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2. Entstehung des Zivilen Friedensdienstes

2.5 Startphase 1995/1996 .1 Dayton-Abkommen

Im Dezember 1995 schickte der Deutsche Bundestag 4.000 Bundeswehrsoldaten als Teil der NATO-Eingreiftruppe IFOR auf den Balkan, um die Vereinbarungen von Dayton zu unterstützen.

Durch das gleichzeitig geäußerte Interesse der großen Fraktionen an nichtmilitärischer Konfliktbearbeitung im ehemaligen Jugoslawien fand die Idee des ZFD Unterstützung bei Bun-destagsabgeordneten. In der Vorbereitungsphase für den Bundestagsbeschluss fand am 8.11. ein Ge-spräch zwischen dem Forum ZFD und Abgeordneten statt, bei dem eine Doppelstrategie vereinbart wurde. Zusätzlich zu der bereits vorhanden parlamentarischen Initiative sollten die Friedensorgani-sationen ein konkretes Angebot für zivile Konfliktbearbeitung im ehemaligen Jugoslawien machen.

Die daraufhin geplante „Startphase ZFD“ sah 200 ausgebildeten Fachkräfte zur Unterstützung loka-ler Kräfte in Bosnien vor.75

2.5.2 Unterstützung durch die Fraktionen

Am 5.12. trafen sich im Katholischen Büro in Bonn unter der Leitung der Bischöfe Spital und Hu-ber die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen mit weiteren PolitikerInnen und VertreterInnen verschiedener Institutionen.76 Die von den Friedensorganisationen vorgeschlagene Startphase ZFD wurde grundsätzlich positiv bewertet und dem Bereich der Entwicklungspolitik zugeordnet. Bis zum nächsten Treffen mit den Politikern am 12.1.1996 wurden weitere Organisationen als Träger

72Vgl. Forum ZFD Info September 1995. Zur Kritik und Diskussion (die auch auf Podiumsveranstaltungen und in Zeitschriftenartikeln geführt wurde) vgl. z.B. Berger 1995, Kotte 1995 und Cüppers 1995 sowie die darauf folgenden Leserbriefe.

73Vgl. Forum ZFD Info Juli/August 1995. Die Mitgliederversammlung des Bonhoeffer-Vereins am 28.5.1995 unterstützte den Aufruf und forderte die Kirchen zur Mitarbeit auf; vgl. Verantwortung 1995.

74Vgl. Forum ZFD Info Oktober 1995, S. 1.

75Vgl. Forum Ziviler Friedensdienst 1996c, S. 6-7. Diese „Startphase“ war ein neues Konzept und stimmte nicht mit dem ursprünglichen Vorschlag der ZFD-Initiatoren zur ersten Phase der ZFD-Schaffung überein. Die erste Version des Konzepts wurde bei dem Gespräch am 12.1.1996 vorgestellt. Die Startphase sollte zwischen 20 und 30 Millionen DM (Forum ZFD) bzw. 70 Millionen DM (MdB Weißkirchen, SPD) kosten. Der Bundeswehreinsatz sollte 700 Millionen DM kosten; vgl. Forum Ziviler Friedensdienst 1996d und Rüssmann 1995, S. 32.

76Zu den PolitikerInnen gehörten Heiner Geißler, Günter Verheugen, Joschka Fischer und Wolf Poulet. Justitia et Pax, das Kirchenamt der EKD, die evangelische Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) und der Deutsche Frauenrat waren ebenfalls vertreten. Am 10.1.1996 fand in Bonn ein Hintergrundgespräch im Presseclub statt, ge-folgt von einem Gespräch mit Fraktionsspitzen zwei Tage später; vgl. Forum Ziviler Friedensdienst 1996b, S. 1.

des Projekts gewonnen; auch dieses Gespräch verlief positiv. Um selber Träger für die Startphase sein zu können und um sich institutionell zu profilieren, wurde das Forum ZFD am 11.2.1996 in einen eingetragenen Verein umgewandelt.77 Am 2.3.1996 konstituierte sich die Vollversammlung der am Projekt beteiligten Organisationen; ein Koordinierungskreis wurde gewählt. Das Forum ZFD, die evangelische Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) und die katholische Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) schlugen zusammen mit weiteren Partnern vor, in einem zweijährigen ZFD-Startprojekt 200 FFK vier Monate lang auszubilden, die dann 20 Monate im ehemaligen Jugoslawien arbeiten sollten.

