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und konnten von Beginn an auf die Unterstützung von guten In-vestoren bauen“, sagt Clemens Triebel, Chief Visionary Officer und Younicos-Mitbegründer. „Und die Vorteile der Batterie la-gen für uns immer klar auf der Hand: Sie ist langlebig, sicher und extrem schnell. Batterien können in weniger als 200 Millisekun-den reagieren.“

Welche Batterien die besten sind und wie ihr Lade- und Ent-ladeverhalten sich auf die Speicheranforderungen auswirken, un-tersuchen die Berliner im eigenen Lithium-Ionen-Testlabor. Es wird aber nicht nur geforscht, sondern auch gebaut. Auf der por-tugiesischen Azoren-Insel Graciosa errichtet Younicos gemein-sam mit dem regionalen Energieversorger EDA das weltweit ers-te erneuerbare Energiesysers-tem auf Basis von bis zu 100 Prozent Wind- und Sonnenstrom. „Wo sonst als auf einer Insel könnten wir derzeit besser zeigen, dass erneuerbare Energien technisch wie wirtschaftlich fossilen Energieträgern voraus sein können“, sagt Triebel. Deshalb konzipierten sie den Bau eines

2,6-Mega-watt-Groß-Akkus, der den überschüs-sigen Strom aus einem 4,5-Megawatt- Windpark und einer Ein-Megawatt- Photovoltaikanlage speichern kann.

Der Bau wird von privaten Investo-ren getragen. Wenn die Anlage dann läuft, soll sie die Stromversorgung auf Graciosa zu 65 Prozent (Jahresdurch-schnitt) aus erneuerbaren Energien decken. Die Dieselkraftstoff-Importe könnten dadurch sukzessive verringert werden.

Triebel: „Das Modell und die Er-fahrungen, die wir aus diesem Projekt gewinnen, lassen sich auch auf ande-re Systeme umlegen. Letztlich spielt es keine Rolle, ob wir eine Insel oder den Kontinent Europa betrachten.“

Wesentlicher Bestandteil der Bat-teriekonzepte von Younicos ist auch die dazugehörige Software. „Die ist entscheidend für intelligente Spei-cherlösungen“, erklärt Clemens Trie-bel. Es geht um Regulierung, Vernet-zung, aber auch das Abschöpfen von großen Datenmengen aus zentralen und dezentralen Anlagen. Damit die Stromnetze ohne rotieren-de Massen stabil betrieben werrotieren-den können, müssen alle Erzeu-gungs- und Speichereinheiten dezentral und ohne menschliches Eingreifen zusammenspielen.

Ob und wie man Geld in Zukunft mit den Speicherkapazitä-ten verdiene, liege allerdings nicht nur daran, wie sich der Markt entwickele, sondern auch daran, ob die Politik die Märkte so ge-stalte, um die Energiewende kosteneffizient umzusetzen. Im Mo-ment sei das noch nicht der Fall. Speicher würden nicht für ihre Genauigkeit und Präzision belohnt. Allerdings sei das fehlende politische Bekenntnis nicht der einzige Grund dafür, wieso die Investitionen in den deutschen Speichermarkt so zögerlich seien.

Triebel glaubt, dass das Vertrauen in die Batterie als Speicher-medium in großen Dimensionen erst langsam wächst. Als man 2006 damit begonnen habe sich vorzustellen, dass Batterien

W

enn die Natur doch nur berechenbarer wäre:

Mal wird weniger Wind gebraucht, ein ander-mal mehr Sonne. Dabei soll der Strom immer grüner werden. In dem Maß, wie der Anteil Erneuerbarer am Energiemix steigt, drängt eine neue Problematik in den Fokus: Systemstabili-tät und Speicherbedarf. Nach Berechnungen der Thüga-Gruppe werden schon 2020 etwa 17 Terawattstunden erneuerbarer Ener-gie zwischengespeichert werden müssen. Bis 2050 wird der Be-darf an Speicherkapazität auf etwa 50 Terawattstunden anstei-gen. Neben dem Netzausbau sind deshalb auch Investitionen in kluge und bezahlbare Speichertechniken gefragt.

