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Složnoe sintaksičeskoe celoe/Sverchfrazovoe edinstvo

Aufgrund der Inklusion nicht nur intra- sondern auch transphrastischer Vorkommen (potentieller) asyndetischer Verknüpfungen in die vorliegende Analyse stellt sich die Frage, ob bzw. welche theoretischen Ansätze zu größeren, d.h. satzübergreifenden Einheiten im Text existieren, die für die Definition und Charakteristik (transphrastischer) asyndetischer Verknüpfungen von Interesse sein könnten.

Da die Asyndese bzw. bessojuzie in der russischen Linguistik nur im Rahmen des BSP erör- tert wird, fallen im transphrastischen Bereich nur die Begriffe ״složnoe sintaksičeskoe celoe״

bzw. "sverchfrazovoe edinstvo" auf, die als Bezeichnung für Satzverbindungen auf Texte- bene gebraucht werden, und die somit eventuell relevante Merkmale für transphrastische asyndetische Verknüpfungen bereitstellen könnten.

Die bezüglich dieser "komplexen Einheiten" verwendete Terminologie ist allerdings ebenso wie die entspechenden Definitionen bei weitem nicht einheitlich. So verwendet z.B. Vosto- kov (1831), Lomonosov folgend, die Bezeichnung ״period1״, Potebnja (1888) gebraucht ebenso wie später Buslaev (1959) den Terminus ״reč'2״, Vinogradov (1938) spricht von

״vyzkazy vanie 3״, Peškovskij (1956) von "abzac" und Solganik (1973) zieht den Begriff

"prozaičeskaja strofa4*״ vor.5 In der allgemeinen Verwendung durchgesetzt haben sich vor allem die von Bulachovskij (1952) eingeführte Benennung ״sverchfrazovoe edinstvo6״ bzw.

Pospelovs Bezeichnung ״složnoe sintaksičeskoe celoe7״, wobei der letztgenannte Terminus wegen seiner stark syntaktischen Ausrichtung z.T. weniger akzeptiert wird.8

Bevor nun die Frage geklärt werden kann, inwiefern die "transphrastische Einheit"9 für die Determination intra-10 und besonders transphrastischer asyndetischer Verbindungen relevant ist, ist es notwendig, die Intension dieses Begriffes kurz zu skizzieren.

Der Annahme einer transphrastischen Einheit liegt die Auffassung zugrunde, daß Sätze prin- zipiell nicht isoliert Vorkommen, sondern im Verbund eines Textes.11 Der Versuch einer Er- fassung und Analyse derartiger Einheiten reflektiert demnach nichts anderes als die Tendenz der russischen Sprachwissenschaft zur textlinguistischen Forschung:

1 Vosiokov (1839. § 108)

2 Polebnja (1888. 32). Buslaev (1959. 21f.) 3 Vinogradov (1938. 9)

4 Solganik (1973. 12.94)

5 Zur unterschiedlichen Terminologie vgl. auch Rogožnikova (1973. 53) 6 Bulachovskij (1952, 392)

7 Pospclov (1948. 67f.) 8 S. dazu Gabka (1989. 197)

9 Zum besseren Verständnis werde ich im folgenden - außer bei "ansatzintemen" Nennungen - diesen Begriff verwenden, ohne damit eine Wertung bezüglich anderer Termini implizieren zu wollen.

10 Dies ist deshalb zu erwähnen, weil eine transphrastische Einheit auch nur aus einer längeren intra- phrasiischen Verbindung bestehen kann, also einem einzigen Satz.

* ' Text bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die geschriebene Sprache.

