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Sprachen zwischen Mission und Distinktion im MandatsregimeDistinktion im Mandatsregime

Im Dokument Orte der (Seite 178-200)

Die französischen Schulen nach dem Ersten Weltkrieg

IV. Sprachen zwischen Mission und Distinktion im MandatsregimeDistinktion im Mandatsregime

Dieses Kapitel untersucht die französische und arabische Sprache als zentra-les Element der Schulen zu Beginn des französischen Mandats im Libanon.

In unterschiedlicher Gewichtung und auf verschiedenen Ebenen übten beide Sprachen die Funktionen als Machtinstrument, als Mittel sozialer Distink-tion und als Identitätsmarker aus.

Zum einen war die französische Sprache fundamentaler Bestandteil der in den Schulen propagierten Idee der Zivilisierungsmission, da sie sowohl Sym-bol als auch Medium dieser Idee repräsentierte. Zwar wurde auch in anderen europäischen Ländern, beispielsweise in Großbritannien – wenn dort auch später als in Frankreich – der eigenen Sprache ein starkes »Zivilisierungspo-tential« attestiert, was sich laut deren Vertreter unter anderem an der Spra-che Shakespeares zeigte1. Es scheint aber, dass in der französischen Tradition die Sprache unter Berufung auf die Französische Revolution noch stärker als universell verstanden wurde und ihr eine größere Bedeutung in ihrer Durch-dringungskraft und -pflicht der Herzen der Menschen unter französischer Herrschaft zugeschrieben wurde als in der britischen Tradition2. Das galt für Frankreich selbst, wo die Regierung seit der Neuzeit das Französische als einzige legitime Sprache gegen die vielen regionalen Sprachen im Hexa-gon oft gewalttätig durchzusetzen versuchte, genauso wie für die französi-schen Kolonien3. Allerdings zeigte sich für letztere das besondere Paradox, dass die dortigen Menschen zwar Französisch sprechen, aber ihre Assimi-lation nicht zur – damit eigentlich verbundenen – Rechtsgleichheit mit den Franzosen führen4 sollte; dies war ein Grund warum um 1900 in den koloni-alen Kreisen in Frankreich die Idee der Assimilation durch die der

Assozia-1 Vgl. steinBach 2009, S. 25.

2 Das zeigt sehr deutlich am Konzept der Frankophonie, als deren Vorreiter der französische Geograph Onésime Réclus Ende des 19. Jahrhunderts gilt. Vgl. Luc Pinhas, Aux origines du discours francophone. Onésime Réclus et l’expansionnisme colonial français, in: Communica-tion et Languages, 140 (2004), S. 69–82.

3 Vgl. Klaus Bochmann, Frankophonie als inneres Ordnungsprinzip der französischen Nation, in: FranKreich–zentrumder universität leiPzig / institutFrançaisde leiPzig (Hg.), Franco-phonie et Globalisation. Materialien zur V. Französischen Sommeruniversität, Leipzig 1997, S. 60–69, S. 65. Speziell für die Debatten um eine staatlich verordnete Einsprachigkeit in fran-zösischen Grundschulen im späten 19. Jahrhundert vgl. Pierre Boutan, La langue des Mes-sieurs … Histoire de l’enseignement français à l’école primaire, Paris 1996, S. 72–85.

4 Vgl. Bochman 1997, S. 65.

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tion der Kolonien ersetzt wurde5. Die in Frankreich verbreitete Vorstellung, die seit den ersten Sprachreformern um Joachim du Bellay im 16. Jahrhun-dert zu einem festen Bestandteil der französischen Kultur geworden war, fasste der Jesuit Louis Jalabert mit folgendem Satz zusammen: »on enseig-nât le français, et [...] avec notre langue, notre civilisation se répandît«6. Die arabische Sprache und Kultur hatte innerhalb der Idee der Zivilisierungsmis-sion ebenfalls einen wichtigen, aber als minderwertig konstruierten Stellen-wert, der sich ebenfalls in der Sprachpolitik der französischen Regierung in den arabischen Ländern zeigte.