Wo genau wie viel gespeichert werden soll, das ist die Fra-ge, die sich bei der Speicherung generell stellt. Viele Verbrau-cher wollen eine autarke Versorgung. Gleichzeitig muss in Großspeichersysteme investiert werden, die garantieren, dass der Strom für viele Abnehmer gleichmäßig fließt.

Immer mehr Unternehmen, ob klein oder Global Player, arbeiten der-zeit an der Entwicklung neuer Ener-giespeichermodelle. Die Investitionen machen sich zwar noch nicht oder kaum bezahlt, doch die Konkurrenz schläft nicht. Und jene, die sich jetzt das Know-how aneignen, werden zu den Ersten gehören, die damit Geld verdienen.

„Führend im Bereich ‚Storage‘ sind derzeit die USA, gefolgt von Japan, China und Deutschland – egal, ob es um kleinere Lösungen für die dezent-ralen erneuerbaren Erzeugungsparks geht oder um zentrale Lösungen, die zur Netzstabilisierung oder zur Teil-nahme am Regelenergiemarkt einge-setzt werden. Wobei Deutschland eine sehr wichtige Rolle einnimmt“, sagt Cavin Pietzsch, Leiter des Geschäfts-bereichs GE Energy Management in Deutschland. „Bereits heute besteht der Energieerzeugungsmix in Deutschland zu 30 Prozent aus Erneuerbaren. Da-her gibt es hierzulande auch ein großes

Interesse, schnell Lösungen in das Energiesystem zu integrieren, die helfen, die fluktuierende Einspeisung aus erneuerbaren Er-zeugungsanlagen auszubalancieren. Speichertechnologien sind hier sicherlich eine zentrale Komponente.“

SPEICHERPIONIERE AUS BERLIN

Eine solche Lösung – ein Fünf-Megawatt-Lithium-Ionen-Akku – stabilisiert in Schwerin bereits seit einem Jahr das ostdeutsche Stromnetz. Er ist der erste kommerzielle Batteriespeicher in Eu-ropa, finanziert und betrieben vom Energieversorger WEMAG.

Die vom Berliner Unternehmen Younicos konzipierte vollauto-matische Anlage wurde im September 2014 eröffnet und gleicht seitdem erfolgreich kurzfristige Schwankungen in der Netzfre-quenz aus und schafft so Platz für mehr Wind- und Sonnen-strom. „Wir arbeiten und forschen bereits seit 2005 an Speichern

Younicos forscht an der optimalen Batterie.

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so groß sein könnten wie eine Sporthalle, war alleine schon das Wort Batteriekraftwerk eine Innovation für sich.

NEUE POWER AUS DEN USA

Öffentliche Aufmerksamkeit erhielt die Batteriebranche Anfang dieses Jahres, als der US-Elektroautobauer Tesla in Los Ange-les die Powerwall, den Batteriespeicher für zu Hause, vorstellte.

Auch wenn die Batterietechnik aus dem Hause Tesla nicht neu ist – durch die Powerwall wurde ein Hype ausgelöst. Ausgeklü-geltes Marketing brachte öffentliche Aufmerksamkeit und kur-belte den Absatz an. In den USA gingen nach der Präsentation im Mai bereits 40.000 Bestellungen ein. Der angekündigte Preis für den Tesla-Speicher kommt zudem einer Kampfansage an eta-blierte Anbieter für Stromspeicher gleich, darunter Samsung, Bosch und der Batteriehersteller Varta. Etwa 3.000 US-Dollar kostet die kleine Variante des Tesla-Hausspeichers. Das ist fast die Hälfte dessen, was Käufer für vergleichbare Produkte bezah-len müssen.

Ab 2016 soll der Tesla-Wandspeicher in zwei Ausführungen auch in Deutschland auf den Markt kommen. Kooperiert wird hierzulande mit dem Hamburger Energieversorger LichtBlick.