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Izučenie složnogo celogo v teoretičeskom plane važno dlja teorii gramma- tiki, poskol’ku složnoe sintaksičeskoe celoe predstavljaet soboj osobuju sintaksičeskuju edinicu, v kotoroj nachodjat otraženie principy i pravila postroenija svjaznogo teksta.12

Gleichzeitig zeigt sich darin aber auch das Bestreben, den Text bezüglich determinierbarer Konstituenten zu differenzieren:

Esli ne govorit' o takich naibol'šich slovesnych organizacijach, kakim javljajutsja celye proizvedenija slova - stat'i, povesti, romany i pod. (״.(, ־ to nužno uöytivat' vo vsjakom slučae naličie tech bol'Sich čem frazy, no ešče obyknovenno otčetlivo ochvatyvaemych edinstv slovesnogo vyraženija, v kotorych nalico byvajut konkretnye primety sintaksičeskogo charaktera, ־ tak nazyvaemye s v e r c h f r a z n y e e d i n s t v a.13

Es wird demnach vorausgesetzt, daß die elementaren Bestandteile des Textes, d.h. Sätze, sich zu größeren Einheiten verbinden bzw. eine Gliederung des Textes mittels dieser Ein- heiten stattfinden kann. Der Text als Gesamtheit wird hierbei u.a. als Makrotext oder Makro- system bezeichnet, während die transphrastische Einheit den Mikrotext bzw. das Mikrosy- stem darstellt.14

(...) SSC - dejstvitel'no mikrotekst; v principach ego iazykovoj organizacii projavljaetsja osnovnaja specifika organizacii teksta.15

Die Basis für die Bestimmung der transphrastischen Einheit bilden strukturelle, semantische, kommunikative und/oder intonatorische Kriterien, vgl. z,B.;

Sverchfrazovoe edinstvo. V otličie ot abzaca, granicy kotorogo vydeleny krasnoj strokoj, sverchfrazovoe edinstvo ne imeet special'nogo formal'nogo oboznačenija. Èto íjad predloženij, svjazannych edinstvom smyslovogo soderžanija i formalnymi jazykovymi sredstvami - leksičeskimi i gram- matičeskimi. Sverchfrazovoe edinstvo soderžit ob-ektivno ograničennuju mikrotemu celikom (v otličie ot abzaca, kotoryj možet predstavljat' čast' mikrotemy).16

Da trotz der hier angesprochenen Differenz transphrastische Einheit und Absatz teilweise gleichgesetzt werden17, ist es notwendig, auf die Korrelation beider Begriffe kurz einzuge- hen.

In formaler Hinsicht ist der Absatz leichter determinierbar als die transphrastische Einheit, da er durch optische Absetzung im Text gekennzeichnet ist. Für die transphrastische Einheit fehlt ein derart allgemeingültiges formales Merkmal, ihre Bestimmung erfolgt - trotz

auftre-12 Rogoînikova (1973,53); s. auch Bondarenko (1977, 53f.) 13 Bulachovskij (1952,392)

14 S. Z.B. Mustejkcne (1984) o. Gabka (1989) 15 Dymarskij (2000,268)

1^ Gorelikov/Magomcdova (1989,32).

Z.T. werden auch intonatorische Charakteristika angeführt, vgl. z.B. Loseva (1967, 93; 1973, 65), Gabka (1989,196).

17 S. Z.B. Peškovskij (1956,410), Solganik (1973, 16). Sil'man (1965; 1967), Liebsch (1977)

tender Verweise auf syntaktische und intonatorische Charakteristika ־ primär mittels inhaltli- eher Kriterien.1® Qualitative Unterschiede zwischen Absatz und transphrastischer Einheit re- sultieren u.a. aus dem Verständnis des Absatzes als kompositorisch-stilistisches Mittel zur Textgliederung. Die Einteilung des Textes in Absätze basiert, so Referovskaja (1989), vor allem auf dem individuellen Stil eines Autors und weist somit subjektiven Charakter auf. Im Gegensatz dazu wird die transphrastische Einheit als eher objektive Größe aufgefaßt, die nicht zuletzt aufgrund des Mikrothemas zu bestimmen ist.19

