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Nullkonnektiv, lexematische und semantische Konnektivellipse

Im Dokument Zum Problem einer 'negativen' Kategorie (Seite 153-173)

Konnexion gleich Kohärenz?

3.6 Л.2. Transponierter Imperativ

3.7.1.1. Nullkonnektiv, lexematische und semantische Konnektivellipse

Die Bedingungen zur Bestimmung eines Nullkonnektivs und einer Konnektivellipse auf se- mantischer Ebene bestehen, wie festgelegt, darin, daß der polyseme Charakter eines Null- konnektivs die Grenzen eines expliziten Konnektivs überschreiten soll. Denn damit wäre gewährleistet, daß ein Nullkonnektiv in kontrastiver Opposition zu (allen) anderen Konnek- tiven steht.

Im Rahmen einer Verifikation mittels Substitution würde dies bedeuten, daß im Fall der El- lipse das formal nicht realisierte Konnektiv gewissermaßen im 1:1 Verhältnis zu einem ent- sprechenden expliziten Korrelat steht, wohingegen bei einem Nullkonnektiv mehrere expli- zite Konnektive nötig sind, um die im Nullkonnektiv enthaltenen semantischen Relationen zu verwirklichen. Eine derartige Differenzierung würde auch dem bei Weiss (1993) erkenn- baren Ansatz entsprechen, der in Bezug auf asyndetische Verknüpfungen feststellt, daß "bald (...) die Annahme einer Ellipse" genügt, "bald (...) ein abstrakterer Semkomplex angesetzt werden" muß, "dem kein einzelnes Lexem mehr entspricht"1.

In folgenden Verbindungen können z.B. die impliziten Relationen nicht durch ein einzelnes Konnektiv wiedergegeben werden, da sowohl eine kausale als auch konsekutive Relation denkbar ist:

(1) Zabegaja vpered, skažu: delo perestrojki okazałoś' bolee trudnym čem pred- stavljalos* ponačalu. n Mnogoe п а т prichoditsja pereosmyslivat* zanovo. (1;5) (1.1) Zabegaja vpered, skažu: tak как deio perestrojki okazałoś' bolee trudnym čem

predstavljalos' ponačalu, mnogoe nam prichoditsja pereosmyslivat' zanovo.

(1.2) Zabegaja vpered, skažu: delo perestrojki okazałoś* bolee trudnym čem pred- stavljalos’ ponačalu. Poétomu mnogoe nam prichoditsja pereosmyslivat' zanovo.

(2) Svobodnych mest и dveri ne bylo. n Saša protisnulsja meždu sdvinutymi rjadami stul'ev, zadevaja tesno sidjaščich ljudej, vyzvav nedovol'nyj vzgljad Baulina, se- kretarja, partbjuro, (...). (19; 9)

(2.1) Так как svobodnych mest и dveri ne bylo, Saša protisnulsja meždu sdvinutymi rjadami stul'ev, zadevaja tesno sidjaščich ljudej, vyzvav nedovol'nyj vzgljad Baulina, sekretarja, partbjuro, (...).

(2.2) Svobodnych mest и dveri ne bylo. Poétomu Saša protisnulsja meždu sdvinutymi rjadami stul'ev, zadevaja tesno sidjaščich ljudej, vyzvav nedovol'nyj vzgljad Baulina, sekretarja, partbjuro, (...).

Ähnlich verhält sich auch (3), wo neben einer kausalen oder konsekutiven auch eine tempo- rale Konjunktion passend ist:2

(3) Bystro temnelo. n Na dambe zažegsja staryj majak (...). (6; 550)

1 Weiss (1993, 73)

2 Über das Problem einzelner semantischer Komponenten innerhalb der semantischen Relationen, wie z.B.

die Frage inwiefern eine Konsekutivrelation immer eine temporale Komponente enthält, kann hier nicht einge- gangen werden.

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(3.1) Так как bystro temnelo, na dambe zažegsja staryj majak (.״ ).

(3.2) Bystro temnelo. Poćtomu na dambe zažegsja staryj majak (...)׳

(3.3) Kogda bystro temnelo, na dambe zažegsja staryj majak (.״ )•

Derartige Verbindungen enthalten also entsprechend unserer Kriterien ein Nullkonnektiv, wobei allerdings nicht übersehen werden darf, daß in allen Fällen i eingefugt werden könnte, so daß die geforderte kontrastive Opposition für Null hier nicht gegeben ist; vgl.:

(1.3) Zabegaja vpered, skažu: delo perstrojki okazałoś* bolee trudnym čem predstavl- jalos' ponačalu. I mnogoe nam prichoditsja pereosmyslivat' zanovo.