Unter den Denkern, die sich mit diesem Thema auseinandersetzten, hatte der französische Schriftsteller und Wissenschaftler Ernest Renan in sei-ner berühmten Rede über »L’Islam et la Science« an der Sorbonne 1883 das Arabische als »Sprache der Eroberung« bezeichnet7. Ein Jahr nach Renan rühmte der Sozialpsychologe Gustave Le Bon in seinem Werk »La civi-lisation des Arabes« zwar die arabische Sprache für ihre Durchsetzungs-kraft, allerdings schien ihm diese Universalität vor allem als Modell für die noch immer nicht erreichte sprachliche Homogenität Frankreichs zu dienen8. Außerdem zeigen seine Aktivitäten in der französischen Geographiegesell-schaft, dass er sich für eine strikte Trennung der unterschiedlichen Kultu-ren aussprach und den Nicht-Europäern sehr wenig Mitspracherecht zuge-stand9. Demgegenüber bezeichnete Paul Leroy-Beaulieu, Vertreter der Idee einer Hierarchie der Zivilisationen, 1897 mit Blick auf Algerien und Tune-sien, das Arabische zwar als »instrument précieux qu’il faut se garder de dét-ruire«, bezog das aber vor allem den funktionalen Nutzen dieser Sprache für die franzö sische Herrschaft10.

Ähnlich widmete der belgische Jesuitenpater Henri Lammens, dessen Geschichtsabhandlungen über Syrien so zentral für die französische und maronitische Vision dieser Region war, der arabischen Sprache wenig Auf-merksamkeit, was sicher mit seiner Betonung Syriens als nicht-arabische Region zu tun hatte11. In seinem Werk »La Syrie« von 1921 erkannte er zwar

5 Vgl. Raymond F. Betts, Assimilation and Association in French Colonial Theory 1890–1914, New York / London 1961, S. 165.

6 SJ/Vanves, »Fonds Jalabert«, 1/1 C: »Deux conférences de L. Jalabert à l’Université catholique du Louvain les 10 et 11 décembre 1935«.

7 Vgl. renan 2005, S. 27.

8 Vgl. le Bon 1884, S. 345.

9 Vgl. Benoît marPeau, Gustave Le Bon. Parcours d’un intellectuel, Paris 2000, S. 82–84. Diese wissenschaftliche Darstellung ist sehr viel kritischer als die Erzählung von Michel KorPa, Gus-tave Le Bon. Hier et aujourd’hui, Chaintreaux 2011, S. 48–53, der Le Bon in stark rehabilitie-render Weise als großen Bewunderer der Araber beschreibt.

10 Vgl. Paul leroy-Beaulieu, LʼAlgérie et la Tunisie, Paris 1897, S. 264. Leroy-Beaulieu wollte die französische Sprache nur wenigen Arabern in Nordafrika zugänglich machen.

11 Vgl. Asher KauFman, Henri Lammens and Syrian nationalism, in: Adel Beshara (Hg.), The Origins of Syrian Nationhood, London / New York 2011, S. 108–122, S. 110.

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die Schönheit der arabischen Sprache als die Sprache der Beduinen an, rela-tivierte dieses Urteil aber implizit gleich danach durch eine sehr negative Beschreibung der Wüstenbewohner12. Sehr viel positiver fiel hingegen das Urteil des Orientalisten Louis Massignon und einiger französischer Domi-nikaner in Ägypten aus, die, in der Tradition der libanesischen Christen der nahḍa die Bedeutung des Arabischen hervorhoben13. Massignon war ein französischer Wissenschaftler, der sich besonders mit der islamischen Mystik beschäftigte und für eine islamisch-christliche Verständigung ein-trat14. Ihren Einfluss auf die Sprach- und »Islampolitik« der französischen Regierung zeigten diese Visionen, insbesondere von Leroy-Beaulieu und Massignon, der ab den 1920er Jahren auch in politischen Gremien tätig war, da die französische Regierung in der Tat aus strategischen Gründen die ara-bische Sprache und ihren Unterricht betonte – allerdings zunächst vor allem in Nordafrika, und auch dort nur in sehr begrenztem Maße15. Das brachte Massignon dazu, diese Politik auch in der Levante zu fordern und dabei die britische Sprachpolitik im Irak als Modell zu nennen16. Gerade in der Bil-dungspolitik im Nahen Osten zeichnete sich die britische Mandatsmacht im Gegensatz zu Frankreich dadurch aus, dass sie einen stärkeren Pragmatismus vertrat und beispielsweise im Irak und in Palästina den Unterricht auf Ara-bisch förderte17.