Ohne nun im einzelnen die Thesen zur Unterscheidung zwischen Absatz und transphra- stischer Einheit weiter diskutieren zu wollen20, gehe ich davon aus, daß beide Begriffe un- terschiedliche Phänomene bezeichnen.21

Wie sieht nun die Korrelation zwischen Absatz bzw. transphrastischer Einheit und asyndeti- scher Verknüpfung aus?22

Der Absatz dient, wie erwähnt, primär der kompositorisch-formalen Gliederung des Tex- tes23, und unterscheidet sich somit von der asyndetischen Verknüpfung allein schon da- durch, daß er ausschließlich in geschriebener Sprache vorkommt:

Vgl. hierzu Z.B. Panina/Bclinskaja (1987, 45), Gabka (1989, 196), Gorclikov/Magomedova (1989, 32), Fusjan (1988.55), Referovskaja (1989, 54)

19 Vgl. Bondarenko (1977, 55), Papina/Belinskaja (1987, 42f), Gabka (1989, 197). Gorelikova/Magomcdova (1989,27,32), Referovskaja (1989, 54), Ševjakova (1990.71f.)

Um thematische Divergenzen zu vermeiden, möchte ich auf die Frage, inwieweit die sogenannten transphrasti- sehen Einheiten im Text genau determiniert werden können, d.h. ob solche Einheiten im Endeffekt als objek- live textuelle Größe zufriedenstellend zu erfassen sind, nicht eingehen. Stellvertretend dazu nur die divergie- renden Meinungen von Gasparov und Charčcnko:

"(Man kann) davon ausgehen, daß eine 'transphrastische Einheit* tatsächlich im Sprachsystem existiert, und zwar als eine Einheit, die Sätze in sich cinschlicßt. Aber die Untersuchung dieser Einheit stößt in Verbindung mit dem Problem der Segmentierung auf wesentliche Schwierigkeiten." (Gasparov (1976. 154f.))

”(...) tak nazyvaemoe složnoe sintaksičeskoe celoe ne predstavljaet soboj jazykovoj edinicy voobšče i sin•

taksičeskoj jazykovoj edinicy v častnosti. Êto rečevaja integrācijā samostojatel'nych predloženij. tekstovoe obrazovanie. " (Charčcnko, (1974, 224))

Vgl. desweiteren Ročnjak (1972, 6), Rogožnikova (1973, 53), Kolšanskij (1984. 112), Ševjakova (1990, 65) und Gabka (1989, 197)

20 So wird Z.B. - entgegen der angeführten Thesen - auch der Absatz als objektive Größe aufgefaßt: *’Der Ab- salz kann als eine syntaktische Einheit betrachtet werden, weil ihm die relevanten Merkmale einer solchen Einheit (...) und das Vorhandensein objektiver Grenzen und regulärer formaler Marker dieser Grenzen zu eigen sind." Fridmann (1992, 37); s. auch Licbsch (1977, 210f.)

Zur teilweise auftretenden diffusen Terminologie vgl. des weiteren Loseva (1967, 89) und Referovskaja (1989, 47)

2 * Somit schließe ich mich Ševjakova (1990, 74) an: ׳*Ne sleduct otoždestvljat* abzac i SFE как edinicy razno- urovnevye." Vgl. dazu auch Pospelov (1948), Loseva (1967), Dikarcva (1968). Veličko (1970). Marov (1973), Solganik (1973). Charčcnko (1974, 223), Čirkova (1975). Fusjan (1988, 56f.), Gorelikova/Magomcdova (1989). Referovskaja (1983; 1989), Gabka (1989, 196f.)

22 Zwar bewegen wir uns auf einer noch nicht strikt festgclegtcn Basis, da wir an dieser Stelle noch von keiner endgültigen Definition (transphrastischer) asyndetischer Verknüpfungen ausgehen können, dennoch aber soll- ten die in Kapitel 1 genannten Merkmale genügen, um die angestrebte Überprüfung durchführen zu können.

