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Beschaffungspolitische Instrumente

In diesem Abschnitt soll die Frage erörtert werden, welche beschaffungspolitischen Instrumente zur Verfügung stehen, die eine Veränderung der Beschaffungspolitik im Verkehrsbereich seitens privater und öffentlicher Großnachfrager hin zu umweltfreundlichen Mobiltätstechnologien, -produkten und -dienstleistungen bewirken können. Dabei wird deutlich, daß die kompetenzrechtlichen Steuerungsmöglichkeiten auf verschiedene Ebenen verteilt sind.

Die ökologische Produktinnovation, insbesondere als verbrauchsminimierende Produktinnovation verstanden, ist eine der zentralen umweit-, Verkehrs- und industriepolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Im Verkehrsbereich wird darunter die Verbesserung herkömmlicher und bereits marktgängiger Fahrzeug- und Antriebskonzepte sowie die Entwicklung und Einführung neuer Fahrzeuge und Komponenten verstanden.

Verkehrsmarkt als Regulativ

Obwohl große Entwicklungspotentiale sowohl in Richtung Verbesserung bisheriger als auch in Richtung Entwicklung neuer Technik und -komponenten bestehen, werden diese Möglichkeiten unter dem ökologischen Aspekt nicht ausreichend umgesetzt: Der Verkehrsmarkt nimmt diese Rolle als Regulativ noch zu wenig wahr.

Das hat im wesentlichen zwei Gründe. Erstens hat für den Verbraucher in den überwiegenden Fällen die Erstinvestition (z. B. im privaten Bereich beim Kauf eines Fahrzeugs) und ein bereits etablierter automobiler Lebensstil (Nutzungsgewohnheiten und -zwänge) orientierende Funktion.

Hinzu kommt zweitens eine z. T. verständliche Zurückhaltung der Hersteller von Verkehrstechnik bei der Umsetzung von zwangsläufig risikobehafteten Produktinnovationen, die zusätzlich mit zunächst erhöhten Kosten verbunden sind.

Dieses Risiko kann durch eine entsprechende öffentliche und private Beschaffung bzw.

Beschaffungskoordination verschiedener Akteure und Großkunden reduziert werden.

Gleichzeitig wird damit eine Marktmacht entfaltet, die die Entwicklung und Einführung von ökologischen Fahrzeugkonzepten fördern kann.

Dabei wird deutlich, daß in erster Linie sowohl der private Verbraucher als auch der Großnachfrager (staatlich, öffentlich, privatwirtschaftlich) über die Möglichkeit verfügt, durch ein entsprechendes Marktverhalten auf die Umsetzung von möglichen Emissionsreduktionen seitens der Hersteller von Fahrzeugen und zugehörigen Komponenten hinzuwirken.

Andererseits haben auch die Hersteller selbst die Möglichkeit, z. B. durch Übernahme freiwilliger Selbstverpflichtungen einen weiteren Beitrag zur Emissionsreduktion zu leisten.

Ressourcenschonende Nachfrage

Das Grundanliegen besteht darin, volkswirtschaftlich wünschenswerte Entwicklungen von beispielsweise energiesparenden und umweltfreundlichen Produkten und Dienstleistungen durch eine entsprechend hohe Nachfrage seitens des Marktes zu initiieren bzw. zu beschleunigen.

Dieses Mittel der Marktmacht kann grundsätzlich jede Organisation etc. nutzen, die einen genügend großen Einfluß auf Investitions und Kaufentscheidungen ausübt, d. h. mit ca. 5 % -10 % an dem Gesamtvolumen beteiligt ist (Krause /Rammler 1994).

Die wichtigsten Institutionen, die über diese Marktmacht im Fahrzeugbeschaffungssektor verfügen, sind

• die staatlichen Beschaffungsstellen (Bund, Länder, Kommunen, Bundeswehr, Bundesgrenzschutz, Zollverwaltung),

• die Deutsche Post AG und die Deutsche Bahn AG sowie

• andere öffentliche und private Betreiber großer Fahrzeugflotten mit einem hohen Beschaffungsbedarf.