Diese Ankündigung rief die deutschen Unternehmen auf den Plan. So hat nun auch Daimler verkündet, in das Geschäft mit den stationären Batterien einzusteigen. Die ersten Lithium-Io-nen-Akkus, die der Konzern bereits in kleinerer Ausführung in seinen Elektrofahrzeugen einsetzt, sollten im Sommer auf den Markt kommen, nun ist von Herbst die Rede. Über den Preis gibt es noch keine Informationen.

Der sich entwickelnde Wettbewerb wird den Produktpreis drücken. Ist eine Massenproduktion möglich, führt das zu einer Preisminderung. Die Stromspeicher werden immer günstiger zu haben sein – parallel dazu steigt die Akzeptanz der Batterien als Speicherform. Da sind sich die Experten sicher. „Technologisch gesehen sind mittlerweile viele Batteriespeichersysteme so weit entwickelt, dass sie einen wirtschaftlichen Business Case ermög-lichen“, sagt Cavin Pietzsch. „Das wird sich in den nächsten Jah-ren mit der Verbesserung der zellenspezifischen Speicherkapazi-täten noch drastisch verbessern. Der Wettbewerb wird hier auch durch die Anforderungen der Automobilindustrie angetrieben und sorgt damit für einen kontinuierlichen Innovationsdruck.“

General Electric entdeckte den Speichermarkt schon vor ei-nigen Jahren für sich. Mittlerweile wächst der Konzern auch in diesem Geschäftsfeld kontinuierlich. Aktuell baut GE an einem Großprojekt in den USA mit 30 Megawatt Leistung.

GRÜNER WASSERSTOFF AUCH FÜR DIE STRASSE Neben dem Hype um die Hausakkus ringen sowohl Power- to-Gas-Technologien (P2G) als auch Power-to-Heat (P2H) als wichtige Komponenten im Speichermarkt um Aufmerksamkeit.

P2G als Langzeitspeicher wird dann gebraucht, wenn es über längere Zeit zu hohen Stromüberschüssen kommt, wie sie etwa ab einem Anteil der erneuerbaren Energien von mindestens 50 Prozent zu erwarten sind. „Unser P2G-Projekt ist in Deutsch-land eines der größten“, sagt Jonas Aichinger, Referatsleiter Tech-nologieentwicklung und -management der Stadtwerke Mainz.

Das besondere an der P2G-Technologie sei, dass man mit ihr auch auf lange Zeit Energie speichern könne. Mehrere Tage oder Wochen seien kein Problem – und genau das mache diese

Tech-nologie so wertvoll für die Energiewende, so der TechTech-nologieex- Technologieex-perte. „Unsere PEM-Anlage zur Wasserstoffgewinnung ist sogar die größte im Speichermarkt weltweit.“

Etwa 17 Millionen Euro wurden in die moderne Mainzer Anlage zur Herstellung grünen Wasserstoffs investiert. Etwa die Hälfte der Summe finanzierte der Bund als Forschungs- und Entwicklungsvorhaben. Das Pilotprojekt wurde von den Stadt-werken Mainz in Zusammenarbeit mit Siemens, Linde und der Hochschule RheinMain umgesetzt. Die Anlage, die nach einjäh-riger Bauzeit im Juli dieses Jahres in Betrieb ging, ist an einen Windpark und das Strom- und Gasnetz der Umgebung ange-schlossen. Das Herzstück des Systems ist eine PEM-Elektrolyse-anlage zur Wasserstoffgewinnung aus regenerativem Strom mit einer Spitzenleistung von sechs Megawatt.

Entschieden habe man sich für diese Technologie vor al-lem, weil der Standort in Mainz die nötige Infrastruktur hat, so Aichinger. „Wir haben hier einen idealen Knotenpunkt.“ Der Energiepark ist direkt an das Mittelspannnetz der Stadtwerke Mainz sowie an vier benachbarte Windräder angebunden. Zu-dem läuft eine Pipeline über das Gelände, in die der Wasser-stoff gleich eingespeist werden kann. „Außerdem nutzen wir die in Wasserstoff gespeicherte Energie, um sie auch in Brennstoff-zellen-Fahrzeuge einsetzen zu können. Die erneuerbare Ener-gie kann so auch auf die Straßen gebracht werden“, sagt Jonas Aichinger. Mit Brennstoffzellen-Fahrzeugen kann man schon heute mehrere 100 Kilometer fahren und einfach auftanken.