2^ S. auch Čirkova (1975,53)

charakterizuetsja sub-ektivnoj pragmatikoj (.״ ), i ne vsegda predstavljaet soboj logičeskoe edinstvo (.״ )•

Mit dem Temiinus ״Absatz” wird darüber hinaus ־ was für uns eine weitaus größere Rolle spielt - nichts über die Verbindungsart von Sätzen ausgesagt, also ob konjunkti- onslos/konnektivlos oder nicht.

Der Umfang des Absatzes kann eine größere Anzahl von Sätzen umfassen, die Idealstruktur einer transphrastischen asyndetischen Verknüpfung besteht dagegen aus zwei Sätzen.

Bei der Betrachtung der genannten Charakteristika hinsichtlich ihrer Relevanz für die De- termination und Analyse transphrastischer asyndetischer Verknüpfungen zeigen sich also kaum verwertbare Anhaltspunkte. Im Idealfall ist zwar eine Identität zwischen Absatz und transphrastischer asyndetischer Verknüpfung nicht ausgeschlossen25, resümierend bleibt je- doch festzuhalten, daß sich die mit diesen Begriffen verbundenen definitorischen Absichten völlig unterscheiden.

Ähnlich sieht es auch im Hinblick auf die transphrastische Einheit aus: Während für transphrastische asyndetische Verbindungen Konnektive als Verbindungsmittel nicht zuläs- sig sind, gilt dies nicht fur die transphrastische Einheit. Innerhalb letzterer sind z.B. sowohl konjunktionale als auch konjunktionslose Verbindungen möglich26, d.h. die Verbindungsart ist * wie beim Absatz - in keiner Weise determiniert.

Beide Termini basieren also auf unterschiedlichen Prämissen: Im Fall der transphrastischen asyndetischen Verknüpfung ist die Verbindungsart ausschlaggebend, die transphrastische Einheit dagegen wird, trotz Verweisen auf bestimmte lexikalische Elemente, morphologi- sehe Mittel etc., vor allem durch inhaltliche Kriterien bestimmt. Will man aber asyndetische Verknüpfungen nicht nur eindimensional, d.h. auf formaler Ebene bestimmen, so könnten diese inhaltlichen Kriterien, die u.a. besagen, daß (enge) inhaltliche Beziehungen zwischen den Sätzen vorliegen sollen, möglicherweise von Nutzen sein.27

Diese Annahme erweist sich jedoch nur bei oberflächlicher Betrachtung als zutreffend, denn bei der Charakteristik der transphrastischen Einheit wird ־ nicht zuletzt wegen der größeren Varianz des Umfangs - eine andere Perspektive als bei der Verknüpfung von zwei benach- barten Sätzen eingenommen. Präziser formuliert: das bereits erwähnte Mikrothema spielt eine tragende Rolle28, bzw. der inhaltliche Zusammenhalt der transphrastischen Einheit er­

24 Šcvjakova (1990,71). S. dazu auch Fusjan (1988, 56)

25 Nämlich genau dann, wenn zwei Sätze asyndetisch verknüpft und zudem im Text als Absatz markiert sind.

26 Vgl. dazu u.a. Pospelov (1948.68; 1948a. 41), Luncva (1972), Pcčcnkina (1986), Gabka (1989, 196), Refe- rovskaja (1989,39).

27 Zu den inhaltlichen Beziehugen der transphrastischen Einheit s. u.a. Gabka (1989, 196f.), Fusjan (1988, 55), Referovskaja (1989,42)

28 S. auch Bondarenko (1977), der sich ausführlich mit der Relation zwischen Thema und SFE im Text befaßt.

gibt sich aus dem Mikrothema.29 Die (transphrastische) Asyndese dagegen ist nicht durch ein Kriterium wie das Mikrothema generell zu erfassen, bzw. erweist sich auf inhaltlicher Ebene als weitaus variabler als die transphrastische Einheit. Denn es gibt einerseits asyndeti־

sehe Verknüpfungen, bei denen die Verknüpfung "enger" ist, z.B. bei zusätzlicher Existenz kausaler Beziehungen, andererseits auch "weiter", nämlich dann, wenn zwei Sätze nur über ein Makrothema bzw. das Text-thema verbunden werden können, also praktisch eine Über- schreitung der transphrastischen Einheit voriiegt.