(2.3) Svobodnych mest и dveri ne było. I Saša protisnulsja meždu sdvinutymi !jadami stul'ev, zadevaja tesno sidjaščich ljudej, vyzvav nedovol'nyj vzgljad Baulina, se- krétaija, partbjuro, (.״ ).

(3.4) Bystro temnelo. I na dambe zažegsja staryj majak (...).

Lassen wir jedoch zunächst das Problem der möglichen Korrelation zwischen Nullkonnektiv und i außer acht3 und sehen uns folgende Fälle an:

(4) Durak ty, Šamraev, obmanyval samogo sebja, n nadejalsja na legkoe del'ce. (5; 21) (5) Babka uže čitat' ne umeet. n U nee slabost' v głazach (6;489)

(6) Nikak ja ne šuču. n Ja mužik ser’eznyj. (2; 127)

(7) On sidel na lavke zdorovyj, ćistyj takoj, radostnyj, sideł i vse chochotal. n My molčali. Nam počemu-to on byl neprijaten v étot raz. (12; 120)

Gegen die Anwesenheit eines Nullkonnektivs spricht hier die spezifische Relation (kausal in (4), (5), (6) und adversativ in (7)), die der Polysemie des Nullkonnektivs entgegensteht.

Trotzdem kann hier ־ geht man vom strikten Ellipsenbegriff aus - keine Konnektivellipse vorliegen, da in (4)-(6) sowohl potomu čto als auch tak как und in (7) a und по für die Kon- nektivposition geeignet sind; vgl. (4) und (7) in den entsprechenden Varianten:

(4.1.) Durak ty, Šamraev, obmanyval samogo sebja, tak как nadejalsja na legkoe del'ce.

(4.2.) Durak ty, Šamraev, obmanyval samogo sebja, potomu čto nadejalsja na legkoe dei'ce.

(7.1.) On sidel na lavke zdorovyj, ćistyj takoj, radostnyj, sidel i vse chochotal, no my molčali. Nam počemu-to on byl neprijaten v étot raz.

(7.2.) On sidel na lavke zdorovyj, čistyj takoj, radostnyj, sidel i vse chochotal, a my molčali. Nam počemu-to on byl neprijaten v étot raz.

Diese Fälle zeigen also in inhaltlicher und somit funktionaler Hinsicht Affinitäten entweder zu Verknüpfungen mit Nullkonnektiv (mehrere Konnektive möglich) oder Konnektivellipse (eine bestimmte Relation bestimmbar). Bei einer Differenzierung zwischen Nullkonnektiv und Konnektivellipse erweist sich in derartigen Verknüpfungen demnach als zentrales Pro- blem die nicht auf ein 1:1 Verhältnis festlegbare Beziehung zwischen Inhalt und Ausdruck.

3 Dazu näheres in Kap. 3.7.1.4; s. dazu auch Kap. 3.7.1.2

Es muß nämlich berücksichtigt werden, daß einerseits eindeutige Relationen mittels ver- schiedener Konnektive expliziert werden können, aber andererseits mehrdeutige Relationen die Möglichkeit des Ausdrucks durch ein einzelnes Konnektiv besitzen. Diese Tatsache scheint auch z.T. in der Literatur nicht genügend beachtet zu werden. So ist z.B. Čupaševas (1979; 1980) Klassifikation der BSP in konjunktionslose Sätze mit ',einfacher Korrelation4 zu konjunktionalen Sätzen ("edinstvennaja sootnositel’nost"’) und BSP mit "mehrfacher Kor- relation" zu konjunktionalen Sätzen ("množestvennaja sootnositernost'4(״ nicht klar zu ent- nehmen, ob sie diese Korrelation auf die Substituierbarkeit durch eine bestimmte Konjunk- tion oder auf die semantischen Relationen bezieht.5 Außerdem ist ihre Klassifikation z.T.

weder mittels des einen noch des anderen Kriteriums schlüssig, vgl.:

(8) Grochnula bomba, zazvenili stekla.