Im Bereich von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen gehören hierzu z. B.

Autovermietungen, Car-Sharing-Betreiber, Kurierdienstleister und spezielle Lieferfirmen. Auch die Kirchen und ihnen verbundene Institutionen gehören hier mit dazu, da sie neben dem Staat eine der wenigen bundesweit flächendeckenden Nachfrager nach Pkw sind.

Im Nutzfahrzeugbereich sind vor allem Post, Bahn, Bundeswehr und die privaten Speditionsunternehmen sowie die Landwirtschaft zu nennen, die ihren Einfluß auf Fahrzeughersteller ausüben können.

Bei der Gestaltung einer ressourcenschonenden Nachfrage kann je nach dem Grad des Eingriffs in die technologische Entwicklung wie folgt unterschieden werden:

• Vergrößerung des Marktanteils bereits kommerziell angebotener Fahrzeuge (z. B. Fahrzeuge mit TDI-Motoren) zu Lasten weniger umweltfreundlicher Kfz.

• Schaffung von Anreizen für die Herstellung von Fahrzeugen mit ökologisch-orientierten Parametern, die gegenwärtig noch nicht kommerziell angeboten

werden, aber auf der Basis bereits vorhandener Technik verwirklicht werden können bzw. unmittelbar vor der technischen Reali sierung stehen (z. B. 3-Liter- Auto).

• Schaffung von Anreizen für die Herstellung von solchen hocheffizienten Fahrzeugen (z.

B. Hypercar, Ultralite), für die Technologiesprünge notwendig werden (Prätorius et al.

1996).

Auf allen diesen Ebenen sind Eingriffsmöglichkeiten vorhanden, wobei die klassische Beschaffung bei der Ebenel ansetzt. Vorbestellungen, Vorabforderungen und Vorabforderungskampagnen sind der Ebene2 zuzuordnen. Instrumente der Ebene3, vergleichbar mit den „golden Carrots5" in den USA, sind in Deutschland nicht bzw. wenig bekannt.

Bildung eines Fonds, der im Rahmen einer konkurrierenden Ausschreibung („Request for Proposal") von den teilnehmenden Unternehmen gebildet wird und an denjenigen Wettbewerber zur Auszahlung gelangt, der mit dem angebotenen Produkt den

Umweltfreundliche Beschaffung

Die Bemühungen eines Bestellers, seinen Bedarf an Produkten und Dienstleistungen unter der Beachtung von Umweltkriterien zu decken, sind Bestandteil einer umweltfreundlichen Beschaffung. Nachdem Anfang der 80er Jahre die umweltfreundliche Beschaffung sowohl als Begriff als auch politisches Handlungsfeld in Deutschland bekannt gemacht und eingeführt wurde, haben die öffentliche Hand, eine Reihe von Unternehmen und andere private Organisationen Umweltkriterien in die Richtlinien ihrer Beschaffungspolitik aufgenommen.

In der privaten Wirtschaft werden heute im Durchschnitt ca. 50 % der Gesamtkosten vom Einkauf beeinflußt, im Handel erreicht dieser Wareneinsatzwert etwa 80 % der Gesamtkosten.

Durch verringerte Fertigungstiefen wird der Einkauf im Rahmen einer integrierten Materialwirtschaft zu einem wichtigen Bindeglied innerhalb der Wertschöpfungskette zwischen Lieferanten, Fertigung und Absatzmärkten (Stahlmann 1992).

Bekanntermaßen ist die staatliche Beschaffung z. B. nicht auf die Minimierung der Lebenszyklus-Gesamtkosten eines Produktes ausgerichtet. Dafür sorgt zum einen die in der öffentlichen Verwaltung übliche Trennung von Haushaltsposten in Aufwendungen für Investitionen und in solche für den laufenden Unterhalt. Diese intern administrative Praxis und eine Anzahl weiterer für alle öffentlichen und privaten Verbraucher bestehenden Markthemmnisse (z. B. Informationsdefizite) bewirken zum anderen, daß z. B. von der öffentlichen Hand erworbene Fahrzeuge einen betriebswirtschaftlich sub-optimalen und volkswirtschaftlich ungünstigen Energieverbrauch aufweisen.