Auf kommunikativer Ebene bietet die transphrastische Einheit nur dahingehend einen An- haltspunkt für die Bestimmung transphrastischer asyndetischer Verbindungen, daß sie - be- sonders in neueren Arbeiten - als Komplex mit einheitlicher kommunikativer Intention:

"Nepremennoe svojstvo SSC - kommunikativnoe edinstvo."30 Dieses Merkmal ist jedoch ei- nerseits zu allgemein, um eine präzise kommunikative Bestimmung zu erlauben, andererseits trifft es möglicherweise wiederum nur auf einen Teil asyndetischer Verknüpfungen zu.

Als Schlußfolgerung bleibt demnach nur festzuhalten, daß sich weder unter Bezugnahme auf die "transphrastische Einheit" noch auf den "Absatz" zufriedenstellende Merkmale für die Erfassung (transphrastischer) asyndetischer Verknüpfungen ergeben.

29 Allerdings erweist sich auch das Mikrothema nicht unbedingt als eindeutiges Kennzeichen für eine transphrastische Einheit: "Pogranićnym signalom SFE sčitajut smenu mikrotem. Odnako praktika pokazyvæt, čto daleko ne vsegda tak." (Ševjakova 1990,70).

Zu (inhaltlichen) Relationen in der transphrastischen Einheit s. auch Rogoînikova (1973, 54f ), Loseva (1967, 93; 1980, 58ff.), Fusjan (1988, 60), Gabka (1989, 196), Referovskaja (1989, 56ff.); s. z.B. auch Luneva zur Frage der "auto-" und "synsemantischen** Sätze (1972) oder Kirpičnikova (1960).

30 Dymarskij (2000, 269). S. auch Ševjakova (1990,65), Referovskaja (1989,41)

2 J . Konjunktionslose/Asyndetische Verknüpfungen im Satz

Der Vergleich des Interesses an (intraphrastischen) konjunktionslosen bzw. asyndetischen1 Satzverbindungen in der russischen Sprachwissenschaft mit "westlichen"2 Verhältnissen er- gibt ein erstaunlich asymmetrisches Bild: Während die russische Sprachwissenschaft eine Fülle an Arbeiten zu diesem Thema anzubieten hat, läßt sich dies für die westliche Lingui- stik kaum behaupten. Auffällig hierbei ist, daß, falls sich Titel z.B. zum Deutschen, Engli- sehen oder Französischen eruieren lassen, diese fast ausschließlich russischen Ursprungs sind. Exemplarisch können dafür genannt werden Ovsjannikova (1968) zum Deutschen, Va- sil'eva (1976; 1981) zum Französischen, Dmitrišina (1972) und GluSkova (1985) zum Engli- sehen. Da sich derartige Arbeiten jedoch prinzipiell auf einen Transfer der Theorien zum Russischen beschränken, bieten sie keine nennenswerten anderen Aspekte als die bereits in Kap. 2.1. erwähnten.

Die fehlende Thematisierung der asyndetischen Verknüpfung in der westlichen Forschung ergibt sich u.a. daraus, daß asyndetische Verknüpfungen bzw. konjunktionslose Verbindun- gen mehr oder minder Undefiniert als ,,eine hochkonditionierte elliptische Variante [Hervorhebung von mir, A.Y.B.] der jeweiligen syndetischen Verknüpfung"3 betrachtet werden. Demzufolge findet sich auch in keiner der (mir) bekannten Grammatiken ein geson- dertes Kapitel zu konjunktionslosen komplexen Sätzen, asyndetischen Satzverknüpfungen o.ä. geschweige denn eine befriedigende definitorische bzw. kategoriale Erfassung des Phä- nomens.