(8) dient Čupaševa als Beispiel für einen BSP mit einfacher Korrelation zu konjunktionalen komplexen Sätzen:

(8.1.) Grochnula bomba, i zazvenili stekla.6

Berücksichtigt man die "semantische Variabilität" von 1, so kann sich die von Čupaševa an- genommene einfache Korrelation nicht auf die semantische Relation beziehen, da hier sowohl eine temporale als auch konsekutive Relation vorliegen könnte.7 Aber auch falls die Substituierbarkeit durch eine explizite Konjunktion als Verifikation für eine einfache Kor- relation dienen soll, kann (8) nicht als Beleg für einen derartigen BSP dienen, vgl.

(8.2.) Так как grochnula bomba, zazvenili stekla.8 (8.3.) Grochnula bomba, poétomu zazvenili stekla.9 (8.4.) Kogda grochnula bomba, zazvenili stekla. 10

Folglich scheint hier das Merkmal der einfachen Korrelation keinesfalls zutreffend.

Weiss (1993) umgeht das Problem des Verhältnisses zwischen Inhalt und Ausdruck, indem er Fälle wie (4) - (7) nicht in seine Fragestellung um die mögliche Existenz eines

"Nullkonnektors" miteinbezieht. Er führt als Belege für eine Ellipse nur partiell-propo- sitionale Verknüpfungen an, in denen genau ein Lexem eingesetzt werden kann, und nennt als Beispiele für ein Nullkonnektiv ausschließlich Fälle, die nicht auf eine bestimmte se- mantische Relation festzulegen sind.

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4 S. ČupaSeva (1979, 8)

5 Vgl dazu auch Šiijaevs Kritik (1986, 76).

6 S. Čupaševa (1980, 130)

7 Zwar besteht hier eine starke Tendenz zur kausalen Interpretation, es ist aber nicht völlig ausgeschlossen, daß es sich nur um eine temporale Relation handeln könnte.

8 S. Čupaševa (1980. 130) 9 S. Čupaševa (1980. 130) 10 S. Čupaševa (1980. 130)

Gerade aber hinsichtlich der Differenzierung zwischen Konnektivellipse und Nullkonnektiv ergibt sich durch die Diskrepanz zwischen Inhalt und Ausdruck eine größeres Problem. Se*

hen wir den Unterschied nämlich als ein ausschließlich durch Substitution verifizierbares Phänomen, ergibt sich ein zweifaches Dilemma: einerseits spricht gegen das Postulats eines Nullkonnektivs in Strukturen wie (4) -(7) die Tatsache, daß eine eindeutige Relation be- stimmt werden kann, d.h. dem Merkmal der Polysemie würde nicht in entsprechendem Maße Rechnung getragen. Denn gerade die Polysemie des Nullkonnektivs, die zwar in be- stimmten Verbindungen eingeschränkt, nicht jedoch monosemiert werden kann, unterschei- det es von einer Konnektivellipse. Andererseits dürfte aber bei einer Konnektivellipse nur ein explizites Korrelat möglich sein, was jedoch nicht der Fall ist.

Ein weiteres Argument gegen ein Nullkonnektiv ergibt sich daraus, daß die semantische Funktion des in "eindeutigen" Verbindungen nicht explizit realisierten Konnektivs ebenso von einem expliziten Konnektiv übernommen werden kann. Demzufolge liegt es näher, in Verknüpfungen, in denen mehrere Konnektive denkbar sind, welche ein- und dieselbe se- mantische Relation ausdrücken, eine Konnektivellipse anzunehmen. Eine derartige An•

nähme erfordert aber eine Relativierung der Bedingungen für Nullkonnektiv und Konnekti- vellipse: Die Differenzierung zwischen Konnektivellipse und Nullkonnektiv darf nicht streng lexematisch gesehen werden, sondern soll in Abhängigkeit von den semantischen Relationen stattfinden, d.h. eindeutige Relationen legen die Existenz einer Ellipse nahe, während mehrdeutige Relationen für die Anwesenheit eines Nullkonnektivs sprechen. 11 Wenn nun der Begriff der Konnektivellipse dahingehend erweitert werden soll, daß nicht unbedingt nur ein einziges explizites Element als Korrelat zulässig ist, darf dennoch nicht unberücksichtigt bleiben, daß es - besonders im dem noch zu besprechenden Bereich der partiell-propositionalen Verbindungen ־ auch Verknüpfungen gibt, die ausschließlich ein ex- plizites Korrelat zulassen; vgl. für den propositionalen Bereich: 12

(6) Vidja, čto ja ne berus' za vesla, Ma$a (...) kategoričeski potrebovala: Grebite, n ja sejČas Že perevemu lodku.