2.5.3 Ablehnung im Entwicklungsministerium

In den folgenden Wochen stellte sich allerdings heraus, dass der Bundesminister für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Carl-Dieter Spranger, und damit das BMZ die Initiative ab-lehnte, obwohl es auch schon damit begonnen hatte, das Verhältnis zwischen Krisenprävention und Entwicklungszusammenarbeit zu untersuchen.78 Trotz verschiedener Versuche, diese Entscheidung noch zu beeinflussen, wurde am 26.4. in einem Gespräch mit Staatssekretär Klaus-Jürgen Hedrich die Ablehnung des BMZ deutlich.79

Als Gründe wurden die zu erwartende Wirkungslosigkeit, die fehlende Professionalität, die Überschneidung mit bestehenden Freiwilligendiensten, die Kosten, die ungeklärte Frage des Bedarfs an Helfern und das Sicherheitsrisiko genannt. „In der Konfliktregion arbeiten derzeit schon über 300 Nichtregierungsorganisationen (NRO), die z.T. neben ihrer geringen fachlichen Professionalität vor allem deshalb einen zweifelhaften Ruf genießen, weil sie zu keinen Koordinationsanstrengungen bei den ohnehin knappen Mitteln in der Lage und bereit sind“80. Bedenklich und eigentlich indiskutabel sei die Vorstellung, „junge Leute, die weder die Lan-dessprache noch die kulturellen Hintergründe eines seit Jahrhunderten schwelenden Konfliktes kennen, in eine Konfliktregion zu entsenden und sie mit einer vagen Friedensarbeit zu überfrachten“81. Freiwillige Dienste würden von den Betroffenen vor Ort häufig „mehr als Be-lastung, denn als Hilfe empfunden. (Beispiele 'Peace Corps' oder der japanische Freiwilligendienst).

77Vgl. Publik-Forum-Aktuell 1997, S. 2-3, Forum Ziviler Friedensdienst 1996b, Rüssmann 1996a und Behne 1995.

Huber (1996) und Rüssmann (1995) befürworten den Vorschlag für eine Startphase ZFD. Rüßmann zitiert den Geschäftsführer des Forums ZFD Bernd Horn: „Wir haben zuletzt offene Türen eingerannt. Ein Rückzieher dürfte da kaum noch möglich sein.“ Mögliche finanzielle Überbrückungsprobleme hätten über eine Vorfinanzierung durch andere Institutionen gelöst werden können. Zusätzlich wurde die Idee des ZFD über die Verbreitung des Aufrufs

„Für einen Zivilen Friedensdienst“ und die Verschickung einer Broschüre (zusammen 27.500 Stück) in die Öffentlichkeit getragen.

78Vgl. die Studie von Wissing (1995) für das BMZ und später Spranger 1996a.

79Vgl. Forum Ziviler Friedensdienst 1996b, S. 1.

80Vgl. internes Papier des BMZ, zitiert nach Adelmann 1996 und den Kommentar von Roos (1996) im Bayernkurier.

81Ibid.

Gerade in Konfliktregionen, in denen die Arbeit auch mit erheblichen Gefahren verbunden ist, gibt es nur professionelle oder nichtprofessionelle Hilfe, und die Entsendung von freiwilligen Amateuren kann bestenfalls als Leichtsinn betrachtet werden“.82

Statt dessen empfahl das BMZ den Initiatoren, über kirchliche Zentralstellen oder andere in ihrer Professionalität ausgewiesene NGOs, Förderanträge an das BMZ zu stellen. Spranger selbst bezeichnete die Vorschläge als „vage und überfrachtet“83.

2.5.4 Ende der Startphase Ziviler Friedensdienst

Aufgrund der Ablehnung des ZFD durch das BMZ löste sich am 8.6. die Vollversammlung auf, und das Konzept eines reduzierten Nachfolgeprojekts mit nur 20-25 Fachkräften wurde verabschiedet.