Blatz (1896) z.B. fuhrt schon in seiner ,*Neuhochdeutschen Grammatik" asyndetische Ver- bindungen nur innerhalb der Darstellung einzelner semantischer Relationen als weitere Art der Verknüpfung neben der konjunktionalen an.4

In den neueren Grammatiken hat sich das Bild nicht wesentlich gewandelt, häufig fehlt z.B.

sogar im Stichwortverzeichnis ein Eintrag oder Verweis.5 47

* Die Problematik der Korrelation beider Begriffe wird im folgenden noch thematisiert werden.

2 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden systematisch auch Titel zum Deutschen, Englischen und z.T.

Französischen mitbibliographiert, so daß eine ausreichende Verglcichsbasis bezüglich dieser Sprachen gegeben sein dürfte. Auf dieser Grundlage ist auch der von mir verwandte Terminus "westliche Sprachwissenschaft" zu verstehen.

3 Lang (1977, 73)

4 Terminologisch nicht klar abgegrenzt wird hier allerdings die asyndetische Verbindung unter gram- malischem Gesichtspunkt und ihre Funktion als rhetorische Figur, da Blatz in beiden Fällen auf den Begriff

"Asyndeton" zurückgrcift. Unter dem Terminus "Asyndeton" werden, zumindest in der neueren Literatur, je•

doch im allgemeinen ausschließlich asyndetische Verküpfungen im Sinne einer rhetorischen Figur verstanden (vgl. dazu Z.B. Bußmann (1990, 106)). Da die Behandlung des Asyndetons in der Philologie deshalb vornehm- lieh unter literaturwissenschaftlichen Gesichtspunkten vollzogen wird und in unseren Bereich zudem nur die als Satzverbindungen realisierten Asyndeta fallen, wurde die entsprechende Literatur nur z.T. berücksichtigt.

5 S. Z.B. auch bei Eisenberg (1994)

Auch bei Brinkmann (1971) wird die asyndetische Verknüpfung selbst nicht thematisiert, sondern nur unter dem Begriff "Reihe" bzw. "Satzreihe" (indirekt) angesprochen:

Außer dem im allgemeinen parallelen Bau brauchen bei einer Reihe keine grammatischen Mittel verwendet zu werden. (...) Man nennt das

"Juxtaposition" (.״ ). Das ist ein Verfahren, das in vielen Sprachen eine Rolle spielt und auch im Deutschen nicht ohne Bedeutung ist.

D i e S a t z r e i h e : Eine Satzreihe im eigentlichen Sinn liegt nur vor, so- fern die Sätze, die aufeinander als eine Ganzheit folgen, unverändert blei- ben, wenn sie aus der Reihe herausgenommen werden (.6•(״

Abgesehen von der nicht einmal direkten Nennung des Phänomens der Asyndese erfolgt hier auch keine nähere Bestimmung oder eine Differenzierung zur Juxtaposition. Außerdem be- schränkt sich die kurze Darstellung der Satzreihe "ohne Konjunktion" primär auf Reihungen mit identischem Subjekt7 sowie auf die eher rudimentär wirkende Nennung intonatorischer und lexikalischer Merkmale, ohne weitere konstitutive Charakteristika asyndetischer Ver- knüpfungen bereitzustellen.