Investiert in die Zukunft: Dr. Tobias Brosze von den Stadtwerken Mainz.

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Derzeit wird im Energiepark genügend Wasserstoff produziert, um etwa 2.000 Brennstoffzellen-Autos zu versorgen. Ai-chinger: „Man sollte die moderne Stadt als energieatmende Zelle begreifen. Wenn Wind und Sonne viel Strom produzieren, laden wir die Speicher der Stadt auf, um diese bei Bedarf nutzen zu können.“

Die Großanlage ist auch aus wirt-schaftlicher Sicht spannend. Denn die Stadtwerke Mainz beschäftigen sich schon seit Beginn der Energiewende mit dem Thema Netzstabilität und Speicher-technologie. „Wir investieren in die Zu-kunft“, sagt Dr. Tobias Brosze, stellver-tretender Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Mainz. „Wir haben in den vergangenen Jahren schon viel Neues aus-probiert und waren sehr innovativ un-terwegs. Wir packen das Thema an und sammeln Erfahrungen.“ Die Wirtschaft-lichkeit soll nun in einem vierjährigen Pilotprojekt untersucht und erprobt wer-den. „Derzeit wird die Auswirkung von

Einsatzszenarien und Wasserstoffverwendung auf die Wirt-schaftlichkeit der Anlage untersucht. Noch wissen wir nicht, ob man mit dem Einsatz von P2G Geld verdienen kann. Wenn in den kommenden Jahren die neue Technologie honoriert wird und sich die Strommärkte weiter entwickeln, sind wir gut aufge-stellt“, ist sich Brosze sicher.

TECHNOLOGIE ZWEITER KLASSE?

Derzeit haben bei den Speichertechnologien in Deutschland al-lerdings die Pumpspeicher die Nase vorn. 31 Kraftwerke speisen über sechs Gigawatt Leistung ein. Und weil die bewährte Tech-nologie als zuverlässig gilt, sind weitere

zwölf größere Projekte geplant. Aber die Investoren zucken zurück. Denn: Die re-gulatorischen Hürden sind zu hoch. Und das Preisgefüge hat sich mit dem steigen-den Anteil Erneuerbarer stark verändert.

Darunter leiden die bestehenden Anla-gen und neue Vorhaben lieAnla-gen auf Eis.

Pumpspeicher sind aber – wie alle ande-ren Energiespeicher auch – darauf ange-wiesen, dass im Strommarktdesign der Zukunft die Bereitstellung von Flexibili-tät und gesicherter Leistung angemessen vergütet wird. Bislang hat sich das trotz Potenzialstudien einzelner Bundesländer noch nicht geändert.

Zudem werden für den Strom, der in die Pumpspeicheranlagen fließt, nach wie vor Netzentgelte und Umlagen berechnet.

Zu Unrecht, denn ein Speicher ist kein Endverbraucher, wie aktuell im Energie-wirtschaftsgesetz festgeschrieben ist. Der Strom wird also zum Zwecke der

Wie-dereinspeisung aus dem Netz entnommen, zwischengespeichert und anschließend wieder zugeführt.

Dass Speicher gebraucht werden, stellt wohl niemand ernst-haft infrage. Die Politik müsste sich eigentlich nur zu dieser Form der Stromspeicherung bekennen und die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Anlagen wirtschaftlich betrieben werden können. Dann könnten die zwölf Projekte verwirklicht werden.