(6.1) Vidja, čto ja ne berus' za vesla, Ma$a (...) kategoričeski potrebovala: Grebite, ili ja sejčas že perevemu lodku.

Als Differenzierungsmöglichkeit zwischen Verbindungen mit einfacher und mehrfacher Korrelation innerhalb einer semantischen Relation bietet sich die Unterscheidung zwischen lexematischer und semantischer Ellipse an. 13 Im ersten Fall kann ein konkretes Lexem

1 * In Bezug auf letzteres stellt sich die Frage, ob die Bedingung der Ausschließlichkeit des Nullkonnektivs in einer bestimmten Position unter Berücksichtigung der Ersetzbarkeit durch 1 ebenfalls relativiert werden muß. S.

dazu Kap. 3.7.1.4.

^ Im propositionalen Bereich sind derartige Falle allerdings weitaus seltener als im partiell-propositionalen Bereich.

*3 Von Apresjan (1986), Šiijaev (1973, 316) und Weiss (1993, 57) wird dies im Zusammenhang mit den so־

genannten "Nullvcrben" angcsprochcn.

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1,rekonstruiert" bzw. - in unserem Zusammenhang ־ nur ein bestimmtes Konnektiv eingefügt werden, während im zweiten Fall die Auswahl aus der Gruppe von Konnektiven möglich ist, die eine bestimmte semantische Relation repräsentieren, wie z.B. kausale oder temporale.

Die semantische Konnektivellipse in der Asyndese bedeutet also, daß nicht ein bestimmtes Lexem sondern ein bestimmter Inhalt (d.h. eine bestimmte semantische Relation) rekonstru- iert und dementsprechend expliziert werden kann14, wohingegen die lexematische Konnek- tivellipse nur ein einziges explizites Korrelat zuläßt. Stellen wir dieses Ergebnis in den Ge- samtzusammenhang der Erfassung asyndetischer Verbindungen mittels Nullkonnektiv und Konnektivellipse, läßt sich festhalten, daß eine Relativierung und gleichzeitig weitere Diffe- renzierung im Feld der Konnektivellipse notwendig ist, um einerseits die Polysemie des Nullkonnektivs andererseits die Mehrfachausdrucksmöglichkeit einer bestimmten Relation genügend zu berücksichtigen.

Im Rahmen des Versuchs, die Distribution von Nullkonnektiv und Konnektivellipse in asyn- detischen Verküpfungen zu erfassen, ergibt sich allerdings noch ein weiteres Problem. Es handelt sich um den potentiellen Statuswechsel eines Nullkonnektivs zur Konnektivellipse im Textzusammenhang, bzw. um die bereits angesprochene Frage15, ob die Null eine syste- mische, die Ellipse dagegen eine textuelle Erscheinung darstellt. Genauer, eine ambige16 Relation, die ja die Basis für ein Nullkonnektiv darstellt, ist möglicherweise nur in kontext- freier Lesung ambig. Vgl. dazu nochmals Beispiel (2), das wir als kausal und konsekutiv ausgewiesen hatten, mit etwas mehr Kontext:

(2) N0 ostalsja delat' stennuju gazetu к Oktjabr'skim prazdnikam. A potom ego vyz- vali na zasedanie partbjuro.

Svobodnych mest и dveri ne bylo. n Saša protisnulsja meždu sdvinutymi rjadami stul'ev, zadevaja tesno sidjaščich ljudej, vyzvav nedovol'nyj vzgljad Baulina, se- kretarja, partbjuro, rusovolosogo krepySa s okruglym, prostym, uprjamym licom, s Širokoj gnjd'ju, vypirajuščej pod sinej satinovoj kosovorotkoj, zastegnutoj na ko- rotkoj See dvumja belymi pugovičkami. (19; 9)

Der Unterschied zwischen kausaler und konsekutiver Relation erklärt sich aus der Per-spektivierung des Antecedenz respektive Consequenz. Bei der Textrezeption erfolgt