Das Forum ZFD organisierte eine Postkartenaktion mit dem Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, Wolfgang Schäuble, und den anderen Fraktionsvorsitzenden als Adressaten. Die Abgeordnetengruppe versuchte immer noch, einen Beschluss des Bundestags zu erreichen, der die Regierung zum Handeln aufforderte.84 Im Juli 1996 lehnte die Unionsfraktion den ZFD endgültig ab.85 Im Herbst sprach sich das BMZ gegen eine mögliche Etatisierung des ZFD in den Einzelplänen 05 (AA) und 23 (BMZ) aus. Das AA nahm zu dieser Zeit nicht Stellung zum ZFD, zeigte sich jedoch daran interessiert, nähere Vorstellungen über die Konkretisierung der Initiative zu erhalten.86 Im Dezember 1996 tauchte in einem Antrag der Koalitionsfraktionen zur Krisenprävention und Friedenspolitik der ZFD nicht mehr auf. Ein Antrag der SPD-Fraktion vom 22.11.1996 zum Aufbau eines ZFD wurde schließlich am 18.6.1998 abgelehnt.87 Uwe Trittmann schrieb rückblickend dazu:

„Aus heutiger Sicht wird deutlich, dass der mit dem Konzept des ZFD verbundene Prioritätenwechsel in der Politik - Vorrang für eine aktive Friedenspolitik mit friedlichen,

82Ibid.

83Spranger 1996. Möglicherweise hatte der Minister grundsätzlich kein Verständnis für die Idee der Zivilen Konfliktbearbeitung. Vielleicht spielte auch die Tatsache eine Rolle, dass der ZFD vor allem von ehemaligen Akteuren der Friedensbewegung (also von politischen Gegnern der Union) propagiert wurde.

84Der Bundestagsantrag wurde auch von Abgeordneten der Union, u.a. durch Rainer Eppelmann und Heiner Geißler, unterstützt; vgl. Eppelmann 1996.

85Vgl. Forum Ziviler Friedensdienst 1996b und Publik-Forum-Aktuell 1997, S. 3. Diese Version der Startphase sollte etwa 3 Millionen DM kosten; vgl. Forum Ziviler Friedensdienst 1996d. Zu Briefen von Seiten des Forums ZFD im Juni an wichtige Abgeordnete und einigen Antworten vgl. Pilgram 1996. Darüber hinaus schrieb das Forum ZFD immer wieder Briefe an Abgeordnete.

86Den Vorschlag, im Haushalt 1997 einen Leertitel „Förderung des Zivilen Friedensdienstes“ aufzunehmen stammte von SPD-Haushältern; vgl. Forum ZFD Info Oktober 1996. Die Stellungnahme des BMZ stammt vom 4.11.1996, die des AA vom 24.10.1996. Im Haushalt 1997 wurde schließlich der Titel ZFD als unausgefüllte Leerstelle aufgenommen;

vgl. Forum Ziviler Friedensdienst 1998c, S. 1.

87Vgl. Deutscher Bundestag 1996a und 1996. Die beteiligten Organisationen, SPD und Bündnis 90/Die Grünen sowie Kommentatoren protestierten gegen die Ablehnung des ZFD durch die Union; vgl. z.B. Katholische Nachrichtenagentur 1996 und Rüssmann 1996.

präventiv wirksamen Mitteln - von vielen in der politischen Klasse wie auch in Teilen der Friedens- und Konfliktforschung zwar mit persönlicher Sympathie bedacht, die Chancen für einen ernsthaften Politikwechsel aber nicht für realistisch gehalten wurden.“88

2.5.5 Die Bundesregierung als Akteur

Bundesminister Spranger und Staatssekretäre im BMZ waren als Mitglieder der Regierung über längere Zeit hinweg an den Diskussionen über die Startphase beteiligt.89 Die eng mit der Regierung zusammenarbeitenden Fraktionsspitzen von CDU/CSU und FDP waren ebenfalls direkt beteiligt.

Minister Spranger verhinderte jedoch aktiv die Unterstützung dieses Konzepts durch die Bundesregierung und die interfraktionelle Erklärung im Bundestag. Deshalb handelt es sich beim ersten Beobachtungspunkt im Jahr 1996 nicht um einen Entscheidungsverzicht, sondern um eine bewusste Entscheidung der Bundesregierung gegen die Unterstützung des neuen Instruments ZFD.

2.6 Kooperation mit Entwicklungsdiensten und Beginn der Ausbildung