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2. Stegreifspiele, Rollenspiele und Simulationen

Stegreifspiele, Rollenspiele und Simulationen gehören zwar in der dramapädagogischen

Einteilung auch zur oben beschriebenen Gruppe, sollen aber aufgrund ihrer Relevanz für den Fremdsprachenunterricht und wegen der Schwierigkeit der Abgrenzung voneinander gesondert beschrieben werden.

Rollenspiele stellen aus der Sicht von Lensch (2003) seit den 1970er Jahren in der Beratung und Weiterbildung eine beliebte Praxis dar und können kaum als eine in sich geschlossene Methode bezeichnet werden. Die Zielsetzung von pädagogischen Rollenspielen beschreibt Lensch damit, dass

sie die anschauliche, personenbezogene Darstellung bedeutsamer inter- und intrapersonaler Situationen erleichtern [sollen] und in einem Schutzraum alltagsenthobene, exemplarische Erfahrungen schaffen, um kommunikative, kulturelle oder psychosoziale Probleme spielerisch zu bearbeiten und im Rahmen der bestehenden Verhaltensmöglichkeiten oder unter Erweiterung der bisherigen Handlungsspielräume Lösungswege zu gestalten (Lensch 2003:257).

Eine Sonderform des Rollenspiels sieht Lensch im literarischen Rollenspiel, das entweder konstruierend (die literarische Vorlage dient lediglich als Auslöser des Spiels) oder rekonstruierend (die Schülerinnen und Schüler finden sich in die Rollen ein) ablaufen kann (a. a. O.:258).

Kochan (1974) arbeitet die Bedeutung des ursprünglich aus den Sozialwissenschaften stammenden Rollenspiels als pädagogisch angeleitetes Lernspiel heraus und begründet ausführlich die Funktion und Verwendung des Rollenspiels für den muttersprachlichen Sprachunterricht in linguistischer und sprachdidaktischer Hinsicht. Ein Realitätsausschnitt liefert ihrer Meinung nach immer den Spielinhalt des Rollenspiels. Realität werde simuliert (Kochan 1974:7). Das Rollenspiel biete einen sanktionsfreien Spielraum zum Probehandeln (a. a. O.:255). Es sei eine pädagogische Möglichkeit zur Vorbereitung der Lernenden auf die Bewältigung relevanter Kommunikationssituationen in der Realität, indem diese antizipiert werden und indem die Schülerinnen Verhaltensstrategien entwerfen und in diesen Situationen Erfahrungen sammeln (a. a. O.:254f.). Im Unterschied zum Rollenspiel sieht Kochan die Aufgabe des innerhalb des Sprachunterrichts traditionsreicheren darstellenden Spiels in der methodischen Auflockerung bzw. Veranschaulichung, der Pflege der musischen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler, der Förderung des Verständnisses für die dramatische Kunst und auch in der Kulturvermittlung (Kochan 1974:254).

Gedicke (2000) versteht unter Rollenspielen vorgegebene imaginäre Situationen, in denen sich die Schülerinnen und Schüler in fiktive Situationen hineinversetzen. Es geht ihr ausdrücklich nicht um das Vorführen von Sketchen oder kleinen Theaterstücken. Die Rollenspiele könnten auf präzisen oder eher allgemeinen Vorgaben beruhen und dienten dem vorrangigen Ziel der spontanen und freien Sprachanwendung und zur Vorbereitung auf reale

Sprechsituationen im Zielsprachenland (Gedicke 2000:22).

Spontane Sprachanwendung macht auch den Kern des Stegreifspiels aus. Beim Stegreifspiel wird fast ohne Vorbereitung aus dem Augenblick heraus improvisiert. Es handelt sich um einen historischen Spielstil, der heute auch als Widerstand gegen die Normierung der Ausdrucksmittel verstanden werden kann. Der Spieler lenkt seine Aufmerksamkeit nicht auf einen vorgegebenen Text, sondern auf seine durch das Spiel angeregte Inspiration. Das Stegreifspiel ist abhängig von der Kreativität und Spontaneität der Spielerinnen und Spieler.