Kohä-14 In Betracht zu ziehen wäre ־ zumindest in Fällen wie (4)-(6) außerdem, ob nicht aufgrund anderer Faktoren das nicht realiserte Konnektiv genau bestimmt werden kann, so daß im Endeffekt doch eine lexikalische Ellipse vofläge. Würden sich nämlich die russischen Konnektive potomu čto und tak как analog zu deutsch weil und da, denn verhalten, d.h. einerseits eine Verknüpfung von Propositionen (weil) und andererseits eine eher präg- mati sehe Verknüpfung (da, denn) realisieren und könnte nachgcwiesen werden, daß asyndetisch nur eine der beiden Verknüpfungsarten vollzogen werden kann, so würde dadurch das entsprechende zu rekonstruierende Konnektiv automatisch determiniert (zum Deutschen vgl. Pasch 1987). Detailliertere Aussagen über den Cha- raktér der Konncküve potomu čto und tak как können aber im Rahmen vorliegender Arbeit nicht gemacht wer- den, so daß eine noch eindeutigere Bestimmung, ob in Sätzen wie (4)-(6) eine semantische oder lexikalische Ellipse vorliegt, hier unterbleiben muß.

15 S. Kap. 3.4.

16 In der Literatur wird u.a. diskutiert, ob die Relationen "mehrdeutig" oder "nicht-differenzicrt" seien oder einen "Synkretismus" darstellten; vgl. Širjaev (1986, 74), Čajkovskaja (1988. 145), Izarenkov (1990, 35). Diese Frage möchte ich hier nicht weiter verfolgen.

renzhcrstellung mittels Rückwärtsinferenzen. Deshalb ist für den Rezipienten vor allem von Bedeutung wie sich die anschließende Komponente zur voranstehenden Proposition bzw.

zum Vortext verhält. Daraus ergibt sich im aktuellen Fokus17 eine stärkere Fokussierung des Consequenz, und durch die damit verknüpfte Perspektivierung des Consequenz wird die Relation im Textzusammenhang mit größter Wahrscheinlichkeit nicht kausal sondem kon- sekutiv verstanden. 18

Welche Auswirkungen hat dies nun für das Verständnis des Nullkonnektivs? Würde sich eine derartige Differenz zwischen mehr- und eindeutigen Relationen durchgängig zeigen, könnte tatsächlich angenommen werden, daß Null als systemisches, Ellipse dagegen als textuelles Element aufzufassen sei. Dies ist jedoch nicht der Fall, da es asyndetische Ver- knüpfungen gibt, bei denen selbst im Textzusammenhang die Relation nicht eindeutig zu determinieren und somit auch nicht als Verbindung mit Konnektivellipse zu evaluieren ist:

(7) ־ TiSe, Galočka...tiše, prošu tebja.

Ona ne unimalas', i ja soveršenno poteijalsja. n Ne znal, čto delat’. Pobežal vdrug za kon'jakom.

- Vypej, Gal'ka. (4; 156)

In (7) ist nicht völlig eindeutig bestimmbar, ob der zweite Satz als Consequenz oder nur als intensivierende Paraphrase des voranstehenden Satzes zu interpretieren ist. 19 Vgl. auch:

Esli by kontekst vsegda vybiral odno značenie, to sledovalo by govorit' voobšče ne о differencirovannosti, a о mnogoznačnosti smyslovych ot- noSenij. Odnako tipičnost' i častotnost* takich kontekstov, v kotorych os- mysljaetsja ves' nedifferencirovannyj kompleks, ne pozvoljaet prinjat' ta*

kuju točku zrenija.20

Andererseits gibt es natürlich auch Verbindungen, die sowohl mit als auch ohne Kontext nur eine eindeutige Relation aufweisen und somit als Konnektivellipse zu verstehen wären (vgl.

z.B. (6)).

Bei einer Erfassung asyndetischer Verknüpfungen mittels Nullkonnektiv respektive Kon- nektivellipse muß also damit gerechnet werden, daß Verbindungen unter systemischer Per- spektive ein Nullkonnektiv enthalten, unter textuellem Aspekt jedoch eine Konnektivellipse.

Desweiteren müßte berücksichtigt werden, daß sich dieses Verhalten nicht konsequent zeigt, sondern von der jeweiligen konkreten Verbindung abhängig ist, da in manchen Verknüpfun- gen sowohl unter systemischer als auch unter textueller Perspektive ein Nullkonnektiv oder eine Konnektivellipse zu postulieren wäre.

