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Situationsanalyse: Fragebogen zur Festlegung des Schutzfaktorenprofils

Im Dokument BEITRÄGE ZUR SOZIALEN SICHERHEIT (Seite 54-57)

4. Ergebnisse der Konzeptevaluation

4.2 Situationsanalyse: Fragebogen zur Festlegung des Schutzfaktorenprofils

Das Schutzfaktorenprofil zur Analyse der Gewaltsituation (vgl. Kapitel 4.1.1) stellt ein zent-rales Instrument für die Erstellung des Gewaltpräventionskonzepts an den Schulen dar, da auf dessen Grundlage die jeweiligen Massnahmen ausgewählt und Prioritäten gesetzt wer-den. Das Schutzfaktorenprofil wird mit den Daten aus einem Fragebogen für die Lehrperso-nen erstellt, wobei es sich um ein vom SIG entwickeltes, standardisiertes Instrument han-delt (vgl. Anhang B).

Hinsichtlich der Gewalt in der Schule und der Gewalt unter Jugendlichen werden verschie-dene Formen unterschieden: physische, psychische, verbale, sexuelle und strukturelle Ge-walt sowie GeGe-walt an Sachen (Hurrelmann & Bründel, 2007). Weiter werden Vernachlässi-gung und Gewalt gegen sich selbst erwähnt (Bundesrat, 2009).

Risiko- und Schutzfaktoren spielen eine wichtige Rolle zur Erklärung von Gewalt und wer-den als „Einheiten des Individuums, der Situation, des familiären Umfeldes, der Schule, der Nachbarschaft, der Gesellschaft, welche dem aktuellem Wissenstand zu Folge mit grosser Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Entstehung von Gewalt einwirken“ (Eisner et al., 2006, S. 25) definiert. Mit Risikofaktoren sind diejenigen Faktoren gemeint, welche die Wahrscheinlichkeit von Gewalt erhöhen, während Schutzfaktoren solche sind, welche dem Auftreten von Gewalt trotz allfälliger Risikofaktoren entgegenwirken. Im Rahmen der Ge-waltprävention wird deshalb versucht, Risikofaktoren zu vermindern und Schutzfaktoren zu stärken.

In der Literatur werden eine Vielzahl von Risiko- und Schutzfaktoren genannt, die im Rah-men von Gewaltprävention an den Schulen relevant sind (vgl. Eisner et al, 2006; Eisner et

Evaluation Gewaltpräventionskonzept SIG Ergebnisse der Konzeptevaluation

23 al., 2008, Hurrelmann & Bründel, 2007). Diese Faktoren bilden den Massstab, um den vom SIG verwendeten Fragebogen zu beurteilen.

Beurteilung des Fragebogens zur Festlegung des Schutzfaktorenprofils

In einem ersten Themenblock werden zuerst Fragen zur Gewaltsituation an der Schule ge-stellt. Anschliessend folgen Fragen zu gesamtschulischen Schutzfaktoren, welche gewalt-präventiv wirken (z.B. Schulklima, gemeinsame Sprache, gemeinsame Regeln und ein ein-heitliches Vorgehen, Mitsprachemöglichkeiten, Gestaltung des Pausenplatzes etc.) und anschliessend Fragen, welche auf die Handlungsfähigkeit der Lehrpersonen bei Gewaltvor-kommnissen abzielen (z.B. Fragen zu Kenntnissen im Bereich der Mediation, im Umgang mit Mobbing etc.). Weiter werden die Lehrpersonen danach gefragt, welche Kompetenzen sie mit ihren Schülerinnen und Schülern erarbeiten möchten (z.B. in den Bereichen Emoti-onen, Konfliktbewältigung, Deeskalation etc.) und inwiefern sie Massnahmen auf der Ebene der Eltern resp. der Gemeinde wünschen. Die Lehrpersonen erhalten so die Gelegenheit, detailliert über ihre Wünsche und Vorstellungen zur Gewaltprävention an ihrer Schule Aus-kunft zu geben.20

Das Schutzfaktorenprofil ist umfangreich und erfasst neben der Gewaltsituation, Faktoren auf der Ebene der Schülerinnen und Schüler, der Lehrpersonen, der Schule (Regeln und Normen, Schul- und Klassenmanagement, Schulhausgestaltung), der Eltern und der Ge-meinde.

Fazit: Grundsätzlich ist die Verwendung des Begriffs „Schutzfaktorenprofil“ etwas irrefüh-rend, da im Fragebogen für die Lehrpersonen zur Festlegung des Schutzfaktorenprofils sowohl Schutz- als auch Risikofaktoren erhoben werden. Eine differenzierte Verwendung dieser Begriffe im Sinne von Eisner et al. (2006) und eine konsequentere Erhebung der Risiko- und Schutzfaktoren sind angezeigt.