Dabei erfolgt die staatliche Beschaffung von Fahrzeugen in der Mehrzahl nicht von einigen wenigen kompetenten Stellen, sondern verteilt sich auf eine Vielzahl von Agenturen, Verwaltungen und Regierungsebenen6.

Beschaffung von Fahrzeugen

Eine besondere Beachtung verdienen die Fragen der Beschaffung von Fahrzeugen.

Die Beschaffung von bereits auf dem Markt eingeführten Fahrzeugen mit relativ hoher Umweltverträglichkeit kann einer ressourcenschonenden Beschaffung erster Ordnung zugerechnet werden. Die verstärkte Nutzung umweltfreundlicher Fahrzeuge führt zum einen direkt zu einer Umweltentlastung. Bedeutsamer sind jedoch die dauerhaften indirekten Folgen.

Durch die politisch gewollte Vergrößerung des Marktanteils von umweltfreundlichen Fahrzeugen erhöht sich die Stückzahl und die Hersteller können die Marktpreise aufgrund verringerter Produktionskosten senken, was wiederum zu einer erhöhten Nachfrage führen müßte. Dieser Sachverhalt betrifft jedoch nur die Erstkostenfixierung der Verbraucher, nicht ihre Leitbildfixierung und die Hemmnisse etablierter Nutzungsprofile.

technischen Vorgaben am weitesten entsprach und das aussichtsreichste Marketingkonzept dafür vorlegen konnte (Krause/Rammler 1994).

6 Beim Bund erfolgt die Beschaffung durch die einzelnen Fachressorts und dort wiederum z. T. durch einzelne Behörden. Die Bundeswehr hat allein über 200 Beschaffungsstellen, auch Post und Bahn beschaffen nur teilweise zentral. In den Ländern beschaffen über 100 verschiedene Ministerien mit zahlreichen nachgeordneten Landesbehörden. Über 12.000 Städte und Gemeinden, Landkreise

In diesem Zusammenhang wird auf die ideelle Vorbildfunktion des Staates und weiterer großer Einrichtungen wie z. B. der Kirche hingewiesen. Geht man davon aus, daß es neben dem ökonomischen auch noch einen, wenn auch weniger greifbaren, aber dennoch entscheidenden

„Bewußtseinsmarkt" gibt, so ist dies ein nicht unerhebliches Gestaltungspotential.

Beschaffung von Mobilitätsdienstleistungen

Eine Möglichkeit, Mobilitätsdienstleistungen zu beschaffen, ist im industriellen Bereich die Einrichtung eines Fuhrparks und im privaten Bereich die Anschaffung eines Fahrzeugs. Hinzu kommen weitere Gestaltungsmöglichkeiten, die auch die Frage der Trennung von „Nutzen und Besitzen" mit einschließen.

Diese Entwicklung, welche den Automobilhersteller vom reinen Fahrzeugproduzenten zum Anbieter von Mobilitätsdienstleistungen werden läßt, ist zwar z. T. erkannt, aber bisher noch nicht konsequent genug umgesetzt worden (Prätorius 1995, Seiffert 1995). Öffentliche und private Großnachfrager könnten mit der Beschaffung von Mobilitätsdienstleistungen einen Prozeß unterstützen bzw. erst in Gang bringen, den die Hersteller im Verkehrsbereich aus eigener Kraft nicht oder nicht schnell genug so gestalten könnten. Nicht zuletzt werden in einer solchen Entwicklung auch Überlebenschancen der Automobilindustrie gesehen.

Flottenmanagement

Im Rahmen des Flottenmanagements legt der Betreiber einer großen Anzahl von Fahrzeugen (Flotte) die gesamte Verantwortung für Anschaffung, Wartung, Reparaturen, Ersatz, Entsorgung) in die Hände eines externen Dienstleisters. Neben der reinen technischen Verantwortung für die Fahrzeuge übernimmt der Dienstleister auch die Verantwortung für den möglichst effizienten Einsatz der Fahrzeuge.