RAUS AUS DER NISCHE

„Es wird in kürzester Zeit einen kommerziellen Speichermarkt geben – ob für zentrale oder dezentrale Lösungen“, ist GE-Mann Cavin Pietzsch überzeugt. In Privathaus-halten wird es viel mehr kleine Kompakt-anlagen geben. Aber auch große Lösungen sind notwendig. Sie werden unmittelbar an konventionelle Kraftwerke angeschlos-sen sein, um Regelenergie zu handeln und zu vermarkten. Beides wird seinen Platz finden.

Allerdings, und darin sind sich die Marktteilnehmer einig, müssen die Be-dingungen für neue Speichermodelle ver-bessert werden. Das betrifft unter an-derem einfachere Genehmigungen für Windgasprojekte und einen besseren Zu-gang zu den Regelenergiemärkten sowie die Möglichkeit, überschüssigen Wind-strom zum Marktwert zu beziehen.

Ob Batterie, P2G, P2H oder Pump-speicher – verschiedene Speichertechno-logien werden dafür sorgen, das Netz zu stabilisieren und die Versorgung zu si-chern. Vielleicht entwickeln Ingenieure aber auch völlig neue Verfahren.

AKTUELLE ENERGIESPEICHER Pumpspeicherkraftwerke ...

... sind eine bewährte großtechnische Stromspei-chertechnologie mit einem Wirkungsgrad von etwa 85 Prozent.

Batteriespeicher ...

... gibt es mit verschiedenen Zelltypen. Sie be-zeichnen den verwendeten Batterietyp: von AHI = Aqueous Hybrid Ion über Li-Ion = Lithium-Ionen bis ZBrRFB = Zink-Brom-Redox-Flow-Batterie.

Power-to-Gas ...

... gibt es als Elektrolyseverfahren mit einem Wir-kungsgrad von 75 Prozent und durch die Methani-sierung von Wasserstoff, bei der der Wirkungsgrad bei 60 Prozent liegt.

Power-to-Heat ...

... nutzt überschüssigen Strom aus Erneuerbaren Energien zur Erwärmung des Heizungswassers. Der Wirkungsgrad beträgt fast 100 Prozent.

Jonas Aichinger (li.) und Dr. Tobias Brosze in der Power-to-Gas-Anlage der Stadtwerke Mainz.

Fotos: Katrin Binner

ESSAY • DIVESTMENT

Fotos: Shutterstock (4); Illustration: C3 Visual Lab

DIVESTMENT STANDPUNKT

L

eonardo DiCaprio ist kein knausriger Typ. An den gut 500 Millionen Euro, die er bislang in Hollywood verdient hat, lässt der Schauspieler andere kräftig teilhaben. Er hat für die Wahlkämpfe aller demokratischen US-Präsident-schaftskandidaten seit Bill Clinton gespendet, für Bib-liothekscomputer, für die Rettung der asiatischen Tiger, für haitianische Erdbebenopfer, für die Aids-Forschung. Er stach bei einer Wohltätigkeitsauktion sogar Paris Hilton aus, um eine Chanel-Tasche für seine Mutter zu ersteigern. Nur eine Gruppe kann von ihm kein Geld mehr erwarten: Unternehmen, die ihr Geschäft mit fossilen Energien machen. „Wir müssen den Wan-del zu einer Wirtschaft der sauberen Energien schaffen, die ohne fossile Energieträger auskommt“, sagt er. „Deshalb ist es jetzt an der Zeit zu desinvestieren.“ Sein privates und das Vermögen seiner Umweltschutzstiftung zieht er deshalb aus solchen Investments ab.

DiCaprio ist der derzeit prominenteste Anhänger der sogenann-ten Divestment-Bewegung. Klimaschutzorganisationen wie 350.org organisieren seit Jahren Kampagnen gegen Erdöl-, Gas- und vor allem Kohleindustrie, die durch ihren

hohen CO₂-Ausstoß die Erder-wärmung forcieren. Anfangs be-teiligten sich vor allem Universitä-ten, Kirchen und Kommunen, die ihre Vermögensanlagen aus den

inkriminierten Branchen abzogen. Doch inzwischen hat die Bewe-gung nicht nur DiCaprio gepackt, sondern sogar die Wirtschaft selber.

