in Deutschland statt (Opaschowski 1993: 37). Mit der privaten Mobilität eines Großteils der Bevölkerung ist heute die Möglichkeit der Kurzzeiterholung an Wochenenden und Feiertagen in den Naherholungsgebieten zum Massenphänomen geworden. Damit ist ein periodisch auftretender Raumbedarf in benachbarten Regionen entstanden. Fast die Hälfte der Fläche der Bundesrepublik gilt heute als (potentielle) Naherholungsfläche, und um jede Mittel- und Großstadt haben sich feste Naherholungs-Zielgebiete als Teile urbaner Intensitätsfelder entwickelt. Es sind dabei häufig die noch naturnahen Gebiete, die von der städtischen Bevölkerung aufgesucht werden. Die meist wetterabhängige stoßweise Belastung schafft dort große kurzfristige Belastungen. Die

Auf eine nähere Beschreibung der beiden anderen Fachreferate "Projektkoordination und Technologieransfer" und

„Arbeitsorganisation und Qualifizierung" wird aufgrund der Themenstellung dieser Studie an dieser Stelle verzichtet (siehe dazu in reson 1996: 25,36).

Beteiligungsquoten sind entsprechend sozio-ökonomischer Kriterien (Einkommen, Alter etc.) recht unterschiedlich (Bender/von der Ruhren 1992:185; Ruppert 1980:183).

Als wichtigste Folgen dieser Trends lassen sich festhalten:

• hoher Energieverbrauch und Emissionsintensität des Freizeit- und Fremdenverkehrs, wobei der Schwerpunkt beim Transportvorgang daran liegt, daß 90-95 % des Energieverbrauchs für den Urlaub bei der Fahrt zum Ferienziel anfällt (Grote 1995),

• Qualitätsverlust der Erholungsgebiete durch den Autoverkehr mit entsprechend zunehmend negativen ökonomischen Folgen für die regionale Fremdenverkehrsbranche und

• zunehmender Zielkonflikt zwischen übernachtendem Tourismus und Naherholungsverkehr, der - bei geringerer ökonomischer Bedeutung für die Einkünfte von Gemeinden und Regionen - als Störfaktor des Erholungswertes für die weitaus gewinnbringenderen Dauerurlauber angesehen wird (Maier et al. 1987:124; Rein 1994: 24).

Verkehrspolitische Gestaltungsoptionen: Diskussion und Trends

Die für diesen Bereich diskutierten verkehrspolitischen Gestaltungsoptionen unterscheiden sich nicht grundlegend von den Ansätzen, die für andere Segmente des Verkehrsmarktes diskutiert werden.

(1) Im Mittelpunkt der Diskussionen um Verkehrskonzepte für Naherholungsgebiete und Fremdenverkehrsregionen (was sich häufig überschneidet) steht die Op- tion einer Verlagerung des Personenverkehrs vom mlV zum ÖV und ÖPNV mit der ganzen Palette der den Kommunen zur Verfügung stehenden investitions- politischen, ordnungsrechtlichen und pretialen Instrumente, die über die Favori- sierung des ÖV einerseits und die Defavorisierung des mlV andererseits kombinierte push-pull-Effekte zu induzieren versuchen (s. o.).

Aufgrund der ausgesprochen engen mentalen wie funktionalen Verknüpfung von Freizeit, Erholung und Tourismus mit der Individualmobilität einerseits und deren zunehmend erholungsmindernder Kontraproduktivität andererseits befinden sich die Fremdenverkehrskommunen dabei allerdings in einer sehr spannungsreichen Lage. Sie stehen vor der großen Herausforderung, zum mlV funktional äquivalente Mobilitätsangebote für die Urlauber zu entwickeln.

Eine.große Schwierigkeit besteht hier v. a. in der vielfach zu beobachtenden kognitiven Dissonanz (Maier et al. 1987: 113) der Urlauber, sich einerseits durch die verkehrliche Gesamtsituation in den Ferienregionen zunehmend gestört zu fühlen und dementsprechend auf bislang weniger belastete Gebiete auszuweichen - wohl wissend, daß sie selbst zur Gesamtsituation beitragen - andererseits aber selbst nicht auf ihren Pkw verzichten zu wollen.