In der "Duden-Grammatik", sowohl in der Ausgabe von 1973 als auch in der von 1984 und 1995, erfolgt die Erwähnung asyndetischer Verknüpfung (zunächst) ebenfalls nur im Rah- men der Satzreihe bzw. Satzverbindung:

Die Zusammenfassung gleichwertiger Sätze mit gemeinsamen Satz- gliedern kann, wie die normale Reihung asyndetisch (ohne Konjunktion) oder syndetisch (mit Konjunktion) erfolgen (.,.).8

Daß der Duden dabei kaum um eine präzise Differenzerierung zwischen syndetischen und asyndetischen Verknüpfungen bemüht ist, zeigt sich u.a. darin, daß im Duden von 1973 bei den Ausführungen zu einzelnen semantischen Relationen, die "asyndetisch" realisiert wer- den können, ausschließlich Belege angeführt werden, in denen zwar keine Konjunktionen, dennoch aber immer initiale Konnektive (z.B. Adverbien) zur Satzverknüpfung dienen.9 Die

"eigentlichen" asyndetischen Verküpfungen, d.h. solche ohne derartig eindeutige Verbin- dungsmarker, bleiben dagegen völlig unberücksichtigt.

Auch die Dudenausgabe von 1995 bleibt unpräzise, so werden z.B. Sätze wie (1) und (2) gleichermaßen als "Satzverbindung" bezeichnet, ohne eine Differenz zwischen syndetisch und asyndetisch zu treffen.

( 1 ) Er beeilte sich sehr; trotzdem kam er zu spät.

6 Brinkmann (1 9 7 1 ,25f.)

7 Hierbei greift er u.a. die bereits hier in Kap. I. erörterte Frage auf, ob derartige Sätze überhaupt als kom- plcxer Satz zu verstehen sind, ohne jedoch eine Festlegung zu treffen (1971,626).

* Duden (1995, 684); s.auch Duden (1973. 592) und (1984, 665) 9 S. Duden (1973, 593)

unheimlich.10

Da im vergleichbaren Zusammenhang auch von "völlig asyndetischen Anfügungen"11 ge- sprachen wird, ist nur noch schwerlich nachzuvollziehen, was der Duden eigentlich mit asyndetisch meint.

Innerhalb der subordinativen Verknüpfungen findet der Begriff der Asyndese in den ver- schiedenen Dudenausgaben keine Anwendung, selbst wenn konjunktionslose Verbindungen dargestellt werden. Da der Duden von 1995 eine Art Konglomerat der Darstellungen der vorherigen Ausgaben bildet, soll ein Blick darauf genügen:

Innerhalb der Satzgefüge werden unter formalem Aspekt drei Arten von Nebensätzen ange- führt, nämlich "Konjunktionalsätze", ״Pronominalsätze” und "Uneingeleitete Nebensätze".

Unter letzteren werden Nebensätze subsumiert, "die kein spezifisches Einleitewort haben, also weder durch eine Konjunktion noch durch ein Pronomen oder ein Pronominaladverb eingeleitet werden."12 In der daran anschließenden inhaltlichen Klassifikation der Neben- sätze werden - ähnlich wie beim Duden von 1985 ־ Beispiele mit asyndetischer Verknüpfung dann unkommentiert als eine Verbindungsmöglichkeit angeführt.13 Die Herstellung eines Bezuges zwischen ,,uneingeleiteten Nebensätzen" und "völlig asyndetischen Anfügungen”

fehlt dabei völlig, es wird also auch nicht deutlich, welche Differenzen und Kongruenzen zwischen beiden Arten von Phänomenen bestehen.

Bei Engel (1988) sind im Kapitel zu den komplexen Sätzen nur spärliche Hinweise auf die asyndetische Verknüpfung zu finden.14 Ausschließlich im Kapitel zur "Häufung", die Engel terminologisch an die Stelle von Reihung bzw. Koordination setzt, erwähnt er die

"Asyndese”15, wobei er die Extension dieses Begriffes sehr eingrenzt: Als Asyndese werden nur Verbindungen verstanden, die ohne jegliche graphische bzw. lexematische Verknüpfung nebeneinanderstehen, so daß durch Kommata markierte Reihungen bereits als syndetisch gelten.16 Die Motivation dafür bleibt Engel allerdings schuldig. Die Ausführungen zu den