„Manche Investoren auf den internationalen Finanzmärkten sind zu Recht der Auffassung, dass der Bau von Kohlekraftwerken mit einer ambitionierten Klimapolitik unvereinbar ist“, beobach-tet Ottmar Edenhofer, Klimaschutzberater der Bundeskanzlerin.

Dahinter steckt mehr als Wunschdenken bei Deutschlands be-kanntestem Kämpfer gegen die Erderwärmung.

Allein 2015 haben die Großbanken Credit Agricole, Citigroup und Bank of Amercia erklärt, keine Kohleprojekte mehr finan-zieren zu wollen. Auch der Versicherer Axa und die Stiftung der US-Milliardärsfamilie Rockefeller sagten Adieu. Norwegens Staats-fonds, immerhin 835 Milliarden Euro schwer, dürfte folgen. Der Finanzausschuss des Parlaments in Oslo hat jüngst den Rückzug des Fonds aus allen Anlagen mit fossilen Energien empfohlen. Be-troffen wären weltweit bis zu 70 Unternehmen, darunter auch die deutschen Versorger E.ON und RWE.

Wie die Atomkraft, so gerät auch die Kohle aus der Mode.

Sie gilt als dreckig, als pfui, und deshalb als tabu. Also raus aus

der Kohle! Doch was steckt dahinter? Ein Modetrend? Ein öko-logisch motivierter Wandel wie jener, der dazu führte, dass heute selbst Discountmärkte Bioprodukte in ihren Regalen haben? Es ist komplizierter.

Wenn Norwegens Staatsfonds desinvestiert, dann weil es poli-tisch gewollt ist. Das ist bemerkenswert. Denn der Staatsfonds wird gespeist durch Einnahmen aus Norwegens Öl- und Gasförderung.

Kohle aber lehnt Oslos Parlament ab. Und so wundert man sich bei einem deutschen Versorger: „Gerade die, die am meisten am CO₂-Ausstoß verdienen, machen nun auf CO₂-frei.“

Bei anderen Finanziers sind es indes sehr renditeorientierte Gründe. So begründet zwar auch die Citigroup ihren Ausstieg aus der Kohle mit Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Gleichzeitig gibt sie an, in den nächsten zehn Jahren mit 100 Milliarden Dol-lar Umwelt- und Klimaschutztechnologien finanzieren zu wollen.

Und das ist der Punkt. Die Ressourcen fossiler Energieträger sind endlich, zudem wird die Branche durch Klimaabkommen und verschärfte Gesetze immer weiter eingeschränkt. Für Finanziers heißt das: ein schrumpfender Markt. Regenerative Energien hingegen bieten dank staatli-cher Förderung hohe Margen.

Bei Insurance Europe, dem Dachverband der europäischen Versicherer, sind die Klimaziele „ein ganz großes Thema“, wie es dort heißt. Doch auch dabei geht es nicht um Political Correct-ness, sondern um unternehmerische Erwägungen. „Es ist seit ei-niger Zeit anerkannt, dass der Klimawandel für die Welt ernst-hafte Konsequenzen hat“, so Torbjörn Magnusson, Vizepräsident von Insurance Europe. Mehr und schwerere Naturkatastrophen würden die Herausforderungen, denen sich die Versicherer heute schon gegenüber sähen, noch weiter steigen lassen. Die Kalkula-tion der Branche: mehr CO₂ = mehr Erderwärmung = mehr Ka-tastrophen = mehr Kosten für die Versicherer.

Die Divestment-Bewegung erreicht inzwischen sogar die Energieversorger. So hat Vattenfall seine ostdeutsche Braun-kohle-Sparte nun offiziell zum Verkauf freigegeben. Mit Politi-cal Correctness hat das indes wenig zu tun. Die deutsche Ener-giewende mit ihrem Fokus auf regenerative Energien drückt zu sehr auf die Rendite.

Andreas Theyssen war Ressortleiter Politik bei der Financial Times Deutschland und ist Gründer der Debattierplattform Opinion Club.

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