Wird das oben beschriebene Flottenmanagement gedanklich weiterentwickelt, so ergibt sich fast naheliegend, daß die Fahrzeughersteller selbst die Rolle des oben beschriebenen Dienstleisters in ausgewählten Fällen übernehmen könnten. Große (Nutz)-Fahrzeughersteller bieten ihren Kunden zwar schon heute elektronische Flottenmanagementsysteme an, die auch Teildienstleistungen als Option beinhalten, nehmen die Gesamtverantwortung aber nach unserer Kenntnis noch nicht wahr.

Vorteile ergäben sich für beide Seiten:

• Auf der Betreiberseite können Kostensenkungen infolge eines effizienteren Betriebes der Fahrzeuge sowie durch Minimierung der Anschaffungs- und Fixkosten die Folge sein.

• Für den Fahrzeughersteller als Dienstleister bietet ein solches zusätzliches Dienstleistungsangebot nicht nur eine Quelle zusätzlicher Einnahmen (und angestrebterweise auch Gewinne), sondern führt auch über eine damit erreichbare langfristige und über mehrere Fahrzeuggenerationen hinweg währende Bindung des Betreibers an das (Fahrzeug)-Produkt des Herstellers zu weiteren Vorteilen.

Mobilitätsmanagement

Wird ein Flottenmanagement dahingehend erweitert, daß auch die Mobilitätszwecke vom Dienstleister hinterfragt werden, wie z. B. Verkehre durch andere geeignetere Fahrzeuge bzw.

Verkehrsträger ersetzt werden können bzw. vielleicht teilweise mit anderen Fahrten zusammengelegt (Fracht-Pooling) oder ganz vermeidbar werden, dann spricht man von Mobilitätsmanagement. Dabei sind Lösungsansätze nicht nur für den Güterverkehr, sondern auch für den Personenverkehr denkbar.

Mobilitätsmanagement ist ein neuer Dienstleistungsbereich, der noch relativ wenig erforscht ist.

Umso begrüßenswerter sind Forschungsansätze und Projekte, welche sich mit diesen Themenstellungen beschäftigen und vielleicht nach erfolgreicher Versuchs- bzw. Pilotphase in die Praxis umgesetzt werden können7.

Zwischenfazit

• Der Umweltschutz stellt für den beschaffungspolitischen Bereich eine1 Herausforderung dar, der zu einer Neubewertung von Marktchancen und Kosteneinsparungspotentialen zwingt.

• Beschaffung bedeutet zunehmend eine gleichzeitige Verpflichtung zur Minimierung von Versorgungs- und Stoffrisiken und damit zur Abfallvermeidung und zu integrierten Abfallkonzepten.

• Die Umsetzung beschaffungspolitischer Instrumente kann nur mittelfristig erfolgen.

• Die Umsetzungskompetenz liegt sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene sowie!

im kommunalen und vor allem privatwirtschaftlichen Bereich. Dabei bleibt d e m Land und den Kommunen ein breiter Spielraum erhalten.

• Die erreichbaren C02-Reduktionspotentiale können nach d e m bisherigen Kenntnisstand noch nicht verläßlich abgeschätzt werden. Es wird jedoch davon ausgegangen, daß eine Reduktion der Emissionen im Bereich geringer bis mittlerer

\ Wirkung möglich werden kann.

Derzeit ist ein solches Projekt zwischen dem Diakonischen Werk Braunschweig bzw. der Landeskirche Braunschweig und der Volkswagen AG geplant. Dieses Vorhaben beinhaltet nicht nur ein umfassendes Flottenmanagement für das Diakonische Werk, sondern sieht die grundlegende Neukonzeption des Verkehrs von Fahrzeugen, die im landeskirchlichen Verantwortungsbereich betrieben werden, vor. Ein erstes Arbeitspaket wäre die Analyse der status quo-Verkehre zunächst unter Berücksichtigung der Mobilitätserfordernisse der Diakonie. Später könnte diese Untersuchung fallanalytisch für weitere ausgewählte Regionen erweitert werden.