Fokus im hier verwendetet kognitiven Sinn umfasst den Textabschnitt, auf den der Rezipient bei der Text- Verarbeitung momentan sein Hauptinteresse richtet. S. dazu auch Wilhelm (1999,126)

Genaueres dazu in Wilhelm (1999)

Wobei für letzteres zumindest sprechen würde, daß eine Substitution mit Poètomu nicht optimal akzeptabel w irkt

20 Šiijaev (1986, 74)

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3.7Л.2. Nullkonnektiv, Konnektivellipse und í

Wie bereits die letzten Kapitel gezeigt haben, stoßen wir beim Versuch der Bestimmung asyndetischer Verknüpfungen mittels Nullkonnektiv und Konnektivellipse unweigerlich auf das Problem der Korrelation mit dem "universellsten konjunktiven Verknüpfungszeichen"1 bzw. der "merkmallosesten"2 Konjunktion, nämlich und bzw. i. So setzt z.B. Peškovskij (1956) Koordination und somit auch die Verbindung durch i mit "Null" gleich, Weiss (1982) und Schiffrin (1987) verweisen explizit auf die Nähe zwischen asyndetischer und i-Verknüp- fung:

Wir gehen hier von der Hypothese aus, dass sich als "Gesamtbedeutung"

des Null-Konnektors am ehesten die Und-Verknüpfung erweisen wird.3 The participation of and in this syntagmatic pattern suggests that and con- veys no more referential information than *zero’.4

Schiffrin erwähnt auch die Problematik der Beziehung zwischen Asyndese und and, wobei sie allerdings von vornherein ein bedeutungstragendes Nullelement ablehnt:

Note, also, that any of these relations can be inferred without and. Thus, what is to stop one from considering a speaker's pause between verbal ut- terances as synonym for and (״ .), and even worse, saying that pausing has the same multiplicity of interclausal meanings? 5

Die Annahme der starken Ähnlichkeit zwischen /-Verbindungen und Asyndese basiert auf der geringen Eigenbedeutung von 1. Wie bereits angesprochen6 besteht im Hinblick auf Konjunktionen seit jeher ein Dissens in Bezug auf deren Bedeutung bzw. ob sie überhaupt eine Bedeutung aufweisen, vgl.auch:

Sami po sebe oni [sredstva, A.Y.B.] ne vyraiajut logiko-semantičeskich ot- nošenij, poślednie, как pravilo, diktujutsja kontekstom. К ukazannym sredstvam otnosjatsja sojuzy but, and (7•(.״

Besonders für und bzw. fl erweist sich die Frage der Bedeutung als zentral, wobei zwei theo- retische Grundpositionen bestimmend sind: der Bedeutungsmaximalismus, der eine Vielzahl von Grundbedeutungen annimmt (Polysemie) und der Bedeutungsminimalismus, der ־ aus- gehend von einer einzigen, relativ abstrakten Grundbedeutung - weitere Intepretationsarten dem Gebrauch, also sogenannten Gesprächsandeutungen zuschreibt. In der neueren For- schung wird dem bedeutungsminimalistischen Ansatz der Vorzug gegeben und die Grund- bedeutung von und bzw. 1 häufig in die Nähe des aussagenlogischen Junktors & gerückt,

* Grundzüge einer deutschen Grammatik (1984,782) 2 Girke (1978, 32)

3 Weiss (1982. 239) 4 Schiffrin (1987, 131) 5 Schiffrin (1987, 184) 6 S. Kap. 3.4.

Lysuchin (1986,99). S. dazu auch Kap. 3.4.

& Es muß nicht gesondert hervorgehoben werden, daß beide nicht gleichzusetzen sind. S. Girke ( 1978)

ohne jedoch beide gleichzusetzen. Auf eine detaillierte Auseinandersetzung mit beiden Po- sitionen kann hier verzichtet werden9, wichtig für uns ist, daß i entweder, falls man von ei- ner bedeutungsmaximalistischen Position ausgeht, extrem polysem ist, oder, falls man dem bedeutungsminimalistischen Ansatz folgt, kaum Eigenbedeutung aufweist10 und somit sehr variabel in Bezug auf die Realisationsmöglichkeit unterschiedlicher semantischer Relationen ist.11