Zum anderen bildete die Sprache ein Kernelement der französischen Schu-len in ihrer Funktion als Ausbildungsstätte junger Libanesen und stellte des-halb sowohl für die Regierung als auch für die Bevölkerung ein Machtin-strument dar. Darüber hinaus markierte die Frage der Sprache aber auch das Distinktionsmerkmal einer sozialen Elite innerhalb der französischen Schu-len. In der Tat wurden Anzahl und Qualität der unterrichteten Sprachen in einer Schule immer wichtiger als Kriterium der libanesischen Eltern, ihre Kinder dorthin zu geben18. Wie Bourdieu und Passeron dies für Frankreich gezeigt haben, reproduzierte die Schule die sozialen Verhältnisse der libane-sischen Gesellschaft auch vermittels der Sprache. Zwar sei die Sprache, die

12 Vgl. lammens1921, S. 34–37. Interessanterweise nahm Lammens hier Bezug auf Renan, zitierte dessen Bewunderung der Araber vor dem islamischen Zeitalter und verzieh diesem seine, wie Lammens ausführte, »naive Unkenntnis« der alten arabischen Literatur.

13 Vgl. Dominique avon, Les Frères prêcheurs en Orient. Les dominicains du Caire (Années 1910–Années 1960), Paris 2005, S. 278–284.

14 Vgl. Hassan elBoudrari, Massignon Louis, in: François Pouillon (Hg.), Dictionnaire des ori-entalistes de langue française, Paris 2008, S. 660–661.

15 Vgl. le Pautremat 2003, S. 314. Die relative Förderung des Arabischen macht Le Pautremat auch daran fest, dass diese Sprache ab 1935 in Algerien als Fremdsprache galt.

16 Vgl. laurens 2004, S. 241.

17 Vgl. sanchez-summerer 2006, S. 106; Krämer 2003, S. 214.

18 Vgl. Deanna Ferree womacK, Lubnani, Libanais, Lebanese. Missionare Education, Language Policy and Identity Formation in Modern Lebanon, in: Studies in World Christianity 18 (2012), H. 1, S. 4–20, S. 11.

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in der Schule gelehrt wird, so Bourdieu und Passeron, zunächst für die Schü-ler alSchü-ler sozialen Schichten eine Fremdsprache, die sie erSchü-lernen müssten, aber dieses werde den Kindern der privilegierten Schichten leichter gemacht als denen der ärmeren Familien, und so entwickle sich durch die Sprache eine, wenn auch versteckte, direkte Beziehung zwischen sozialer Herkunft und schulischem Erfolg19. Den beiden Soziologen zufolge resultiert daraus auch eine sehr unterschiedliche Haltung zur Sprache: so sei der Umgang der Schü-ler aus privilegierten Familien mit Sprache sehr viel ungezwungener und natürlicher als der der Schüler aus dem Arbeitermilieu20.

Innerhalb der französischen Schulen im Libanon erkoren privilegierte libanesische Klientelgruppen sowohl die französische als auch die arabische Sprache zu einem Merkmal sozialer Distinktion. Das zeigte sich zum einen ganz konkret in der Auszeichnung von Schülern mit herausragenden Noten in diesen Sprachen: sie erhielten eine Schleife als » marques de distinction«21, wie Georgia Makhlouf in ihren Memoiren über die Schulzeit bei französisch-sprachigen Nonnen in Beirut berichtet. Dieser Prozess spiegelte aber auch die libanesische Gesellschaft wider, in der die französische Mandatsmacht eine fremde Sprache eingeführt und ihre Praxis zur Machtfrage erkoren hatte, da das Französische die einzige Kommunikationssprache mit der Mandatsre-gierung und ihren Institutionen darstellte. Darüber hinaus lagen hinter der französischen beziehungsweise arabischen Sprache verschiedene Identitäts-konzepte, auf die die Schulen, teils bewusst und teils unbewusst, eingingen.