Es ist jedoch festzustellen, daß die Freizeit- und Feriengebiete bisher zu den unterentwickelten Zielgebieten des öffentlichen Nahverkehrs gehören. Viele Freizeitgebiete beginnen da, wo der öffentliche Nahverkehr aufhört (Opaschowski 1993: 37).

Hier besteht also noch erhebliches investitionspolitisches Gestaltungspotential (Ausweitung und Integration/Zubau von Schnittstellen der Verkehrsträger), zu einer Entkopplung von Freizeit- und Individualmobilität beizutragen.

Dem Land steht hier v. a. die Möglichkeit zur Verfügung, über die Widmung von GVFG-Mitteln eine wichtige Rolle als regionaler strukturpolitischer Akteur zu spielen.

(2) Ein zunehmend wichtiger Strang der Diskussion um alternative Verkehrskonzeptionen für Fremdenverkehrsgebiete betont die Möglichkeit, Erholungsgebiete als „Testräume" für technologische Innovationen (Vester 1995: 164) und innovative integrierte Mobilitätskonzepte mit Schnittstellenoptimierung zu nutzen.

Vorgeschlagen wird z. B. der Einsatz von emissions- und geräuscharmen Elektro- und Hybridfahrzeugen, die für die relativ kurzen Reichweiten in Ferienregionen gut geeignet sind:

"Mit diesen könnte eine Gemeinde phantasievolle, mutige und ganzheitliche Neuansätze erproben, die nicht bloß ein Abbild der bisherigen Sachzwänge sind. (...) Der Autofahrer könnte solche neuen Fahrzeuge in entspannter Urlaubsatmosphäre spielerisch und unverbindlich ausprobieren, und die gemachten neuartigen Erfahrungen würden ihn leichter dazu bewegen, sich zum Gebrauch eines solchen Fahrzeugs im Alltag zu entschließen. Automobilfirmen könnten auf diese Weise Pilotprojekte einbringen (...) und durch die Werbewirksamkeit von deren konsequenter Durchführung gleichzeitig den Übergang zu einer neuen Automobilgeneration ankündigen" (Vester 1995:165).

Hier bestehen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten einer Beschaffung (vgl. Kap. 8) umweltfreundlicher Fahrzeugtechnologien und Mobilitätsdienstleistungen durch Kommunen bzw. kommunale Zweckverbände in Freizeitregionen (intraregionale Kooperation). Langfristig würden sie auf diese Weise auch zu einer Markttransformation hin zu umweltfreundlicheren Fahrzeugkonzepten beitragen.

Derartige Konzepte bewegen sich außerdem an der Schnittstelle zwischen Nutzen und Besitzen von Fahrzeugen (die Fahrzeuge werden für die Dauer des Urlaubs bzw. für spezielle Fahrtzwecke an die Urlauber verliehen). Die Urlauber könnten mit diesen Konzepten also auch soziale Innovationen im Umgang mit Mobilität auf ihre Alltagstauglichkeit erproben. Insgesamt könnten Freizeit- und Feriengebiete damit den Charakter gesellschaftsweiter Vorbild- und Initialregionen annehmen, in denen zukunftsfähige Mobilitätsformen aus der Theorie in die Praxis gehoben werden.

Würden bestimmte kommunenübergreifende Ferienregionen sich dazu entschließen, dauerhafte Abnahmeverpflichtungen für neue Fahrzeugtechnologien (z. B. in Form von Kooperationen mit ansässigen Fahrzeugherstellern) einzugehen, so könnte dies im Gesamtzusammenhang des Landes Niedersachsen auch als besondere Form der interregionalen Kooperation (ostfriesische Küste - SON) interpretiert werden. Aufgrund der hohen Beschaffungskosten für die Ferienregionen wäre es beispielsweise überlegenswert, einen interregionalen Ausgleichsmechanismus mit dem langfristigen Ziel der

Würden bestimmte kommunenübergreifende Ferienregionen sich dazu entschließen, dauerhafte Abnahmeverpflichtungen für neue Fahrzeugtechnologien (z. B. in Form von Kooperationen mit ansässigen Fahrzeugherstellern) einzugehen, so könnte dies im Gesamtzusammenhang des Landes Niedersachsen auch als besondere Form der interregionalen Kooperation (ostfriesische Küste - SON) interpretiert werden. Aufgrund der hohen Beschaffungskosten für die Ferienregionen wäre es beispielsweise überlegenswert, einen interregionalen Ausgleichsmechanismus mit dem langfristigen Ziel der