Unter dem Namen theatre sports hat Keith Johnstone seit den 1950er Jahren einen besonderen Improvisationsstil entwickelt, der auf diesen Eigenschaften der Mitspieler beruht (Eberhardt 2003:298). Kurtz knüpft an diese Tradition an und entwickelt daraus seinen fremdsprachendidaktischen Ansatz des Improvisierenden Sprechens (siehe 1.2).

Auch Kempe/Winkelmann (1998) sehen die Merkmale des Rollenspiels in Abgrenzung von der Dramapädagogik u. a. darin, dass die Schülerinnen und Schüler Situationen meist spontan spielen und dass es zur Festigung von Wissen bzw. als Verhaltenstraining eingesetzt wird.

Vor allem gehe es beim Rollenspiel nicht um eine Identifikation mit der Rolle, sondern um Konfliktlösung oder Wissensabfrage (Kempe/Winkelmann 1998:18f.).

Legutke (1988) sieht in Rollenspielen vor allem ein altbekanntes methodisches Repertoire für den Fremdsprachenunterricht; Rollenspiele stellen in den Lehrwerken einen „Standardtypus zum freieren Sprachgebrauch“ dar (Legutke 1988:143). Eine Abgrenzung des Rollenspiels von der Simulation hält Legutke für nicht durchführbar – vor allem nicht für komplexere Rollenspiele mit festen Rollenprofilen und Funktionsbeschreibungen dieser Rollen, zeitlich begrenzten Handlungsabsichten und klar bestimmten Szenarien. Seiner Ansicht nach können diese Rollenspiele genauso gut als Simulation definiert werden (a. a. O.:157).

Sippel (2003) hat die simulation globale umfassend aufbereitet, indem sie sie als ganzheitlich ausgerichtetes Lernverfahren charakterisiert. Simulation globale sei sowohl für den fremdsprachlichen als auch für den muttersprachlichen Unterricht geeignet (Sippel 2003:23).

Für Sippel sind sowohl die simulation globale als auch das Rollenspiel Formen von Gesprächsspielen, in denen sich Teilnehmer in fremde psychische Realitäten begeben. Die dort ablaufende Kommunikation bezeichnet sie als quasi authentisch, da sie sich an den Ausdrucksbedürfnissen der Teilnehmer orientiert. Während es sich beim Rollenspiel eher um vorstrukturierte statische Situationen mit engem situativem Rahmen und zeitlich begrenzter Aufgabenstellung handelt, geht es bei der simulation globale um die „kollektive Kreation eines klar umgrenzten fiktionalen Mikrokosmos, der anschließend von seinen Bewohnern belebt wird“ (a. a. O.:78). Die Teilnehmer agierten zwar in einem imaginären, situativen

Rahmen mit der Maske einer fiktiven Identität; zugleich könnten sie aber in diesen dynamischen Situationen mithilfe eigener Wünsche und Vorstellungen agieren und problemlösend tätig werden (a. a. O.:78ff.).

Sippel hat Entstehung und Ablauf einer simulation globale dezidiert aufbereitet. Dabei thematisiert sie auch die Unterschiede zwischen simulation globale und Rollenspiel. Die Verbindung zwischen dem Rollenspiel und der simulation globale sieht Sippel darin, dass es sich um verwandte Interaktionsformen handelt, deren Grenzen sie in der fachdidaktischen Diskussion mit "fließend" beschreibt. Schriftliche Ausarbeitungen hätten bei Rollenspielen eher vorausplanenden Charakter, während bei der simulation globale das Gesamtprojekt am Ende schriftlich dokumentiert werde (Sippel 2003:78f.).

Ahrendts (2003) Definition von Simulationen lautet:

Eine Simulation ist im Fremdsprachenunterricht ein Verfahren, das darauf abzielt, die Kommunikationsfähigkeit der Schüler durch ein Probe-Handeln in realitätsnahen Situationen, in denen es einen Konflikt auszutragen gilt, auszubauen und ihr Sozialverhalten positiv zu beeinflussen. Die Schüler handeln während einer Simulation nicht als sie selbst, sondern nehmen Rollen an, sehr oft die von Interessenvertretern.