Die zentrale Frage dieses Kapitels lautet, wie sich die französischen Schu-len innerhalb dieser verschiedenen Erwartungen positionierten. Wie die Aus-führungen zeigen werden, kooperierten die Schulen einerseits mit der Man-datsmacht, um die französische Sprache als Mittel der machtpolitischen und kulturellen Durchdringung Frankreichs zu benutzen. Andererseits gingen sie aber auch auf die Interessen ihrer Klientel ein, die je nach Schultyp

ver-19 Vgl. Pierre Bourdieu / Jean-Claude Passeron, La reproduction. Éléments pour une théorie du système de l’enseignement, Paris 1970, S. 143–144. Natürlich ist Bourdieu für diese plakativen Thesen stark kritisiert worden, besonders radikal von dem Historiker und Philosophen Jacques Rancière, der ihm vorwarf, er zeige die Klassenstrukturen nicht auf, sondern schreibe sie erst fest. Vgl. Jacques ranciére, Le philosophe et ses pauvres, Paris 1983, S. 261. Allerdings ist Rancières Ansatz, demgegenüber vor allem die Ausnahmen innerhalb des gesellschaftlichen Systems in den Blick zu nehmen, ebenfalls anzuzweifeln. Vgl. Ruth sonderegger, Wie eman-zipatorisch ist Habitus-Forschung? Zu Rancières Kritik an Bourdieus Theorie des Habitus, in:

Lithes. Zeitschrift für Literatur- und Theatersoziologie 2010, H. 3, S. 18–39, S. 31. Außerdem muss die Studie von Bourdieu und Passeron im Lichte ihrer Zeit gelesen werden, die von einer starken Öffnung des Universitätssystems für alle gesellschaftlichen Gruppen geprägt war. Vgl.

Pierre mounier, Pierre Bourdieu. Une introduction, Paris 2001, S. 134.

20 Vgl. Bourdieu / Passeron 1970, S. 148.

21 Vgl. Georgia maKhlouF, Eclats de mémoire. Beyrouth – Fragments d’enfance, Beirut 2005, S. 59. Sie selber war über die Auszeichnung eher beschämt als erfreut und wollte lieber wie ihre Freundinnen nicht hervorgehoben werden.

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schiedene Erwartungen an die französische beziehungsweise arabische Spra-che formulierte. Ihre eigenen Einstellungen versuchten die Lehrer in diesen Prozess zu integrieren.

Während die vornehmlich katholische Klientel der katholischen Schulen die französische Sprache als Merkmal ihrer Identität und sozialen Distink-tion ansah, galt das zu einem gewissen Teil auch für die muslimischen Eltern der laizistischen Schulen, die aber auch der arabischen Sprache diese Funk-tion gaben. Dabei ist interessant zu beobachten, dass die Mission laïque zwar die Bedeutung der arabischen Sprache betonte, aber in manchen Aspekten weniger dafür geeignet war, diese auch praktisch in die Tat umzusetzen als die katholischen Orden, welche die arabische Sprache in ihren schulinternen Diskursen größtenteils ignorierten, in der Praxis aber über mehr Erfahrung verfügten.

In der folgenden Analyse werden zunächst die französische und dann die arabische Sprache unter den Fragestellungen behandelt, welche Erwartun-gen die Mandatsmacht formulierte, wie die VorstellunErwartun-gen der libanesischen Klientel aussahen und mit welchen Praktiken die Schulen diese zu erfüllen suchten. Dabei widmet sich das Kapitel dem von den Lehrern eingeschätz-ten Sprachniveau der Schüler, der Anzahl der unterrichteeingeschätz-ten Stunden, den Methoden und Lehrmitteln und deren Inhalten. Schließlich fragt es auch nach möglichen Widerständen der Schüler gegen diese Sprachpolitik.