Im Fragebogen werden nicht alle Gewaltformen (s. oben) abgefragt. So fehlen z.B. die Ge-waltformen sexuelle Gewalt sowie gegen sich selbst gerichtete Gewalt. Die Frage, ob die einzelnen Gewaltformen „im Übermass“ vorkommen, ist unglücklich formuliert. Weiter fällt auf, dass die Fragen teilweise so formuliert sind, dass nicht die aktuelle Situation erhoben wird, sondern direkt nach konkreten Interventionsmethoden resp. Präferenzen der Lehrper-sonen bezüglich zu behandelnden Themen gefragt wird.21 Um einen besseren Einblick über die aktuelle Situation der Schule zu erhalten, ist zu empfehlen, diese Fragen entsprechend umzuformulieren.

Die Fragen zu den gesamtschulischen Schutzfaktoren sind stark auf einheitliche Regeln und Normen, ein einheitliches Vorgehen sowie die Pausenplatzgestaltung fokussiert. Ge-mäss Hurrelmann und Bründel (2007) hat jedoch das Schulhausmanagement bei der Bear-beitung von Gewaltvorfällen (Führungsstrukturen, Entscheidungsmechanismen, Kommuni-kationswege, Zusammenarbeit mit Eltern und externen Akteuren, Qualitätssicherung und Evaluation) mehr Gewicht.

20 Im Rahmen der Situationsanalyse können auch die Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern befragt werden (vgl. Kapitel 2.1). Ob und wie die Befragungsergebnisse in das Schutzfaktorenprofil einfliessen, ist unklar.

21 zum Beispiel: „Kennen Sie den ‚No Blame Approach‘ als Interventionsinstrument bei Mobbing?“

Ergebnisse der Konzeptevaluation Evaluation Gewaltpräventionskonzept SIG

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Der Themenblock „Klassen- und schülerspezifische Schutzfaktoren“ beinhaltet keine Erfas-sung der relevanten Risiko- und Schutzfaktoren. Vielmehr steht hier die Erhebung der the-matischen Vorlieben der Lehrpersonen im Vordergrund. Dieses Vorgehen lässt nur indirekt Rückschlüsse auf das Risikoprofil der Schülerschaft zu. Zudem werden einige relevante Risikofaktoren überhaupt nicht angesprochen (z.B. Delinquenz, Alkohol- und Suchtmittel-konsum, schulische Probleme/Misserfolg, u.a.).

Schliesslich sollten die elternhaus- und gemeindespezifischen Faktoren um weitere in der Literatur genannte relevante Risikofaktoren ergänzt werden.

4.3 Zusammenfassung

Im Rahmen des gesamtschulischen Gewaltpräventionskonzepts des SIG werden die meis-ten der gefordermeis-ten Standards konzeptuell erfüllt; inwiefern die Standards auch tatsächlich in geforderter Weise umgesetzt werden, kann nur durch eine Vollzugsevaluation (vgl. Kapi-tel 5) beurteilt werden. Dem SIG ist es wichtig, dass ein Gewaltpräventionskonzept genau auf die Bedürfnisse vor Ort abgestimmt wird (Schutzfaktorenprofil). Deshalb sind entspre-chende Massnahmen auf der Ebene der Schülerinnen und Schüler, der Lehrpersonen, der Schule, der Eltern und der Gemeinde vorgesehen. Auch die Akzeptanz des Gewaltpräven-tionskonzepts durch die Lehrpersonen wird vom SIG als zentraler Faktor für das Gelingen desselben beschrieben. Schliesslich ist es für SIG von grosser Bedeutung, dass keine iso-lierten Massnahmen getroffen werden, sondern dass diese – wie es der Name sagt – in ein gesamtschulisches Gewaltpräventionskonzept eingebettet werden. Die Standards „Situati-onsanalyse“, „umfassendes Angebot an fundierten Massnahmen“, „Projektverständnis und Projektakzeptanz der Beteiligten“ sowie „Einbettung und Vernetzung“ bilden damit sozusa-gen den „Kern“ des gesamtschulischen Gewaltpräventionskonzeptes des SIG. Auch die Standards „Definition der Zielgruppe“, „langfristige und nachhaltige Verankerung“ sowie

„Qualitätssicherung“ sind im Konzept vorgesehen und damit konzeptuell erfüllt. Nicht ab-schliessend beurteilt werden können die Standards „Qualität der Vermittlung“ sowie „ange-messene Intensität“, da für ersteren zusätzliche Informationen notwendig wären und letzte-rer hauptsächlich in der Verantwortung der Schulen und ihren verfügbaren Ressourcen liegt.

Der Fragebogen zur Erstellung des Schutzfaktorenprofils wurde separat beurteilt, da es sich um ein zentrales Instrument des gesamtschulischen Gewaltpräventionskonzepts handelt.

Im Fragebogen werden grundsätzlich alle relevanten Handlungsfelder schulischer Gewalt-prävention abgedeckt. Es werden aber nicht alle relevanten Gewaltformen aufgeführt. Bei den Fragen zu den klassen- und schülerspezifischen Schutzfaktoren handelt es sich haupt-sächlich um eine Bedarfsanalyse. Zudem ist zu prüfen, ob zusätzliche Fragen zum Schul-hausmanagement (z.B. Führungsstrukturen, Entscheidungsmechanismen, etc.) und zu den eltern- und gemeindespezifischen Risiko- und Schutzfaktoren berücksichtigt werden sollten.

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