"Satzhäufungen", unter die auch Verbindungen mit "Konjunktor" fallen, konzentrieren sich dann vor allem auf die Zeichensetzung. Eine separate bzw. ausführlichere Charakteristik der asyndetischen Verknüpfung wird - ebenso wie in den bereits angeführten Grammatiken - nicht angestrebt, sondern bei den einzelnen, semantisch bestimmten Satztypen werden nur

1^ Duden (1995, 765). Zwar liegt in (2) eine Parenthese vor, man kommt jedoch nicht umhin zur Kenntnis zu nehmen, daß diese asyndetisch cingeschoben ist (übrigens eine typische formale Realisation der Parenthese), im Gegensatz zu (1), wo ein initiales Konnektiv vorhanden ist.

11 S. Duden (1995.761) 12 Duden (1995, 727) 13 S. Duden (1995.729) 14 S. Engel (1988. 241) 15 S. Engel (1988, 794) 16 S. Engel (1988, 794)

bei einigen Arten wie z.B. den kausalen, konditionalen oder konzessiven sogenannte

"uneingeleitete" bzw. "nicht eingeleitete" Kausalsätze, Konditionalsätze etc. angeführt.

Bei Quirk et al. ( 1979; 1985) erfolgt eine Nennung der asyndetischen Verknüpfung ebenfalls ausschließlich innerhalb der Koordination:

The term coordination is used (...) for both syndetic coordination ־ when explicit indicators of coordination are present ־ and asyndetic coordination

־ when the relationship of coordination is not marked overtly.17

Deutlich wird hierbei eine stark strukturalistische bzw. formal-syntaktische Auffassung, da als "asyndetic coordination" nur solche Verbindungen gesehen werden, in denen eine Sub- stitution durch eine koordinierende Konjunktion, genauer gesagt and, möglich ist. Eine Be- Stimmung asyndetischer Verknüpfungen auf inhaltlicher oder kommunikativer Ebene erfolgt nicht.

Als allgemeinerer Terminus für formal nicht markierte Verbindungen fungiert bei Quirk et al. der Begriff "juxtaposition", der aber ebensowenig wie "asyndetic coordination" näher er- läutert wird. Die Juxtaposition wird in zwei Subtypen, Parataxe und asyndetische Koordina- tion unterteilt. Eine derartige Differenzierung ist nach Quirk et al. deshalb möglich bzw.

notwendig, weil Koordination als spezielle Art der Parataxe erachtet wird, die sich eben u.a.

dadurch auszeichne, daß in koordinierten Strukturen immer eine koordinierende Konjunk- tion vorhanden bzw. möglich sei, während dies für die Parataxe nicht gelten würde.18

Ohne detaillierter auf Vor- und Nachteile einer derartigen Konzeption einzugehen, kann dennoch festgehalten werden, daß Quirk et al. asyndetische Verknüpfungen als rein formales Phänomen im Rahmen der Koordination zu bestimmten versuchen. Zwangsläufig unbeant- wortet bleibt bei ihnen deshalb u.a. die Frage nach dem Status von Strukturen, die konjunk- tionslos verknüpft sind, in denen aber z.B. eine subordinierende Konjunktion akzeptabel wäre, und die dann ־ in Analogie zu dem für die Determination der asyndetischen Koordina- tion angewandten Prinzip ־ konsequenterweise als "asyndetische Subordination" deklariert werden müßten.

Auch in den "Grundzügen einer deutschen Grammatik" (1984), in der zwar durch die Dar- Stellung der zusammengesetzten Sätze auf der Basis der Relation zwischen den dargestellten Sachverhalten eine andere Perspektive eingenommen wird, wird die asyndetische Verbin- dung nicht gesondert beschrieben, sondern im Zusammenhang mit der Koordination einge- fuhrt:

Die Konjunktionsrelation wird (...) immer durch koordinative oder quasi- koordinative Verknüpfung von Sätzen ausgedrückt. Die einfachste Form

17 Quirk et al. (1979, 550).

17 Quirk et al. (1979, 550).