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Die Verknüpfung von Kreislaufwirtschaft, zukunftsfähiger Stadtplanung und Einsatz nachwachsender Rohstoffe steckt symbolhaft in der Holz-Architektur. In Deutschland hatte sich im Jahre 2000 die Weltausstellung in Hannover u.a. als Bühne für zukunfts-weisende Architektur angeboten (Kanzler Schröder mit seinem „grünen“ Außenminister Fischer an der Seite und als vorheriger Ministerpräsident in Hannover war bereit gewe-sen, Türen in unbekannte Räume aufzustoßen). In Hannover-2000 wurde der spekta-kuläre Pavillon aus Guadua (Bambus) bestaunt, den Kolumbiens Star-Architekt Simón Vélez als ökologischen Groß-Bau aus nachwachsendem Rohstoff aufgestellt hatte. Ihn liessen Hannovers Behörden allerdings nach der Ausstellung sofort wieder abreißen.

Warum?

Guadua-Pavillon, Originalvorlage steht in Manizales /Kolumbien

Nimmt man die

Kalksteinhöhlen aus, in denen die frühe Menschheit schon ihre Wohnungen eingerichtet hatte, ist zweifellos Holz der älteste Baustoff, den sich die Menschen zu eigen gemacht haben. Bäume als Wald sind zudem wohl auch die Kreaturen, denen der Mensch am

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meisten für sein eigenes Überleben verdankt: sie produzieren den Sauerstoff, den wir zum Atmen brauchen; sie produzieren Früchte für Menschen und Tiere; sie bieten zahllosen Tieren und Pflanzen Schutz, um zu leben und sich zu vermehren; sie kom-munizieren geheimnisvoll mit den Pilzen im Boden und finden den Weg zum unter-irdischen Wasser, auch wenn es metertief im Boden verborgen ist. Indigene Völker schauen bis heute zu ihnen wie zu ihren Verwandten auf, sprechen mit ihnen und sehen sich auf gleicher Stufe als Teil einer gemeinsamen Natur. Auch die high-tech-Japaner verbeugen sich genauso vor ihren 500 Jahre alten Bonsai-Bäumen. Bäume sind das ideale Symbol für Kreislaufdenken und Kreislaufhandeln; somit auch für Kreislauf-wirtschaft.

Unabhängig von der Hannover-Messe 2000 bauen sich auch in diesem Verständnis norwegische moderne Bürger ihre modernen neuen Siedlungen mitten in einen Natur-raum so angepasst, so unauffällig, dass ihre Holzhäuser mit den bewachsenen Dächern schon beinahe wie Bäume verstanden werden können – auf jeden Fall als Teil von Natur und nicht als

ihr Gegenteil – wie etwa 800 Meter hohe Betonmonster in Dubai.

Kreislauf-Architektur:

Holz + Gras, naturnah,

im Jotun- heimen-Hochland (Norwegen)

Auch in modernen, dicht besiedelten Industrieländern möchten Architekten zunehmend mit dem naturnahen Baustoff Holz arbeiten. Das kann nur selten eine Kopie der Archi-tektur vom norwegischen Jotunheimen-Hochland sein. Aber hoch soll es schon sein.

Holzarchitektur mit Symbolkraft für zukunftsfähiges Bauen. So entstand in Wien das HOHO (Holzhochhaus) mit 20.000 m2 Nutzfläche und in Vancouver das 18-stöckige hölzerne Wohnhaus für 400 Studenten – nicht weniger beeindruckend als die gewaltige Bambus-Halle aus Kolumbien bei der Hannover-Messe.

So überrascht nicht, dass auch in Berlin die Planung für einen 100 m hohen hölzernen Wolkenkratzer am Anhalter Bahnhof angelaufen ist.

Über die Ästhetik solcher HOHO läßt sich streiten. Einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft und zu verringertem Energieeinsatz und zur einfacheren Erstellung und Reparaturfähig-keit als bei einem energieintensiven Betonklotz tragen sie jedenfalls bei. Und in vielen Fällen auch zu einem als angenehmer empfundenen Raumklima und zum Gefühl, näher mit bewohnter Natur verbunden zu sein, auch.