Eine Simulation besteht aus mehreren Phasen, deren Abfolge festgelegt ist. Im Vollzug einer Simulation, bei der alle vier Fertigkeiten aktiviert werden, verwenden die Schüler die entsprechenden Strategien und die zu ihnen gehörenden Techniken. Bei der Realisierung der einzelnen Schritte werden die jeweils am besten geeigneten Unterrichtsformen (darunter schwerpunktmäßig alle Sozialformen) eingesetzt (Ahrendts 2003:88).

Bei der themenbezogenen Auseinandersetzung mit Theaterstücken im Englischunterricht im Konzept von Nünning/Surkamp (2006) können die Lernenden mittels Rollenspiel die texteigenen Konflikte bearbeiten. Dabei sollten die Schülerinnen und Schüler den Text bereits kennen, ohne ihn auswendig aufsagen zu können. Nünning/Surkamp unterteilen in intrapersonales und interpersonales Rollenspiel. Beim intrapersonalen Rollenspiel würden alle Rollen von ein und demselben Schüler gespielt, während das interpersonale Rollenspiel bedeute, dass Beziehungen und Beziehungsstrukturen zwischen den Figuren eines Theaterstücks durch verschiedene Verfahren sichtbar gemacht werden. Davon unterschieden wird das Dialogspiel, das sich zwischen zwei Figuren ereignet (Nünning/Surkamp 2006:185f.).15

15 In Ergänzung zur rein analytischen Dramenanalyse im Fremdsprachenunterricht haben Nünning/Surkamp einen spielerisch-kreativen Ansatz entwickelt, den sie mit „Teaching plays: das Konzept des spielenden Lernens“ (Nünning/Surkamp 2006: 142) bezeichnen und der auf praktischer Theaterarbeit und dramapädagogischen sowie schüleraktivierenden Methoden beruht (a. a. O.:144f.). Durch Theaterbesuche, den Einsatz von audiovisuellen Unterrichtsmitteln, das "Mitdenken" der szenischen Realisierung und durch darstellendes Spiel soll die Aufführungsdimension des dramatischen Werkes in den Unterricht integriert werden (a. a. O.:143).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle untersuchten Definitionen und Beschreibungen von Rollenspielen die Nähe zur Realität hervorheben. Es handelt sich um eine Lern- bzw.

Interaktionsform, die zukünftiges alltagssprachliches Agieren vorwegnehmen und einüben soll. Unterschiede gibt es in der Auffassung darüber, ob eher ein unvorbereitetes, spontanes Vorgehen oder eine vorausgehende sprachliche Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler erfolgversprechender ist. Vermutlich haben auch das Alter der Schülerinnen und Schüler und deren Vorkenntnisse einen Einfluss auf die Art der Vorbereitung und den Umfang der Hilfsmittel. In Bezug auf die Abgrenzung von Rollenspielen und Simulationen schließe ich mich der Einschätzung von Sippel (2003) an, dass es sich hierbei um Interaktionsformen handelt, deren Grenzen eher fließend sind und die sich besonders bei komplexen Rollenspielen (Legutke 1988:157) kaum voneinander abgrenzen lassen. Beide Formen nehmen eine in der Realität erwartbare Situation vorweg, in der die Schülerinnen und Schüler sprachlich handelnd tätig werden müssen. Dabei unterscheiden sich Rollenspiele und Simulationen vor allem in ihrer Komplexität und zeitlichen Dauer voneinander. Während bei Rollenspielen oft nur einzelne Kommunikationssituationen bewältigt werden müssen (z. B.

etwas einkaufen), wird bei Simulationen ein ganzer Mikrokosmos belebt (z. B. bei der Simulation einer Tagung).

3. Szenisches Spiel, szenische Interpretation, szenische Interpretationsverfahren und