1. Das Französische als Macht- und Identitätsmarker

Wie in anderen kolonialen Kontexten repräsentierte die französische Spra-che auch im Libanon eine komplexe Beziehung zur politisSpra-chen Macht, an der Europäer und Einheimische gleichermaßen teilhaben wollten. Ein Unter-schied zu anderen Regionen unter französischem Einfluss bestand allerdings in der primär identitätsstiftenden Bedeutung des Französischen für eine bestimmte Gruppe von Libanesen, die sich vor allem aus Maroniten zusam-mensetzte, und deren Vorstellungen denen anderer libanesischer Gemein-schaften stark widersprachen: Mitglieder dieser Gruppe verstanden die fran-zösische Sprache nicht nur als Mittel sozialer oder kultureller Distinktion, sondern auch als Merkmal ihrer religiösen und nationalen Identität22.

Für das französische Hochkommissariat hatte die französische Sprache nicht nur Priorität vor dem Arabischen, sondern es sah es auch als seine Auf-gabe, diesen Primat und damit die französische Herrschaft in den Köpfen der Libanesen zu verankern. Gouraud formulierte dies 1922 unmissverständlich:

22 Vgl. Yasir suleiman, The Arabic Language and National Identity, Edinburgh 2003, S. 206;

womacK 2012, S. 15–16.

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La langue française devant devenir, aux termes du mandat, la première langue officielle du pays, l’enseignement de cette langue doit revêtir en Syrie un caractère éducatif et doit tendre, non seulement à répandre la connaissance pratique du langage, mais encore à pénétrer les esprits de nos idées23.

Der Bildungsbeauftragte Jeantry legitimierte diese Politik zusätzlich mit dem Interesse der Bevölkerung: »Le pays lui-même réclame la diffusion de notre langue qu’il considère comme un des meilleurs instruments de progrès et de civilisation: il est donc nécessaire de répondre à un désir unanimement exprimé«24. Seine Hoheit über die Sprache manifestierte der Hochkommis-sar damit, dass er das Türkische, die Amtssprache des Osmanischen Reiches, durch das Französische als Amts- und Unterrichtssprache neben dem Ara-bischen ersetzte25. Wie in anderen kolonialen Kontexten demonstrierte die Mandatsregierung damit ihren Herrschaftsanspruch über das fremde Land auch in linguistischer Hinsicht und konnte gleichzeitig die indigene Kultur, die sich in der Sprache manifestierte, aus den öffentlichen Kontexten verban-nen26. Diese Vorgabe betraf natürlich auch die Schulen als zentrale Elemente des öffentlichen Lebens27.

Die katholischen Schulen teilten die Politik des Hochkommissariats, dem Französischen auch in ihren Schulen die Priorität zu geben. So warb die Broschüre der Schule der Frères des écoles chrétiennes in Beirut mit der Parole »le français qui est la langue officielle de l’école«, bevor sie als andere

»langues vivantes« Latein, Englisch und Arabisch vorstellte28. Die französi-sche Sprache wurde aber nicht nur als Basis des Unterrichts, sondern auch als die Sprache der Kultur und Konversation bezeichnet:

L’étude de la langue française est soignée d’une manière très spéciale: elle est la base de tout l’enseignement donné, c’est la langue de la conversation. Classiques et moder-nes, linguistique, connaissance approfondie de la langue, rien ne manque pour per-mettre à nos étudiants de faire, si Dieu le veut, de bons bacheliers«29.

23 MAE/Nantes, IP, 04, »Écoles privées«, Brief von Gouraud an seinen Delegierten in Damaskus und im Drusengebiet, Beirut, 15.11.1922.

24 SJ/Beirut, 8.C.21, »Le Conseiller par intérim pour l’instruction publique du Haut-Commissa-riat au Révérend Père Delore, Université Saint-Joseph/Beyouth« (ohne Datum, ca. 1922).

25 MAE/Nantes, IP, 02 : 1919–1920, »Note sur les écoles privées«.

26 Für Indochina vgl. cooPer 2004, S. 138; für Algerien siehe le Pautremat 2003, S. 27.

27 Vgl. Phillip G. altBach / Gail P. Kelly, Introduction, in: Phillip G. altBach / Gail P. Kelly (Hg.), Education and Colonialism, New York / London 1978, S. 1–49, S. 3: »In the colonial situ-ation the school was detached from indigenous cultures in the languages and in the school values they taught«.