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Holz- und Gras-Villen haftet nicht selten der Ruf an:

„Residence of the Upper Ten“, wie z.B. im naturna-hen, architektonisch

interessanten mo-dernen Dorfkomplex

Amataciems, außerhalb von Riga

(Lettland):

Amataciems, reiche Öko-Siedlung mit modernen Villen aus Holz und Reed

Moderne Holzhausarchitektur ist jedenfalls ansteckend – auch weil sie nicht nur

„draußen vor der Stadt“ umsetzbar ist, sondern auch mitten in einer Großstadt, wie Wien oder Vancouver oder Berlin oder im modernen Holzhausviertel Sundbyberg von

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Stockholm. Holzhaus-Architektur bietet sich sowohl für Luxusvillas an als auch für sozia-len Wohnungsbau.

Die Reparaturfähigkeit auch sehr alter Holzhäuser und damit die ausserordentliche Langlebigkeit und damit echte Nachhaltigkeit findet sich eindrucksvoll in vom Weltkrieg verschonten Städten, wo von den Bewohnern auch schiefe Wände akzeptiert werden, weil viele sonstige Vorteile überwiegen.

Jahrhunderte alte Fachwerkhäuser, Altstadt Herborn

Zu den Vorteilen der Holzhaus-Architektur darf unschwer ihr Beitrag für eine auf tat-sächliche Nachhaltigkeit abstellende Kreislaufwirtschaft gezählt werden. Also z.B.:

Holz mit guter Ökobilanz als nachwachsender Rohstoff

Als nachwachsender Rohstoff hat Holz einen vergleichsweise kleinen ökologischen Fußabdruck. Nicht nur, weil im Holz viel Kohlendioxid gebunden bleibt, sondern auch, weil für die Fertigstellung eines Holzgebäudes erheblich weniger (fossile) Energie erforderlich ist als bei Beton-Bauten. Da erheblich weniger Zement, Kalk und Eisen/Stahl verbaut wird, ist auch die Energiebilanz insgesamt erheblich günstiger. Ebenso entfällt der hohe Bedarf an Bausanden und damit entfällt die immer größere Beschaffungs-energie einerseits (s.o., S.38, Sand) und andererseits bleiben Küstenlandschaften von den schweren ökologischen Belastungen verschont.

Holz mit guter Eignung für Fertigbauweise

Holzarchitektur ist im Grunde immer Baukastenarchitektur, deren Elemente auf der Baustelle schnell und vergleichsweise einfach zusammengefügt werden können – auch, wenn nicht alle vom Fertighaushersteller stammen. Vorgefertigte Bauteile sind zwar

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werkseitig schon präzise gearbeitet, lassen sich im Bedarfsfall aber beim Bauen erheb-lich einfacher individuell neu anpassen als gegossener Beton.

Holz als experimenteller Baustoff

Gegenüber den klassischen Fachwerkhäusern besitzt ein Großteil der modernen Holzhäuser den Nachteil, dass Wände, Decken und Fußböden nur teilweise aus Vollholz gefertigt sind. Wo es sich um Sperrhölzer handelt, wurden Holzschichten miteinander verklebt und lassen sich daher im Bedarfsfall nicht automatisch im Zuge der Kreislauf-wirtschaft recyclen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Frage der zur Verfügung stehenden Baukosten. An dieser Frage wird an verschiedenen Forschungs-zentren und Universitäten noch gearbeitet, um solche Holzteile nicht als Sondermüll behandeln zu müssen falls ein modernes Holzhaus abgerissen werden muß.

Holz in der Stadtplanung

Der Kern des Holzhauses wird bei modernen Bauten aus Beton gegossen, meist ebenso der ausgebaute Keller. Da die Holzgeschosse im Schnitt höchstens halb so viel Gewicht mitbringen wie Beton, läßt sich ein Holzhaus leichter und schneller aufstocken, ohne an Stabilität zu verlieren. Ein großer Vorteil bei der immer wichtiger werdenden Ver-dichtung der Städte. Übrigens auch eines der wichtigen Argumente bei der Bürger-befragung zum zukunftsfähigen Eimsbüttel-2040 (s.o., S.86).