Vergleichen wir diese Tatsache mit den semantischen Kriterien für ein Nullkonnektiv, so fallen deutliche Parallelen auf. Denn auch dem Nullkonnektiv wurde das Merkmal der Poly- semie bzw. extreme semantische Flexibilität zugesprochen. Diese Analogie erzeugt gleich mehrere Probleme: Ausgehend von den konstitutiven Merkmalen für eine Konnektivellipse, die besagen, daß sie als Anweisung zur Inferenz einer bestimmten Relation zu verstehen ist und daß die Semantik der Konnektivellipse der Semantik des expliziten Korrelats entspre- chen muß, eignet sich i aufgrund seiner geringen Eigenbedeutung eigentlich per se nicht als explizites Korrelat für eine Ellipse. Wenn sich aber Nullkonnektiv und i sehr ähnlich sind, wird die für das Nullkonnektiv geforderte kontrastive Opposition zu (allen) anderen Eie- menten der Klasse der Konnektive in Frage gestellt. Dies hätte aber wiederum zur Folge, daß zahlreiche asyndetische Verknüpfungen nicht mehr als Verbindungen mit Nullkonnektiv klassifziert werden dürften, sondern als Konnektivellipse von i bestimmt werden müßten.

Somit befinden wir uns im Dilemma einer contradictio in adiecto.

Inwieweit sich dieser Widerspruch auflösen läßt und welche Konsequenzen sich aufgrund dieser Problematik für die Bestimmung asyndetischer Verknüpfungen als Konnektivellipse und Nullkonnektiv ergeben soll im Folgenden näher erörtert werden, wobei ich auf eine Wiederholung der Aspekte, die bereits in den vorangegangenen Kapiteln aufgegriffen wur- den, weitestgehend verzichte.12

Als zunächst augenscheinlich überzeugendes Argument gegen die Ähnlichkeit zwischen Nullkonnektiv und i bietet sich die Annahme an, daß die Asyndese (und somit ein po- tentielles Nullkonnektiv) im Gegensatz zu 1 alle propositionalen Relationen realisieren kann.

Dies ist jedoch nicht völlig konekt, da sowohl 1 als auch die Asyndese z.B. keine

Verknüp-9 Genaueres zur Bedeutung von und bzw. i in Levin (1975), Lang (1977), Girke (1978), Posncr (1979), Cho- lodov (1985), Sannikov (1989), Mendoza (1996)

10 Schiffrin setzt sogar die semantischc Komponente von and mit "zero" an (1987, 190).

11 Vgl. dazu auch die Liste von Posner (1979, 365f.)

12 Außerdem muß ausdrücklich betont werden, daß hier keineswegs eine erschöpfende kontrastive Analyse zwischen ו und Asyndese angestrebi werden kann, sondern nur die relevantesten Aspekte zur Problematik der Korrelation zwischen Konnektivellipse, Nullkonnektiv und 1 herausgegriffen werden. Zur Relation zwischen i bzw. und und Asyndese s. auch Rudolph (1985), Pasch (1987), Sannikov (1989), Mendoza (1995).

Auf die Unmengen an Literatur zum Thema Ellipse in koordinierten Strukturen wurde bereits in Kap. 3.3. hin*

gewiesen, ebenso auf die Tatsache, daß in diesem Zusammenhang meist die ,Tilgung" identischer Satzglieder und nicht die der Konjunktion Gegenstand der Betrachtung ist

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fiing realisieren können, in denen in der zweiten Konstituente ein Sachverhalt enthalten ist, der zeitlich vor dem in der ersten Konstituente liegt, vgl.

(1) Avtobus echal medlenno vdol' ulicy, pered étim on stojal na ostanovke.

(1.1) ni)• •Avtobus echal medlenno vdol' ulicy, i on stojal na ostanovke.

(1.2) ׳ *Avtobus echal medlenno vdol’ ulicy, on stojal na ostanovke.

(2) On byl ženat na Lene, pered étim on byl cholostym.

rtty

(2.1) * *On byl ženat na Lene, i on byl cholostym.

(2) * *On byl ženat na Lene, on byl cholostym.

Sowohl in (I) als auch in (2) ergibt sich durch die Ersetzung bzw. Tilgung ein Transfer der semantischen Relation in den simultanen Bereich, der die Verknüpfung semantisch sehr

Sowohl in (I) als auch in (2) ergibt sich durch die Ersetzung bzw. Tilgung ein Transfer der semantischen Relation in den simultanen Bereich, der die Verknüpfung semantisch sehr

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