28 FEC, Palmarès, 1923–1924, S. 64: »Extrait du Prospectus Général«.

29 LAZ/Paris, Bulletin des Missions des Lazaristes, Juli 1931, S. 202–226: »Les Lazaristes en Syrie«.

183 Das Französische als Macht- und Identitätsmarker

Auch die Schulen der Alliance israélite vertraten diesen Primat und über-höhten den Wert der französischen Sprache: »L’Alliance Israélite Universelle s’est servie d’un instrument qui a fait ses preuves, de la langue française, véhicule incomparable d’idées généreuses et de sentiments nobles«30. Damit reihten sie sich ein in den Kolonialismus der Dritten Republik, welcher sich auf die drei Größen »l’enseignement, l’école, la langue française« stützte, wobei allein die französische Sprache eine »patrie à part entière« darstellte31. Außerdem verteidigten die jüdischen Lehrer die besondere Stellung der fran-zösischen Sprache explizit auch gegenüber den Zionisten, die in dieser Zeit das Hebräische zur zentralen Sprache erhoben hatten32.

Die Position der Mission laïque fiel ambivalenter aus. Obwohl sie, wie spä-ter erläuspä-tert wird, betonte, dass in ihren Schulen die französische und ara-bische Sprache gleichberechtigt nebeneinander ständen, findet sich auch in den Dokumenten der Mission laïque ein besonderes Lob und eine ideologi-sche Überhöhung des Französiideologi-schen, das in sich die Logik und Klarheit des Denkens trage: »La Mission laïque enseigne avec la langue française, et par elle, la logique, qui donne à la pensée la clarté«33. Damit hatte die Mission laïque nach dem Ersten Weltkrieg eine »kolonialistische Wende« vollzogen.

1906 hatte man innerhalb der Organisation noch über das Recht diskutiert, anderen Kulturen die französische Sprache zu oktroyieren und beschlossen, dass die mission civilisatrice auf keinen Fall die indigene Sprache auslöschen dürfe34. Nach dem Ersten Weltkrieg gab die Mission laïque diese assoziatio-nistische Idee auf und stand damit in einem gewissen Gegensatz zu der oben beschriebenen offiziellen französischen kolonialen Ideologie35.

30 AIU/Paris, »Paix et Droit. Organe de l’Alliance Israélite Universelle«, Januar 1921, S. 16: »Le Général Gouraud aux Écoles de l’Alliance de Beyrouth«.

31 antéBi 1999, S. 14.

32 AIU/Paris, »Liban 1 B 4«, Brief des Großrabbiners des Grand Liban, Dr. S. Tagger, an die AIU in Paris, Beirut/30.06.1922: »Enfin le moment est arrivé à me rejoindre à mes collègues sépha-radins pour propager l’utilité de la langue française et celle du pays malgré l’opposition des sio-nistes, et je suis ferme dans cette idée et sûr de franchir tout obstacle«. Zur Betonung des He- bräischen durch die Zionisten siehe Krämer 2003, S. 212; Malgorzata maKsymiaK-Fugmann, Mapping Zionism. Ost und West in zionistischen Konzepten einer jüdischen Nation 1897–1914, Diss. Beer Sheva 2009, S. 108–121. Maksymiak-Fugmann macht aber auch auf die großen Unterschiede der Bewertung des Hebräischen zwischen und innerhalb der deutschen und pol-nischen Zionistenpresse aufmerksam.

33 Revue de l’enseignement français hors de France 17 (1920), 1, S. 5.

34 Revue de l’Enseignement colonial. Organe des écoles laïques françaises hors de France parais-sant tous les deux mois publié par la Mission laïque française, »Compte-rendu du Congrès de la Mission Laïque (24–28 septembre 1906)«, S. 38f.

35 Vgl. Randi deguilhem, Turning Syrians into Frenchmen: the Cultural Politics of a French Non-Governmental Organization in Mandate Syria (1920–1967) – the French Secular Mission Schools, in: Islam and Christian-Muslim Relations 13 (2002), H. 4, S. 449–460, hier 452–453.

Allerdings muss man, wie Deguilhem das in Ansätzen tut, deutlich zwischen verschiedenen

Allerdings muss man, wie Deguilhem das in Ansätzen tut, deutlich zwischen verschiedenen

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